Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.06.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180629012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918062901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918062901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-06
- Tag 1918-06-29
-
Monat
1918-06
-
Jahr
1918
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen »Ausgabe t!«t»zl, und V»r,rl« UaNch lu» Ha«» gedkachi »onatUch M. Lvo, »lirtallLhrllch M. 6.0U; fük Adholar monatlich M. 1.75; dnrch u»i«rc «»«waniaan Ftltalan in» Hau» gebracht monatltch M. »tarlal- iäbrltch M.SL0; durch dia vast innerhalb Dautlchland» S«samt-4>»taab« «auatiich Hl. L25. oieriellLhrilch M. 6.75; Morffen-Aulgad» M. 1<b(b Bbeub-Aotgabe M. l),80, Sanntaal-Autgab« M. V^ü monatltch lautlchllehllch Postdeftellgedllhr). Hauptschriftletker: Dr. Erich Everih, Leipzig. handels-IeUuns /lmrsblatt des Rates und des pollzetarntes -re Stadt Leipzig 112. Jahrgang Aa»«rgenr>r«is: Ä'W Anieiaa» ». Bahkrdan im amtl. Leit dl« goloneljetle 86 Pf, ». aut», gk blain, Anzeigen di, Ko!,n«l,«il» U Pf., aulwartt 55 Pf^ «peschäftdanzeigen mit Platzuorfchriften im Preti« erbdht. Vatlagan: ivesamtauflag« M. 7.— da» Laniend outlchl. PoftgebRhr. Einzelnummer li> Pf. — So,»- »ad Aeftt»,« 15 Ps. A«»f»,ech.»»fchI,b'Nr. 146« 1««» »d KV« Pofticheckk. uto 7A». Schrlfkleituag mid Seschtftlftel«: Zohauuitgaffc Lr. 8. Verlag: Dr. Reinhold L Co.. Leipzig. Rr» 826 Sonnabend, den 2V. 3uni 1918 Seidlers Ausfichten wachsen Seidlers Verhandlungen mit den Parteien Die Ukrainer für Seidler. Wien, 28. Juni. (Drahtbericht unseres Wiener Mit arbeiters.) Ministerpräsident Dr. von Seidler ist heute vor- m tlag rom Kaiser in längerer Audienz empfangen morden. Im Parla ment wird mitgeteilt, daß Dr. von Seidler heute die Betrauung erhielt, ii «ue Verhandlungen mit den Parteien einzuleiten, um daS Budgelprovisorium und die übrigen StaatSnolwendigkeiten zu sichern. Er soll besonders »nit den Polen und den deutschen Sozialdemokraten in Verhandlungen treten, um diese Parteien zu bewegen, der Verab schiedung des BudgelprovisoriumS keinen allzu großen Widerstand zu eisten. Die deutschen Sozialdemokraten maren schon früher einmal bereit, für das Budgctprovisorium zu stimmen. Ob die Polen sich bereit- s nden werden, Dr. von Seidler, den sie bisher bekämpften, diesen Ge- salleo '« tun, steht noch dahin. Doch muh konstatiert werden, dah die Stellung Dr. von Seidlers im Parlamentheute fester ist als gestern, da sich die Ukrainer mit groher Energie und Ent schiedenheit auf feine Seite gestellt haben. Von ukrainischer Seite wird erklärt, dah man Dr. von Seidler halten müsse, der den Brest- Litowsker Vertrag mit unterzeichnet habe. Da die Polen nun xerade seine Entlastung verlangen, sei es für die Ukrai.::r nationale Pflicht, ihn zu halten. Diese Erklärung der Ukrainer Hot im Parla ment grohen Eindruck gemacht. ES steht nun fest, dah Dr. von Seidler im Falle de» Gelingens seiner Verhandlungen sich unter allen Um ständen auf die deutschen Bürgerlichen und die Ukrainer stützen könnte, wobei er über einen Kern von mehr als 200 Stimmen verfügen werd«. Wenn absolut keine Sicherung für ihn mit auch knapper Majorität zu erlangen wäre, würde Dr. von Seidler mit einem neuen Kabinett einige Wochen in ex lex regieren. Darüber hinaus soll der neue Plan nicht gehen. Wien, 27. Juni. (Diahtbericht.) Gegenüber Meldungen, die Polen hätten sich mit neuen Vorschlägen besaht, welche die im Zuge befindlichen VermiltlungSaktion bezüglich der Frage der Zweiteilung Gali ziens betreffen, sind die .Polnischen Nachrichten" vom Präsidium deS Polenklubs zu der Erklärung ermächtigt, dah die VermiltlungSaktion über die Zweiteilung Galiziens in der letzten Konferenz nicht beraten wunde. Dagegen müsse hervorgehoben werden, dah einflußreiche pol- nische Kreise nach wie vor bereit seien, auf der Grundlage der Einheit d«S Landes in Verhandlungen über einen Ausgleich mit dem ruthcnischen Volksstamme zu trete«. Kämpfe an der flandrischen Küste Abwehr eines englischen Bombengeschwaders. — Vertreibung einer Zerstörerflottille. Berlin, 28. Juni. (Amtlich.) Am 27. Juni vormittags griff eine unserer Marinejagdketten unter Führung des Leutnants d. N. Ofterkamp querab der flandrischen Küste ein stark von Einsitzern gesichertes feindliches Bomben ge f ch w a d e r an. Im Verlauf des Kampfes, in den alle feind lichen Flugzeuge — ungefähr 20 — eingrjffen, gelang es unserer Kette, die nur aus vier Flugzeugen bestand, vier feindliche Flug zeuge abzuschiehen. Leutnant Ofterkamp errang seinen fünfzehnten Luftfieg. Flugmaar Zenfes war an dem Erfolg mit zwei Ab schüssen beteiligt. Am Abend des 27. Juni gerieten Teile unserer Torpedoboots streitkräfte Flanderns auf einer Patrouillenfahrt vor Ostende in ein Gefecht mit englischen Zerstörern unter Führung eines Zerstörerführerschisfes. Nach etwa einhalbstündigem Gefecht zogen sich die feindlichen Zerstörer mit hoher Fahrt zurück, indem sie sich durch Linnebeln der Sicht entzogen. Es wurden Treffer auf dem Führerschiff und einem der Zerstörer beobachtet. Unsere eigenen Boote sind ohne <Lhe rluste und Beschädigungen eingelaufen. Der Chef des Admiralstabes der Marine. "td. Berlin, 28. Juni abends. (Amtlich.) Nördlich der Ly s und südlich der Aisue Kämpfen wir in der Abwehr heftiger Teilangriffe -es Feindes. Die deutschen Kriegsgefangenen in Rumänien Rumäniens Entschädiqungspflichf. — Die Bestrafung der Schuldigen. — Erheblich übertriebene Zahlen. — Höchstens 4500 Gefangene. — Die Geltendmachung der Entschädi gungsansprüche. — Pauschalierung aller Ansprüche. — Forderung der öffentlichen Verhandlung über Sühne und Entschädigung. Berlin, 28. Juni. (Drahtbericht.) Sckon bei der ersten Lesung des Friedensvertrages mit Rumänien wurde im Reichstag auf die grau same Behandlung der Kriegsgefangenen Deutschen hingewiesen, von denen viele gestorben und viele dauernd an ihrer Gesund heit geschädigt seien. Man forderte allgemein, dah hierfür unter allen Umständen ausreichende Sühn« eintrelcn müsse, Mi der Beratung des rechtspolitischen Zusatzvertrages am 27. Juni beschäftigte sich auch der Hauptausschuh des Reichstages eingehend mit dieser Frage. Ministerialdirektor Dr. Kriege führt« dazu aus, dah die gegen die frühere rumänische Regierung gerichteten Angriffe lei- der berechtigt waren und dah die Leiden unserer Gefangenen in Rumänien unter allen Umständen volle Sühne verlangten. Für eine solche Sühne sei aber bereits gesorgt. Die deutsche Regierung sei mit der jetzigen rumänischen Regierung voll kommen darüber einig, dah diese nach Artikel 6 des rechtspolitischen Zusatzvertrages verpflichtet seien, sür alle Folgen der schlechten Be handlung aufzukommen. Alle Schäden, die auf schuldhaftes Handeln und Unterlassen rumänischer Organe während der Gefangenschaft oder auf Abbeförderung der Gefangenen nach Rußland zurückzuführen seien, mühten erseht werden. Soweit die Gefangenen verstorben seien, stehe ihren Hinterbliebenen Anspruch auf volle Entschädigung zu. Selbst verständlich sei aber mit einem derartigen Schadenersatz das geschehene Unrecht nicht aus der Welt geschafft, es müsse vielmehr für eine strenge Bestrafung der Schuldigen gesorgt werden. Dieser Standpunkt werde von -er rumänischen Regierung durchaus geteilt. Sie habe eine Anzahl schul diger Beamten und Offiziere schon früher ihres Amtes entsetzt, gegen andere Schuldige sei bereits ein Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt worden. Auch wolle die rumänische Regierung in allen anderen ihr mikgeteilton Fällen strafrechtlich einschreiken und habe zu diesem Zweck eine besondere Kommission eingesetzt. "Die von einzelnen Abgeordneten angeregte Auslieferung der Schuldigen an Deutschland würde nicht zum Ziele führen, da es sich um Straftaten handele, die von Ausländern im Ausland begangen seien und daher in Deutschland nur unter ganz bestimmten, hier nicht zutreffenden Vor aussetzungen verfolgt werden könnten. Im übrigen seien die Zahlen, die hinsichtlich unserer Gefangenen teilweise in der Oeffentlichkeit ge nannt würden, erheblich übertrieben. Insgesamt seien zwischen 4000 und 4500 deutsche Soldaten in rumä nische Gefangenschaft geraten, wovon etwa 1000 verstorben und 1500 an ihrer Gesundheit geschädigt seien. Viele Todesfälle seien auf ansteckende Krankheiten zurückzuführen, denen auch die rumänische Bevölkerung in der Moldau und die Angehörigen der rumänischen Armee In großer Zahl zum Opfer gefallen seien. Die Gefangenen oder ihre Hinterblie benen müßten nach dem Zusatzvertrag ihre Entschädigungs ansprüche an sich vor der im Artikel 7 vorgesehenen internationalen Kommission geltend machen, die Regierung wolle ihnen Indes die damit verbundenen Weiterungen und Mühen abnehmen und für die Be teiligten Anwälte bestellen, die alle erforderlichen Unterlagen sammeln und die Ansprüche vor der Kommission vertreten würden. Vielleicht ließe sich auch eine Pauschalierung der gesamten Entschädigungsansprüche erreichen. Selbstverständlich sollen durch die rumänifcherseils zu zahlen den Entschädigungen nicht etwa die den Gefangenen oder ihren Hinter bliebenen zustehenden Rechtsansprüche gegen den Reichsfiskus abge- gölten werden. Diese blieben vielmehr im vollen Umfange bestehen. Adg. Dr. Pfleger (Zentr.) hätte gewünscht, daß die richtigen Zahlen über die Kriegsgefangenen Deutschen in Rumänien eher veröffentlicht worden wären, da In der Oeffentlichkeit wesentlich höhere Zahlen ge nannt worden seien. Die Bestimmungen über di« Entschädigung der Verletzten und Hinterbliebenen durch Rumänien müßten zur Be cuhIgMg der Hinterbliebenen und der Kriegsgefangenen wie auch zur Beruhigung der Stimmung in der Arme« bekanntgegeben werden. Bei Verteilung der Entschädigungssumme mühten vor allem die Fälle be rücksichtigt werden, aus denen eine besonders große Zahl von Fami lienvätern durch schlechte Behandlung in der rumänisch« Ge fangenschaft den Tod oder Beschädigungen erlitten hätte. Abg. v. Graese (Kons.) hält die öffentliche Verhandlung der Frage von Sühne uad Enlschäblguug für die Mißhandlungen unserer Gefangenen für -ringend ge boten, sowohl im Interests der Beruhigung der große« Erregung tm deutschen Volke, als auch zur Warnung an die übrigen Eu- tenkeländer. Gewiss« Zweifel heg« er freilich, ob der Wortlaut der Vertragsbestimmungen genüge, um dve volle Durchführung nament lich dec Bestrafung der Schuldigen durch die rumänischen Gerichte absolut zu sichern, sofern nicht bestimmte Zusagen seitens der rumänisch« Re gierung vorliegen. Abg. Erzberger (Ztr.) weist auf die große Schwierigkeit hin, die darin bestünde, daß zur Begründung der Entschädigungsansprüche in jedem einzeln« Falle das Verschulden rumänischer Or gane nachgewiesen werd« müsse. Mel bester sei es, wenn die rumä nische Regierung sine Pauschalsumme zahle, aus der dann von deutscher Seite die Entschädigung gewährt würde. Oberst v. Franlecki hebt hervor, daß ein Teil der Schädigungen der Kriegsgefangenen wohl auch die Folge der mangelnd« Fürs««« bei dem übereilt« Rückpig der Rumänen gewesen sei, rote denn auch damals döese selbst durch Seuchen große Verluste erlitien hätten. Allerdings seien auch Fälle von Grausamkeit und schlechter Behandlung vor gekommen. Als diese Fälle bekannt ward«, habe das KriegSministe- rium sofort zuverlässige neutrale Delegierte nach Rumänien zur Unter suchung gesandt, deren Forderungen die rumänische Regierung im großen und ganzen entgegenkommend bclxrndelt habe. So habe sie auf Ver langen der Delegierten die Kommandanten von Lagern, in denen Greuel vorgekommen waren, abgeseht und bestraft. Dt« Zahl der kriegsgefangen« Deutschen tn Rumänien laste sich zurzeit noch nicht genau feststellen, die Angaben schwankten. Die höchste Zahl, die uns mitgeteilt sei, betrage 4300. Eine Kommission aus deutschen und rumä nischen Offizieren sei jetzt dabei, festzustellen, wieviel Kriegsgefangen« wir in Rumänien gehabt hätten und ob noch etwa irgendwo in der Moldau Kriegsgefangene zurückgehaltcn würden. Die Lokalvereine vom Roten Kreuz sollten eine Veröffentlichung erlassen, daß all; Fami lienmitglieder von Heercsangehörügen, die in Rumänien in Kriegsge- fangenschast geraten seien, sich meld« sollten. §'bg Worn-nl'' (D Fr) bezweifelt, daß die rumänischen Gerichte die Schuldigen genügend bestraf« würden. Man hätte ein« besoickere Bestimmung l« den Vertrag aufnehm« sollen, die uns selbst zur Aburteilung der Schuldigen berechtige. Die Anregung auf Pauschalierung der Entschädigung ver diene durchaus Zustimmung. Abg. Dr. Haas (Freis. Vpt.) ist vollkommen damit einverstanden, daß die Schuldigen zur Sühne gezogen werden. Würden wir aber selbst die Bestrafung der Schuldigen vornehmen, so würden sie zu Märty rern; bestrafe sie ihre eigene Regierung, so seien sie Halunken. Bestehen wir auf Bestrafung, so würde es auch eine gute Wirkung lm übrigen feinblichen Ausland« haben, wo gleichfalls solch« Verbrechen vorgekommen sotrn. Abg. Rosk« (Soz.) hat nichts dagegen sinzuwmden, daß die rumä- nische Regierung die Knegsgefangenen oder deren Hiaterbttebcne ent- schädigt, weist aber darauf hin, daß «ine solche besondere Zu- Wendung an Kriegsbeschädigte oder deren Hinterbliebene leicht Unzufriedenheit bet ander« erregen könnte, die durch Gefangenschaft in Frankreich oder Rußland nicht weniger gelitten haben. Das würde schließlich dazu führen, daß man allen diesen erhöhte Entschä- digungen bewilligen müßte. Abg. Freiherr v. Richthofen (Natl.) hätte gewünscht, dah schon früher von amtlicher Stell« uns zooerlästige Angabe« über di« Zahl der Kriegsgefangenen in Rumänien mitgeteilt worden wären, do hierdurch groß« Benn- ruhigung in der Oeffentlichkeit hätte vermieden werden können. So traurig auch dieses ganze Kapitel sei, so würden doch di« Erklärungen des Ministerialdirektors Dr. Kriege und des Oberst« von Franfecki einigermaßen beruhigend wirken. - - Der Kaukasus und Persien Vom Freiherrn von Nichthofen, M. d. N. Der Kaukasus ist bekanntlich die Wiege der europäischen Menschheit. Zn der Geschichte der Jahrhunderte ist der Kaukasus ein viel umstrittenes Gebiet gewesen. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts herrschte aber dort in unangefochtener Machlfülle das Russische Reich. Die Völker, die den Kaukasus be wohnen, haben mit den Russen an sich nichts gemein, sie sin- anderen Stammes, anderer Sorache und Wesensart. Auch hat das russische Gouvernement des Kaukasus in dem nielgestalteten Russischen Reich stets eine Sonderstellung eingenommen. Das ständige Anwachsen der russischen Interessen im Kaukasusgebiet hat hieran nur wenig zu ändern vermocht. In den Bergen des Kaukasus blieben die Georgier und die anderen kaukasischen Stämme beheimatet, und in den Städten wurzelten feste große Teile armenischer Bevölkerung, deren nationales Heiligtum, das Kloster Etchmiadzin, an dem Südhang des Kaukasus liegt. Der Einfluß des Russentums zeigt sich — soweit er vorhanden ist — vor allem in Len beiden Küstengebieten und in der Hauptstadt Tiflis, die früher, schon durch die große Anzahl russischer Beamten und durch eine starke russische Garnison, trotz aller orientalischen Be sonderheit doch den Charakter einer russischen Provinzstadt nicht verleugnen konnte. Die große i n t e r n a t i o a l e wirtschaftliche Be deutung des Kaukasus beruht bekanntlich aus dein gewaltigen Oelvorkommen am Kaspischen Meer in der Umgegend von Baku. Diese Mineralöiquellen versorgen nicht nur ganz Rußland, sondern ihre Produktion ist der hervorragenden Qualität wegen auf der ganzen Welt in hohem Maße geschätzt. Von Baku aus führt längs der Bahnskecke bis nach Batum die große Rohrleitung, -urch die das zum Export bestimmte Mineralöl über mehr als 700 Kilometer hinweg in die auf dem Schwarzen Meer wartenden Tankschiffe gepumpt wird. Das Mineralölvorkommen in Baku hat selbstverständlich große russisch und internationale Kapitalien nach -em Kaukasus gezogen, und so ist es verständlich, daß die gegenwärtige russische Regierung den Verlust Batums sehr be dauert und sich mit allen, auch militärischen, Kräften gegen eine Aufgabe von Baku wehrt. Für uns Deutsche hat der Zusammenbruch des Russischen Reiches eine völlige Veränderung der Lage in diesen Gebieten der Welt gebracht. Solange der Kaukasus fest in russischen Händen war und die Herrschaft auf dem Schwarzen Meer unbestritten den Russen gehörte, konnte man sich von einer deutschen wirtschaft lichen Expansion nur wenig versprechen. Jetzt haben wir die Mög lichkeit einer unmittelbaren Landverbindung, von der wir hoffen, daß sie durch die Ukraine hindurch, auch nach dem Weltkriege, in einer für uns wünschenswerten Weise sich wird erhalten lassen. Vor allem aber haben wir, wenn der Friedensschluß erst einmal die freie Schiffahrt auf dem Meer wiederhcrgestellt haben wird, die Gewißheit, auch unserseits im Schwarzen Meer eine Schiffahrt im großen Stil ins Leben rufen und uns dabei auf den verstärkten Einfluß, den wir auf die Donauschiffahrt und damit aus die Donaumündung gewonnen haben, stützen zu können. Dadurch wird für uns der Kaukasus ein wertvolles und sehr aussichtsreiches wirtschaftliches Gebiet, an dessen politischem friedlichen Gedeihen wir infolgedessen in starkem Maße interessiert sind. Der Kaukasus wird voraussichtlich in der Zukunft von drei Staaten begrenzt werden. Im Norden Groß-Rußland oder das jenige Gebilde, das sich in dieser Gegend der Welt etwa noch von Groß-Rußland ablösen sollte. Im Südwesten von der Türkei und im Südosten von Persien. Die Türkei hat die Gunst des Augen blicks zu nützen verstanden und ihre Einflußsphäre im Kaukasus gebiet sehr erheblich oorwärtsgeschoben. Sie fußt hierbei auf alten Rechten, die im vorigen Jahrhundert der russischen Ueber- macht weichen mußten. Da diese Gebiete des weiteren Kaukasus aber von einer christlichen Bevölkerung bewohnt werden, so kann man sich ohne weiteres vorstellen, dah das Vordringen der Türkei starken Schwierigkeiten begegnet und daß es nicht leicht sein wird, auf diese Weise zu ruhigen politischen Verhältnissen zu kommen, die doch nur bei einer mit ihrem Lose zufriedenen Bevölkerung denkbar sind. Der Expansionsdrang, der die türkische Regierung hier zu beherrschen scheint, könnte auch geeignet sein, eine er sprießliche politische und wirtschaftliche Fortentwickelung des eigenen weiten kleinaflatischen Landes zu gefährden. In dem Ge biet der eigentlichen Türkei schlummern noch so unendlich viele vngebobene Schätze und ergibt sich noch sür viele Jahrzehnte eine so außerordentliche Möglichkeit großzügigster und lohnendster reformatorischer Bestrebungen, daß eine größere Ausdehnung des zu bearbeitenden Gebietes zu einer bedenklichen Zersplitterung führen könnte. Auch hier zeigt sich der Meister vielleicht am besten in -er Beschränkung. . . Nach Transkaukasien wie nach vielen Gebieten des persischen Reiches führt über dm Kaukasus der Weg. Es ist daher verständ lich, dah die Perser gespannten Auges auf die Entwickelung der Dinge im Kaukqtusgebiet blicken. Auch hier handelt cs sich bei der Entwlckelungsmöglichkeit des Persischen Reiches um für unS Deutsche sehr bedeutungsvolle Fragen, die mit der Zukunft nur an Gewicht zunehmen können. Die Sicherung eines deutschen poli- tischen Einflusses auf Persien, ohne die die Erreichung wirtschaft licher Vorteile undenkbar ist, hängt eng mit dem Schicksal des ganzen Kaukasus und mit dem Verhältnis zusammen, das wir zu dem kaukasischen Staat oder den kaukasischen Staaten kerzustellen vermögen. Sie ist aber auch unzweifelhaft abhängig von der Art der politischen Beziehungen, die sich in der Zukunft zwischen der Türkei und Persien herausbilden werden. Hierbei darf man nicht außer acht lasten, daß das Verhältnis zwischen diesen beiden Län dern in den letzten Jahrzehnten und auch schon in früheren Zeiten häufig Trübungen ausgesetzt gewesen ist. Perser und Türken sind zwar beide mohammedanischen Glaubens, sie gehören aber be- Kanntlich zwei tetzr verschiedenen Sekten au. Man kann das
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite