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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das »Ailsdruster Tageblatt" erscheint an allen Merdingen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis manattich 2 — «M kre, Haus, bei Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Bpfg. Alle Postanftalien und Post- jedcr,eitD-st-^ungen7n^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Agel^Im Falle'^ Gewalt, od. sonstiger Betriebsstörungen besteht /Kern Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung -mgcsandtcr Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beilieg». alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegendem Tarif Nr. 4. — Nachweisungs-Gebühr: 20 Rpfg. — Vorgeschriebene Erscheinunystage und Platzvorschristen werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzeigen -Annahme bis vormittags 10 Uhr. c». a/^Für die Richtigkeit der durch Fernruf ubcrm^. Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr.Mv'-l Anle gen üderne^. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 195 — 94. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 22. August 1935 Rundfunk, MWnstmment und Schallplatte. Der Rückgang des Absatzes von Schall- platten hat in den letzten Jahren interessierte Kreise simmer wieder dazu veranlaßt, nach dem „Schuldigen" zu suchen. Die Versuche, den Rundfunk dafür verantwortlich zu machen, sind dnrch das kürzlich ergangene Gerichtsurteil im „Schallplattenkrieg" im wesentlichen gescheitert. Es gelang der Schallplattenindustrie nicht, sich durch Lizenzen am Rundfunk für den Gewinnrückgang schadlos zu halten. Dr. Goebbels betonte in seiner Ansprache anläßlich der Eröffnung der diesjährigen Rundfunkausstellung, daß es nicht mehr für angängig betrachtet werden könne, daß jede Handreichung, die man dem Volke leiste, wenn sie sich nicht schon an sich bezahlt mache, noch einmal besonders bezahlt werde. Ähnliche Vorwürfe, wie sie von der Schattplatten industrie gegen den Rundfunk erhoben werden, wurden einstmals von den Musikinstrumentenherstellern ebenso gegen die Schallplatte gerichtet. Gerade die aufblühende Sprechmaschinenindustrie wurde für den Absatzrückgang der Musikinstrumente verantwortlich gemacht. Es hat sich aber gezeigt, daß das Abflauen des Schallplattenabsatzes keineswegs zu einer Belebung des Jnstrumentcnhandels geführt hat. „Der Deutsche Volkswirt" nimmt in einer interessanten Abhandlung zu dem Problem Stellung, wobei besonders die ökonomischen Grundlagen berücksich tigt werden: „Nachdem in einem unerhörten Aufstieg vor noch nicht zehn Jahren d i e S ch a l l p l a t t e mit der Um stellung aus das elektrische Aufnahmeverfahren zur Mode industrie geworden war, folgte ein ebenso rapider Absturz. Die Sprechmaschinenindustrie verschwand vollkommen. Die Kofferapparate — die sich bezeichnenderweise allein als Sport- und Reisebegleiter erhalten haben — werden von der Schallplattenfabrikation selbst hcrgestellt. Im übrigen aber ist an die Stelle der Sprechmaschinen der P l a t t e n- fpielerals Zusatz- oder Kombinationsgerät zum Rund funkempfänger getreten. Dieser Schrumpfungsprozeß trifft die Schallplatten industrie in mancher Beziehung vermutlich fast schwerer als den Instrumentenbau. Die kapitalintensive, mechani sierte Schallplattenherstellung ist viel unbeweglicher als das arbeitsintensive Jnstrumentenhandwerk. Diese Ver schiedenheit im Kapitalanfbau zeigt sich auch in der Kon struktur der Branche. Während in der Musikinstrumenten industrie Konzernbildung (und heute auch Kartelle) völlig fehlen, sind alle Schallplattenfabriken Glieder großer internationaler Konzerne. Kennzeichnend für die gegenwärtige Situation ist die Lage der beiden größten deutschen Schallplattengesellschaften. Lindström und Gram mophon, die trotz mehrfacher Sanierungsversuchs 1931 wieder mit Verlusten abgeschlossen haben, und es scheint ausgeschlossen, daß die Schallplattenindnstrie in ihrem ganzen Umfange wieder rentabel wird. Auf diesem ökonomischen Hintergrund ist der „Schall- plattenkrieg" entbrannt. Ursprünglich hatte die Schall plattenindustrie in der vermehrten Sendung die wesent liche Ursache für den Rückgang des Plattengeschäfts ge sucht. Der Streit um die Schallplattensendung im Rund funk, der fast in allen europäischen Ländern entbrannte, wurde in Deutschland zunächst 1930 vorübergehend über- llrückt. Jetzt ist eine Klage von der Schallplattenindustrie in erster Instanz im wesentlichen verlorengegangen. Die juristische Seite rührt dabei an entscheidende Grundpro bleme des Urheberrechts. Aber der ökonomische Effekt der juristischen Auseinandersetzungen dars nicht überschätzt Werden. Die Abführung einer Lizenzgebühr des Rund funks für die Schallplattensendung würde zwar eine zu sätzliche Einnahme bedeuten; aber der Schaden, den das Schallplattengeschäft tatsächlich oder vermeintlich durch die Rundfunksendung erleidet, wird dadurch wieder ausge glichen. Denn das Schallplattendebacle ist ebensowenig eine alleinig e Folge der „R a d i o m u s i k", w i e d e r Z u s a m m e n b r u ch d e s KlavierbauesdurchdieSchallplatteverur- sach 1 ist. Im ersten stürmischen Ausstieg ist ganz offen sichtlich der Entwicklungsstand der Schallplatte über schätzt worden, die Industrie ist übersetzt, und diese überkapazität macht sich heute mit der Wandlung des Musiklebens doppelt geltend. Aber es wäre übertrieben, von einem Ende der Schall platte zu sprechen. Die Reproduktionstechnik in Form der heutigen Schallplatte ist freilich überholt, das Phono- gramm wird sich behaupten, weil es Aufgaben erfüllt, die sonst nicht gelöst werden können; cs bewahrt die Darbie tungen berühmter Künstler, die der Rundfunk nur ver breiten kann; es ist mit dem Tonfilm das Konservierungs mittel sür die Zeit. Und auch für den verfeinerten Musik- konsum bleibt dem Phonographen eine große Zukunfts aufgabe. Er wird überall dort über die Radiomusik trium phieren, wo persönliche Neigungen die Richtung des Geschmack bestimmen; der Rundfunk unterwirft die Hörer seinem Programm, die Schallplatte ist dem Pro gramm des Hörers unterworfen." PMjsclm ffoMeirieb in London. Abessinienkonsiik- sühri zu engttsch- italienischer Spannung. England und Italien rüsten auf — Kampf um die M i t t e l m e e r h c r r s ch a s t? An der Abessinien-Sitzung der eng lischen Regierung nehmen alle 22 Mit glieder des britischen Kabinetts teil. Der Auswärtige Ausschuß der englischen Regierung hielt bereits zur Vorbereitung der Vollsitzung des Kabi netts eine Beratung ab. Bei der ernsten Auffassung, die in amtlichen englischen Kreisen über die Zuspitzung des Abessinien-Konflikts herrscht, ist weniger die Tatsache eines völligen Zusammenbruchs des Völkerbundes als vielmehr die Befürchtung maßgebend, daß Groß britannien in einen Krieg mit Italien Hineingetrieben werden könne, wenn Frankreich sich nicht zu tatkräftiger Unterstützung des englischen Standpunktes entschließen könne. Die englische Presse ist der Ansicht, daß Mussolini bestrebt sei, England offen die Vor herrschaft im Mittelmeer streitig zu machen. Gleichzeitig erwartet man in Ostafrika ein „italienisch-englisches Faschoda", dessen Auswirkungen für ganz Europa ver- bängnisvoll sein müßten. Ter Bevollmächtigte Musso linis, Baron Aloisi, soll dem englischen Minister Eden in Paris mit nüchternen Worten erklärt haben, daß Italien den Vertrag von 1923 und damit die eng lische Interessensphäre um den Tanasee und die Nil quellen nicht mehr anerkennen werde. Von englischer Seite sei kein Zweifel darüber ge lassen worden, daß die italienische Jrwasionsarmee sich beim Eindringen in dieses abessinische Gebiet eng lischen Bataillonen gegen über sehen werde. Mussolini sei davon verständigt worden, hätte aber diese Drohung in den Wind geschlagen. Man nimmt daher in London an, daß die eng lische Regierung eine Erhöhung der englischen Streitkräfte zur Erde, zu Wasser und zur Luft be schließen wird. Die englische Regierung wird ferner eine Aufhebung der Wasfensperre beschließen, unter der nur Abessinien zu leiden hat. Eine englische Waffenausfuhr nach Italien hält man praktisch in London nicht für möglich, im Hinblick auf die politischen Span nungen und auf die immer mehr steigenden Zahlungs schwierigkeiten Italiens. Schließlich wird die englische Regierung die l Schließung des Suezkanals für die italienischen Schiffe erwägen. Eine Einberufung des englischen Parlaments Wird in London nicht vor der Beendigung der September tagung des Völkerbundsrates sür notwendig erachtet. Der englischen Kabinettssitzung gingen Besprechungen zwischen dem englischen Ministerpräsidenten Baldwin, seinem Stellvertreter MacDonald, dem Unterstaats sekretär des Äußern Sir Robert Vansittart, Sir Austen Chamberlain und dem australischen Oberkom missar Bruce, der australischer Vertreter im Völkerbund ist, voraus. MacDonald hat erklärt: „Ich sehe die gegenwärtige Lage als das ernsteste Problem an, das Eng land seit 1914 zu lösen gehabt hat." Laval in der Zwickmühle. In den sranzösischen Zeitungen wird die Frage aufgeworfen, wie Frankreich sich verhalten solle, wenn die Waffensperre gegen Abessinien aufgehoben werde. Man meint, daß Frankreich sich seinen Verpflichtungen, den Transport von Waffen durch seine Eisenbahn von Dschi buti nach Addis Abeba vorzunehmen, nicht entziehen könne. Um eine daraus sich ergebende Spannung zwischen Italien und Frankreich zu vermeiden, versucht der französische Mi nisterpräsident Laval die englische Regierung dahin zu beeinflussen, die Aufhebung der Wasfensperre erst nach der Völkerbundsratssitzung im September vorzunehmen. Italien rüstet weiter. Wie aus Rom gemeldet wird, setzt Italien seine kriegerischen Vorbereitungen fort. Alle faschistischen Parteisekretäre haben sich sür den Kriegsdienst in Nordafrika gemeldet. Italien sei überzeugt, daß es seine Ansprüche gegenüber Abessinien nicht ohne militärische Operationen durchführen könne. Nichts werde das Italien Mussolinis verleiten, so schreibt die italienische Presse, Verzichte und Demütigungen von einst zu erneuern. Nur jene, die kein Herz für geschichtliche Größe hätten, könnten das Drama des italienischen Volkes nicht verstehen, das durch Ungerechtigkeit gezwungen sei, zum Kriege zurück- zugreifcn, da es sonst ersticke. Mussolini hat ungeordnet, daß der Mannschaftsbestand der italienischen Fliegertruppen stark erhöht werde. In römischen Kreisen wird versichert, daß Italien an den kommenden Genfer Verhandlungen des Völkerbundsrats bestimmt teilnehmen wird. Inzwischen beginnen in Süd- tiroldie großen italienischen Herbstmanöver, die die Ver wendbarkeit der motorisierten Truppen im Gebirge fest- stellen sollen. Der italienische Regierungschef Mussolini, der diese großen Übungen in maßgebenden Teilen beein flussen wird, will damit demonstrieren, daß Italien seine militärische Schlagkraft in Europa trotz des Abessinien konflikts nicht verloren hat. politischer Hochbetrieb in London. Die Frage der Sanktionen im Vordergrund. Das Londoner Regicrungsviertel war am Mittwoch, dem Vortag der Abessiniensitzung des britischen Kabinetts, der Mittelpunkt höchster diplomatischer Tätigkeit. Zahl reiche Einzelbesprechungen nicht nur mit den Mitglieder» des Kabinetts und den führenden Persönlichkeiten der Re gierungsparteien, sondern auch mit den Vertretern der Opposition sowie "mit den Oberkommissaren der großen britischen Dominions wurden im Laufe des Tages im Forcign Office geführt. Nachdem bereits am Dienstagabend eine Aussprache zwischen dem Führer der liberalen Opposition, Sir Her bert Samuel, und dem Völkerbundsminister Eden stattgefundcn hatte, folgten am Mittwoch längere Unter redungen zwischen dem Außenminister Sir Samuel Hoare und dem früheren Arbeiterparteiler Lansbury. Von beson- derem Interesse ist die anderthalbstündige Unterredung, die er mit Lovd George hatte, der auch heute noch bei Fragen von entscheidender Bedeutung die Nolle des älte sten Staatsmannes spielt. Dienstagabend sprach der amerikanische Geschäfts träger in London, Atherton, beim englischen Außenminister, vor, der dem Vertreter der Vereinigten Staaten einen Lage bericht gab. Zu den Besuchern im Forcign Office zählten ferner die konservativen Abgeordneten Sir Austen Cham berlain und Winston Churchill sowie Lord Cecil und der ügpptische Gesandte. Noch am Mittwochabend fand eine erste längere Besprechung Baldwins mit den Ministern Hoare und Eden statt. Daß der italienisch- abessinische Streitfall als ein bri tisches Reichsproblem angesehen wird, geht aus der so fortigen Fühlungnahme des englischen Außenministers mit den Vertretern der Dominions hervor. Am Vormittag fand im Forcign Office im Beisein Hoares eine Art Reichskonferenz statt an der der Oberkommissar für Australien, Bruce, der Ober», kommissar für Neuseeland, Parr, der amtierende Ober kommissar für Kanada, Vanier, und der Oberkommissar für den Irischen Freistaat, Dulandy, tcilnahmen. In der> anderthalbstündigen Konferenz gab Außenminister Hoare einen umfassenden Ueberblick über den Zusammenbruch der Pariser Dreimächteverhandlungen und über die der britischen Regierung nun noch offenstehenden Wege. Das britische Kabinett tritt am Donnerstag zu dev für englische Verhältnisse ungewöhnlich frühen Stunde von 11 Uhr vormittags zusammen. Dieser Umstand läßt darauf schließen, daß die Regierung mit Beratungen von! beträchtlicher Dauer rechnet. Die Kernfrage, über die sich das Kabinett schlüssig werden muß, ist die Frage, ob gegen^ Italien Sanktionen angewendet werden sollen. Die An-! sichten innerhalb der Regierung sollen hierüber zur Zeit! geteilt sein. Amerikanische Neuiralitätsvorlage angenommen. Der Senat nahm die vom Außenausschuß des Senats unterbreitete Entschließung an, die Vorschläge zur Siche rung der amerikanischen Neutralität enthält. Die Ent schließung wurde sofort an das Repräsentantenhaus wei- tergelcitet. M Aeuer Appell des Mus an den Mlkerdund. InAddisAbeba macht sich in offiziellen Kreisen nach dem Scheitern der Pariser Konferenz mehr und mehr Unruhe geltend. Wie der Vertreter der Pariser Nach richtenagentur Havas erfährt, hat der Negus den Völkerbund aufgefordert, neutrale Beobachter an dieGrenzen zu entsenden, um festzustellen, woher die A n g r i f f s g e f a h r komme. Er habe aber bisher keinerlei Antwort erhalten. Der Negus erklärte dem Berichterstatter, ob denn die Welt die Augen schließen würde, um sich ihrer Pflicht zu entziehen, die darin bestände, Gewalttaten zu verhindern, die gegen das Lebensrecht und die Unabhängigkeit des abessinischen Volkes begangen werden sollten.