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Schobers Dank ln Rom Ser österreichische Kanzler besucht Mussolini - Danksagung für öie Unterstützung bet »er Streichung »er österreichischen Lribute Von «nuororn Vtloner Aorrouponckonton Wie«, 8t. Jan. Am 8. Februar tritt Bundeskanzler Schober seine bereits vor der Haager Konferenz an- «cklindigte Reise nach Rom an. Zur Vorgeschichte dieser Nctse erfahren mir von bcsttnsormterter Seite: Die Ein ladung Mussolinis an Bundeskanzler Schober war bereits gleich nach Uebcrnahme der Regierung durch Schober ergangen. Es ergaben sich zwei Möglichkeiten für den öster reichischen Regierungschef. Er hätte die Reise noch vor dem Abschluß des österrcichisch-ttalienischen SchuldenabkvmmenS übernehmen können. Dann wäre die Unterzeichnung dieses sür Oesterreich so wichtigen Abkommens, das die seit der be kannten Siidttrolcr Kundgebung des österreichischen Nattonal- rats für Oesterreich verrammelte Tür zum internationalen Anleihemarkt wieder geöffnet hat, als KrSnnng des den Friedensschluss zwischen Oesterreich «nd Italien bezeichnende» Besuches Schobers in Rom erfolgt. Schober konnte jedoch wegen der zunächst dringen deren Erledigung der Versassungsrcsvrm und Vorbereitung und Teilnahme an der Haager Konferenz den Besuch in Nom erst sür jetzt in Aussicht nehmen, so das, er nunmehr ge wissermaßen als eine nachträgliche Danksagung an Mussolini, auch für die aus der Haager Konferenz Oesterreich gemährte Unterstützung Italiens, und als eine Bekundung »er wiederhergestellten guten Beziehungen -wischen den bei ten Ländern erscheint. lieber den Besuch des österreichischen Bundeskanzlers in Rom, an den sich, wie bereits gemeldet, in kurzem Zwischen» raum rin Besuch Schobers in Berlin anschließen wird, hat zwischen den Regierungen der beiden deutschen Staaten vou Ansang an die freundschaftlichste Offenheit geherrscht, «aS hier ausdrücklich betont wird. Was das politische Programm der Romreise de» Bundeskanzlers betrifft, so ist eS klar, daß sich Mussolini und Schober nicht nur über duö hoffentlich schöne Wetter unter halten werden. Es heißt vielmehr, daß während des römischen Aufenthalts des österreichischen Regierungschefs nicht nur das Reltesabkommen — es handelt sich um die sogenannten Ncliesschuldcn» die Oesterreich unmittelbar nach Kriegsende für die Hilfssendungen an Lebensmitteln und Rohstoffen dem früher feindlichen Auslande gegenüber eingehen muhte —, sondern auch alle übrigen, zwischen Italien und Oesterreich schwebenden Kragen der Vergangenheit endgültig geregelt und durch gegenseitige schriftliche Abmachungen erledigt werden sollen. ES wird in politischen Kreisen nicht als aus geschlossen bezeichnet, daß in Nom auch Möglichkeiten einer neue« politischen Orientier»«« Oesterreichs zur Erörterung gelangen. Auch WirtschaftSsragen, an denen beide Länder interessiert sind, stehen auf der Tages ordnung der Konferenz Schober — Mussolini. Da gegen sind Gerüchte, die schon von Verhandlungen über einen italienisch-österreichischen Bündnisvertrag wissen wollen, wohl tu bas Reich der Phantasie zu verweisen. Wie verlautet, wird der italienische Außen» minister Grandi noch im Februar den Besuch Schobers durch einen Gegenbesuch in Wien erwidern. Sie A«mmmistei> »Mit zum BlutvkkMkii Erneute Zusammenstöße in Hamburg Hamburg, 81. Jan. Am Kreitagmittag fand bei Sage biel eine öffentliche Erwerbslosenversammlung statt, zu der die kommunistische „Hamburger Volkszeitnng" in ihrer Don» nerstagausgabe ausgerusen hatte. Das Versammlungslokal und die ganze nähere Umgebung waren durch starke Polizei aufgebote gesichert. Die Versammlung, an der einige hundert Personen teilnahmen, verlies ruhig und dauerte bis gegen 2,30 Uhr. In, Anschluh an die Versammlung bildeten sich in den Zugaiigsstrahen kleine Ansammlungen, die jedoch von der Polizei zerstreut werden konnten. Verschiedene Rufe wie «Hoch die Sowjetrepublik", „Nieder mit den Bluthunden" wurden von der Polizei ignoriert. Verstärkte Polizeiposten patrouilliere» weiterhin durch die anliegenden Strassen. An den Kvhlhösc» waren weiterhin Ansammlungen Erwerbs loser zu verzeichnen. Später sammelten sich größere Massen an «nd strömten de» BalentinSkamp hinauf zum Holstenplatz, dem Schau» platz der gestrigen Kämpfe. Die Polizei schritt ein und wurde von den Massen mit Steinen beworfen, so daß fie von der Schußwaffe Gebrauch machen mußte. Ob Verletzte oder Tote zu verzeichnen find, steht noch nicht fest. Die polizei liche Säubernug ist noch im Gange. In der Neustadt zwischen ZeughauSmarkt und Holsten- Platz und vor allem in den Kohlhösen, wo die Stempel stellen sür die Erwerbslosen uutergebracht sind, ist nach wie vor die Spannung grob. Die Polizetbcamten werden von dem Mob immer wieder beschimpft. Kaum ausetnander- getrieben, bilden sich neue Zusammenrottungen, so dah die Polizei immer erneut einschreiten muh. Leider befinden sich unter den Ansammlungen auch viele Neugierige, darunter Frauen und Kinder, die die Arbeit der Polizei außerordent lich erschweren. Die Polizei ist jedoch vollkommen Herr der Lage. ES steht unzweifelhaft fest, bah sich augenblicklich in Ham burg alle möglichen Elemente befinden» die nichts mit der Hamburger Arbeiterschaft zu tun haben, vielmehr in den letzten Tagen von auswärts nach Hamburg gekommen find. Eine Gruppe von rund 80 Kommunisten aus Lübeck, die sich aus dem Hungermarsch nach Hamburg befand, wurde kurz vor ihrem Uebcrtritt auf preußisches Gebiet von der Lübecker Polizei angchalte» und auf Kraftwagen nach Lübeck zurückbcfördert. Nach dem Bckanntwerden der Hamburger Unruhe» in Lübeck wurde auf der Hamburg-Lübecker Land straße ei» verstärkter Etnzelverkehr bemerkbar. Osscnbar handelt eö sich »m Angehörige der KPD., die ihre Taktik scheinbar geändert hat »nd ihre Mitglieder jetzt einzeln de» Hungermarsch durchführen läht. Die Wege zwischen beide» Hansestädte» werden scharf beobachtet, so dah auch diese «Einzelgänger" rechtzeitig angehalten werden dürsten. * Bei de« Bertreterwahlen zum Deutsche« Metall» arbeiterverband in Hambn.g wurde« laut „Hamburger .Echo unter den mehr als »M Vertreter« n«r dreizehn k»m«»ntften gewählt. 3« Rann plündern rin Konilimgkfchüst Berlin» 81. Jan. In ein Geschäft der Konsumgenossen schaft Berlin und Umgebung in Lichtenbcrg drangen heule nachmittag kurz vor 4 Uhr etwa 8» junge Burschen ein und rissen etwa 20 Brote an sich. Obwohl die Täter flüch teten, gelang es dem Ucberfallkommando, drei von ihnen scst- zunehmcn. Dazu berichtet etne Berliner Korrespondenz: Infolge der Sparmaßnahmen des Magistrats sollen von jetzt ab nur noch Jugendliche bis zu 18 Jahren in den städtischen Jugend heimen Beköstigung erhalten, während bisher die Altersgrenze bis zu 21 Jahren ging. Wegen dieser Ein schränkung kam es schon am Donnerstag zu Lürmszcncn in einem Jugendheim. Daraufhin blieb das Heim am Freitag ge schlossen, und die Jugendlichen, die sich dort Essen hvlc» wollten, standen vor verschlossenen Türen. Ein Trupp von 80 bis 5 0 Burschen zog darauf nach der in nächster Nähe ge legenen Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft. Die Polizei ist gerüstet AL Sonnabenbmittag „grobe Alarmstufe" Berlin, 31. Jan. Trotz des strengen KundgcbuiigSverbots deuten alle Anzeichen darauf hin, daß die Linksradikalcn, cnt- sprcäzcnb den seit langem ausgcgebencn Parolen, den Versuch machen werde», nicht nur ihre Anhänger, sonder» vor allem das große Heer der E r w c r b s I o s c n am Dvnnabend ans die Straße zu bringen. Etne ganze Reihe von Plätzen, namentlich im Osten, im Zentrum und in Neukölln, sind aus den beschlag nahmten Klugzcttcln als Sammelplätze für Sonnabend abend All Uhr angegeben worden, und in den Ausrufen befindet sich die bezeichnende Aufforderung: „Keinen Zoll zurückweiche»!" Angesichts dieser Lage, namentlich aber auch tm Hinblick auf die letzten blutigen Krawalle tn Hamburg, sind vom Berliner Polizeipräsidium und vom Kommando der Schutzpolizei umfassende Vorkehrungen getroffen worden, um Zusammenrottungen nach Möglichkeit tm Ketin zu ersticken und die Ordnung aufrechtznerhalten. Kür die Schutzpolizei ist von mittags an die „große Alarmstufe" angeordnet worden. Patrouillenwagen und Streifen zu Pferde und zu Rad werben die für Ansammlungen in Aussicht genommenen Stabtgegendcn beobachten, damit gegebenenfalls sofort die unter Alarm stehenden Bereitschaften an den bedrohte» Punk te» eingesetzt werden können. Aushebung eines llennuuulstenlekuls Berlin, 81. Jan. Beamte der politischen Abteilung beS Polizeipräsidiums drangen heute abend gegen 0 Uhr über raschend in ein kommunistisches Verkehrölokal in der Lange straße am Schlesischen Bqhnhos ein. Es waren säst achtzig Per sonen anwesend, darunter auch einige bekannte kommunistische Führer. Sämtl'che Anwesenden wurden einer körper lichen Durchsuchung unterzogen, wobei man mehrere Dolche und Schlagringe fand. Alle Personen wurden dem Polizeipräsidium zugeführt. Lxploflon «,f einer türkischen Grube. — 1» Arbeiter ge» tötet. Bet einer Explosion auf der Zougo 1bak-Grube wurden 18 Bergarbeiter getütet und sechs schwer verwundet. Wendepunkt »ee Kommunalpolitik Mit der Wahl der Vertreter des Stadtverordnetenkol legiums in die AuffichtSräte der in Aktiengesellschaften um gewandelten städtischen Werke Dresdens hat diese neueste Entwicklung unserer Gemeindebetriebe ihren Abschluß gefunden. Es ist also jetzt an der Zeit, unbeirrt vom partei politischen TageSstrett den Ursachen und Folgen dieses in der allgemeinen Entwicklung liegenden Schrittes nachzugehen. Dresden steht mit der Umwandlung seiner städtischen Werke nicht allein. Zahlreiche andere Städte, insbesondere Berlin, Hamburg und Stettin, haben sich schon vorher zu dem gleichen Schritt entschlossen. Den Anlaß gab hierzu in allen Gemein den, auch in Dresden, die immer angespannter wer» den de Finanzlage. Sie ist eine allgemeine Erscheinung, die im Reiche und in vielen Ländern bedrohliche Ausmaße aiinahm und die durch den zentralistischen Aufbau des Finanz wesens durch die Erzbcrgersche Steuerreform sich notwendig allen Gliedern der öffentlichen Verwaltung Mitteilen mußte. Da Länder und Gemeinden seit der Revolution den größten Teil ihrer eigenen Steuerquellen an das Reich abgebe« mußten und nur im Wege des Finanzausgleichs ihren Geld bedarf nach Normen, die baS Reich einseitig sestsetzte, über wiesen bekamen, mußten sich als notwendige Folge schlechte Fliianzverhältnisse des Reiches auch auf die Länder und Kom munen übertragen. Nach dem alten Erfahrungssahe „Den Letzten beißen die Hunde" wurden die Städte das besondere Opfer dieser Verhältnisse. So kam eö zu den Finanzschwterig- kciten der beiden sächsischen Industriestädte Meißen und Glashütte und zu der Staatsaufsicht über die Spiel warenstadt Sonneber g, über Bad Frankenhausen und in milderer Form sogar über Berlin. Andere Städte» wie Breslau, gerieten in schwerste Bedrängnis und konn ten sich nur durch radikale Maßnahmen, wie Gehaltskürzun gen, vor dem Acußersten bewahren. Neben der allgemeinen Finanzkalamttät sind aber auch andere Umstände für öie Not der Gemeinden verantwortlich zu machen. Zunächst einmal bas Anwachsenber radikalen Linken in den Stadt- verordnetenkollcgien. Die unliebsame Folge waren erhöhte Ausgaben, die den Städten aus der Annahme von Agita tion santrägen erwuchsen. Hinzu kam die wachsende Belastung des Fürsorgeetats durch die Verarmung weiter Kreise in der Inflation. Ein weiteres belastendes Kapitel sind die Bestrebungen zahlreicher Kommunen mit Linksmehrheit, Wirtschaftsunternehmungen, die eigentlich der privaten Initiative Vorbehalten sein müßten, zu betreiben, ohne sie jedoch rentabel gestalten zu können. Warnend steht in dieser Hinsicht Berlin vor unseren Angen, das 70 derartige Unternehmungen bewirtschaftet und statt der erhofften Gewinne nur Millionendefizite zu verzeichnen hatte. Ja, das schließlich seinen kommunalen Monopolbctrieben den für seine Finanzen und seinen Ruf so peinlichen Sklarek- skandal zu danken hatte. Eingriffe tn die Privatwirtschaft haben sich in Dresden allerdings in bescheidenen Grenzen gehalten. Immerhin brachte der städtische Stcinbruchs- betrteb Trübigau tm letzten Etatsjahr einen Verlust von 10 000 Mark und die städtischen Güter ein Defizit von rund 68 MO Mark. Auch sie sind jedenfalls ein Zeichen dafür, daß die privatwirtschastlichc Betätigung der Kom munen nahezu stets auf Kosten der Steuerzahler geht und nur eine Belastung der städtischen Finanzen Lar- stcllt. Eine weiter« Bedrohung erwächst den Kommunen ans dem Bestreben der Länder, ihre eigene finanzielle Lage einfach da durch zu erleichtern, daß sie den Städten Aufgaben zuwetsen, die zwar erhebliche Kosten verursachen, sür die aber keine Deckungsmöglichkeit zugcstandcn wird. Insbesondere die kleineren Länder verfolgten seit einiger Zeit immer offener das Ziel, den Steuerantcil der Gemeinden noch überdies zu vermindern. Aber auch die größeren Länder blieben von ähn lichen Tendenzen nicht frei. So hat D r e s d e n in den letzten zwei Jahren 614 Millionen Mark Einnahmen durch die Kür zung seines Anteils an Ucberweisungssteuern eingebttßt. Sie hätten einen Haushaltplan ermöglicht, der ohne Defizit ab geschlossen hätte. Im allgemeinen ergibt sich, daß die größeren Länder ihren Gemeinden im Verhältnis zu den Gesamtübcr- weisungen höhere Anteile an ihren Einnahmen znkommc» lassen, als die kleineren. Am günstigsten sind die preußi schen Kommunen gestellt. Sic erhalten nahezu 50 Proz. der Retchsttberwcisungen. Ihnen folgen die sächsischen Gemeinden mit 40 Prozent und dann in weitem Abstand Thü ringens Städte mit 80 Prozent, Württemberg mit 20 Prozent, Bayern mit 25 Prozent, Hessen mit 22 Prozent und Baden mit IS Prozent. Neben diesen allgemeinen Entwicklungstendenzen, unter denen auch Dresden durch den Rückgang seines Anteils an den Netchsübcrwetsungsstcuern zu leiden hat, ergeben sich für unsere Stabt noch spezielle Ursachen für die an gespannte Finanzlage. Sie liegen in dem Ansteigen des Wohlfahrtsetats auf das Achtfache der Ausgaben von >Sl8, während die Einnahmen sich nur entsprechend der Geld entwertung um 60 Prozent erhöht haben. Insgesamt beträgt Dresdens jährlicher Aufwand sür Wohlfahrtspflege, Für sorge, Jugendgcsundheits- und Krankenpflege bet einem Ge» samtetat von 180 Millionen 42 Millionen Mark. Hinzu kommt, daß Dresdens Steuerkrast durch die Verarmung seiner groben Rentnerbevölkernng stärker gesunken ist, als die ausgesprochener Industriestädte. Die Folge Ist, baß auch sein Anteil an den NetchSsteuerüberweisungen ein Verhältnis- mäßig niedriger geworben ist, als der anderer Städte, obwohl gerade der Umstand der Verarmung der Rentnerbevülkerung