Volltext Seite (XML)
Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis incl. der Sonntagsbeilage „Der Erzähler" vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen i Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Pf. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf., im Redactionstheil 20 Pf. Bei mehrmaliger Insertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten- Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. 47. Donnerstag, 17. October 1878. Von dem unterzeichneten Gerichtsamte sollen verschiedene abgepfändete Gegenstände, worunter sich a., 16 Meter brauner Pliisch, t>., eine goldene Uhrkette, e., eine Taschenuhr, ä., ein Hund, Leonberger Ra^e, befinden, den 5. November 1878. von Vormittags 10 Uhr ab in der Lein'schen Restauration zu Altwaldenburg gegen sofortige baare Bezahlung an die Meistbietenden öffentlich versteigert werden. Waldenburg, den 9. October 1878. Fürstlich Schönburg'sches Gerichts-Amt. Martini. Politische Rundschau. * Waldenburg, 16. October 1878. Nach dem Eintritt der Wirksamkeit des Socia- listengesetzes, also nach Schließung aller Vereine und nach dem Verbot aller Versammlungen und Druckschriften socialistischer Tendenz tritt die Frage auf, was werden die Socialdemokraten beginnen, um die Vorschriften des Gesetzes mög lichst zu umgehen oder abzuschwächen, oder welche Wege werden sie einschlagen, auf welchen sie eine Besserung ihrer Lage herbeizuführen für möglich halten? In dieser Beziehung ist ein Artikel beachtcnswerth, welchen der in Hamburg erscheinende „Pionnier" jüngst unter „Eingesandt" veröffentlichte. Es heißt daselbst: „Angesichts der Verfolgungen, welchen die deutschen Gewerkschaftsverbindungen durch An nahme des Socialistengesetzes ausgesetzt sind und welche mit der systematischen Auflösung aller Gewerkschaften enden könnten, ist es wohl an der Zeit, die Frage aufzuwerfen, was dann später werden soll; sollen die 60,000 Arbeiter, welchen dann jede Organisation zu gegenseitiger Unter stützung verboten ist, ein- für allemal davon absehen, sich ferner zu organisiren? Unterzeich neter kann dies nicht glauben; denn die gewerk schaftlichen Vereinigungen sind für den Arbeiter nothwendig, wie das liebe Brot, ja, letzteres wird oftmals erst durch diese Vereinigungen erlangt. Es giebt nun bei event. Auflösung folgenden Weg, welchen ich hier andeuten will. Die Hirsch- Duncker'schen Gewerksvereine, die eine Zahl von 15—16,000 Mitgliedern repräsentiren, werden wahrscheinlich nicht aufgelöst werden, mithin treten die 60,000 Mitglieder der aufgelösten Gewerk schaften Mann für Mann nach ihrer Berufsbranche in die Hirsch-Duncker'schen Gewerksvereine ein. Dadurch erhielten wir — anstatt jetzt zwei — in Zukunft nur eine einheitliche Gewerkschafts bewegung in Deutschland, und zu gleicher Zeit käme neue Kraft und neues Leben in die bereits matt gewordene Hirsch-Duncker'sche Organisation. Die 60,000 neuen Mitglieder würden auf den Generalversammlungen der einzelnen Gewerks vereine, sowie auf dem nächsten Verbandstage schon für passende Delegirte und nützliche Refor men sorgen, und nichts könnte diese hindern, mißliebige Führer zu beseitigen und andere an deren Stelle zu setzen. Dies mein Vorschlag. Anton Fietzke, früher Gewerksvereinler." Wenn das Socialistengesetz diesen Erfolg hätte, könnte das nur höchst erfreulich sein. Eine große Menge Arbeiter würden damit auf bessere Bahnen gebracht werden, denn die deutschen Gewerkvereine verfolgen unbestreitbar mit Ernst die geistige und materielle Hebung des deutschen Arbeiterstandes. Die Socialdemokraten kämen damit in Vereini gungen, welche bestrebt sind, aufzubauen, während sie bisher nur den Gedanken ans Niederreißen alles Bestehenden verfolgten. Im Anschlusse hieran wollen wir eines Planes Erwähnung thun, der vom Reichskanzler, wie behauptet wird, nächstens ins Werk gesetzt werden soll. Danach stände eine Untersuchung der deutschen Arbeiterverhältnisse bevor, deren Ergeb niß zu gesetzgeberischen Vorarbeiten benutzt wer den soll. In die hierzu nöthige Commission sollen auch Arbeiter zugezogen werden. Zu diesem Zwecke wäre es auch nöthig, durch Gründung verständiger Arbeitervereine ein Ventil der freien Besprechung zu öffnen, welche in ihren demagogischen Auswüchsen durch das Socialisten gesetz unterbrochen werden würde. Der Reichs kanzler hat diese Absicht in seiner Rede selbst kund gegeben, indem er solche Vereine zu fördern versprach, welche sich mit der positiven Verbesse rung der Lage der Arbeiter beschäftigen wollen. An den Arbeitern wird es liegen, ob sie diese Hand ergreifen und in ernstlicher Weise die Besserung ihrer Verhältnisse anstreben wollen, oder ob sie auch fernerhin die Lockpfeife ihrer bisherigen Führer, die letztere allerdings dann nur im Geheimen werden ertönen lassen können, folgen und damit einem Abgrunde zusteuern wollen, aus dem ihnen nichts als das Verderben entgegengähnt. In Wien ist eine Brochure ausgegeben worden, welche erhebliches Aufsehen macht, zum größeren Theil ihres muthmaßlichen Verfassers, zum klei neren Theil auch ihres Inhaltes wegen. Der Titel derselben: „Der Nuntius kommt! Essai von einem Dillettanten", kennzeichnet sie bereits als eine Streitschrift gegen den Fürsten Bismarck, und der Verfasser soll kein Geringerer sein als der ehemalige norddeutsche Gesandte in Rom und Paris, der unbotmäßige Diplomat Graf Harry v. Arnim. In ihrer politischen Rundschau hebt die socia- listische „Berliner Freie Presse" hervor, daß durch die Annahme des 8 5 in der Fassung der Commission den Socialdemokraten auch alle Wahlversammlungen unmöglich gemacht seien. „Nun," fährt sie fort, „wir sind damit einverstan den, aber das mögen sich die Herren Liberalen vor Augen halten, daß wir unsere Wahlversamm lungen nunmehr in den ihrigen abhalten werden. Wir werden keine liberale Wahlversammlung vorübergehen lassen, ohne dort, nachdem uns dies in eigenen Versammlungen nicht gestattet ist, für unsere Candidaten zu werben und zu agitiren." (Als wenn das nicht immer schon geschehen wäre.) Das hervorragendste Organ der nationalen russischen Presse, der „Golos" äußert sich über die am 9. d. M. im Reichstage gehaltene Rede des Reichskanzlers u. A. folgenderma ßen: „Durch seine ganze Aussprache hat Fürst Bismarck bewiesen, daß er aus der Höhe der po litischen Lage steht, so schwer dieselbe jetzt für Deutschland ist, und daß diese Höhe des Stand punktes beneidet werden mag von den Staats männern anderer Länder. Er wünscht die Lösung der socialen Frage der Revolution zu entreißen, wie er aus den revolutionären, republikanischen Händen die Frage der Einigung Deutschlands entrissen hat. In jedem Falle gebührt ihm die Ehre, die Lage Deutschlands in Bezug auf die sociale Frage vollkommen klar dargelegt zu haben, und es unterliegt keinem Zweifel, daß der deutsche Kanzler mit diesem Anerkenntniß der Situation seiner Regierung große Stärke verliehen hat. Mehrere Wiener Blätter melden, daß der bisherige österreichische Botschafter in Berlin, Graf Karolyi, zum Botschafter in London und Graf Beust zum Botschafter in Paris ernannt worden sei. Daß die Besetz» ng Bosniens nunmehr völlig durchgeführt und die Jnsurrection niedergeworfen ist, beweist am besten die Meldung der „N. Fr. Presse" von der theilweisen Demobilisirung der Occupationsarmee. Zunächst werden 4 Divisio nen und 1 Brigade mit ca. 60,000 Mann zu rückberufen, sodann wird der Präsenzstand der in Bosnien verbleibenden Truppenabtheilungen herabgesetzt, so daß die Stärke der Occupations armee incl. des eintretenden Ersatzes 80—100,000 Mann betragen wird. Der in Rom eingetroffene Erzbischof von Bamberg besuchte am 18. d. M. den Staatsse kretär Kardinal Nina und sollte Abends vom Papste empfangen worden. Zur englisch-afghanischen Angelegenheit schreibt die „Times," daß aus drei Gründen die Feind seligkeiten nicht sofort beginnen können. Ali-Musjed sei sehr befestigt, ein Handstreich daher unmög lich; ferner fei noch ein Gesandter in den Händen des Emirs und schließlich dürfe man die Möglich keit nicht ausschließen, daß eine Antwort des Emirs zur Versöhnung führen könne. Parlamentarische Verhandlungen. Reichstag. Sitzung vom 12. October. Fortsetzung der Be- rathung des 8 5 der Socialistenvorlage. Abg. v. Minnigerode betont, daß für seine politi schen Freunde die Parole keineswegs Lismarok saus pbra86 sei, vielmehr würden sie geleitet von dem Gefühl der Verantwortung für die Interessen des Reichs, 8 5 sei eine fundamentale Bestimmung des Gesetzes, daran dürfe man nicht rühren. Der Antrag des Abg. Bruel, wonach die Bestimmungen des 8 5 sich nicht auf Wahlver sammlungen beziehen sollen, würde geradehin eine Be günstigung der Socialdemokratie bedeuten. Abg. v. Geß ist der festen Ueberzeugung, daß es die höchste Zeit sei, den hochgehenden Fluthen, welche unser Volksleben bedrohen, einen festen Damm entgegenzu setzen. Abg. Reinders (Socialdemokrat) bestreitet, daß That- sachen vorliegen, welche diese Vorlage rechtfertigen. Ge rade die Socialdemokraten hielten die arbeitenden Klas sen an, nur auf friedlichem Wege die Verbesserung ihrer Lage anzustreben. Dem neuen Gesetze gegenüber würde sich die Socialdemokratie ebenso verhalten, wie die Ultra montanen den Maigesetzen gegenüber, sie würden sie nicht anerkennen. Alle diejenigen, welche für dieses Gesetz ; stimmen würden, machten sich des Landes verraths schuldig! (Der Präsident ruft den Red ner zur Ordnung.) Der Grund, warum die Social demokratie in den letzten Jahren so groß geworden, liege in den 'Mängeln der Gesetzgebung. Wenn man