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Nummer s 2!. Mörs 1S42 Unsere Heimat veilage zum Mlgemeinea Anzeiger, Schirgiswalde Sor SorfgelchWe ova WWea. Wilthen liegt an der Eingangspforte zur Mittellausitz. Non Neukirch her durcheilt die Eisenbahn einen Nadelwald, der am Abhange des mächtigen Dahrener Berges liegt. Kaum ist dieser Wald durchquert, so zeigt sich die Ober lausitz in ihrer ganzen Schönheit: Ein weites, fruchtbares Tal, ringsum eingeschlossen von dichtbewaldeten Bergen und mitten drin das langgestreckte Dorf Wilthen. Nach Osten zu in weiter Ferner bildet der Schleifberg mit seinen Nebenberoen einen herrlichen Abschluß. Dom Dorfe Wilthen selbst ist nicht allzuviel zu sehen. Die roten und blauen Dächer lugen aus dem Grün der zahlreichen Obstbäume her vor. Wer Wilthen kennenlernen will, muß schon auf dem Bahnhofe aussteigen und ins Dorf hineinwandern. Die hübsche Bahnhofstraße führt in wenigen Minuten ins Herz des Ortes. Die anstoßenden Straßen können sich sehen lassen. Sie würden mancher Stadt zur Zierde gereichen. Die hohen Schornsteine zeigen an, daß mehrere Großbe triebe vorhanden sind. Prächtige Landhäuser wechseln mit Bauergehöften ab. Nur wenige Schritte weiter zeigt sich das alte Wilthen. Es will aufgesucht sein. An der früheren einzigen Dorf straße entlang fließt das Butterwasser. Sein Aussehen ver rät, daß es trotz seiner Jugend schwer arbeiten muß. Die Bahnhofstraße teilt Wilthen in zwei Hälften: In das Oberdorf und das Niederdorf. Hier am Dorfbach ent lang stehen ehemalige Weberhäuschen, zum Teil mit Um gebinde. Sind sie auch winzig, fo besitzen sie doch alle hübsche Gärtchen. Bachabwärts gelangt man ins Nieder dorf zum Frühlinasberge. Hier gibt es malerische Winkel genug. Auf dem Rückwege gehen wir am gewaltigen Rit- tergute vorüber, das mit seinen trutzigen Mauern an die alte Zeit gemahnt. Auf der andern Seite des Marktes, so heißt der Barbaraplatz vor dem Rittergute, grüßt das neue Wilthen: Die schönen Fabrikanlagen der großen Wein brennerei, des Monopols und der Großen Halle, ein rich tiger Stadtteil für sich. Die Eisenbahn fährt von hier täg lich viele Male mm Bahnhof und befördert die Wagen — vor allem die Tankwagen — bis in die Fabrikhöse. Der Zierplatz am stattlichen Erbgericht, die Anlagen am Hitler- denkmnl und am Lutbersteine zeiaen an. daß Wilthen be strebt ist, sich zu verschönern. Wahrlich, das Wilthener Liedel hat recht, wenn es singt: „A Wilthen, do is schiene, a Wilthen do is fein. Mir machen Scheuertüchel und guten Branntewein." Weil aber das Scheuertuchmachen und das Brannt weinbrennen noch nicht genügt, um behaupten zu können, daß es in Wilthen schön sei, singt das Lied in der zweiten Strophe, daß auch hohe Berge. Wiesen, Wald und ein schö nes Tal vorhanden sind, verweilt sich aber nicht bei dem langen Aufzählen der einzelnen Vorzüge, sondern spricht kurz und bündig: „Ba uns is alles dou!" Ja es ist wirklich alles da! Alles, was man von einem schönen Lausitzer Dorfe verlangt. Zu einem richtigen Lau sitzer Dorfe gehört vor allem auch ein sogenannter Haus berg. So hat Neukirch seinen Valtenbera, Sohland den Friedrich-August-Turm, Ebersbach den Schlechteberg usw. Wilthen kann gleich mit drei Bergen aufwarten: Dem Dahrener Berg, kurzhin Weifaer Berg genannt, dem Mönchswalder und dem Picho. Es ist schwer zu entscheiden, welcher von ihnen der schönste ist Sie sind alle gleichweit entfernt, alle drei fast gleich hoch und dichtbewaldet und jeder trägt ein geräumiges Berggasthaus. Der Fernblick von den drei Bergen ist bei jedem schön in seiner Eigenart. Ohne Zweifel: Wilthen ist ein schönes Dorf. Um so verwunderlicher ist es, daß das Wilthner Liedl im Kehr reim singt: Kommt nur her und seht euch das Dorf an! Dann werdet ihr selber sehn, daß ich euch nicht belogen habe! Was steckt dahinter? Wir brauchen gar nicht so arg weit zurückschauen in die Vergangenheit von Wilthen, um zu erfahren, Laß das ehe malige Dorf Wilthen alles andere war, denn ein schönes Dorf. Noch vor 40 Jahren hatte man keine besondere Mei nung von Milchen. Der Branntwein und die Scheuertüchel — will sagen: Packleinwand usw. — freilich wurden schon vor fast hundert Jahren in Wilthen hergestellt, aber nicht in solchem Umfange wie heute. An jene Leute wendet sich das Lied mit seinem Kehrreim, die noch das alte schlichte Dorf in der Erinnerung haben. Und das Lied hat recht. Hier hilft nichts als wie Herkommen und ansehen. Wir ha ben mehr wie ein Beispiel dafür, wie geborene Wilthener, die in der Jugendzeit in die Ferne gingen und ihren Hei matort Jahrzehnte lang nicht mehr gesehen hatten, erstaunt waren über die Veränderung, die mit ihrem Dörflein vor gegangen war. Wilthen hat sich in einem Tempo erneuert, wie es nur wenige Beispiele bei uns gibt. Es gab eine Zeit, da man Wilthen als ödes, wendisches Nest abtat. Tat sächlich war es auch lanae Zeit hindurch halbwendisch, so daß namhafte Heimatschriftsteller Wilthen als eine sorben wendische Siedlung bezeichneten. Als solches ist es in die Heimatgeschichte des Dorfes eingegangen. Nun steige man einmal auf einen der Bergabhänge hin auf, am besten am Weifaer Berge oder Picho, und schaue hinab ins herrliche Landschaftsbild. Ringsum Wald. Im breiten Tale Aecker, Wiesen, Haine und in der Mitte wie ein bunter Streifen das Dorf. Da kann man lange schauen. Und was man da unten sieht, das soll eine sorben-wendische Gründung sein? Die Slawen pflegten ihre Siedlungen in Rundlingen anzulegen. Nein, das kann keine sorben-wen dische Siedlung sein. Das ist ein bildschönes Reihendorf, wie es deutlicher gar nicht sein kann. Fast 4 Kilometer ist das Dorf lang. In früheren Zeiten, wo die Häuser nur am Butterwasser entlang standen, ist das Reihendorf sicher noch deutlicher hervorgetreten. Befragen wir die Heimatgeschichte. Was sagt sie dazu? Wilthen soll eine wendische Gründung sein. Beweis: Es hieß einmal Wjelenice und sein Gründer Wleleta. Daß das Dorf lange Zeit hindurch einen großen Teil wendische Ein wohner beherbergte, kann nicht bestritten werden. Aber rein wendisch ist Wilthen niemals gewesen. Die Wenden können ja nach dem Dorfe eingewandcrt sein. Daß sie den Ort begründet haben, ist quellenmäßig noch nicht festgestrlkt worden. Die Sache wird auch nicht glaubhafter, wenn man darauf hinweist, daß der Gründer Wleleta soviel heißt wie der Großartige, der Prächtige. Das ganz alte Wilthen ist jedenfalls alles andere, denn ein prächtiger Ort gewesen, auch nicht volkreich, wie man den Namen auch zu deuten versucht hat. Das Deuten von Namen führt! zuweilen auf falsche Wege. Die Heimatgeschichte weist darauf hin. daß das Dorf Wilthen zum ersten Male in der Grenzurkunde genannt wird (im Jahre 1222). Jedenfalls ist Wilthen aber viel älter. Vom Dorfe Wilthen ist jedoch in keiner alten Urkunde die Rede, immer nur von der Barbarakapelle oder dem Rittergut oder seinen Herren. Wie die meisten Ortsnamen, so har auch der von Wil then Wandlungen durchgemacht. Die erste Schreibweise lautet: Welenthin, Willetin, Willentein. Wildthain. Die letztere Bezeichnung gibt zu denken. Ein Heimatforscher sagt, daß das Wort soviel heißt wie Wildheim. Wildgehege. Das läßt sich hören. Das alte Dorf ist ursprünglich von dichtem Wald umgeben gewesen, nach jeder Richtung hin. Von dem Wildreichtum der Umgebung berichten verschiedene alte Schriften. Die deutsche Lesung Willentein oder Welenthin ist jedenfalls älter als die wendische. Wäre Wilthen ein grö ßerer Ort gewesen, so würde er wohl auch einmal irgendwo auftauchen. Die Quellen berichten, daß die ältesten Ein wohner des Dorfes in harter Frohn lebten. Sie waren nur