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MHeritz-MtW Anzeiger für Dippoldiswalde «nd Umgegend. 71. Jahrgang Dienstag, den 21. November 1908. Nr. 135 wiederum den Generalstreik eröffnen wollen, wenn bis dahin die Regierung ihre Versprechungen nicht erfüllt und die Lage der Bahnbeamten und Bahnarbeiter ernstlich aufbessert. Man sieht daraus, daß in Ruhland der elende Schlendrian, die Halbheit und Unaufrichtigkeit in der Frage aller Reformen immer mehr ihre verbrecherische Rolle spielen, und daß die guten Pläne des Ministers Witte noch lange nicht in der russischen Verwaltung zur Tat geworden sind. Hundertjährige Sünden und Ge meinheiten in der russischen Verwaltung rächen sich eben jetzt in Ruhland in der furchtbarsten Weise und es gibt aus der ganzen Welt kein Staatswesen, das moralisch und politisch so bankrott ist wie das Reich des einst für all mächtig geltenden Zaren. Furchtbar hat sich auch die Politik des jetzigen Zaren und vor allen Dingen diejenige seines Vaters, des Zaren Alexander III. gerächt, der das Deutschtum in Ruhland unterdrückte und vertrieb und das Volk mit dem reinen Russentum beglückte. Das Glück ist ja nun gekommen und es ist vom Standpunkte der historischen Gerechtigkeit eigentlich schade, dah der Zar Alexander lll. die Früchte seiner Russifizierung nicht erlebt hat. Die klugen früheren russischen Kaiser, zumal Peter der Grohe, Alexander l. und Alexander II. hatten sehr wohl erkannt, dah den Russen noch das rechte Kultur element fehle, und sie nahmen deshalb gern Deutsche, Holländer, Schweden und Franzosen als Beamte oder Offiziere in ihren Dienst und begünstigten auch das aus ländische Unternehmertum in Ruhland, weil es befruchtend wirkte. Diese Leute muhten aber vertrieben werden, damit das reine Russentum in Ruhland erblühen konnte. Nun hat es ja seine Blüten getrieben. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehne, — Mit achtseMgSB „Illustriert AutrrhMuugstlE Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde» Mit land- und hauswirtfchastlicher Monats-Beilage. Bußtag. Buhtagsglocken klingen heute durchs Land und mahnen alle Glieder unseres Volkes in die Stille zu gehen und vor Gott der grohen Schuld zu gedenken, die wieder alle im Laufe eines Jahres auf sich geladen haben. Gewih soll jeder Christ jeden Tag vor seinem Gott erscheinen und ihn um Vergebung der täglich aufgelaufenen Schuld bitten, aber heute am Landesbub- und Bettag sollen einmal alle Gemeindeglieder gemeinsam sich der grohen Schuld bewuht werden, die ein jeder an der all gemeinen Not der Zeit, ihren Mihständen und ihren Sünden hat. Nur zu häufig werden Staat und Kirche für die Nöte der Zeit verantwortlich gemacht, und vielfach steht man mühig am Markt, schaut dem Verderben zu und schilt auf die staatlichen und kirchlichen Einrichtungen, die nicht schnell genug dem Verfall der Sitten wehren. Da will der Landesbuhtag einem jeden es ins Ge wissen rufen: Du bist der Mann! Du bist mit schuld an dem allgemeinen Verderben, weil du ein so schlechtes Bei spiel gibst, so wenig dir deiner Verantwortlichkeit für andere bewuht bist und so oft da untätig bleibst, wo es gilt, die allgemeinen Zeitanschauungen zu bessern und mit helfen der Tat der Not zu steuern. Möchte darum der heutige Landesbuhtag einem jeden wieder das soziale Gewissen schärfen und ihn aufrufen zu kraftvoller Arbeit im Dienst unseres Volkes. Viel ist ver säumt und darum viel nachzuholen. Soll unser Volk sich wieder sittlich und religiös erneuen, dann müssen ihm viele treue Beter und Arbeiter erstehen, die im Vertrauen auf Gott das große Werk wagen, ein Volk, das in Gefahr steht, sittlich zugrunde zu gehen, mit den Gotteskräften zu erfüllen, die eine völlige Gesundung herbeiführen. Die Verschlimmerung -er Lage in Rußland. Während man acht Tage lang hoffen konnte, das sich die Zustände in Ruhland gebessert, dah Lie Streiks, Tumulte und Aufstände zum größten Teile ausgehört hätten, und die Revolution in eine gesunde Reform bewegung durch die Umsicht und Klugheit des Niinister präsidenten Grafen Witte verwandelt werden könnte, kommen nun doch wieder sehr schlimme Nachrichten aus Rußland. Der Empörung der Matrosen in Kronstadt ist «ine solche in Wladiwostock gefolgt, und in Sebastopol, Odessa und Libau befürchtet man ebenfalls den Ausbruch neuer Empörungen der Matrosen. Dabei geht es niemals ohne schreckliches Blutvergießen und furchtbare Plünde rungen ab. So sollen die aufständischen Matrosen in Wladiwostok alle Läden der Stadt geplündert und viele Häuser in Brand gesetzt haben. Hunderte von Menschen verloren bei den Plünderungen ihr Leben, und den Nach richten aus Petersburg, dah die Zustände in Wladiwostok wieder geordnet seien, ist nicht recht zu trauen, da eine Meldung aus Shanghai wissen will, daß Wladiwostok in den Händen der Aufrührer sei. Und was sind meistens die erbärmlichen und schändlichen Ursachen der Matrosen revolten?! Schlechte Verpflegung und törichte und brutale Behandlung der Matrosen! So sind die Gesuche um Entlassung der Reservisten jetzt zwei Monate nach der Be endigung des russisch-japanischen Krieges noch nicht berück sichtigt worden, und die russische Regierung kann dieser halb auch noch einen Aufstand im Heere selbst erleben. Aber neben dem roten Gespenst der Revolution droht in Ruhland noch ein anderer furchtbarer Dämon, der geradezu tierischer Weise den Kampf aller gegen alle in Ruhland entfesseln kann. Aus Warschau, Lodz, Odessa und anderen russischen Jndustrieplätzen wird nämlich der Ausbruch einer grohen Hungersnot, der Mangel an Lebensmitteln, Kohlen, Winterkleidern und Geld unter den Hunderttausenden von Arbeitern und deren Familien gemeldet. Es sind diese schrecklichen Erscheinungen die furchtbaren Folgen der Streiks, der Unruhen, der Schliehung von Fabriken und Banken und der Eisenbahnstreiks. Unter solchen Zuständen muh ja das wirtschaftliche Leben vollständig stocken und Hungersnot und Mangel aller Art die Menschen zur Plünderung reizen. Zu allem diesen Elend und Jammer kommt noch die Hiobspost, dah 700000 Angestellte und Arbeiter der russischen Eisenbahnen am 4. Dezember weiter die hierüber aufgestellten Satzungen pp. befürwortend einzuberichten. Schließlich erledigte der Bezirksausschuß verschiedene mit dem Umbaue der Bezirksanstalt zu einem Siechenhause im Zusammenhang stehende Angelegenheiten, nahm insbesondere mit Interesse davon Kenntnis, dah von der neuen Einrichtung bereits von privater Seite durch Unterbringung einer pflegebedürftigen Person Ge brauch gemacht worden sei und beschloß die bei ungestörtem Fortgange der Arbeiten in wenigen Wochen zu erwartende Eröffnung des den Namen „Wettinstift" führenden Siechen- hauses durch eine einfache Feier zu begehen. — Die Kollekte des Reformationsfestes zum Besten des Gustav Adolf-Vereins hatte in der Ephorie Dippoldis walde folgenden Ertrag: Dippoldiswalde 73 M. 50 Pf., Altenberg l O M-, Bärenstein 20 M., Börnersdorf 6 M. 50 Pf., Breitenau 6 M-, Burkersdorf 5 M., Dittersbach 4 M., Dittersdorf 8 M., Döbra 4 M. 50 Pf., Frauen stein 14 M., Fürstenwalde 3 M., Fürstenau 3 M., Geising 16 M., Glashütte 12 M., Hartmannsdorf 3 M. 50 Pf., Hennersdorf 5 M., Schönfeld 1 M., Hermsdorf 30 M.» Höckendorf 12 M., Johnsbach 13 M. 50 Pf., Kreischa 32 M., Lauenstein 4 M-, Liebenau 6 M., Nassau 6 M., Possendorf 17 M., Pretzschendorf 13 M. 50 Pf., Rechen berg 6 M., Reichstädt 22 M., Reinhardtsgrimma 15 M., Ruppendorf 9 M., Sadisdorf 11 M., Schellerhau 5 M. Schmiedeberg 5 M., Seifersdorf I I; Summa 413 M. gegen 450 M. 50 Pf. im Jahre 1904 und 471 M. im Jahre 1903. — Gewerbe-Verein. Heute Montag, den 20. Nov., abends 8 Uhr, beginnt der bereits bekannt gegebene Vor tragszyklus über „Die Elektrizität und ihre Technik", im Zeichensaale der Müllerschule. — Bei der am Sonnabend stattgefundenen Wahl von Vertretern zur Generalversammlung der Orts krankenkasse wurden seitens der Arbeitgeber nur 31 Stimmzettel abgegeben. Von den Arbeitnehmern dagegen machten 376 von ihrem Wahlrechte Gebrauch, wodurch rund 14 000 Stimmen auszuzählen waren, die sich auf etwa 110 verschiedene Namen verteilten. — Diejenigen älteren Herren, die sich an der Grün dung einer Männerriege im hiesigen Turnverein beteiligen wollen, werden gebeten, sich Dienstag, abends 1/28 Uhr, in „Stadt Dresden" einzusinden. Glashütte. Wie die „M.-N." in Erfahrung gebracht haben, schweben z. Zt. wegen einer zentralen Lichtver sorgung in unsrer Stadt Verhandlungen mit der Thüringer Gasgesellschaft in Leipzig. Zufolge der seitens des Stadtcates ausgegebenen Fragebogen sind 1210 Flammen für Wohn- und Arbeitsräume, 115 für Heizungs- und Kochanlagen und 46 ?8 für Motoren gezeichnet worden. Altenberg. In der letzten Sitzung des Stadtgemeinde rats wurde beschlossen, der bisherigen „Unteren Straße" nach unserm allverehrten Ehrenbürger, Herrn Anton Unger den Namen „Anton Unger-Straße" für alle Zeiten beizu legen. Der Beschluß, von welchem Herr Unger durch Herrn Bürgermeister Krauße-Viehweger persönlich in Kenntnis gesetzt wurde, hatte folgenden Wortlaut: „Als weiteren Beweis der Wertschätzung und der Dankbarkeit hat der Stadtgemeinderat beschlossen, dem freundlichen Gönner unserer alten Bergstadt Altenberg, dem hoch geehrten Wohltäter unsrer Armen, Herrn Prioatus Anton Unger, Ehrenbürger der Sladt Altenberg, zu Ehren und bleibendem Angedenken der bisherigen „Unteren Straße" künftig den Namen „Anton Unger-Straße" für alle Zeiten beizulegen." Herr Unger hat diese Ehrung unter Dank und mit großer Freude entgegengenommen. Dresden. In der Sitzung der Zweiten Kammer am Freitag wurden zunächst auf Antrag des Abg. Hähnel die Abgg. Vizepräsident Opitz, Horst und Sekretär Ahnert zu Mitgliedern für das Plenum der Brandversicherungs kammer und die Abgg. Rentsch, Klötzer und Neidhardt zu Stellvertretern, durch Zuruf wiedergewählt. Hierauf trat die Kammer in die allgemeine Vorberatung des Dekrets Nr. 16, betreffend den Bericht über die Verwaltung der Landesbrandversicherungsanstalt ein. Die Debatte eröffnete Abg. Greulich, der den Wunsch aussprach, es möchte hinsichtlich der Verwendung der bewilligten Baubeihilfen etwas mehr Freiheit gegeben werden. Abg. Horst gab anheim, für genügendes Beamtenpersonal, namentlich bei Lokales and Sächsische». Dippoldiswalde, 17. November. Unter dem Vorsitze des Herrn Amtshauptmann vr. Mehnert wurde heute von vormittags 10 Uhr ab die 9. diesjährige Bezirks- ausschußsitzung im Sitzungssaals der hiesigen König lichen Amtshauptmannschaft abgehalten. Zunächst nahm man von der Erledigung einer Bezirksstraßenwärterstelle Kenntnis. Sodann wurden genehmigt die Dismembrationen bei BI. 8 des Grundbuchs für Bärenburg, Bl. 5 des Grundbuchs für Malter und Bl. 11 des Grundbuchs für Bärenfels, das Schankkonzessionsgesuch Ludewigs in Beer walde, das Ortsgesetz über Errichtung einer Freibank in Glashütte und in Lungkwitz, sowie das Gesuch Schuberts in Johnsbach wegen Genehmigung zur Heranziehung seines Sohnes zum Tanzmusikspielen. Bedingungsweise fanden Genehmigung das Statut über die Hochdruckwasser- leitung der Gemeinde Großölsa, die Veräußerung von Ee- meindeareal seitens der Gemeinde Hermsdorf i. E., die Schlächtereianlage Kühns in Pretzschendorf, das Gesuch Liebschers in Liebenau um Übertragung des Realrechts zum Gasthofsbetriebe einschließlich der Abhaltung von Tanz musiken usw. im Erbgerichtsgasthofe daselbst und das Gesuch Kühnels in Liebenau um Genehmigung zum Betriebe der Schankkonzession in der Ebertmühle im Oelsengrund, Kat. Nr. 1k, während das Gesuch Bruhns in Kipsdorf Um Konzession zum Ausschank von Kaffee pp. und alkohol freien Getränken im Grundstücke, Brandkat. Nr. I daselbst mangels Bedürfnisses abgelehnt wurde. Gegen das Regulativ, das öffentliche Anschlagwesen in der Stadtge meinde Glashütte betr., sowie gegen das Regulativ über Erhebung der Hundesteuer in Schmiedeberg, hatte der Bezirksausschuß Bedenken nicht zu erheben. Punkt 18 der Tagesordnung, die Freigabe der in Rittergulsflur Lauenstein gelegenen Ölsengrundstraße für den öffentlichen Verkehr betr., wurde abgesetzt. Eine Änderung der bestehenden Festsetzungen des Jahres- arbeilsverdienstes land- und forstwirtschaftlicher Arbeiter hielt man nicht für angezeigt. Nach Vornahme von Wahlen in die Ausschüsse zur Schöffen, und Geschworenenwahl, von Sachverständigen zu Enteignungszwecken und in die Kommission zur Taxation von Kriegsleistungen pp. wurde als Beihilfe zu den Er ziehungskosten für einen verwahrlosten Knaben der Betrag von 50 M. aus der Ottostiftnng bewilligt. Zur Bildung des Gemeindeverbandes Liebenau-Waltersdorf zwecks Er richtung einer Verbandssparkasse in Liebenau, und eines solchen zur Errichtung einer Schulsparkasse in Dittersdorf erteilte der Bezirksausschuß Genehmigung und beschloß Auf Blatt 183 des hiesigen Handelsregisters ist heute die Firma Arthur Graf in Schlottwitz und als deren Inhaber der F stz eingetragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Pappen-, Holzstoff, Faßspundsabrik und Sägewerk. ««„laUckes Amtsgericht. Dippoldiswalde, den 18. November 1905. - ' ä. 127/05. KoMgUtyes . Bestellungen an. s Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschast, das Königliche -Amtsgericht und de» Stadtrat M Appaldlswalde. Die Meiberitz-Zeltung» . «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird an den vorhergehen- denAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 28 Psg., zweimonatlich 04 Psg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Psg. - Alle Postan- galten, Postboten, sowie unsere Austräger nehmen Inlerate, welch« bei d« bedeutenden Auslage do Blatte« -ine sehr wirk same Verdrehung finden, werden mit 12 P«g., solch« au« unserer Amtshaupt Mannschaft mit 10 Pfg die Spaltzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und lompll zierte Inserate mit ent sprechendem Aufschlag. — Eingesandt, im redaktio nellen Telle, die Spalten zeile 20 Pfg.