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F 252 42. Jahrgang. Sonntag, de« 27. Oktober. rBeMF^eia^ und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen Md städtische« Behörde« zu Freiberg mrd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. '/^S Uhr färben andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2S M, zweimonatlich 1 M. SO Pf. und einmonatlich 7ü Pf. Inserate werden bi» Bormittag 11 Uhr angenom- UHUHFN men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile I oder deren Raum 1b Psg. Nachbeftell«nge« 4mf die Monate November und Dezember werdet» zum Preise von 1,80 Mk. von alle« kaiser- Achen Postanftalten, sowie von den bekannten Ausgabestellen und der unterzeichnete« Expedition angenommen. Die Expedition des „Freiberger Anzeiger". Konstantinopel mit demselben Mißvergnügen. Sehr eindringlich warnt das „Journal des Döbats" den Sultan vor dem Beitritt zu dem Dreibund und bemerkt dazu, daß es der Pforte ohnehin an Freunden in Europa nicht fehle. folgen. Ein am Mittwoch von dein Präsidenten Carnot unterzeich netes Dekret beruft die französische« Kammern auf den 12. November ein. Für die jetzige Stimmung in Frankreich ist es bezeichnend, daß selbst entschiedene Radikale wie Henry Maret u. A. m. angesichts der fortgesetzten Schmähungen der Boulangistenblätter erklären, für die Einschränkung der Preß freiheit, welche der Opportunist Joseph Reinach in der Kammer beantragen wird, stimmen zu wollen. Es würde sich darum handeln, die Presse wieder unter das gemeine Recht zu stellen und die von ihr begangenen Verleumdungen und Beschimpfungen dem Zuchtpolizeigerichte zu überweisen, als wären sie mündlich auf offener Straße verübt worden. Die französischen Blätter sind wenig erfreut über die seit dem Zarenbesuch in Berlin gänzlich veränderte Sprache der rassischen Blätter und be sprechen den bevorstehenden Besuch des deutschen Kaisers in Tagesschau. Freiberg, den 26. Oktober. Der dem deutsche« Reichstage zugegangene Rechenschafts bericht über die letztjährige Anwendung des Sozialistengesetzes konstatirt eine seltenere Anwendung der Gesetzesbefugnisse. DaS Gefühl fortdauernder Beunruhigung sei von der ordnungs liebenden Bevölkerung durch die Anwendung des Gesetzes ge wichen und dasselbe habe allerdings einen beruhigenden Einfluß auf die Arbeiterpartei ausgeübt. Von einer Erneuerung der Maßnahmen habe man in Stettin sogar abgestanden, jedoch sei eine allgemeine Aufhebung des Gesetzes wegen der zunehmende« Ausbreitung der sozialdemokratischen Lehren und der noch wirk samen Organisation in der Arbeiterbevölkerung unthunuch und deshalb beantragen Preußen, Sachsen, Hessen-Darmstadt und Hamburg die fernere Giltigkeit der den „kleinen Belagerungs zustand" betreffenden Bestimmungen des Gesetzes. — Die Sozialdemokraten des Reichstages haben Tlnträge auf Aufhebung der Getreide-, Vieh-, Fleisch-, Speck-, Schmalz-, Butter-, Eier zölle, überhaupt sümmtlicher Lebensmittelzölle, eingebracht. — Bis Dienstag werden die Fraktionen des deutfchen Reichstages sich (außer Sonntags) täglich mit der Vorber'athung des Etats, des Anleihe- und des Militärgesetzcs beschäftigen, welche ihrer engen Zusammengehörigkeit halber zusammen zur ersten Lesunz,' Aus dem Castell von CaScaes ist die Leiche deS Königs Louis von Portugal am Montag nach dem Kloster der Hieronymiten zu Belem gebracht worden. Die Pwklamation des König Carlos I. machte einen sehr günstigen Eindruck. Wenn der Pariser „Figaro" in dem Umstande, daß der junge König mit der Tochter des Grasen von Paris, Prinzessin Amvlie, vermählt ist, den Keim eines künftigen Bündnisses Portugals mit Frankreich erblickt, so ist dies als reine Schwärmerei zu be zeichnen. Die jetzige Königin von Portugal ist die Tochter eines französischen Prätendenten; wie hieraus die französische Republik Vortheil ziehen soll, ist nicht abzusehen. Weit wahr scheinlicher ist es, daß Portugal sich in Afrika mit England friedlich vertragen wird, denn ungestörte ruhige Entwickelung ist es, was eS vor allen Dingen nöthig hat. Seinem Lande den Frieden nach innen und außen zu wahren, wird die selbst verständliche Hauptaufgabe des neuen Königs von Portugal sein. Von den englische« Radikalen wird alles Mögliche ver sucht, die letzten Wahlersolge der Gladstone-Partei auszubeuten. Gladstone, der vom Schlosse Hawarden auS den Wahlseldzug organisine, kielt am Mittwoch in einer zu Southport veran stalteten Versammlung eine Rede, in der er bei Besprechung der auswärtigen Angelegenheiten die türkische Mißwirtschaft in Kreta und Armenien berührte, bezüglich der inneren Frag« aber - sich außer Stande erklärte, den Plan der zukünftigen liberalen Politik darzulegen. Das Programm der liberalen Partei sei aber in den Hauptsachen schon bekannt. Die irische Frage überwiege immer noch alle anderen; die jüngsten Wahlergeb nisse hätten zugleich eine Warnung für die Konservativen ge geben und dieselben belehrt, daß England zuletzt doch die irischen Forderungen zugeben werde. Die große Mäßigung, deren sich Gladstone in Southport befleißigte, soll mit dem Bevorstehen der Parlamentswahl in Brigthon Zusammenhängen, der alle Parteien eine große Bedeutung beilegen, Am Montag Mittag statteten die Mitglieder der serbische« Skupschtina deni König Alexander einen Besuch ab, wobei der junge Monarch auf eine loyale Ansprache des radikalen Präsi denten Pasic eine mit stürmischem Jubel aufgenommene ge schickt gefaßte Antwort crtheilte. Am Donnerstag machte daS Präsidium der Skupschtina den Regenten seine Aufwartung. Die Berathung über die Adresse hat am Sonnabend in der Skupschtina begonnen. Durch die Vermählung des Kronprinzen Konstantin Von Griechenland mit einer Schwester des deutschen Kaisers und durch die Reife der deutschen Kaiserfamilie nach Athen ist daS Augenmerk der Welt wieder einmal auf das kleine Königreich gelenkt, welches im Anfang dieses Jahrhunderts bei seinem Be freiungskämpfe vom türkischen Joch die Aufmerksamkeit der ge jammten Welt erregte. Von Patras aus wurde das in den Meerbusen von Korinth einlaufende Brautschiff „Jmperatrix" mit ungeheuerem Jubel begrüßt. Bei Korinth und Kalamaki, an den beiden Endpunkten des Kanals von Korinth, waren große Ehrenpforten aus Lorbeern und Myrthen errichtet. Die Brant des griechischen Kronprinzen, Prinzessin Sophie von Preußen, wurde bei ihrem Eintreffen in Athen am Freitag Nachmittag überaus herzlich empfangen. von Württemberg wurde in Marienwahl bei Ludwigsburg am ! letzten Sonntag ein Attentat unternommen, das glücklicher j Weise erfolglos blieb. Der verhaftete Uebelthäter gab erst ! einen falschen Namen an, wurde aber als der verkommene I Sohn des 1878 verstorbenen Landtagsabgeordneten für Marbach, Eugen Müller, der Gerbergehilfe Martin Müller aus Dethlingen erkannt. Die Bevölkerung von Ludwigsburg bekundete ihre Freude über das Mißlingen des Attentats in so herzlicher Weise, daß Prinz Wilhelm tiefbewegt erklärte, diese Beweise treuer Anhänglichkeit würden das Band zwischen der Königsfamilie und dem württembergischen Volke noch mehr festigen. Im österreichische« Kaiserhaus« vollzog sich ein seltsamer Vorgang; der seit 2'/z Jahren in Ungnade befindliche Erzherzog Johann verzichtete freiwillig auf alle Rechte und Ehren seines hohen Standes, um sich seinen Lebensunterhalt als einfacher Schiffskapitän zu verdienen. Erzherzog Johann grollt seit seinem vor 2^ Jahren erfolgten unfreiwilligen Rücktritt von dem österreichischen Armee-Kommando in Linz, der eine wohl verdiente Strafe für die Unterstützung war, welche der Erz herzog ohne Genehmigung deS Kaisers Franz Joseph dem Prinzen Ferdinand von Koburg bei seiner Bewerbung um den bulgarischen Thron zu Theil werden ließ. Nachdem der jung- czechische Führer Julius Gregr am Donnerstag im böhmischen Landtage den Antrag betreffs der Krönungsadresse begründet hatte, um, wie er sagte, das böhmische Staatsrecht auf die Tagesordnung zu bringen, stellte der altczcchische Führer L. Rieger folgenden Antrag: „Obgleich wir gerechte Bedenken gegen den Inhalt, die Form, sowie bezüglich der Zeitgemäßheit der Adresse haben, betrachten wir dennoch die Angelegenheit für unser Volk als wichtig und tyeuer. Ich beantrage daher, die Adresse einer Kommission zur gründlichen Erörterung zu über weisen." Dieser Antrag wurde unter stürmischen Beifalls bezeugungen angenommen; im Uebrigen werden die Altczechen die Krönungsadresse ablehnen. Dieselben sind aber ebenso wie die Jungczecheu wenig erbaut davon, daß der dualistische Charakter der Gesammtmonarchie neuerdings ein noch schärferes Gepräge erhalten hat. In Wien und Pest haben nämlich am letzten Sonntag die Amtsblätter ein Kaiserliches Handschreiben an den Grafen Kalnoky veröffentlicht, wonach künftig die österreichisch-ungarische Armee die Bezeichnung „Kaiserlich und Königlich" führen soll. Während die österreichischen Regierungs blätter und die Czechen sich mit dieser Lösung einer alten Streitfrage wenig zufrieden erklären, erblickt die regierungs freundliche ungarische Presse darin einen neuen Beweis der wahrhaft konstitutionellen Gesinnung des Königs von Ungarn. Die ungarische Opposition will freilich trotzdem die Armeefrage nicht zur Ruhe kommen lassen und ermächtigte deshalb den Abg. Daniel Jrauyi, im Abgeordnetenhause die Versetzung des Honvedministers Baron Fejervary in den Anklagestand zu beantragen, weil er bei der Beantwortung einer Interpellation über die Monoer Fahnen-Angelegenheit für die Zulassung der schwarzgelben Fahne als Signalzeichen eintrat. Ueber diesen Antrag wird sich der ungarische Landesvertheidigungsminister lein graues Haar wachsen lassen. Da der Besuch des deutschen KaiserpaareS bei der Italieni sche« Königsfamilie theils durch eine Unpäßlichkeit der Kaiserin Augusta Viktoria, theils durch das widrige Negenwetter, sowie durch die Nachricht von dem Hinscheiden des Schwagers des Königs Humbert, des Königs Louis von Portugal, empfindlich gestört wurde, sollen die Kaiserlichen Majestäten versprochen haben, das Versäumte bei der Rückkehr von Athen und Konstantinopel nachzuholen und über Monza nach Deutschland zurückzukehren. Die Abfahrt der hohen deutschen Gäste von Genua konnte in folge des stürmischen Wetters erst am Dienstag Vormittag er- Die Woche. In Folge der Abwesenheit des Kaisers und des Reichs kanzlers eröffnete der Staatssekretär von Bötticher am Dienstag den deutschen Reichstag mit einer Thronrede, deren Wortlaut noch vor der Abreise des Kaisers nach Monza festgestellt worden war. Zu der in den einfachsten Formen vollzogenen Eröffnungs feierlichkeit hatten sich nur 56 Abgeordnete >m Weißen Saale des Berliner Schlosses eingefunden, die besonders dem die Er haltung des Friedens verheißenden Satze der Thronrede leb haften Beifall zollten, aber bei der Erwähnung der neuen Forderungen für Heerszwecke und des Sozialistengesetzes sich schweigend verhielten. Im Allgemeinen hat die Thronrede fast auf alle Parteien den gleichen Eindruck gemacht ; man freut sich über den friedlichen Schlußsatz der Rede, wenn eigentlich auch nur der Friedensaussicht für bas nächste Jahr Ausdruck gegeben wurde, steht aber dem übrigen Inhalt mit resignirter Fassung gegenüber. Vielfach wird freilich auch Bedauern darüber aus gedrückt, daß die ohnehin nicht günstige Finanzlage des Reiches durch neue Anforderungen für Heercszwecke sich noch mißlicher zu gestalten droht; auch wird mehrfach die Nothwendigkeit sorg fältigster Prüfung dieser Anforderungen hervorgehoben. Der Umstand, Laß-ganz abgesehen von einer Anleihe von mehr als einer Viertel-Milliarde, durch den Mehrbedarf für Heer und Marine die Matrikular-Umlagen um 41^/, Millionen gesteigert werden sollen, veranlaßte die nationalliberale Presse auf eine Abänderung des Etatsentwurfs in der Richtung der Beschränkung der Ausgabe-Posten und Erhöhung der Einnahme-Ansätze hin zuweisen, bewog aber auch freckonfervative Blätter, die größte Schonung der Finanzkraft des Reiches für spätere Zeiten dringend zu empfehle». Ueber den Inhalt des neuen Sozialisten gesetzes, welches die Thronrede als „zum Schutz des inneren Friedens" bestimmt bezeichnete, fehlt bis jetzt jeder feste Anhalt. In den Abgeordnetenkreisen erzählt man Folgendes über die von dem Bundesrath angenommene Sozialistenvorlage: Die Beschränkung des Gefetzes auf eine bestimmte Zeit kommt in Wegfall; die Rechtsprechung wird den Verwaltungsgerichten übertragen, bezüglich deren Entscheidung die Berufung an einen besonderen, aus neun Richtern zusammengesetzten obersten Ge richtshof erfolgen kann. Die Ausweisung ist beibehalten: dem Zectungsvcrbot muß eine Verwarnung voraufgehen. Sowohl diesem Gesetzentwurf wie auch den übrigen Vorlagen, deren Gestaltung sich nur zum kleinsten Theile übersehen läßt, stehen die Reichstagsabgeordneten und die Presse abwartend gegenüber, jedenfalls aber bezweifelnd, daß der Reichstag im Stande sein werde, die ihm zugedachten schwierigen Aufgaben in der ihm knapp zugemessenen Zeit von etwa acht Wochen zu lösen. Dem Wunsche der Reichsregierung, die letzte Session der jetzigen Legislaturperiode des Reichstages mög lichst abzukürzen, verhieß die Beschlußunfähigkeit bei den beiden ersten Ätzungen durchaus keine glatte Erfüllung. Am Donnerstag, wurden im Reichstage das Präsidium und das Bureau wiedetaewählt, wobei der Einspruch des Zentrums gegen die Zurufswahl bezüglich des ersten Vizepräsidenten einen mehrstündigen Zeitverlust verursachte. Der deutsche Reichs kanzler soll die bestimmte Absicht hegen, demnächst nach Berlin zu kommen und sich Zehhaft an den Rcichstagsverhandlungen zu betheiligen. ^Am letzten Dienstag empfing Fürst Bismarck in Friedrichsruh die Abgesandten des Sultans von Zanzibar, die ihm die Geschenke ihres Gebieters überreichten und sehr befriedigt von der zweistündigen Unterredung mit dem Kanzler nach Hamburg zuruckkehrten. Großes Aussehen erregte die mit der früheren Aeüßerung der „Nordd. Allg. Ztg." von dem „Abschluß der Aera der afrikanischen Erwerbungen" im voll ständigsten Widerspruch stehende Mittheilung des „Reichs anzeigers", daß das an der ostasrikanischen Küste zwischen der Nordgrenze von Witu und der Südgrenze der dem Sultan von Zanzibar gehörigen Station von Kismaju gelegene Gebiet unter den Schutz des deutschen Kaisers gestellt worden sei. Man geht wohl kaum fehl, wenn man annimmt, daß die neue Er werbung Deutschlands den Ausgleich für die Zugeständnisse darstellt, welche den Engländern in Ostafrika in der letzten Zeit zu Theil geworden sind. Die ans Zanzibar eingetrvsfene Nachricht, daß der Reichskommissar Hauptmann Wißmann die in das Gebiet von Usaramo eingefallenen Banden Bushiris sirückgeworsen und ihnen einen Verlust von 40 Todten beige- >rächt habe, wird vielfach dahin gedeutet, daß es sich dabei um ein siegreiches Gefecht des stellvertretenden Reichskommissars von Gravenreuth handelt, während Wißmann selbst seinen Marsch auf Mpwapwa fortseht. — Auf den Prinzen Wilhelm