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Dienstag. Nr. 289. ZI. December 1835. Leipzig. Di« Zeitung erscheint m»l Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags ä Uhr au-- gegeben. gkreis für das Biertel jahr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Dklltscht Mgcmiiic Zcitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Erseh!» Zu beziehen durch alle Postämter de« Zn- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Anferttonagebühr für den Raum einer Zelle 2 Ngr. Deutschla« Preußen. ^Berlin, 9. Dec. In den Zeitungen ist vielfach von Unterhandlungen die Rede, welche gegenwärtig zwischen Oesterreich und den Westmächten über ein Ultimatum staltfänden, welches Oesterreich, sobald es mit den Westmächten darüber im Reinen wäre, Rußland vo, legen wolle. Die betreffenden Angaben sind ganz und gar unbegründet. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Westmächte die Erfüllung Dessen, was sie als die Verpflichtung Oesterreichs infolge des Decembeiveitrags betrach, ten, fortwährend dringend wünschen; ebenso bestimmte Thatsache ist cs aber auch, daß Oesterreich von seiner Auffassung der betreffenden Frage nicht abgehen will. Wie die Dinge, in dieser Beziehung kurz nach dem Schluß der Wiener Conferenzen gestanden haben, so stehen sie auch jetzt noch. Da mals war Oesterreich bekanntlich bereit, seine Interpretation des drillen Punkts —von welcher eS übrigens wissen konnte, daß Rußland sie anneh- men würde — als ein Ultimatum nach Petersburg zu senden; bekannt ist aber auch, daß die Westmächte dieses Anerbieten entschieden ablchnten. Seit dem ist zu einer größern Annäherung Oesterreichs zu den Weltmächten nichts geschehen, und daß auch jetzt nichts Derartiges im Werke ist, dies beweist wol am besten die aus Wien hier eingegangene verläßliche Nachricht, daß nicht nur die Armee in Galizien, sondern auch die ganze österreichische Ar mee überhaupt demnächst aufs neue eine sehr wesentliche Reduktion erfahren wird. Ausgenommen sind hiervon blos die in den Donaufürstenthümern ste henden Truppentheile. Der thätige Finanzminister v. Bruck hat diese Maß regel schon lange dringend gefodert und jetzt hat er dieselbe im Minister- rath durchgcseht. Wir erhalten diese Nachricht aus ganz unterrichteter Quelle, und wir zweifeln darum keinen Augenblick, daß sie schon demnächst ihre offlcielle Bestätigung finden wird. Diejenigen, welche von einem neuen österreichischen Ultimatum, resp. von einer eventuellen Theilnahme Oester reichs am Kriege reden, wenn Rußland das angebliche Ultimatum nicht an nehme, mögen nun zusehen, wie zu Dem, was wir melden und für dessen Richtigkeit wir einstehen können, ihre wunderlichen Angaben sich verhalten. LS ist übrigens nicht zu verkennen, daß zu dieser Entstellung der Dinge di« jüngsten Expectorationcn französischer Blätter das Meiste beigelragen haben. Man glaubt jenen Auslassungen doch wenigstens ein Minimum von thatsächlicher Unterlage beimesscn zu müssen, und übersieht, daß das eigent lich Thatsächliche eben nur in der Einseitigkeit der westmächllichen Wün sche Oesterreich und Deutschland gegenüber zu suchen ist. Die Verschieden- attiaktit der Form, in welcher diese Wünsche bald so und bald so geäußert werden, darf dabei nicht beirren. So ist, um uns nur auf ein Beispiel zü berufen, jüngst ja nachgewicsen worden, daß die bekannten wiener Cor- rtspondenzen des Constitutionnel in Paris verfaßt werden. Aehnlich verhält es sich auch mit einer Correspondenz auS München datirt, die vor einigen Äagen in der Patrie zu lesen. Wir haben, um auch hier die nölhige «Hal- sächliche Berichtigung zu geben, uns lediglich auf Das zu berufen, was wir über die Vorstellungen einiger deutschen Mittelstaaten am russischen Hofe, sowie über daS Unveränderte in der bisherigen Stellung derselben zur orientalischen Frage in früher» Briesen bereits ausführlich gesagt haben. Die genaue Constatirung alles Dessen ist durchaus nöthig, wenn daö Pu- Muni über den wahren Stand der Dinge nicht irrcgesühr( werden soll. Es ist, was Oesterreich und Deutschland betrifft, nichts im Werke, durchaus nichts, was auch nur im entferntesten auf eine Aenderung in der bisheri gen Situation hindeuten könnte, und was die fast bis zum Ueberdruß durch- gssprochene FriedenSfrag« betrifft, so kann nur wiederholt werden, daß, nach, dem der Kaiser der Franzosen auf die ihm gemachten allgemeinen Erüff- nöligen die bekannte Stellung einmal eingenommen hat, daS letzte Wort hierüber lediglich nur noch von Petersburg zu erwarten ist. Auch nur enl- ftrstt hegründete Hoffnungen sind mit Kiefer Erwartung aber nicht verbun- den, denn eigentlich hat Rußland bereits gesprochen. Freilich können sich dje ^Optimisten und Diplomaten nicht gut dareinfinden. Man hat solange auf den Winter gehofft, um eS wieder zu Fricdensunterhandlungen zu brin- gen, und nun ist der ersehnte Winter da, und doch will sich zu einer fried- kichern Gestaltung der Dinge noch nichts anlassen, selbst nicht einmal in der äußern Form. Man verdoppelt daher von allen Seiten darum die An strengungen, damit nicht vollends auch noch die übrige Zeil des Winters sö dahingehe. Auf diese allgemeine Stimmung sind die ewigen Friedens- gerüchte zurückzuführen, auf nichts Anderes, und von Thalsächlichem ist, bis heute wenigsten-, auch nicht im entferntesten die Rede. Ob nach der Rückkehr des Hrn. v. Fonton aus Petersburg die Dinge sich etwas besser gestalten, das ist abzüwtrten; das Wahrscheinliche aber ist, daß nach wenigen Monaten der thatsächliche Wiederbeginn der resp. Feldzüge unsere Friedensträumer etwas u«ffanft üuS ihrer Illusion wieder aufwecken dürfte. „Von Frieden", so hörten wir dieser Tage eine Persönlichkeit äußern, welcher in dieser Sache ein, Urtheil wol zusteht, „ist keine Rede und kann keine Rede sein, und alles DaS, was GegentheiligeS in den Zeitungen steht, kann blos für die Politiker des WirthShauses einen Werth haben." t Berlin, 9. Dec. Den Versuchen der Anknüpfung von Friedens- Unterhandlungen soll Preußen ziemlich fernstehen, da sich noch keine feste und erfolgversprechende Grundlage dafür darbietct. Auch hört man in hiesigen di. lomatischen Kreisen bestätigen, baß von Seiten Preußens in Be» ircff der Frage über die künftige Gestaltung der Dinge in den Donaufür- stenihümern noch keine bestimmte Aeußerung erfolgt ist. Wie man behaup- tet, würde die Behandlung dieser wichtigen politischen Frage von den Groß mächten gegenwärtig noch nicht in die Hand genommen werden. Ob die Erklärung Rußlands, daß es eine ohne seine Mitwirkung stattsindende Re-, gelung der die Donausürstenlhümer betreffenden weitgreiftnden Angelegenheit niemals anerkennen werde, auf diesen Aufschub Einfluß geäußert hat, möge dahingcstellr bleiben, obwol es fast anzunehmen sein dürfte. Ueberhaupt ist eS ein Jrrthum, dem man bei der öffentlichen Meinung nach den vielen Niederlagen Rußlands häufig begegnet, als ob die Willensmeinung deS pe- tereburgcr Eabincls nunmehr fast gar nicht mehr in die Wagschal« falle. Dies ist eine Auffassung, die man in der diplomatischen Welt nicht kennt. -— Die Behauptung des russische» BlattS Le Nord, als ob zwischen den Offi- zieren der englischen und französischen Kriegsschiffe der Ostsceflotte kein gutes Einvernehmen, sondern vielmehr eine gegenseitige gereizte Stimmung herrsche, wird hier auf Grund unmittelbarer Nachrichten entschieden in Ab- rede gestellt. — Die berliner Blätter enthalten ein« Auffoderung zu Beiträgen, um den von der Ungunst ter Verhältnisse mehr als Andere betroffenen Fami lien während der nächsten Wintermonate durch Darbietung guter und wohl feilerer Nahrungsmittel Mittel zur Linderung dieser Noth zu gewähren. Unterzeichnet ist die Auffoderung. unter Andern von dem Generallieutenant und Generalinspectcur der Artillerie v. Hahn, dem Generalpolizeidirector v.Hinckeldey, den, Gcneralsuperintcndenten der Aurmark Brandenburg vr. Hoff mann, dem Geh. LberregicrungSrath und Oberbürgermeister Krausnick, dem Ministerpräsidenten v. Manteuffel, dem Minister des königlichen HauseS v. Massow, dem Geh. Eommcrzicnralh Mendelssohn, dem Geh. RegierungS- rath und Bürgermeister Naunyn, dem Wirklichen Geheimrath Grafen v. Re der» und den, Generalpostdirector Schmückert. — Vor der vierten Deputation des Criminalgerichts sollte gestern eine An klage gegen den Professor l)r. Hengstenberg, dessen Ehegattin und beide Söhne wegen Verleumdung zur Verhandlung kommen. Von den Ange klagten war nur der Professor vr. Hengstenberg erschienen. Zhm zur Seile als Vcrtheidigrr stand der Zustizralh Jung von« Obcrtribunal. Der An- geklagte entschuldigte daö Ausbleiben seiner Ehegattin damit, daß dieselbe noch von dem vor einiger Zeit rrfolgten Tode ihrer einzigen Tochter tief erschüttert sei, daß sein ältester Sohn Geistlicher in Jüterbogk sei und sein zweiter Sohn noch Schüler eines Gymnasiums. Er hat keinen Antrag auf Verlegung deS Termins zu stellen, sondern bittet inr Gegentheil, gegen seine nicht erschienenen Familienglieder in contumuLimn zu verhandeln. Der Staatsanwalt beantragt die Vertagung der Sache, da namentlich ohne die Ehegattin des Angeklagten nicht verhandelt werden könnte, weil diese über das zur Anklage gestellte Gespräch widersprechende Angaben gemacht habe, welche aufgeklärt werden müßten. Der Gerichtshof beriech längere Zeit. Bei seiner Rückkehr in den Sitzungssaal stellte der Vorsitzende an den Angeklagten die Frage, ob sein älterer Sohn bereits zur Zeit der In sinuation dec Vorladung am 9. Nov. angestellter Prediger in Jüterbcgk gewesen sei. Der Angeklagte bejahte dies und der Vorsitzende verkündete, demgemäß den Beschluß des Gerichts dahin, daß der heutige Audienztermin aufgehoben werde, weil die Vorladung an den Prediger Hengstenberg, wel- cher inzwischen einen andern Wohnsitz genommen halte, nicht gehörig in- sinuirt sei. Di« Anwesenheit der Frau Professor Hengstenberg wurde fer- ner als durchaus nothwencig erachtet, um einen Widerspruch zwischen ihrer und der Auesage des vandraths v Diest zu beheben. Dieselbe wird zum nächsten Mudi«nzlermin unter der Verwarnung der persönlichen Sistirung vorgeladen werden. — Di« neueste Nummer dtö Preußischen Wochenblatt ist abermals polizeilich mit Beschlag belegt worden. Baiern. Man schreibt der National-Zeitung aus München vom ö. Dec.: „Der Minister des Innern Graf ReigerSberg, in Baiern bekannt durch die Schnelligkeit seiner Carriöre (er war vor nickt langen Jahren kurz nach seiner erste«« Anstellung im Staatsdienst Landrichter, dann Polizeidirector in München), soll, wie man sich erzählt, vom Ministerium zurücktreten und den dermaligen NegierungSpräsidentti« von Mittelfraukcn, Hrn. v. Gul- schneidcr, zum Nachfolger erhalten. Von Letzter»«, der als umsichtiger Ad- ministrativbeamter und zugleich als Mann von äußerst wohlwollendem Eha-