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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960520019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896052001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896052001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-05
- Tag 1896-05-20
-
Monat
1896-05
-
Jahr
1896
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Ein ungeheuerer Pomp wird aufgeboten, um der Welt den Glanz und die Macht de« russischen Reiche« und des russischen KafferthumS — und in diesem Lande decke» sich beide BegrAe mehr als in irgend einem anderen Reiche der civilisirten Welt — vor Augen zu führen. Entspricht dieser Glanz auch der inneren Gesundheit und Kraft? In einem mel höheren Grade jedenfalls, al« vor 13 Jahren, da die Kaiserkrönung des Zaren Alexander III. stattfand. Damals mußte vor dem Auge des Herrschers der Geist seine« von den Nihilisten gemordeten Vater« auftauchen, und diese« Bild mußte ihn mit der bangen Sorge erfüllen, ob ihm nicht ein ebenso furchtbares Geschick bevorstände. Seitdem ist der Nihilismus zwar nicht völlig auSgerottet worden, aber er hat seine dämonische Macht verloren. Auch im Uebrigen haben sich die inneren Verhältnisse des Landes gebessert. Die Finanzlage ist eine günstigere geworden, die Industrie hat sich gehoben, gewaltige Unternehmungen, wie die sibirische Bahn, sind inS Werk gesetzt worden. Auch nach außen hin ist die Stellung Rußland- eine günstigere geworden. Es hat auf der Balkan halbinsel seinen Einfluß auf Kosten des englischen, ;um Tbeil auch deS österreichischen, gesteigert, es hat in Mittel- und Ostasten einen so erheblichen Fortschritt gemacht, daß von einer Präpotenz Englands in Asien nicht mehr die Rede sein kann, eS hat endlich durch das Bündniß mit Frankreich einen starken, militairischen, politischen und finanziellen Rückhalt gewonnen und ein um so höheres Ansehen dadurch erlangt, als innerhalb dieses Bündnisses Rußland die führende, Frank reich die Gefolgschaft leistende Macht ist. So kann Rußland das nationale Fest mit größerer Freude und innerer Zufriedenheit begehen, als im Jahre 1883. Aber auch wir Deutsche können an dem feierlichen Vor gänge einen herzlicheren Antheil nehmen als damals. Die starke Abneigung des Kaisers Alexander III. gegen Deutsch land nnd alles Deutsche war bekannt, und obwohl bei seiner Krönung zwei Jahre seit dem Regierungsantritt vergangen waren, ohne daß ein kriegerischer Conflict zwischen den beiden Staaten auSgebrochen wäre, so fürchtete man doch immer noch, daß die russische Kriegspartei die Abneigung deS Zaren gegen Deutschland ihren Zielen dienstbar machen würde. Glücklicherweise überwog die Friedensliebe Alexander s III. seinen Haß. Die Besorgniß vor Verwickelungen aber konnte während seiner ganzen Regierungszeit nicht zur Ruhe kommen. Hält nun auch sein Nachfolger an dem französischen Bünd nisse fest und will auch er vor allen Dingen Russe sein und darum dem Deutschthum in Rußland nicht den Einfluß ge währen, den es während der Regierungszeit seines Großvaters besaß, so ist er doch nicht von einer Voreingenommen heit gegen das Deutschthum erfüllt. Denn wenn er auch der Sohn der Prinzessin aus dem dänischen Königshause ist, die die Abneigung seines Vaters gegen Deutschland erweckte und nährte, so ist er doch zugleich der Gatte einer deutschen Prinzessin, der Schwager des Bruders des deutschen Kaisers. Zudem sind die politischen Bezicbungen zwischen Deutschland und Rußland wieder entschieden bessere geworden und schließ lich hat die Verstimmung, die Dank der englischen Anmaßung zwischen Deutschland und England entstanden ist — und zwar in diesem Falle in einem noch viel höheren Maße zwischen der Bevölkerung beider Länder, als zwischen den Regierungen — naturgemäß daS deutsche Volk mit etwas größeren Sympathien für den Staat erfüllt, den es mit Recht als den geborenen Gegner Englands ansiebt. Bei alledem soll natürlich nicht gesagt werden, daß die „thurmhohe" Freundschaft zwischen Preußen-Deutschland und Rußland, die in dem größten Zeiträume dieses Jahrhundert bestand, und die erst gegen Ende der siebziger Jahre einen jähen Wandel erfuhr, wiederbergestellt sei, oder von Deutsch land angestrebt werde. Der objektive Standpunkt, den Fürst Bismarck in seiner denkwürdigen Rede vom 6. Februar 1888 Rußland gegenüber vertrat („Wir wollen nach wie vor den Frieden mit unseren Nachbarn, namentlich mit Rußland, suchen," aber „Wir drängen uns nicht auf." „Wir lausen Niemandem nach'fl, dieser Standpuuct wird deutscherseils immer aufrecht erhalten werden, und wenn das Berhältniß ein wirklich herzliches werden soll, so muß Rußland die Hand eben so weit ausstrecken, als wir. Andererseits aber haben wir keine Veranlassung, ein Hehl daraus zu machen, daß uns das gebesserte Verhaltniß zwischen beiden Staaten erfreut. Darum können wir mit Sympathie an dem großartigen Feste Antheil nehmen, das für das russische Herrschrrpaar und daS russische Volk von so hoher Bedeutung ist, und auf richtig wünschen, daß eS dem russischen Kaiser vergönnt sein möge, in ruhigem Frieden daS Ansehen und die Entwicklung seines Lande« zu fördern, und daS russische Volk an den Segnungen der Cultur, der Gesittung und der Bildung einen erhöhten Antheil nehmen zu lassen nnd es dadurch der poli tischen Mündigkeit entgegenzuführen. Deutsches Reich. 6. II. Berlin, 19. Mai. Elsaß - Lotbringen hat bekanntlich in den Reichstag auch zwei Socialdemo kraten entsendet; Straßburg und Mülbausen haben zu ihren Vertretern die Herren Bebel und Bueb gewählt. Begreiflich ist es daher, wenn in den Kreisen der alt deutschen „Genossen" Verstimmung darüber herrscht, daß die elsaß-lothringischen für die socialdemokratischen Casten so gut wie nichts bcisleuern und daß nur ganz selten in den monatlichen Zusammenstellungen der socialdemokratischen Einnahmen ein einziger Posten aus dem Reichslande sich findet. Und ebenso begreiflich ist es, daß, als vor etwa zwei Monaten die elsässischen socialdemokratischen Textilarbeiter einen Streik begannen, der in Mülhausen zuerst ausbrach und dann sich weiter verbreitete, die elsässischen Genoffen an die deutschen vergebens mit der Bitte um eine Unterstützung sich wendeten. Auch der deutsche Textilarbeiterverband, dem die Elsässer bisher angehörten, blieb kühl bis ans Herz. Die Elsässer mußten deshalb zu den Webstühlen wieder zurückkehren, ihr Streik war verloren. Anstatt aber sich selbst'anzuklagen, zürnten sie den „filzigen altdeutschen Genoffen" und gaben die Parole auS: „Los vom deutschen Textilverbande!" Zu Pfingsten ist nun nach Bühl eine Versammlung der elsässischen Textilarbeiter einberufen, um die Gründung einer neuen Organisation vorzunehmen. Der Benjamin der socialdemokratischen Fraktion, Herr Bueb, hat zwar am 11. d. in Mülhausen dringend zum Frieden gemahnt und erklärt, daß der Streit zur ungünstigen Zeit ausgebrochen und ungenügend vorbereitet gewesen sei, daß man die Forde rungen zu hoch gespannt habe und daß er selbst bei reichlichen Unterstützungen hätte verloren gehen müssen; aber erreicht hat Herr Bueb nichts. Die Lanvesconferenz der elsässischen Textilarbeiter wird in Bühl stattfinden, um die eigene Or ganisation zu beschließen und eine neue Illustration zu der vielgerühmten Einigkeit der socialdemokratischen Partei zu liefern. * Berlin, 19. Mai. Die „Kreuzzeitung" will auS Artikel 3 deS Handelsvertrags mit Japan folgern, daß Deutsch land, indem eS seinen Staatsangehörigen das Recht sicherte, Wohnhäuser, Lagerräume rc. zu mietben und für Nieder- lassungs-, Handels- und Jndustriezwecke Ländereien zu pachten, durch die Festsetzung dieser Ersatzrechte auf das Recht zum Erwerb von Grundeigenthum in Japan formell ver zichtet habe. England habe daS in seinem Vertrage vermieden, und wenn Japan in den nächsten Jahren das Recht auf Erwerb von Grundeigenthum auch Ausländern einräumen sollte, so träten die Engländer ohne Weiteres in den Genuß dieses Rechtes ein, die Deutschen nach dem Wort laut ihres Vertrages nicht. Diese Schlußfolgerung ist un richtig. Die Meist begünstigungsclausel wird, sobald Japan irgend einer anderen Nation das Recht auf Grunderwcrb zustande, auch Deutschland sofort in den Mitgenuß dieses Rechtes treten lassen. Wie wenig die deutsche Regierung gewillt war, mit der Festsetzung der Ersatzrechte einen formellen und dauernden Ver zicht auf Grunderwerb ia Japan auszusprechen, erhellt auS dem von der „Magd. Ztg." angezogenen Notenwechsel zwischen dem Freiherrn v. Marschall und dem Vicomte Aoki. Es heißt in dem Schreiben des Staatssecretairs des Auswärtigen vom 4. April 1896 unter 1) „daß, wenn auch den Fremden in Japan nach den zur Zeit dort geltenden Gesetzen der Erwerb deS Eigenthums an Grundstücken noch versagt ist u. s. w." Und ebenso wird auch in der Denkschrift zu dem Handelsverträge nochmals hervorgehoben, daß eS der japanischen Regierung überlassen bleiben müsse, wenn sie mit Rücksicht auf die weitere Entwickelung deS Landes den Zeitpunkt für gekommen erachte, die Gesetzgebung in Bezug auf die Frage des GrunderwerbungSrechts zu ändern. Von einem formellen Verzicht kann also nicht die Rede sein. Daß übrigens auch die Ersatzrechte, die sich die deutsche Re gierung gesichert hat, nicht so unbedeutend sind, wie es nach der geringschätzigen Kritik der „Kreuzztg." erscheinen könnte, steht gleichfalls außer Zweifel. Das japanische Recht kennt außer der Hypothek, Pacht und Miethe namentlich noch die Superficies, welche daS Reckt gewährt, auf fremdem Grund und Boden Ge bäude oder Bäume eigenthümlich zu besitzen, sowie emphyteu- tische Nutzungsrechte an landwirtbsckaftlichen Grundstücken. Nach dem neuen japanischen bürgerlichen Gesetzbuche soll es erlaubt sein, eine Emphyteusis auf 20 bis 50 Jahre zu er werben; die Dauer der Superficies kann durch Abrede der Parteien beliebig festgesetzt werden. Miethe und Recht an Grundstücken können bis auf 20 Jahre unkündbar abgeschlossen werden; sie sind zwar an sich persönliche Rechte, dagegen können sie durch Eintragung in öffentliche Register auch dinglich gemacht werden. Es wird hiermit also den Deutschen in Japan die Möglichkeit gewährt sein, sich die Benutzung von Grundstücken für ihre Geschäftszwecke auf ausreichende Zeit zu sichern. * Berlin, 19. Mai. Vor einigen Tagen brachte die „Nation" eine auffällige Mittheilung über die Art, wie in Oberschlesien die staatliche Aufsicht über die Bergwerke auSgeübt wird. Wir haben dieselbe zunächst unerwähnt gelassen in der Annahme, daß alsbald eine amt liche Erklärung erfolgen werde. Bisher ist dies jedoch nicht geschehen; wir geben den wesentlichen Inhalt der Mit theilung jetzt wieder. In der „Nation" wurde an das bei der Faculkät schwebende Verfahren gegen den Privatdocenten vr. Jastrow erinnert, der sich nicht zu einer Entschuldigung gegenüber dem Handelsminister v. Berlepsch hat verstehen wollen, nachdem er gerichtlich wegen Beleidigung desselben ver- urtbeilt wordeu war; die letztere war darin gefunden worden, daß Jastrow die Zustimmung des Ministers im Staatsm inisterum zur Abschaffung der Bergwerksabgabe in Verbindung gebracht hatte mit der Thatsache, daß er an dieser Maßregel selbst ein materielles Interesse gehabt, weil seine Gattin zu den Erben des großen Tiele-Winckler'schen Bergwerksbesitzes in Ober schlesien gebört. Diese Erben, so wird jetzt in der „Nation" erzählt, beziehen im Revier Myslowitz-Kattowitz 5 Proc. der Bruttoförderung vom Bergbau des ganzen Reviers mit einer letztmaligen Jahreseinnahme von 698 329 I» diesem Negalbezirk liege die Kleophas-Grube, in der vor einiger Zeit das große Unglück in Folge Brandes der Wasserhaltungs-Einrichtung stattfand; und in der „Nation" wird nun behauptet, daß es für die Schutzvorricktungen in der Kleophas-Grube wie im ganzen Tiele-Winckler'schen Regalbezirk keinen staatlichen Revier-Aufsichts beamten gegeben hat, die locale Aussicht ruhe viel mehr in den Händen des herrschaftlich v. Tiele-Winckler'schen Regalbeamten. — Es darf mit der „Nat.-Ztg." erwartet werden, daß die Regierung hierüber Aufklärung giebt. V. Berlin, 19. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser begab sich am Sonntag nach Kanthen, dinirte bei dem Burggrafen zu Dobna daselbst und kehrte Abends nach Prökelwitz zurück. Am Montag früh und Abends pürsckte der Kaiser und streckte auf beiden Pürschgängen je zwei Rehböcke. Das Wetter war in Prökelwitz auch gestern noch recht kühl. (-) Berlin, 19. Mai. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht einen auS Prökelwitz vom 17. Mai datirten Erlaß deS Kaisers, der im Wesentlichen folgender maßen lautet: Anläßlich der Wiederkehr des Tages, an dem vor 25 Jahren der ruhmreiche Frankfurter Friede ge schlossen wurde, gingen dem Kaiser aus dem deutschen Vater lande von Veteranen, Kriegervereinen und festlichen Ver einigungen patriotischer Reichsbürger zahlreiche Telegramme zu, in denen der Treue gegen den Kaiser, der Freude über die großen Errungenschaften und des bedeutungsvollen Zeit abschnittes in der Hoffnung auf eine weitere friedliche Aus gestaltung der deutschen Macht und Stärke begeisterter Ausdruck gegeben wird. Vielfach war damit die Meldung verbunden, daß die Feier zugleich benutzt wurde, um die Erinnerung an jene große Zeit durch Errichtung weiterer Denkmäler für den Heldenkaiser Wilhelm den Großen und die treuen Löhne des Volkes für alle Zeiten festzuhalten. Der Kaiser war durch diese Kundgebungen herzlich erfreut und spricht allen Betheiligten auf diesem Wege seinen kaiser lichen Dank aus. Brrlin, 19. Mai. (Telegramm.) Graf Stol berg brachte im Herrenhause einen Antrag ein, die Staats regierung wolle im BundeSrathe für die Bestätigung des Reichs tagsbeschlusses, betreffend das Verbot des Termin handels, wirken. (Wiederh.) Berlin, 19. Mai. (Telegramm.) Dem Abgeord netenhaus- ist eine Mittheilung des Landwirthschasts Ministers über die Verpachtung deS Bernsteinregals an Ttantten sc Becker und über den Proceß Westphal zugegangen. L. Berlin, 19. Mai. (Privattelegramm.) Die „Nat.- Ztg." richtet in einem Leitartikel über den Streit im Eon- fccttousgewerbc „noch einmal an die Arbeitgeber, in der Voraussetzung, daß sie vor drei Monaten ehrlichen guten Willen bethätigt, nicht ein Manöver gemacht habe», um Zeil zu gewinnen, die dringende Mahnung: ihrer socialen Pflicht eingedenk zu sein, von der man sie keinenfallS los sprechen wird, nachdem in der Auffassung derselben vor wenigen Monaten die öffentliche Meinung, die Volksvertretung, die Regierungen sich geeinigt haben". (Wir haben uns vor etwa drei Wochen in demselben Sinne geäußert. Red. d. „Leipz. Tagebl.") — Im „Volk" schreibt ein schlesischer Lehrer: „Im Kreise Löwenberg steht eine Neuwahl bevor, zu der seitens der freisinnigen Partei der Rector Kopsch gegenüber dem Großgrundbesitzer Grafen Nosti- aufgestellt ist. Ich kenne den Grafen Nostiz nicht, d. h. ob er ein für sociale Reformen zugänglicher Mann ist (bester wäre eS wohl gewesen, einen Mann des Mittelstandes aufzustellen). Rector Kopsch aber ist rin Mann, dem jede Einsicht fehlt, die über den Rahmen und die An« sichten des „Berliner Tageblattes" hinausgeht. Er verdient es wahrscheinlich nicht, in den Reichstag gewählt zu werden. Es wäre nicht schwer, gegen seine Wahl anzukämpsen, auch seitens der Lehrer! Was aber wird die Lehrerschaft thun? Lieber ihn wählen, al- noch so einen verhaßten Grafen in den Reichstag zu bekommen? . . . ." „Eine reckt nette Leistung!" — bemerkt dazu die „Cons. Corresp." und fragt: „Was sagt wohl Graf v. SolmS? Lauback, das Vorstandsmitglied der Christlich-Socialen, dazu?" — Zur Lage in der Confection veröffentlicht die Fünfercommission der Arbeiter folgende Erklärung: „1) Die Confectionalre haben sich verpflichtet, bei Erkenntniß von Uebelständen irgend welcher Art für Aufbesserung bestrebt zu sein. Während des Streiks haben sie erklärt, wenn sich die Nothwendig- keit Herausstellen sollte, auch mehr als 10 Procent Lohnzuschläg, wie sie anfänglich beabsichtigten, zu bewilligen. 2) Beim Per« gleich wurden 12'/, Procent Lohnzuschlag bewilligt und der von den Confectionairen vorgeschlagene Minimaltarts angenommen. 3) In der Folge hat die Vertretung der Confectionaire nicht nur keine Stellung gegen diejenigen ihrer Auftraggeber ge- nommen, welche gegen die Vereinbarung gehandelt hatten, sondern der zweite Vorsitzende deS Vereins der Confectionaire und Mitunterzeichner des Vertrage», Herr Gollop, in Firma Leopold Pinn, ist in der Umgehung des Vertrages sofort mit schlechtem Beispiel vorangegangen. 4) Die Confectionaire verlangten vom Einigungsamt eine umfangreiche Bewei«aufnahme al» erforderliche Grundlage der Fesistellung eine- specialisirten Minimallohntariss und verpflichteten sich zum Erscheinen vor dem EinigungSamt. Sie sind aber nicht nur mit geringen Ausnahmen den Verhandlungen fern geblieben, sondern sie haben die Verhandlungen von Anfang an möglichst zu erschweren gesucht, namentlich durch ibre fortgesetzten Vertragsbrüche. 5) Bis zur Fällung de» Schiedssvru»,- waren dir Confectionaire unter allen Umständen verpflichtet, sich an den Vertrag vom 19. Februar zu halten, um so mehr, al» sich durch die Vernehmungen vor dem Wnigungsamt herausgestellt hat, daß die Etwas Lammerjager-Latein. Nachdruck vttbotea. II. (Schluß.) Man nennt die Natur zwar allgemein eine verschwenderische Mutter, die ihren Kindern mit überreichen Händen aiebt, aber daS ist auch so ein Gemeinplatz von nur bedingter Wahrbeit. Thatsächlich ist sie auf der anderen Seite eine äußerst kluge und bedachtsame Hausfrau, die unnöthige Ausgabe wohl zu sparen weiß. Und Flügel wären bei der Bettwanze wirklich eme höchst unnütze Ausgabe. Was soll sie wohl bei ihrer nächtlichen, versteckten Lebensweise damit anfangen? Sie ist an Nachtbesuche beim Menschen gebunden und damit an die Häuslichkeit und hat eS nicht nöthig in die Ferne zu schweifen und neue Heimstätten zu suchen. Die besorgt ihnen freilich unwillkürlich, aber darum nicht weniger prompt, der Mensch: Die Welt Ist wanzenlo» überall, Wo drr Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual. Aber die Bettwanze ist für die fehlenden Flügel entschädigt worden. Da e« ihr nicht leickt wird, selbst ständig bei Nahrungsmangel, wenn zum Beispiel vie Familie in der Sommerfrische ist, sich neue Hilfs quellen zu eröffnen, so hat sie die Gabe, erstaunlich lange hungern zu können. Damit kommt sie auch auS. Al« ich Student in Göttingen war, fing ich einmal ein« und that sie mit raffinirter Grausamkeit unter da« GlaS meiner Taschen uhr. „Hast du meine Nachtruhe beeinträchtigt, so sollst du auch keine Ruhe haben" dachte ich, denn daS mußte ich mir sagen, daß ein Mensch, unter entsprechende Verhältnisse ge bracht, bei den ununterbrochenen Erschütterungen und Ge räuschen, unfehlbar in nicht zu langer Zeit verrückt werden müßte. Ob meine Wanze da« wurde, kann ich nicht sagen, aber sie wurde immer Heller und Heller, wovon ich mich täg lich einige Male mit teuflischem Behagen überzeugen konnte, und nach einem Semester war sie durchsichtig wie GlaS, aber immer noch rührig und wahrscheinlich entsetzlich hungrig. Endlich nach langem, hartem Kampfe erlag sie der Auszehrung und starb nicht weit von meinem Herzen. Auch die Kälte ficht die biederen Bettwanzen wenig an, obgleich sie dem Orient entstammen. Das bat der Schwede Baron Degeer bewiesen. Dieser berühmte Entomologe that in dem auch für Schweden auffallend kalten Winter deS JahreS 1772 eine Masse Bettwanzen in rin Einmachglas und setzte dieses in eine nach Norden gelegene ungebeizte Kammer. Im andern Frühjahr stellte sich heraus, daß nur rin geringer Procentsatz sein theureS Leben eingebüßt batte. Ja, schmiegsame und biegsame, ein wenig charakterlose Leute, die sich in Alle« zu fügen verstehen und deren Gewissen ein leidlich weites ist, wenn e« sich um den lieben, eigenen Bor- theil handelt, die bringen'« am Weitesten in Osten und Westen, Süden und Norden! Die Bettwanze hat noch einen anderen schönen Vortheil — sie ist von sehr flachem, plattem Körperbau. DaS kommt ihr außerordentlich zu statten, denn nur so wird eS ihr möglich, mit Leichtigkeit in Möbel und Wandritzen zu schlüpfen und sich unter Tapeten zu verstecken. Diese LeibeSgestalt hat die Bettwanze vor den meisten übrigen Wanzen voraus, aber doch mcht vor allen: unter der Rinde abgestorbener Laubbäume unserer Wälder lebt die Sippe der Rindenwanzen (^raäus), die sind noch weit platter und können daS bei ihrer Lebensweise ausgezeichnet brauchen. Die Färbung drr Bettwanze ist nicht schön und auf fallend, e« gievt, von tropischen Formen zu schweigen, auch bei un» weit prächtigere, so die an den Stammenden alter Lindenbäume gesellschaftlich hausende Feuerwanze, stellen weise in Deutschland auch Soldate oder Dragoner (kzcrrko- eoris apterus) genannt. Die Bettwanze trägt ^in schlichtes Hauskleid, aber mit einem ganz besonderen Saft gefärbt, nämlich mit Menschenblut. Denn eigentlich ist sie nur von sehr bellgelblicher Farbe, daS weiß ich noch von meiner theuern, verhungerten Göttingerin her. Lieber Himmel, was sollte eine Bettwanze auch unter den bescheidenen Verhältnissen, in denen sie lebt, mit einer Prachtlivröe machen? Die würde nur die Aufmerksamkeit stärker auf sie lenken, und statt eines Vortheile» hätte sie lauter Ungemach und Trübsal von dem eitel» Putz und Tand. Das Auge hat also nicht viel von der Bettwanze, auch da» Ohr nicht, denn sie ist nicht musikalisch, wenigsten» nicht productiv, vielleicht aber receptiv, was ich nicht weiß. Die Nase de» Menschen kommt da ganz ander- weg, man sagt auch die Zunge. Wanzeuduft ist ein ganz eigenartiger Duft, so einer von der Sorte, bei der sich einem Herz und Magen im Leibe umdrehen. Zwar auch den Gerüchen gegenüber gilt daS Wort: cke gnstidu» non e«t ckisputauckum, und ich kenne Männer, namentlich jüngere strebsame Aerzte, die Carbol und Jodoform und, leider auch Frauensleute, die Patschouli gern riechen und denken, da« müsse ihren un glücklichen Nebenmenschen auch so gehen, aber Jemand, der das Odeur der Bettwanze geliebt hätte, ist mir in meiner Praxis denn doch noch nicht vorgekommen. Vielleicht giebt e« aber auch solche verdrehte Schrauben. Alle mir bekannten Wanzen zeichnen sich durch starke Gerüche auS, die indessen, wenigsten« für menschliche Nasen, nicht immer, wenn auch meist, widerlich zu sein pflegen. Es ist klar, daß dem Stamme der Wanzen hierdurch ein Sckutz gegen andere, insektenfressende Thiere erwächst. Freilich die Bettwanze hat den Menschen gegenüber nicht viel von ihrem Gestank, denn wir tödten sie auf alle Fälle, und wenn sie nach Veilchen und Rosen röche. Daß ein Mensch mit nor malem Verstände freiwillig Wanzen verzehren würde, ist zu bezweifeln, aber gelegentlich kommt man unfreiwillig in die fatale Lage, wenn es sich dabei auch nicht um Bettwanze» handelt. I-Sckmidt! besinne Dich! Hast Du es in Deiner Jugend nicht erlebt, daß, wenn Du m Deines Vater« Garten unberufener Weise den Himbeeren auf den Leib gingst, Du ab und zu eine auS den Mund noch schneller entferntest, als Du sie hineinprakticirt hattest? Weshalb wohl? Nicht wahr? sie schmeckte ganz abscheulich, weichlich-widerlich? Siehst Du, lieber Freund, Du hattest aus Versehen ein Individuum der zahlreichen Arten der Beerenwanzen zerkaut, nud wenn e« auch noch ganz jung und so klein war, daß man eS übersehen mußte, sein Geschmack war kräftig genug, den Ekel im höchsten Maße wachzurufen. Ich kenne aber einen Fall, daß ein Herr, und noch dazu ein sehr vornehmer, ein Prinz (der Name thut nicht« zur Sache) au« Versehen eine Bettwanze verspeist bat. Hielt da in Dingskirchen (der Name ist wieder glcichgiltig) ein naturwissenschaftlicher Verein seine Festsitzung. Danach war Festtafel, an der auch der bewußte Prinz sich betheiligte, die Suppe wird aufgetragrn, auch Durchlaucht greift zum Löffel und fängt an, den Plebejern mit gutem Beispiel voranzugehen. Auf einmal läßt er den Löffel fallen, springt auf, stürzt hinaus, und die vor dem Mund gehaltene Serviette und eigen artige, gurgelnde Tön« lassen sehr stark vermuthen, daß der prinzliche Magen rebellisch geworden ist. Die übrigen Gäste sehen sich erstaunt an, einer blickt zufällig auch auf da« Tafel tuch vor sich: „Hilf Himmel! was kraucht da und da und hier?" Wanzen, drr Tisch wimmelt von Wanzen. Wo kommen denn die her? Aufgeschaut! An der Decke exerciren sie bataillon-weise. Da» hing aber so zusammen: der Wirth des Gasthauses hatte am Tage vor der Versammlung die
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