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Freitag. Nr 417 12. November L8S2 Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme txS Montags tiglich und wird Nachmittags 4 Uhr auS- gegeben. Preis für das Biertel- jahr I'/, Thlr-; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit «nd Gcsrhl« Zu beziehen durch alle PostLmter de« In- und Auslände«, sowie durch die vrpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Bnfertionsgrbüh» für den Nau« einer Zeil« 2 Ngr. Die Zoll- und Handelsfrage. HAus Sachsen, 10. Nov. Den Conferenzen, welche in Wien zwi schen Oesterreich und einigen deutschen Staaten stattfinden, um die Möglich, keit einer Zolleinigung nochmals zu berathen, wird in berliner Blättern der Plan gegenübergestellt, daß Preußen die Grundsätze des Jahre- 1818 ver- wirkliche und in den Hansestädten sowol Entrepots als Zollhäuser errichte; erstere, damit die Manufacte Preußens und seiner Zollverbündeten die Vor- theile der Wässer Bremens und Hamburgs genießen können, gewissermaßen ohne aus ihrem Zollgebiete auszuscheiden. Die Zollämter sollen die Im porteure dieser Städte in den Stand setzen, den Zoll zu erlegen, um auf diese Weise mit ihrem wohlfeilen Capital unmittelbar diejenigen Geschäfte besorgen zu können, welche jetzt in der Regel einen Zwischenhändler erfo- dern. Man wird sich erinnern, daß wir in diesen Blättern einen ähnlichen Vorgang Preußens als das Mittel bezeichneten, durch welches für Sachsen die Verbindung mit Preußen einen ungleich höhern Werth als unter dem gegenwärtigen Systeme haben würde. Die Gründe liegen nahe. Unsere wichtigsten Industrien, der Handel, die Landwirthschaft, die Weberei, die Stickerei, die Maschinenbauten, können bei dem gegenwärtigen Zollsysteme nicht bestehen. Der Handel leibet unter der Verhinderung der Einfuhr dop pelt, weil mit der Einfuhr auch die Ausfuhr verhindert wird, durch welche sie bezahlt worden wäre. Die Landwirthschaft bedarf Werkzeuge und Ma schinen von Eisen, bei dem hohen Schutzzölle auf Eisen kann sie sich aber diese Hülfsmittel nicht in hinlänglicher Menge anschaffen. Auch unsere Maschi nenfabriken, ein ganz bedeutender Industriezweig, können ohne wohlfeiles Ei sen nicht gedeihen. Unsere Weberei, Wirkerei und Stickerei werden von dem Zolle auf Baumwollgarne hart betroffen. Es ist die ärmste Bevölke rung, welche sich damit beschäftigt; sie hat es durch ihren Fleiß und ihre Entbehrungen dahin gebracht, daß sie einen großen Theil der Ausfuhr des Zollvereins zu liefern vermag. Darf man diese Entbehrungen noch erhöhen, ihre Industrie erschweren, indem man das Arbeitsmaterial besteuert? Von sol chem Systeme uns zu entfernen, sei es nun von Preußen oder Oesterreich vorgeschlagcn, wird unter allen Umständen das Bestreben Derjenigen sein, welche die Interessen Sachsens fördern wollen. Hieraus folgt die Hoffnung, welche wir an eine Zollreform in Preußen knüpfen, wie die ber liner Blätter sie in Anregung bringen und von welcher wir nur wünschen können, daß sie in dem Programme des Ministeriums Manteuffel liegen möge. Unsers Erachtens kann dieses Ministerium ein anderes Programm gar nicht durchführen, ohne Preußen in Oesterreich aufgchen zu lassen. Wenn Preußen das gleiche Zollsystem wie Oesterreich fcsthält, so hat das Project der österreichischen Zolleinigung gesiegt. Es bleibt dann nur noch eine Form zu erfüllen, welche Preußen gar nicht verweigern kann, ohne Oesterreich zu beleidigen, und für Diejenigen selbst, welche den Weg der Verkehrsfreiheit zu schätzen wissen, würde die Frage berechtigt sein, ob die Verderblichkeit eines solchen Schutzzollsystems nicht in der durch die Zolleinigung gebotenen Größe des Verkehrsgebiets leichter zu tragen wäre als in einem kleinern. Daß diese Frage zu Gunsten der österreichischen Projecte entschieden werden müsse, wenn der Verstand bei der Entscheidung mitwirke, war mit Recht die Ueberzeugung des Hrn. v. Bruck. Wenn Preußen sein Zollsystem nicht verbessert, ist die österreichische Zolleinigung mit dem gleichen System und in ihrer vollen Ausdehnung vielleicht ein Fortschritt zur Handelsfreiheit. Der Wunsch und das Bedürfniß, welche für eine freisinnigere Handelspolitik vor- licgen, sind der Beweggrund, welcher die öffentliche Meinung bei uns und in andern deutschen Staaten vorwiegend zu Gunsten Preußens entscheiden läßt. Erfüllt die preußische Negierung die Hoffnungen nicht, welche in die ser Beziehung auf sie gestellt sind, so darf sie sich nicht träumen lassen, daß jene öffentliche Meinung ihr auch ferner günstig bleiben werde. Er füllt dagegen die preußische Regierung unsere Hoffnungen, ist sie so weise, sich nicht länger durch Verhandlungen, mit welchen man ihren Entschluß verzögern will, Hinhalten zu lassen, gibt sie Garantien für jene Erfüllung durch die Verfügungen im eigenen Lande, so scheint es uns nahezu un möglich, daß irgend eine deutsche Negierung auf die Vorthcile verzichten möchte, welche eine solche Handelspolitik allein gewähren kann. Im Zau dern hat die preußische Negierung schon Großes geleistet, dasselbe muß aber jetzt ein Ende nehmen, denn wenn erst der Pact mit Oesterreich abgeschlossen ist, nützen die preußischen Entwürfe nichts mehr. Bisjetzt droht uns von Berlin und Wien gleiche Gefahr für unsere Entwickelung, die Zolleinigung und der alle Zollverein stehen sich in dieser Beziehung ziemlich gleich. An Preußen ist es, etwas Besseres anzubielen. — Der «Wanderer» schreibt aus Wien: „In sonst gut unterrichteten Kreisen erfährt man, daß durch die eben stattfindcnden Zvllconfcrcnzen die Coalition definitiv festgcsielll und der Handels- und Zollvcrtrag in glei cher Weise abgeschlossen werden soll. Die Bevollmächtigten sind diesmal mit weitreichenden Instructionen versehen." AuS Wien wird der Schlesischen Zeitung gerüchtweise gemeldet, daß die Coalirten die Führung von Unterhandlungen mit Preußen in der Zoll frage ausschließlich an Oesterreich übertragen würden. Gotha, 8. Noo. Die Gothaer Zeitung berichtet: Heute beginnt in Weimar die Konferenz der Bevollmächtigten der Thüringischen Staaten über die Zollvereinsangelegenheit. In dieser Conferenz soll, mit Bezug nahme auf den vom Geh. Staatsrath Thon in Weimar abgcstatteten Be- richt über die letzten Zollverhandlungen in Berlin, Beralhung darüber ge pflogen werden, ob und in welcher Weise bei einer etwaigen Sprengung des gegenwärtigen Zollvereins die Thüringischen Staaten einen solchen Ver ein mit Preußen allein fortsctzen würden. Von Gotha wird Staatsminister v. Seebach und Ministerialrath Braun dieser Conferenz beiwohnen. Deutschland. Berlin, 10. Nov. Der berliner Gemeinderath nahm heute die Wahl dreier Abgeordneten der Stadt Berlin zur I. Kammer vor, und eS fiel die Wahl auf den Oberbürgermeister Krausnick, auf den Generalsupcrin- tcndenten von Brandenburg vr. Neander und auf den Stadältestcn de Cuvry. Ferner wurden hier gewählt von dem dritten Wahlbezirke der Provinz Bran denburg, welcher Osthavelland re. umfaßt: Graf Jtzenplitz, Oberconsistorial- rath Professor Stahl und Graf Solms-Baruth. Alle Drei waren schon bisher Mitglieder der I. Kammer. *** Berlin, 10. Nov. Das Wahlresultat in Betreff der Zusam mensetzung der Kammern läßt sich nunmehr schon übersehen. Die stärkste Partei darin wird offenbar die der ständischen Restauration bilden, Dank der ländischen Bevölkerung in den östlichen Provinzen. Diese Partei ist an Eintracht stark, wozu neuerdings die reactivirten Provinzial stände das Ihrige beigetragen haben, und sie wird voraussichtlich der Re gierung manchen harten Stand bereiten, weshalb auck, wie man sagt, Hr. v. Manteuffel geneigt sein soll, den Weg einer versöhnlichcrn Politik als bis her einzuschlagen. Die Ultramontancn dürften in der Kammer voraussicht lich mindestens über 50 Stimmen zu gebieten haben, indessen kann man annehmen, daß sie an der Verfassung nur insofern festhalten werden, als dies die in dem Programm ihrer Partei bezeichneten Paragraphen betrifft. Die eigentliche constitutionelle Partei dürfte diesmal kaum zur Hälfte so viele Streitkräfte auf das Wahlfeld führen als! in der frühcrn Saison. Dagegen tritt diesmal als eine neue Partei die des Preußischen Wochen blatt auf, deren Führer bekanntlich Hr. v. Bethmann-Hollweg ist, und zu welcher Männer wie Kühne, v. Patow re. gehören. Man kann der selben weder Energie noch Einfluß in weitern Kreisen absprechen und auch von ihr darf angenommen werden, daß sie sich in den meisten Fragen dem Ministerium schroff gegenüberstellen wird. Eine eigentliche Vermittelungs partei gibt cs mit dem Wegfall der Bodelschwingh-Geppert'schcn nicht mehr und schwerlich wird sich eine solche auch wieder zu Stande bringen lassen. — Zn Bezug auf die den Kammern zu machenden und im Ministerium noch zur Berathung kommenden Vorlagen, die Revision der Berfas- sung betreffend, glaubt das berliner Correspondenz-Bureau als sicher mit- theilen zu können, daß die Mehrheit des Staatsministeriums (die HH. v. Manteuffel, v. d. Heydt, v. Bonin und Simons) den auf bloße ritter- schaftliche Ncactivirungen gerichteten Vorschlägen nicht geneigt sind, daß man aber den großen Grundbesitz zu befestigen und zu ehren für eine Hauptauf gabe hält und in Rücksicht auf die künftige Bildung der I. Kammer vor nehmlich festhält, daß diese vom Könige durch Ernennung ausgehen müsse. — In Betreff der von dem Ministerium beschlossenen Stcucrerhöhung für die Rübenzuckerfabrikation vernimmt das berliner Correspondenz Bu reau, daß dieselbe hauptsächlich auf Grund der Hannover gegenüber cinge- gangcnen Verpflichtungen als nicht länger zu verschieben angesehen worden ist. Die Frage wegen der von den betheiligtcn Industriellen mehrfach be antragten Bewilligung einer Ausfuhrvcrgütung ist, wie das Corresvon- denz - Bureau hört, mit der wegen der Erhöhung der Steuer erfolg ten Beschlußnahme außer Zusammenhang geblieben. In Betreff jener steht mithin die Entscheidung noch zu erwarten. Wie verlautet, wird von den Interessenten der Rübenzuckerindustrie beabsichtigt, die Bonificationsangele- gcnheit bei den Kammern zur Sprache zu bringen. — Einer der auf der Festung Silberberg inhafiirten politischen Gefan genen, Alexander Klose von Breslau, hat in diesen Tagen sich durch eine starke Dosis Opium zu vergiften versucht. Die lange strenge Haft in den Kasematten — Klose ist wegen der breslaucr Mairevolte zu einem dreijährigen Fcstungsarrcste vcrurthcilt und befand sich vordem bereits länger als Jahr und Tag im breslauer Jnquisitoriatsgefängniffe in Unter- suchungshäft-— Hypochondrie, Mangel und Verzweiflung sollen die Motive dieses Ereignisses sein. Die sofortige Entdeckung des Vergiflungsversuchs durch den mit ihm inhastirten Studenten Niemtz und die infolge dessen an-