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Nummer 102 — 26. Jahrgang t'.mal wöch. Beitl-sprel» für Mai 3,00 Mk. einschk, vcsteNgeU» An,eigenprets«:Dle laesp. Petltzeile 30^« Stellengesuche ML. Die Petitreklamezeile. 8« Milli« neter breit, 1 ^t. Offerlengebühren für Selbstabholer 20 bei Uebersenbung durch die Post außerdem vortozuschlag. Elnzel-Nr. 10 L. Sonntags-Rr. 18 Nelckäitlicker Teil: Artur Lenz in Dresden« SiüMüie Mittwoch, den 4. Mar ir^27 Im Falle höherer Gewalt erlischt lebe Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträge» u. Leistung v Schadenersatz. Für unüeutl. u. d. Hern, ruf Ubermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden volrsmümg Geschitft»ft«ll«. Dr»« a»d «»»laa- «aronln- «uchbruikeret AinvH.. Dresden-«. 1, Pölierslrak« 17. genirus 210IS. Postscheckkonts: Konkursverwalter Kleeman«, Dresden SOS«. Für christliche Politik und Kultur Redokttsn der Sächsische« MolkSzrttung DreSden-AItstadt 1, Polle,striche 17. Fernnis 20711 und 71012. China un- Indien Die Wirkung der chinesischen Einheitsbewegung — Die ungeheure Erregung in Indien Nanking Infolge der Boogäirge in Rotniking werden im- ser-e Laser gern« etwas Authentisches über diese Stabt erfahren wollen. Wir entnehmen deechach mit Genehmigung der Berlagsbuchhaiidlung Strek- ker u. Schröder in Stuttgart die nachfolgenden Aus. Wirungen aus dem reich illustrierten Buch des Hei delberger Professors Heinrich Schmitthenner „Chi nesische Landschaften und Städte". (Gebunden Mk. 12,50). Seit 1913 ist die Bahn von Schanghai über Sutschau bis nach Nanking verlängert. Bei Wuhsi treten die Berg- gruppen östlich des großen Sees noch einmal nahe an die Bahn heran. Dann verschwinden sie allmählich in dem ebenen Lande. Weit und breit dehnen sich Reisfelder und Maulbeerpflanzungen in stetem Einerlei. Es geht dein Kaiserkanal entlang, und immer wieder quert man cinmimdende oder abzweigende Seitenkanäle. Es wim melt von Leben. Kulis ziehen im Taktgeschrei schwere Boote, und blaue, weiße und gelbe Segel gleiten durch die Landschaft, schweben einzeln auf Zweigkanälen durchs Flachland und drängen sich zu einer Prozession auf dem Kaiserkanal. Allmählich tauchen niedere rund liche Berge auf, denen die Eisenbahn zustrebt. Kanal un-d Bahn treten in die niederen Höhen ein. Dann wird der Kanal gequert, und zwischen flachen Höhen hindurch erreicht man die große Stadt Tschönkiang am Jangtse. Bon hier geht die Bahn weiter bis Nanking dem Strom entktmg. Der Fluß zur Rechten ist nur selten auf Augen blicke zu sehen: aber große Segel, vom Wind gebläht, Rauchwolken und Schornsteine der Dampfer verraten seine Nähe. Nanking hat eine ganz andere, weit vornehmere Ver gangenheit als seine Nachbarstadt. Die Stadt liegt dort, ivo der Landverkehr am Unterlauf des Jangtse den letzten sicheren Uebergang hat. Schon ehe der Kaisevkanal be stand. hat diese Lage eine Rolle gespielt. Die Lage am südlichen Ufer des Stromes, der von hier an abwärts den Norden vom Süden trennt, macht Nanking zu einer südchinesischen Stadt. Nankings Bedeutung wurzelt nicht i» der Fruchtbarkeit und in dem Berkehr des kanalrei- chen Deltalandes, sondern in der Möglichkeit, von hier aus die Straßen nach Norden und Süden und den Ver kehr am mittleren und unteren Jangtse zu beherrschen. Bis 1911 war Nanking der Sitz des Bizekönigs von Liangkiang, dem die Provinzen Kiangsi, Kiangsu und Nganwei unterstanden. Die Möglichkeit, von hier aus Gebiete des ursprünglichen Chinsentuins im Norden des Stromes und weite Strecken des südlichen Koloniällandes zusummenzufasfen, hat Nanking seine große historische Rolle zugeteilt und oft zum Sitz lokaler Mächte gemacht. Für den Ausgleich zwischen Norden und Süden ist Nan king stets wichtig gewesen. Wir haben uns in Eurozm daran gewöhnt, in Nanking die zweite, die Südhaupt stadt des Reiches zu sehen. Diese Meinung ist insofern falsch, als Nanking schon seit vielen Jahrhunderten nicht mehr Hauptstadt ist. Der Name, den die Stadt bei uns in Europa trägt, ist ein historischer Name. Die Glanzzeiten Nankings sind vorüber. Die alte Pracht, die die aussteigende Mingdmrnstie hier hervor zauberte, ist durch die furchtbaren Kämpfe in der Tai- pingrevolution vernichtet worden, lind auch die Kümpfe der letzten Jahrzehnte um Staatssorm und Macht haben in Nanking furchtbare Spuren hinterlassen. Selbst der Ausbau der östlichen Nordsüdbahn Chinas, die hier der al ten Straße folgend am Pukauer Ufer auf den Jangtse austrifft und sich an seinem Südufer in der Bahn nach Schanghai, Hangtschan und Ningpo fortsetzt, hat nicht be sonders viel zu neuem Aufschwung beigetragen. Die mi litärische Bedeutung hat zu schwer auf der Entwicklung der Stadt gelastet. Und doch möchte man ihr eine bessere Zukunft Voraussagen. Die Lage an der Eisenbahn und an dem schiffbaren Strom 45» Kilometer landeinwärts, die Möglichkeit die Stadt mit großen Ozeandampfern leicht zu erreichen, und die wichtigen Wege, die von Sü den und Norden am Strome auftreffen, werden dem Ha fen von Nanking selbst dem nahen Schanghai gegenüber selbständige Bedeutung geben. Es liegt an den unruhigen Zeiten, daß der Hafen, der 1899 dem Fremdenhanüel ge öffnet wurde, nicht eine größere Bedeutung erlangte. Einst war die Stadt ein großes wirtschaftliches Zentrum. Ihre Seidenwebereien sind noch heute berühmt, trotz der furchtbaren Unglücksschläge, die Nanking im Laufe des letzten halben Jahrhunderts trafen. Als Sitz des Bizekönigs war -das Beamten- und Li teratentum in Nanking stark vertreten. Fußend auf ihrer alten Tradition als Stadt der Staatsprüfungen, die seit 1911 abgeschafft, sind, ist Nanking ein literarisches Zen trum und ein bedeutender Verlagsort. Die Universität, die die amerikanische Mission in Nanking errichtet hat, hat sich während des Krieges sehr entwickelt. Um dem amerikanischen Einfluß eiitgegenzuarbeiten. sah sich die Regierung veranlaßt, daneben eine ltantlicke Universität zu gründen Die Wiener „Reichspost" veröffentlicht eine in teressante Unterredung ihres Mitarbeiters Dr. Hermann ä B u d z is-la w s k i mit einem bedeutenden und ange- - sehenen Führer der nationalen Bewegung in Indien, Professor Maühava Panik Kar. Di« Wirkung des . chinesischen Freiheitskampses auf die Inder, die Zustände in Indien selbst und das stetig an Wachsen begriffene Selbständigkeitsgesühl eines großen, urkräftige» Volkes wird hier anschaulich dargestellt: Das modern« Indien ist von ebenso schweren Kümpfen zerrissen wie unser Erdteil: wie die Legende von dem verschla fenen, in seinen Formen erstarrten Chinesenvolk in den letzten Jahren blutig zerstört worden ist. so muß man sich auch an den Gedanken gewöhnen, daß das südliche Asien zu neuem Leben erwacht ist und sehr energisch einen seiner Menschenzahl ent sprechenden Platz in der Mitte der Völker fordert. Gerade das chinesische Beispiel Hai ungeheuer erregend auf die vielen Millionen Inder gewirkt, die allen Frei- heitskänrpfen unterdrückter Völker seit Jahrzehnten mit an gespanntester Aufinerksamkeit folge». Es ist lehrreich, mit einem hervorragenden Führer der national indischen Bewegung über die Dinge zu sprechen, die sich gerade jetzt in Asien vorbcreilen und im Laufe weniger Jahre zu folgenschweren Ereignissen »ihren können. Professor Madhaoa Panik Kar ist der Vorsitzende des indischen IournalisteiivcrlninSes: ein Man», -der zweifellos noch nicht die Vierzig erreicht hat, und dessen schönen, nach europäischer Vor stellung fast weiblich anmutigen Zügen man es nicht ansieht, was sür eine einflußreiche Stellung dieser Hindu !m bewegten in dischen Geistesleben einnimmt. Er mar der einzige hinduistische Professor an der mohammedanischen Universität Aligarh. er hat die in Delhi erscheinende große Zeitung „Hindostan Times" ge gründet und war der Chefredakteur des „Sivaraga" in Madras, der ein führendes Organ der größten indischen Partei ist. Sicherlich ist Professor Panikkar, der in Oxford studiert hat, die meisten europäisct)«» Länder Kennt und nun eine mehr wöchige Studienreise durch das ihm bisher noch unbekannte Deutschland «»tritt, einer der besten Kenner Indiens. „Indien befindet sich in einer Periode revolutionärer Umwälzungen", sagt Professor Panikkar. „Jeder Sieg einer außereuropä!sct>en Macht gegen europäische Truppen erweckt neue Hoffnungen im indische» Volk, dem es über kurz oder lang doch gelinge» wird, die englische Herrschaft abzuschiittelii. Als im Jahre 1800 Abessinier das italienische Heer bei M a s sa u a schlüge», als das östliche Insclvolk den russ!sch-s«panischen Krieg gewann, und als die Ryfkabilen den Franzosen zu schassen machten, brachen als natürliche Folge auch in Indien Unruhen aus. Es läßt sich noch nicht übersehen, in welcher Weise der indische Freiheitskamps durch die chinesischen Ereignisse gestärkt werden wird. Aber das eine ist sichern seit dem Weltkrieg hat das englisch« Ansehen so gewaltig ge litten, daß wir über dem Ziel der nationalen Befreiung alle inneren Streitigkeiten vergessen haben. Zweifellos kann Indien nicht in derselben Weise wie China vorgehe»: denn China ist völkerrechtlich ein souveräner Staat, und durch den Anschluß an Rußland ist das Reich der Mitte mit der übrigen Welt verbunden, so daß die chinesischen Heere sich ans Europa mit Gewehren. Kanonen, Flugzeugen und Munition versehe» können. Den Indern aber fehlen alle Mas sen; einst hofften wir ans die deutsche Bagdabbah», und darauf, daß diese Bahn bis nach Indien verlängert werden würde, so daß uns eine kontinentale Verbindung mit Europa Die ganze Art, Bauweise und Grundriß der Stadt, wird jeden Beschauer aufs höchste überraschen. Die hoch gespannten Erwartungen, die eine Stadt von Weltrus er weckt. werden aufs grausamste enttäuscht, denn Nanking ist nichts anderes als eine riesige Ruine. 1913 wurde dieser Eindruck noch dadurch verstärkt, baß kurz vorher die Truppen Tschang Hsüns die Stadt nach langer Bela gerung und Beschießung eingenommen hatten. Aber auch ohne abgedeckte un-d ausgebrannte Häuser, ohne die zer schossenen Tore und die Granattrichter ist die Stadt nichts anderes als ein Schatten einstiger Größe. Am Jangtse- Hafen ist Hsiakuan entstanden, eine Vorstadt, ja eine Stadt für ttck. Die Häuser hinter den Landungsbriicken dieselben Vorteile hätte verschaffen können, wie sie China durch die lange russische Grenze besitzt. Da Tibet seit 1905 rmtev englischem Einfluß steht, fehlt uns auch der Anschluß an China. Unsere einheimischen Soldaten stammen nicht aus der Mitte des Volkes, sondern gehören säst ausschließlich den Stämmen der Sikhs und der Gurkhas an, die von allen Indern verachtet werden, und die zusammen mit einer kleinen Schicht reicher Leute die einzigen Stützen der englischen Herr- schaft in Indien darstellen. Dazu kommt, daß die Ar tillerie nur englische Soldaten besitzt, und daß die einheimische Infanterie und Kavallerie von britischen Offi zieren befehligt wird. Im Weltkrieg hat man uns versprochen, auch Inder zu Offizieren zu befördern. Me man dies Ver sprechen gehalten hat? Jedes Jahr werden ganze zehn Inder als Offiziere in die Truppen ausgenommen. Aber dieser militärische Druck wird bestimmt nicht ausreichen, 325 Millionen Inder aus die Dauer von einigen tausend Eng ländern beherrschen zu lassen." Professor Panik-Kar hat mehrere Jahre mit Mahatma Gandhi zusammengearbeitet und glaubt, daß es noch andere Waffen als Kanonen und Giftgase gibt, um ein Volk zu befreien. Er tritt mit Gandhi für eine Art passiven Widerstandes ein und empfiehlt, daß in China erprobte Mittel des wirtschaftlichen Boykotts auch in Indien anzuwenden. Eine iveitere Waffe von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der sogenannte „vivil diso- zu unterschätzender Bedeutung ist der sogenannte „civil diso- besteht, daß man alle Anordnungen der britischen Negierung unbeachtet läßt, keine Steuern zahlt und ruhig jede Strafe auf sich uiuuut. die die Regierung über die Ungehorsamen verhängt. Um aber uns diese dem abendländischen Denken so fremde Weise die Unterdrücker au der Ausübung der Regierungsgewalt zu hindern, muß das ganze Volk einig sein. „Besser als alle Wahlstatistiken beweist die Entwicklung der Presse, welche moralischen Fortschritte die indische Freiheitsbewegung gemacht hat. Vor 25 Jahren waren die meisten Zeitungen in englischen Händen. Htute ist die britische Presse aus Indien säst ver schwunden. und die wenigen britischen Blätter werden nur von den englisclM Kanfleuteu und den Behörden gelesen. In Kal kutta gab es früher vier eikglische Zeitungen, van denen heute nur »och „The Statesmau" besteht, während die übrigen Blät ter ausgekaust und zu natio»al-indischz>n Organen umgestnltet worden sind. — Der Wunsch, das ganze Volk sür die nationate Bewegung zu gewinne», hat auch zur Ausrollung der sozialen Frage geführt. In der hiuduistischen Kasteneinleiluug bilden die Parias, die sogenannte „Untouchiabtes". die unterste Schichte. Ein ..Untouchable", ein „Uuberührbarer", war bisher von der Gemeinschaft des übrigen Volkes völlig ausgeschlossen. Die Parias durften bestimmte Wege nicht betreten, die öffentlichen Schulen blieben ihren Kindern verschlossen, und in einigen Landschaiten war es ihnen verboten, sich den übrigen Hindus bis aus eine Entfernung von 60 Aard zu nähern. Um diesen Etnieörigungen zu entgehe», traten viele Parias zum Islam und zum Christentum über", sagt Professor Panikkar. „Aber unier der Führung von Madhavean haben sich diese 50 Millionen Entrechteter zusammengeschlossen und langsam eine freiere Stellung erkämpft. Wenn es gelingt, das beengende Kasten wesen gänzlich zu modernisieren, wird das indische Volk so ge- scli-rossen dastehen, daß es ebenso wie di« chinesische Ration sedem Imperialismus Trotz bieten kann." der verschiedenen Dainpsschifsahrtsgeseltschaften »üt La gerhäusern, Geschäftsgebäuden und Fabriken haben ganz europäischen Stil. Hier liegen die Seidenspinnereien und Webereien, die wieder Bedeutung erlangt Haben. Auch die Rüben, die in der Umgebung der Stadt in großem Maße angebant werden, gehen von hier aus iu gesalze nem Zustand, wie unser Sauerkraut, in den innerchine sischen Handel. Im Handel des Hafens sind vor allem der Transit roher .Häute, die aus Norden und Osten kommen, und die Boumwolle aus Hupe von Bedeutung. Drunten in der Stadt muß sich in ruhigen Zeiten ein buntes Leben drängen. Die Wirren hatten aber 1913 die friedlichen Bürger vertrieben. Die guten Gesclzäste wa-