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Wochenblatt Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. für Reichenvmnd, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. X- 33. Sonnabend, den 17. August 1807. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition <Reichenbrand, Pelzmühlenstraße 47V), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 10 Psg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Anzeigen-Annahme bis spätestens Freitags nachmittag 5 Uhr. Allen Vereinen und Privatpersonen wird hiermit für die außerordentlich wertvollen Geschenke, welche aus Anlaß der Weihe des neuen Schul hauses der hiesigen Schulgemeinde gestiftet worden sind, der herzlichste Dank ausgesprochen. Rabenstein, am 15. August 1907. Der Schulvorstand. Fr. Schmidt, Vorsitzender. Bekanntmachung. Gefunden wurde 1 Kinderstrohhut, 1 Paket weiße Wäsche, 1 Portemonnaie mit Inhalt und 1 Schlüssel. Verloren wurde 1 silberne Damenuhr, gez. R. IV. und 1 goldenes Armband. Rabenstein, am 16. August 1907. Der Gememdevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Es wird zur Kenntnis gebracht, daß die Gemeindeanlagen-Reste vom 1. Halbjahr 1907 am 13. August 1907 dem Bollstreckungsbeamten zur Einziehung übergeben worden sind und daß die Bezahlung dieser Reste und der geordneten Gebühren nur an diesen zu erfolgen hat. Der Bollstreckungsbeamte expediert jeden Wochentag von 8 bis 10 Uhr vormittags und 2 bis 3 Uhr nachmittags im Rathause. Rabenstein, am 16. August 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Am 15. dss. Mts. war der 4. Termin der Gemeindeanlagen und des Schulgeldes für das lausende Jahr fällig. Derselbe ist bis spätestens zum 15. September 1907 an die hiesige Gemeindekassenverwaltung abzuführen. Es wird dies mit dem Bemerken bekannt gemacht, daß nach Ablauf dieser Frist gegen Säumige das Mahn- bez. Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet werden wird. Neustadt, am 16. August 1907. Der Gemeindevorstand. I- V.: Gerber, II. Gem.-Aelt. Die Sparkasse zu Neustadt unter Garantie der Gemeinde verzinst Einlagen mit 3 Vs "/o- Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinsung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8—12 Uhr und nachmittags von 2—6 Uhr. Durch die Post eingehende Einlagen werden sofort expediert. Bericht über die Sitzung des Gemeinderates Siegmar am 14. August 1907. Vorsitzender: Herr Gemeindevorstand Klinger. Nach Vornahme der Nachschätzung zugezogener Personen zu den Tcmeindeanlagcn wird Kenntnis genommen von der erfolgten An lieferung und Prüfung der mechanischen Schieberleiter zu Feuerlösch zwecken. Zu einem vorliegenden Schankkonzessionsgesuche wird die Bedürfnisfrage bejaht und ein Baudispensationsgesuch befürwortet. Bon der erfolgten baupolizeibehördlichen Festsetzung der Stratzen- und Baufluchtlinien der projektierten Straße Nr. 32 in der Flur Siegmar wird Kenntnis genommen. Den Anliegern der Larola- UNd Amalienstraße wird die nachgesuchte Uebernahme dieser Straßen w Gemeinde-Unterhaltung bedingungsweise in Aussicht gestellt. Kenntnis genommen wird von einem Dank-Telegramm an den Vor- ßtzmden bei Uebernahme der Wasserleitung in Schönau. Der Be- triebsbertcht des hiesigen Elektrizitätswerkes pro Monat Juli d. I. wird entgegengenommen und verschiedene angemeldete Neuabschlüsse werden genehmigt. Von der erfolgten Vergebung der Accumulatoren- datterie für das Elektrizitätswerk zu dem vereinbarten Preise wird Kenntnis genommen. Bezüglich der Wiederbesetzung der 3. Schutz- wanns- und Rathaus-Hausmanns-Stelle werden 5 Bewerber in die ckgere Wahl gezogen. Die Verwaltung der durch den Weggang des bisherigen Inhabers freiwerdenden Gemeindekassierer-Stelle wird dem Aigen Gemeindekassenkontrolleur Falkner unter Zubilligung einer Gehaltszulage übertragen. Die Verwaltung der Gemeindekassen- »ontrolleur-Stelle wird dem Sparkassenexpedient Naumann unter Gehaltserhöhung übertragen. Die dadurch freiwerdende Sparkassen- Fpedienten-Stelle überträgt man unter Gehaltsaufbesserung dem Meldeamtsexpedienten Taubert. Die Stelle des Meldeamts- fkpedienten wird zur Ausschreibung gebracht. Von dem erfolgten Abgänge eines Kopisten wird Kenntnis genommen. Oertliches. Rabenstein. Begünstigt vom schönsten Wetter verlief die Weihe der neuen Schule in wohlgelungenster Weise. Lhoral- blasen vom Turme der Schule leitete am Morgen das Fest ein. der Mittagsstunde sammelten sich Kinder und Erwachsene an der °bern Schule zum Festzuge, der sich dann durch den ganzen Ort be wegte. An der unteren Schule wurde Halt gemacht. Herr Ober lehrer Schön h err nahm in einer packenden Ansprache Abschied von der alten Schule. Hierauf zog man zur neuen Schule. Nach einem Lhoralgesang überreichte Herr Architekt Kunz von Chemnitz dem Vertreter der Königlichen Bezirksschulinspektion Herrn Or. Iani den Schlüssel zum neuen Schulgebäude. Herr vr. Jani übergab ihn Unter einer Ansprache dem Vorsitzenden des Schulvorstandes, Herrn Aittergutspachter Schmidt, worauf dieser unter sinnreichen Worten die Schule öffnete. Dann erfolgte der Einzug in das prächtige Ge bäude. Die Oberklassen und die erwachsenen Teilnehmer des Fest- iuges begaben sich in die Turnhalle, die zu festlichen Versammlungen dienen soll. Dort weihte Herr Schulrat Richter in inhaltsreicher Und ergreifender Rede die neue Schule zu einem Tempel wahrhafter Religiosität, zu einer Pflegstätte bürgerlicher Tüchtigkeit und zu einem Mare nationaler Gesinnung. Herr Gemeindevorstand Wilsdorf brachte der Schulgemeinde die Glückwünsche des Gemeinderates und übergab der Schule im Namen der beteiligten Behörden und Vereine Me Anzahl prachtvoller und kostbarer Bilder. Auch die Kirch- Semeinde ließ durch Herrn Pfarrer Weidauer und die Lehrerschaft durch Herrn Hartmann sinnigen Bildschmuck überreichen. Herr Fabrikant H. Barthel übergab als Geschenk einer geselligen Ver enigung der Schule ein kostbares Harmonium. Im ganzen erhielt die Schule als Wandschmuck für Zimmer und Korridore 21 Bilder und eine Büste Jahns. Nachdem noch Herr Rittergutspachter Schmidt als Vorsitzender des Schulvorstandes dem Dank der Schulgemeinde Ausdruck verliehen hatte, sprach Herr?. Weid au er das ergreifende Weihegebet. Mit dem Schlußgesange „Wir treten ihm Beten" schloß die erhebende Feier. Hierauf erfolgte die Be sichtigung der Schule, die in allen ihren Einrichtungen und Anlagen zur Zeit allen Schulen des Chemnitzer Bezirks vorangestellt werden bann und der Gemeinde Rabenstein ein rühmens- und nachahmens wertes Zeugnis größter Opserwilligkeit auf dem Gebiete des Schulwesens Asstellt. Die Kinder waren unterdessen in ihren Schulzimmern mit Speise und Trank bewirtet worden, erhielten Erinnerungsbecher und Karten für freie Fahrt auf der Reitschule. Am Abend fand im Gasthofe zum goldnen Löwen ein gutbesetztes Festmahl statt, an welchem dieVertreter derBezirksschulinspektion, Herr Schulrat Richter und Herr Regierungsrat vr. Jani, die Ortsbehörden, die Lehrer schaft, die bei dem Bau betätigt gewesenen Baugewerke u. s. w. teil nahmen. In den zahlreichen begeisterten Ansprachen kam immer wieder die Freude über das wohlgelungene Werk des Schulneubaues zum Ausdruck und jedenfalls dürfte auch die Lehrerschaft freudig auf den Weihetag zurückblicken, da doch jedem ständigen Lehrer eine Festgabe von 100 Mark zuteil wurde. Auch das Festmahl löste bei den Teilnehmern allseitige Zufriedenheit aus. Die ungezählten Menschenscharen, die im Gasthofe zum weißen Adler und bei der Reitschule sich zusammenfanden, waren ebenfalls freudigst bewegt. So wird diese Schulweihe allen Teilnehmern in erhebender und er freuender Erinnerung bleiben. Neustadt. Am 5. dss. Mts. nachmittags fand die Übernahme der von dem Ingenieur und Tiefbauunternehmer Carl Jensen-Freiberg für den hiesigen Ort erbauten Hochdruckwasserleitung statt. Nachdem die Herren vom hiesigen Gemeinderat mit dem Erbauer und Herrn Ingenieur Estel-Freiberg die Leitungsstrecke abgegangen waren und Besichtigung des Hochbehälters stattgefunden hatte, übergab Herr Jensen das Werk der Gemeinde. Herr Gemeindevorstand Geißler übernahm solches hierauf unter -dem Ausdrucke des Dankes für die schnelle und sorgfältige Ausführung des gut fungierenden Werkes. Im hiesigen Gasthofe schloß sich der Übernahme eine kleine der Sache entsprechende Feier an. Die Selbständigkeit der hiesigen Gemeinde ist dadurch insofern wieder um ein Bedeutendes gehoben, als sich das gesamte Wasserwerk einschließlich der Quellfassung, welche auf Neukirchner Flur liegen, wie auch der Hochbehälter sich im Eigentume der Gemeinde befinden. Das Wasserwerk wird in der Ära der wirtschaftlichen Entwickelung Neustadts, welche durch die Aufschließung des an der Lhemnitz-Hofer- bahnlinie angrenzenden vorteilhaft gelegenen, bedeutenden Ritter guts-Areals zur Erbauung von Fabriken mit Bahnanschluß, sowie Wohnhäusern, in neue Bahnen geleitet ist, zur Erweiterung des Ortes wesentlich beitragen. Kettlerinnen, Plätterinnen, Repassiererinnen, Besetzerinnen, Ausstotzerinnen, sowie Mädchen für leichte Handarbeiten sucht sofort bei höchsten Löhnen Reichenbrand. Benita — die Gesegnete. Originalcrzählung von Freifrau G. v. Schlippenbach. (Fortsetzung) (Nachdruck verboten. „Ich möchte sehr gerne einige graue Haare und Runzeln haben, dann hättest du mehr Respekt vor meinen ehrwürdigen neunzehn Jahren und könntest mich nicht mehr kleines Mädchen nennen. Siehst du, ich bin saft so groß wie du!" — Sie reckt sich zu ihrer ganzen schlanken Höhe auf, und obgleich sie auf den Fußspitzen balanciert, reicht sie ihm doch nur bis zur Schulter, denn der Freiherr hat eine wahre Recken gestalt, und in dem lczten Jahre hält er sich wieder stramm und militärisch, „um dem Taugenichts zu imponieren," sagt er lächelnd zu seiner Frau, „sie wächst mir sonst ganz über den Kopf." Er beugt sich nieder und drückt die Lippen auf ihr Haar: „Nun lauf zur Tante und laß mich endlich in Frieden, Wildfang," sagt er zärtlich, „bringe doch Harald mit, er kann uns begleiten!" Sie hüpft munter hinaus und findet Frau von Staniß, Lina und ihren Pflegebefohlenen im Garten damit beschäftigt, die ersten Veilchen auf der sonnigen Terrasse zu suchen. Die Generalin ist eine andere, seit die verwaisten Geschwister unter ihren mütterlichen Flügeln leben, sie sieht zufrieden aus und ihr feines Gesicht hat sich gerundet, ihre einst traurigen braunen Augen blicken freundlich und klar und ihr Gatte ist sehr glücklich über diese Veränderung. Sie sind seit sechs Wochen wieder daheim in Klampo, nachdem sie den Herbst und Winter auf Reisen zugebracht haben. Benita hat die herrlichsten Gegenständen Deutschlands kennen gelernt und mit ihren Pflegeeltern einige Monate in Nizza verlebt, dann kehrten sie über Wien und München nach Hause zurück und sind jetzt von Ende Februar an hier. Sie hat das niedrige, alte Haus schon lieben gelernt, seine dunklen Korridore und steilen Treppen sind ihr bekannt und traut, als sei sie ihr Leben hier gewesen, und ihr munteres Lachen weckt wieder wie einst das Echo in denselben, das seit dem Tode Gertas und ihres Bruders verstummt war. Die Sonne des Südens hatte beiden Geschwister unendlich wohlgetan. Während Harald groß und kräftig geworden ist, hat sich die Schönheit seiner Schwester herrlich entwickelt. Ihre schmächtige Gestalt ist trotz aller Schlankheit von schönstem Ebenmaß und zartester Rundung, das holde Gesicht ist leicht angehaucht, wie das Innere einer rosigen Muschel, und der Ausdruck sonnigster Fröhlichkeit breitet sich über ihr Wesen. Sie hat an Sicherheit im Benehmen und Auftreten zugenommen und sieht in den tadellos sitzenden, geschmackvollen Toiletten aristokratisch und vornehm aus. Die Salons des Generals öffneten sich in Nizza^gastfrei und wurden bald der Sammelpunkt der dort lebenden Aristokratie; denn das schöne blonde Mädchen war der Magnet, der sie füllte. Ein österreichischer Graf und ein italienischer Marchese hatten um ihre Hand angehalteu und sie hatte beide Male „Nein" gesagt. Ihr Herz war noch frei und trotz ihres Glückes vergaß sie nie den tiefen Schatten, der ihren« Namen anhaftete. Die Liebe zu ihrem Bruder, die neuen innigen Bande, die sie geschlossen, füllten ihre Seele so vollständig aus, daß sie meinte, keiner anderen wärmeren Neigung zu bedürfen. „Nita, sich' doch, wie Lord über meinen Stock springt", ruft Harald lachend, als sie die Briefe abgeliefert hat, „hopp Lord — hopp, mein gutes Tierchen! Lina will jetzt gar nicht mehr mit mir laufen und spielen," fährt er schwatzhaft fort, „und neulich, als ich sie bat, nur einmal zu versuchen, über den Stock zu springen, sagte sie, ich sei ein naseweiser Bube!" Die Zumutung ist allerdings recht gewagt, denn die Alte ist unterdessen kugelrund geworden und sieht wie das Bild der Behäbigkeit und Zufriedenheit aus. Benita muß gewaltsam ein herzliches Lachen unterdrücken bei dem Gedanken an Lina und den Stock, «ie faßt des Knaben Kinn und sagt, ihn ernst aublickeud: „Schäme dich, Harald, so etwas vorzuschlagen, deine alte gute Lina kann doch nicht wie Lord behandelt werden." Er senkt beschämt den hübschen dunklen Lockenkopf; denn er hängt mit unsäglicher Liebe an seiner Schwester und ein mahnendes Wort von ihr macht ihn gefügig. „Komm, Liebling," sagt sie, „wir gehen zum Onkel, er will uns etwas schönes zeigen!"