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ÄMMU zm WW ZtacheitW 357. zu Nr. 163 des Hauptblatte-. 1926. Beauftragt mit der He rau »gäbe Regierungsrat Brauße in Dresden. L«»ttaMerhandl«nge». G»rtfetz««O der 1»S. «itzaag vo« Doauer-tag, de« 8. -Alt.) Abg. Kra«- (Alte Soz.): Herr Abg. Siewert sagte, daß bei der Beratung dieser Anträge von der Alten so zialdemokratischen Fraktion kein Gewerkschaftsführer im Saale vorhanden gewesen sei. Es ist von Zeit zu Zeit notwendig, darauf hinzuweisen, daß man es sich bei der Kommunistischen Fraktion zum Prinzip gemacht hat, be rufsmäßig Verleumdungen und Entstellungen durch die Landtagstribüue in die Öffentlichkeit hinausgehen zu lassen. Wenn man die Fragen, die heute hier durch die An träge angeschnitten worden sind, behandeln will, kommt man an dieses Problem mit diesen Anträgen nicht so recht heran. Man kann doch die ganzen Fragen, die hier eine Rolle spielen, nicht allem vom sächsischen Standpunkte aus betrachten, sondern sie müssen vom Reichsganzen, ja von der ganzen verbundenen Wirtschaft aus betrachtet werden. Aber es geht nicht an, wie es die Vertreter der Kommunistischen Partei gemacht haben, hier lediglich eine Regierung, die sächsische, da für verantwortlich zu machen. Nebenher sei auch darauf hingewiesen, daß sich die Wirtschaftskrise nicht allein in Sachsen oder im Reiche auswükt, sondern in allen Staaten mit Ausnahme der Staaten, die gegenwärtig gerade Inflation haben. Die Behebung der Wirtschaftskrise wird sich meinem Ermessen nach nur dadurch ermöglichen lassen, daß man die Wirtschaftskräfte Europas in großen Zweck verbänden zusammenfaßt (Hört, hört! b. d. Komm.) und die Allmacht des Dollars, die sich zu einer Gefahr für die gesamte Weltwirtschaft auswirkt, durch gegen sätzliche Maßnahmen zu unterbinden trachtet. (Abg. Voigt: Aber die Russen schließen wir aus!) Gerade die Kom munisten sind es ja aber gewesen, die ein solches Ziel, wie es in der Linie der wirtschaftlichen Entwicklung liegt, bekämpfen, indem sie im vorigen Jahre sich mit aller Entschiedenheit gegen den Locarno-Vertrag wendeten. Zch kann mir wohl vorstellen, daß, wenn die beiden großen kontinentalen Mächte, die jetzt für die Wirt schaftsführung in Betracht kommen, Frankreich und Deutschland, ihre wirtschaftlichen Kräfte zusammenfassen würden, dainit die Möglichkeit einer besseren Ausge staltung der Wirtschaft in Europa gegeben wäre. Daneben erscheint es mir außerordentlich notwendig, >aß die Industrie der Frage der Rationalisierung der Wirtschaft, der Normalisierung und der Typisierung mehr Rechnung trägt. Wir haben ein so genanntes Normalisierungsbureau in Deutschland mit ungefähr 250 Normalisierungsvorschlägen, aber von allen diesen Normalisierung-Vorschlägen dieses Bureaus (Abg. Siewert: Soll das Elend normalisiert werden!) wird in nur ganz wenigen Betrieben vielleicht hier und da einmal von einem untergeordneten Beamten die Normalisierung und Typisierung wirklich ernstlich be trieben. Es erscheint uns notwendig, daß wir uns gegen die Bemühungen und Absichten maßgebender Unter nehmerkreise, die da glauben, die Wirtschaftskrise dadurch beheben zu können, daß man den Lohn abbaut und die Arbeitszeit verlängert, mit aller Entschiedenheit wenden, und zwar mit dem Hinweis, daß die Wirt schaftskrise dadurch nicht behoben werden kann. Es ist eine scharfe Kalkulation notwendig, und es ist notwendig, den Abbau der aufgeblähten Direktionskörper der einzelnen Betriebe vorzunehmen usw. (Zuruf b. d. Soz.: Bor allen Dingen bei den staatlichen Betrieben!) Es ist die Frage der Rotstandsarbeiten an geschnitten worden. Notstandsarbeiten sind immer nur Notbehelfe. Die Belebung der Industrie ist die Hauptsache. Da erscheint es mir absonderlich, daß bei dem herabgesetzten Reichsbankdiskont auf 6 Proz. sich heute noch keine Belebungszeichen in der Industrie bemerkbar machen. Da für haben wir aber an den Börsen rine wilde Spekulation mit den Aktien verschiedener Jndustr'Mverke. Es ist in der letzten Zeit durch die Presse gegangen, daß wir mit Rußlandemen sogenannten Wirts chaftS- vertrag abgeschlossen haben, wonach sich die deutsche Finanzwelt verpflichtet, Rußland unter der Garantie des Reiches einen Kredit von zunächst 30 Mill. NM. zu gewähren für Aufträge, die Rußland nach Deutschland gibt. Von diesen Aufträgen soll ein Teil nach Sachsen kommen, und zwar soll er für den Textilmaschinenbau verwendet werden. Es wäre mir wünschenswert zu wissen, wie hoch dieser Betrag ist. ES ist notwendig, daß die sächsische Regierung die ReichSregierung mit allem Nachdruck auf die schwierige Lage des sächsischen Textilmaschinenbaues hinweist, der sich ja besonders in Chemnitz konzentriert, wo die Arbeitslosigkeit in der säch sischen Metallindustrie sich ganz besonders kraß auswirkt. Herrn Abg. Siewert möchte ich bitten, einmal die Veröffentlichungen der „Prawda" vom Jahre 1924 und 1925 herzunehmen und sestzustellen, wieviel da in Rußland Arbeitslose vorhanden gewesen sind. Die Arbeitslosigkeit ist keine deutsche Eigentümlichkeit. (Abg. Siewert: TaS wird doch nicht bestritten!) In der russischen Landwirtschaft sind von 49 Millionen land wirtschaftlichen Arbeitern 19 Millionen arbeitslos, also mehr als 33 Proz. (Abg. Siewert: 1924!) ES ist seit dieser Zeit noch nicht besser geworden. (Abg. Siewert: Damals war die Mißernte und das Unwetter!) Und die Arbeits losigkeit, die im Jahre 1925 bei den Gewerkschaften vorhanden war, betrug von 7200000 Gewerkschaftlern 1200000, das sind 16,6 Proz. (Abg. Siewert: Na also.') Die Arbeitslosigkeit ist in Rußland also ebenso vorhanden wie anderswo. (Abg. Siewert: Das hat auch niemand bestritten! — Abg. Ellrodt: WaS beweist denn das?) Ich komme schon zu der Schlußfolgerung. Sie erheben gegen die sächsische Koalitionsregierung den Borwurf deS Nichtstuns, des küsser k»irv. Sie werden auS dem Artikel der „Prawda", erkennen können, daß die russische Regierung, nachdem sie in den Erwerbslosenregistern die größte Anzahl der Erwerbslosen gestrichen hat, zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit ebensowenig hat tun können wie die sächsische und deutsche Regierung; obwohl der Sowjetstaat über enorme Mittel verfügt, hat er auch in bezug auf die Milderung der Arbeitslosigkeit durch eine entsprechende Organisation und Ausdehnung der Industrie versagt. Noch ein anderes Bild will ich Ihnen aufieigen. Sie haben davon gesprochen, daß die sächsische Regie rung gegenüber der Arbeitslosigkeit ihre Verpflichtungen nicht so erfüllt hätte, wie das notwendig gewesen wäre. Da will ich Ihnen wieder an dem Etat in Rußland einen Vergleich geben. Im Jahre 1925/26 ist der Etat insgesamt mit 3778,6 Millionen veranschlagt. Von dieser Summe sind für Bildung, Hygiene, Sozialpolitik und Arbeit 237 Mill. M. eingesetzt worden. Wir haben im sächsischen Staat für dieselben Kapitel bei einem Gesamtetat von 352 Mill. M. 152290000 M. eingesetzt. Wir haben also in Sachsen für diese Kapitel 45 Proz. der Gesamtausgaben eingesetzt, und in Ruß land, dem Laude, das Ihnen immer als Muster vor schwebt, sind dafür insgesamt nur 6 Proz. der Gesamt ausgaben eingestellt worden. (Unruhe b. d. Komm, und Zuruf: Die Zahl ist ja Schwindel!) Sie können also daraus erkennen, wie wenig berechtigt ihre Kritik ist, und daß Sie am allerletzten Ursache dazu haben, irgendeinem anderen Staate Vorwürfe zu machen. Es sind nun von den einzelnen Fraktionen Anträge gestellt worden, die Lohnklassen zu beseitigen. Sie begründen das damit, daß die Lohnklassenstaffelung der Notlage der Erwerbslosen nicht Rechnung trüge. Wir fordern die Lohnklassenstaffelung und befinden uns >abei in Einklang mit der Sozialdemokratischen Partei >cs Reiches und dem Deutschen Gewerkschastsbunde, owie mit den Gewerkschaften überhaupt. Wir müssen gestehen, daß diese Lohnklassenstaffelung, wie sie geplant st, den berechtigten Interessen der Erwerbslosen mehr Rechnung trägt als die jetzige Ortsklassenregelung, aller dings unter der Voraussetzung, daß eine Herabminde rung der Unterstützungsbezüge nicht eintritt. Bei der Lohnklassenstaffelung kommt noch in Betracht, die Arbeitslosenversicherung nicht zu einem Teil der Ge meindebehörde zu machen, sondern ihr die Selbstver- waltung zu geben. Auch fällt die Bedürftigkeitsprüfling veg. Die Erwerbslosenunterstützung, wie sie heute be icht, ist doch eine Sache der Prüfung durch die Behör- >en, ob der betreffende Arbeiter auch bedürftig ist, diese Unterstützung zu bekommen. Die Arbeitslosenversicherung bedeutet jedoch, daß der Arbeiter, wie jeder Sozialver- icherte, wenn er krank wird, die Krankenunterstützung bekommt, die Erwerbslosenunterstützung bezieht, wenn er erwerbslos wird. Aus diesen Gründen heraus lehnen wir diesen Agitationsantrag, wie er von den Kommunisten gestellt worden ist, rundweg ab. Dann noch einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abg. Kautzsch! Er hat gesagt, es sei im 9ms- schuß festgestellt worden, daß in bezug auf die produktive Erwerbslosenfürsorge Sachsen führend sei. Er freut sich darüber und weist dabei als Grund seiner Freude darauf hin, daß im Landtage am 25. April die Anträge angenommen worden seien, die die Sozialdemokratische Partei gestellt hätte. Tie Anträge haben aber die Koalitionsparteien angenommen, nachdem sie erst etwas daraus gemacht hatte». Ich will aber daoei seststellen, daß aus Freude darüber, weil diese Anträge angenommen worden sind, eirx großer Teil der Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei aus der Partei ausgeschlossen wurde. HerrAbg. Kautzsch hat vom Straßenbau gesprochen. Ich will hierbei darauf aufmerksam machen, daß es vorgekommen ist, daß die Regierung Mittel für den Bau von Straßen bereitstellte, daß sich dieser Straßenbau oder die Inangriffnahme der Notstands arbeiten aber verzögerte, weil die Gemeindever, treter mit Einschluß der Kommunisten erklärten, daß sie für den Straßenbau weder das Darlehen aus der produktiven Erwerblosenfürsorge mit Verzinsung und Tilgung in Kauf nehmen könnten, noch daß sie das Land, das zur Herstellung der Straßen nötig ist, er werben wollten. So gehen die Dinge auch nicht. Der Staat kann auch nicht alles tun, auch die Gemeinden sind für ihren Teil verpflichtet, mitzuhelfen. Ich möchte aber sagen: wenn die Herren Siewert und Kautzsch heute auf alles das hingewiesen haben was notwendig ist, Straßenbau, Meliorationen, Fluß uferbauten und alles mögliche, dann sind ja gerade diese beiden Parteien diejenigen, die vor etwa einer Stunde den Beweis erbracht haben, wie wenig ernst es ihnen mit ihren Anträgen ist, denn vor einer Stunde haben sie das Kap. 12, Steuern, abgelehnt, haben sie den Etat abaelehnt, der 52'/, Millionen Aufträge enthält. Rach außen hin stellt man Anträge, um den Arbeitslosen Saud in die Augen zu streuen, und hier tut man aus Agitationsrücksichten gerade etwas ganz anderes. Ich glaube, auf die Feststellung, daß die Herren von der Kommunistischen uud Sozialdemokratischen Partei vorhin den Etat abgelehnt haben, und daß sie auf der anderen Seite hier die Regierung fragen, welche Mittel sie bereitstellt, um den Arbeitslosen zu helfen, gibt es nur eine Antwort: ES ist eine maßlose Heuchelei, die hier getrieben wird. (Bravo.' b. d. Akten Soz ). Hierauf wird ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Bei der Abstimmung wird der Minderheitsantrag Glombitza-Lieberaschfabgelehnt.und die Mehrheitsanträge auf Drucksache Rr. 1953 sowie der Entschlietzungsantrag Voigt werden angenommen. Punkt 16. Zweite Beratung über die Vorlage Nr. 239 über den Entwurf eines Gesetzes zur 14. Änderung des Beamtenbesoldungs gesetzes. (Mündlicher Bericht des Sonderausschusses ür Beamtenfragen, Drucksache Rr. 1948.) Der Antrag zu Nr. 1948 lautet: (Die Minderheitsauträgesinddurch» besonders bezeichnet.) Der Landtag wolle beschließen: » 1. — unter der Voraussetzung, daß die aus der Vorlage sich ergebende künftige finanzielle Be lastung des Staates tragbar erscheint, worüber dem Haushaltausschuß sc die Entschließung zu überlassen ist, — in der Vorlage Nr. 239, Art. 1, § 18», Zeile 4 und 5 die Worte: „Sätzen der Gruppe X IX der Besoldungsordnung" zu streichen und dafür zu setzen: „Vergütungen nach der Bekoldungsordnung unter Gewährung eines die akademische Ausbil dung cnraemessen berücksichtigenden Zuschlags" und die Vorlage im übrigen anzunehmen; Anders. ' 2. die Vorlage Nr. 239 unverändert anzunehmen. Berichterstatter Abg. Llaus (Dem.): Ter Entwurf deS Gesetzes über die 14. Änderung des Beamtenbesoldunas- gesetzes, betr. die Eingruppierung der akademisch gebildeten Volks- und Berufsschullehrer, wurde am 6. Juni im Besoldungsausschuß beraten. Tie Sache ist dringlich. Die Ungewißheit in der Besoldungsfrage muß die Entwicklung der neuen Lehrerausbildung schädigend beeinflussen, was leider von gewisser Seite, auch beabsichtigt ist. Die Eingruppierung, wie sie die Vorlage vorsieht, ist in den bescheidensten Grenzen ge halten. Gegen die Höhe der Bezüge ist im Ausschuß nichts eingewendet worden und konnte wohl auch nichts eingewendet werden. Es mußte im Gegenteil zugegeben werden, daß die Sätze für die akademffchen Volksschul- lehrer recht niedrig sind. Die Vorlage stieß trotzdem auf starken Widerspruch bei der Deutschen Bolkspartei und den Deutschnationalen. Es wurde zunächst die Zuständigkeit des BesoldungsausschusseS bezweifelt, obgleich er vom Landtag ausdrücklich mit dieser Auf gabe betraut worden war. Man hielt den Haushalt ausschuß bzw. den Rechtsausschuß für berufen, die Regelung vorzunehmen. Weiter wurde es für notwendig erachtet, erst einmal die Denkschrift des VolksbildungSministe- riumS zur Neuordnung der Lehrerbildung im Freistaat Sachsen abzuwarten. Der Vertreter des BolkSbildungsmimsteriumS gab aber doch die be ruhigende Erklärung ab, daß die Denkschrift, die in de« nächsten Tagen erscheinen werde, sich in keinem Punkte gegen die Vorlage richtet. Von den Gegnern wurde nun angeregt, die Ent scheidung bis zum Herbst zu vertagen und die akademi schen Bolksschullehrer bis dahin mit Zuschlägen zu den Gruppen VII und VIII abzufinden. Der Vorschlag fand keinen Anklang, da wir im Herbste vor den glei chen Schwierigkeiten oder vor noch größeren stehen würden, weil die gegnerische Agitation, hinter der jetzt vor allem der Philologenverein steht, nur noch größeren Umfang annehmen würde. Ter Antrag Anders, „Ver gütungen nach der Besoldungsordnung zu gewähren mit einem Zuschlag, der die akademische Ausbildung genügend berücksichtigt", wurde abgelehnt. ES wurde weiter angeregt, den Landtag auszuschalten und die Regierung zu ermächtigen, angemessene Zuschläge zu gewähren. Der Herr Finanzminister vr. Dehne wie- dieses Ansinnen entschieden zurück. Der Landtag habe mit großer Mehrheit die veränderte Ausbildung be- schlossen und habe nun auch die Konsequenzen in der Eingruppierung zu ziehen. Die Bedenken, ob die künf- tige finanzielle Belastung für den Staat tragbar fei, hätten früher kommen müssen. Er lehne eS ab, die Besoldungsregelung von der Regierung auS vorzu nehmen. Die Verantwortung habe der Landtag zu tragen. ES fei im Beharrungszustand in 30 bis 40 Jahren mit einem Mehraufwand von 23'/, Millionen zu rech nen, auf ko lange Zeit hinaus aber mache man keine Finanzpolitik. Gegenwärtig und auch für eine längere Reihe von Jabren sei die Mehrbelastung belanglos. Wie eS in 20 bis sO Jahren einmal aussehen werde, könne heute niemand sagen. Es handle sich auch nicht darum, eine bereits vorhandene Gruppe höher einzustufen, sondern eine Gruvpe, die vorher noch nicht vorhanden war, neu eintzustufen. Di« Notwendigkeit einer besseren Bezahlung sei aber allgemein anerkannt und der Ein spruch anderer Lehrergruppen sei unberechtigt. Herr Ministerialdirektor vr. Woelcker ergänzte die Ausführungen deS Herrn Finanzministers. Das BolkS- bildungsminsterium halte die in der Vorlage getroffene Regelung für richtig. Die in der Begründung ange- kündigte Denkschrift sei im Druck. Die BesoldungSfraae