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Wichemttch rrsch-inm drei Nummern. Prinumercuton« Preis 22; Sgr. (j THIr.) vierteljährlich, 3 THIr. für h-iS ganze Jahr, ohne Sr- -Shung, in allen Theilen Ser PreiMchen Monarchie. Magazin für die Man pränumerlr« auf Hies-S Beiblatt der Allg. Pr. Sraat«> Zeitung in Berlin in bn Exoedition (FriedrichS-Strahe Rr. 72); in der Provinz so irie Im AuSlande bei dcn Wohllabi. Post--Aemtern. Literatur des Auslandes. 137. Berlin, Mittwoch den 14. November 1838. Frankreich. Der moralische und ökonomische Zustand Korsika's. Von Blang ui'). Die Inselgestalt Korsika's ist dec Grund der sturmbeweglen Ohnmacht, in welcher cs vom Anbeginn seiner Geschichte an hinsiechl; cs raucht aus dem Mittelländischen Meere wie ein vul kanischer Auswurf auf, und selbst der Charakter des Volkes zeigt viel Uebercinstimmendes mit der geologischen Beschaffenheit des Landes. Dem äußeren Anblick nach, ist dasselbe eine zerrissene, mit Graniifelsen besäele Fläche, welche in engen Thälern aus- cinanderklüstet, und diese sehen, wenn man sie voit den Gebirgs- spitzen aus betrachtet, eher tiefen Erdspalten als regelmäßigen Anschwemmungen ähnlich. Wenn man sich allmälig den Küsten nähert, so tri« der wilde Charakter des Landes immer deutlicher hervor, mag mau nun von Italien oder von Frankreich aus an langen. Indeß hat die Natur, wenn auch keine geräumige Häfen, doch herrliche Rheden in diese monotonen und trübseligen Felsen- massen gegraben- Wälder, welche eben so all als die Welt sind, bekränzen die Höhenlinie, welche sich vom Kap Korso bis zu der Straße von Bonifacio Hinziehl, und bedecken 120,00t) Hektaren Landes mit zwei Millionen Bäumen, und was für Bäumen! Ein einziger dieser Bäume lieferte 2278 Kubikfuß Holz. Die erstarrte Lava muß noihwendigcr Weise reiche Granil- und Marmorbrüchc enthalten, und wirklich ist kein anderes Land in dieser Beziehung reichhaltiger. In Korsika wird gegenwärtig «in Monolith vollendet, auf den das Land eben so stolz seyn kann, al« auf den großen Mann, zu dessen Gcdächtnißfcicr er bestimmt ist- Kräftige Mineral-Quellen sprudeln aus fast allen Felsen her vor, und cs ist vielleicht nur dein Mangel an Wegen und Ge bäuden zur Aufnahme der Kranken zuzuschreiben, wenn dieselben nicht mit den berühmtesten Mineral-Quellen des Festlandes in die Schranken treten können. Die natürlichen Vorzüge Korsika's treten noch augenscheinlicher in den Produkten des Landbaus her vor, den das reinste, mildeste Klima begünstigt. Der Oliven baum wächst hier ohne alle menschliche Pflege, und der Ertrag des Oelcs übersteigt schon jetzt acht Millionen Francs jährlich. Orangen- und Ciironcnbäume, selbst Palmen, gedeihen auf freiem Felde; der Maulbeerbaum, der noch eine Quelle des Wohlstandes für das Land werden wird, scheint hier einheimisch zu seyn und kömmt überall fort, wo man ihn pflanzt; der Weinstock vereinigt hier alle gute Eigenschaften der besten Französischen Weine und Spanischen Gewächse. Damit endlich diesem gelobten Lande nichts abgehc, haben die Zeit und die Erdrevolmionen auf der Ostküstc eine fünfundzwanzig Meilen lange Ebene gebildet, deren Fruchtbarkeit an das Wunderbare gränzi und die mit der ge ringsten menschlichen Hülfe eben so reiche Acrndlen als Aegypten und Siciiien, diese beiden unerschöpflichen Kornkammer» des Römischen Reiches, geben würde. Die Gußbäche, welche von den Höhen herabstürzen, würden mächtige Hebel des gewerblichen Aufschwunges werden oder das Land mit einem weitverzweigten Bewäffcrungönetze durchziehen. Die Gewässer sind alle außer ordentlich fischreich, und ein einziger Teich in der Nähe von Bastia wird für 80,000 Francs jährlich verpachtet. Wie Hal man es sich nun zu erklären, daß Korsika, welches >» Betreff des Klima's, des Bodens und der Bewässerung so sehr von der Natur begünstigt ist, welches ferner in der Mitte der Mittelländischen Meeres in fast gleicher Entfernung von Frankreich, Italien und Spanien gelegen ist, dcn anderen Läm dern so wenig gleicht nnd so langsam auf der Bahn der Civi- li>atton fortschrciiclk Warum sieht man in diesen malerischen Thälern keine Reisenden, warum auf diesen schönen Rheden keine Schiff«) Warum holen die Französischen Schiffbauer ihr Bau material aus Kanada und Rußland und nicht aus Korsika, welches so reich an Eichen, Buchen und Fichten ist) Warum Hal diese Insel, welche eine Million Menschen nähren könnle, nur eine Bevölkerung von 2lo,ooo Seelen, die für dcn Laudbau nicht gc- nügcn und jährlich 8 —10,000 Menschen von den Küsten Italiens zu ihrer Unterstützung kerbeiholen müssen? Der Grund ist kein anderer, als daß Korsika sei, undenklichen Zeilen immer nur für *) Por-elesen in der FranzMLen «kademtt. eine Kolonie gehalten wurde. Von den Römern bis zu den Gcnuescrn herab haben alle Herren dieser Insel sich keine andere Ausgabe gestellt, als den Tribut cinzuziehen, und die Einwohner widersetzten sich nur,.um dieses Joch abzuschütteln, welches ihnen übrigens in einem von allen Seilen offenen und so wenig aus- gedehnien Lande schwer werden mußte- Fünfzehn Jahrhunderte hindurch zeigte sich Korsika unfähig, die Freiheit und die Knecht schaft zu erwägen. Die Civilisation, welche ihnen von allen Seilen cnigcgentral, üble auf sie weder ihren heilsamen noch ihren verderblichen Einfluß. Ihnen gegenüber an der Jtaliänischen Küste entstanden die Wunderwerke der Malerei, der Skulptur, der Architektur, die Meisterwerke der Dichtkunst und Beredsam keit, und Korsika ist weder das Vaterland eines Dichters, noch eines Bildhauers oder Malers. Auf der ganzen Insel findet man kein einziges crwähnenswcrthes Bauwerk, und dennoch sieht man bei reinem Himmel die Küste von Floren; und kann in weniger als einem Tage dahin gelangen. Es wehte also kein begeistern der Hauch aus dem Vaierlande des Michel Angelo und Dante herüber! In Korsika spricht man kein reines Jialiänisch, und mit der Aussprache des Französischen kann man auch nicht sehr zufrieden scyn. Wenn man die Geschichte dieses Volkes liest, so findet man es immer nur mit sich selbst beschäftigt. Es erscheint unruhig, unzufrieden, beständig durch Zwietracht zerrissen und vom Auswurf der Beamten regiert, bis die Entscheidung der Waffen die Französische Herrschaft herbeiführie. Frankreich hat zuerst Verbesserungen in diesem Lande eingc- leuei, und von ihm muß die Civilisation desselben auSgehcn, wenn es das Aussaugungs- und Bedrückungs-System der frühe ren Beherrscher aufgiebl. Anfänge und Einleitungen hierzu kann man allerdings schon wahrnehmcn, wenn man die Belege in den National-Archiven aufsuchen will. Indeß war cs leichter, diesem Lande Gutes zu wünschen, als ihm wirklich Gutes zu erweisen. Lin tausendjähriger lästiger Druck, der von den Priestern und schlechten Gesetzen ausging, ließ tiefe Eindrücke im Volks-Charak- ier zurück. Die Sitten ändern sich nicht so schnell wie die Ein richtungen, und die moralischen Schwächen der Väter vererben sich auf viele Generationen. Wenn der Gerechtigkeit während vieler Jahrhunderte von herzlosen und grausamen Herren Hohn gesprochen wird, so gewöhnt sich das Volk leicht an die Herr schaft der Gewalt und übt dieselbe, wenn sich die Gelegenheit dazu darbiern; es führt keine Prozesse, sondern es rächt sich. Bedenkt man, daß drei Viertheile des Landes mit undurchdring lichen Wäldern bedeckt sind, in denen der Verbrecher sich wie die Schlange unter dem Grase verbergen kann, so wird man auch begreifen, daß die Verbrechen, welche der Familienhaß und die Straflosigkeit erzeugt, so schwer auszurotten sind. In solchem Zustande befand sich Korsika während der langen Herrschaft der Genueser, und der schönste Lobspruch, den man den Bewohnern erthcilen kann, ist der, daß sie unter so unmora lischen Einflüssen die bewundernswerihen Tugenden, die jetzt immer seltener werden, und ihren einfachen Charakter bewahrt haben. Die Familienlugenden, die Gastfreundschaft haben alle unmoralische Einwirkungen der Fremdherrschaft überdauert. Bei der isolirten Stellung, die das Individuum in der modernen Ge sellschaft cinnimmt, und bei dem daraus entspringenden Egoismus, haben wir kaum noch das Verständniß für die innige Zärtlichkeit, welche alle Mitglieder einer Korsischen Familie vereint- Wir be greifen nicht, wie ein Äorsc, der schon eine so ausgebreiiete Vcr- wändischaft Hai, noch alle Verwandten seiner Frau als die scino gen betrachten kann, die er mit seinem ganzen Einflüsse unter stützt, denen er einen Platz an seinem Tische einräuml, wenn er ihnen nicht seine Börse anbieien kann. Hinter dem undurchdring lichen Walle der Familie wird der Widerstand leichter, aber auch die Zwietracht unheilvoller; die machiavellistische Politik des fünf zehnten Jahrhunderts wußte das sehr wohl. So führten von Anfang die Ursachen, welche die Eintracht hätten begründen sollen, nur Zwiespalt herbei; «S entstanden Familienfeindichaftcn, welche sich immer weiter fortspannen. Der verderbliche Grund satz: Theile, um zu herrschen, wurde der leitende Gedanke der fremden Herren, und dieselbe» entzündeten unversöhnlichen Haß, indem sie Recht und Ehren mit parteiischer Hand vertheilten. Hieraus entstand ein anderer nicht minder unheilvoller Grundsatz: Es giebt kein Heil außerhalb der Familie. Ls gab herrschende Familien, deren Häupter, ungeachl« der Revolutionen, die da»