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Rümmer 65 — 25. FahrMn Meter breit, 1 Offertengebühcen stlr Setbstabhoke« 20 L. bei Uebersendung durch di« Post außerdem Porto-uschlag. Einzel-Nr. 10 L, Sonntags-Nr. 1» H. SeschSftlicherTest: IolesFotzmann.Dre»!-««, SiickMe Freitag, 19. März 1926 Im Fast« höherer Gewalt erlischt sede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. AnzelgenaufttägeH u Leistung v. Schadenersatz. Für unüeutl. u. d. Fern« ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir kein« Der« antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. RUckportt nicht versehen« Manuskripte werd. nicht oufbewahrt^ Sprechstunde d. Redaktion S bis 6 Uhr nachmittags. Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden' volfszmuna Leiäenksus V»rl lekni sir stttmai-kt 8 Q s»la»iiovo Simt« o »11 geniruk 33722. Pvkts«,Skonto D«»den 11737 Bankkonto: «aff»»,» » grtss»«. Drelden. Für christliche Poliiik und Kuliur Rodaktt»« der «-ichftkche» Drei den-NI Ist. IS. Holbelnstratz« 16. gernru« 3273t >„:k> 3WW Die Leipziger Kundgebung At MASM tll WMen Me Die Rebe -es Bundeskanzlers a. D. Dr. Ignaz Seipel Prälat Seipel t« Leipzig Ein großes Erlebnis für das katholische Leipzig hat die Kundgebung bedeutet, die am Mittwochabend aus Anlatz der Anwesenheit des ehemaligen österreichischen Bundes- Kanzlers Prälat Seipel im grotzen Saale des Zentral theaters stattgefunden hat. Prälat Seipel, der sich aus einer Reise nach Schiveden befindet, hatte in der mitteldeutschen Me« tropole liebenswürdigerweise haltgemacht, um über die Friedens arbeit der katholischen Kirche zu sprechen. Als zweiten Redner für diese Versammlung hatte der Veranstalter, der Ortsverband der Katholiken Leipzigs, den Diözesanbischof Dr. Christian Schreiber gebeten. Der Erfolg dieser Ankündigung war ein überwältigender. Rasch waren sämtliche Korten vergriffen: der kleine Saal des Zentraltheatcrs mutzte für eine Parallelversammlung belegt wer den. Schon gegen ^7 Uhr — die Versammlung sollte um ^8 Uhr beginnen — begannen sich die Sitzreihen langsam zu füllen. Nach einer starken halben Stunde war weder im grotzen noch im kleinen Saale mehr ein Stuhl zu haben. Es war leicht wahr- zunehmcn, das; nicht nur Katholiken der Einladung gefolgt waren. Gegen 30Ü0 Zuhörer mögen in den beiden Ner- sammlungssälen untergekommen sein. Diese autzerordentlich starke Teilnahme an der Versammlung war ein neuer Beweis für die Popularität, die heute der Name Seipel auch im Reiche überall erlangt hat. — Im Kreise der Zuhörer befand sich unter anderen der Präsident des Reichsgerichts Dr. Simons, der Kreishauptmann von Leipzig, Dr. Markus, der oster- reichische Konsul Dr. Schöller, der polnisch Konsul Dr. Zrbyszewski und her Direktor an der Deutschen Bücherei Dr. Uhlendahl. Auch die Vertreter der Leipziger und aus wärtigen Presse waren in so starker Zahl erschienen, datz es einige Mühe machte, sie an den wenigen vorhandenen Presse- tischen unterzubringen. Der Vorsitzende des Ortsverbandes der Katholiken Leip zigs, Geheimrat F r eiherr v. Oer eröffnete die Versammlung kurz nach Z48 Uhr mit herzlichen Worten der Begrüßung. Er wies darauf hin, datz der Kreis der Versammlung mit gutem Grunde nicht nur auf die Katholiken beschränkt worden sei. An den Worten eines Mannes wie Seipel hätten alle Kreise Inter esse. und wertvoll sei es, tmtz alle Kreise hören, was katholischen Mitbürgern hier zur Vertiefung ihrer Weltansclmuung und Ueberzeugung gesagt werde. Es fei erfreulich festzustellen, datz in den letzte» Jahren eine neue Epoche für die katholischen Staatsbürger in Sachsen angebrochen sei. Unter dem Schutze der neuen Verfassung habe Zurücksetzung und Unterdrückung schwinden müssen, damit sei Platz geworden für die kulturesse Aufbauarbeit des Katholizismus auch in Sachsen. Zum Schlüsse schilderte Freiherr von Oer mit herzlichen Worten die Verdienste, die sich die beiden Männer, die im Mittelpunkt dieses Abends ständen, um die katholische Kirche und das deutsche Volkstum erworben haben Nun erhält Seipel das Wort. Wie er ans Rednerpult geht fesselt seine Erscheinung sofort den Blick. Auf einer festen, eher etwas schweren Gestalt, die ruhig einem Bauern seiner Heimat gehören könnte, sitzt ein ungewöhnlich fein ge schnittener Gelehrtenkopf. Hermann Bahr hat einmal gesagt, die Linien dieses Kopfes erinnerten ihn daran, wieviel römische Kultur und römisches Blut doch in dem deutschen Stamme an der Donau fortleben Es Ist der Kopf eines römischen Senators, mit schmaler Front und scharfem Profil, aber auch der Kops eines katholischen Priesters, mit Augen, die eine milde Ruhe^ ausstrahlen, mit rinem Mund, der Güte und Energie gleich stark ausdrückt — Seipel spricht gemessen, sachlich, wenn er beweg ter wird, mit leichtem österreichischen Akzent. Keine Gesten, nein u«athos. Er svricht ja von einer Sache, der viele Wohl meinende durch zuviel Nathos schaden, von dem Frieden unter den Menschen. Er schildert, wie die katholische Kirche für den Frieden arbeitet: organisch, aus dem Inneren der Menschen her aus. Erst mutz in den Herren der einzelnen Menschen und im Kreise «r einzelnen Familien Friede herrschen, ehe im und zwischen den Staaten Friede werden kann. Organischer Aufbau des Friedens und Beharrlichkeit in der Arbeit sind die grossen Prinzini-n der Kirche bei Ihrem Wirken für die Ver söhnung der Völker. Mit Ruhe und Würde weist der Prälat die Angriffe zurück, die man in dieser Sache gegen die Kirche erhoben hat. Die Kirche erhofft nichts U"bermenschlickes, sie hält sich frei non Optimismus wie von Pessimismus, aber sse steht mit unerschütterlicher Treue in der praktischen Arbeit für den Frieden, die assein endlich zum Ziele führen kann. Die Versammlung war der Rede Seipels mit achtungs vollem Schweigen, ohne di« geringste Unterbrechung gefolgt. An die Stelle lauter Beifasssbezeugungen trat hier eine stumme: Be! einzelnen, besonders wichtigen und schwerwiegenden Formulie rungen schien es. als halt« die Versammlung den Atem an. auch nickt das leiseste Nebengeräusch war mehr zu vernehmen. Jeder fühlte wohl: Der Mann, der hier non Frieden spricht, hat für den Frieden In Europa wertvossste Arbeit geleistet, hat dos österreichische Bruderland aus dem ylbgrund -er tiefsten Not her ausgeführt. hat seine Friedensarb->it fast mit dem Le^en Ein solcher Mann hat kein Vatkos der Worte notwendig. In Ihm Ist dos Ethos -er Tat sichtbar lebendig. So war der Beifall <>r dem Bundeskanzler am Schlüsse zuteil wurde, zugleich ein Aus druck des Dankes und der Achtung und «in Zeichen hingerissener Zustimmung. Nach einer kurzen Pause, die durch den Rednerwechsel mit der Parallelversammlung bedingt war. begann Bischof Dr. Schreiber seine Ausführungen über die kulturelle Bedeutung der Press«. Sein« warmherzige, temperamentvoll« Rede, die Drei Gründe regen an, über die Friedens arbeit der katholischen Kirche heute zu spre chen und nachzudenken. Einmal die allgemeine Frie denssehnsucht der Welt, zweitens die Tatsache, datz aus dieser Sehnsucht des öfteren Vorwürfe von vielen Seiten gegen alle jene erhoben werden, denen man es zutraut, der Welt den Frieden zu geben, weil sie bisher diesen Frieden nicht erreicht haben. Für den Menschen unserer Zeit besteht endlich sicher eine besondere Verpflichtung, für den Frieden zu arbeiten. Bei dieser Arbeit für den Frieden soll der Katholik von seiner Kirche lernen, doch auch der Nichtkatholik kann von ihr lernen, wenn er will. Es wird oft bezweifelt, datz die Friedenssehnsucht so allgemein und so groß ist. Denn es geschieht nicht alles, was dem Frieden dient. Denen, die den Frieden ernstlich wollen, werden viele Enttäuschungen zuteil. Man hört kriegerische Worte, und es gibt wohl in allen Völkern der Welt oder wenigstens in Europa Leute, die lauben, es müsse zu einem neuen Kriege kommen. Ich abe die feste Ueberzeugung, in all dem liegt kein Gegen beweis gegen die Tatsache der allgemeinen Friedens bewegung. Im Gegenteil, jene, die von einem künftigen Kriege reden und ihn vorbereiten, warum tun sie es denn? Im letzten Grunde nur aus der Sehnsucht nach dem Frieden. Sie glauben es nicht, daß der gegenwärtige Zustand den Frieden bedeuten könnte. Sie möchten diesen Zustand ändern, vielleicht um den Preis eines neuen, noch einmal durchzukämpfenden Krieges. Dieser soll dann die neue Ordnung in der Welt Herstellen, auf der der dauernde Friede gegründet werden kann. Und jene, die kriegdrohende Worte spre chen, tun es nur, weil sie sich vor dem Kriecie fürchten, und weil sie die anderen einschüchtern möchten. Von allen anderen aber ist ohne weiteres klar, daß sie sich den Frieden wünschen. Aus diesem allgemeinen Wunsche nach Frieden er klären sich auch die Vorwürfe, die gegen manche große Institution, und die auch gegen die katholische Kirche erhoben werden. Daraus erklärt sich die törichte Auseinandersetzung über die Schuldfrage Töricht ist sie. sobald nach dem Krieg, töricht, wenn jedes Volk dem anderen Volk die Schuld zuzuwälzen bestrebt ist. So groß ist die Sehnsucht nach dem Frieden, daß keiner es gelten lassen will, daß er auch einen Teil der Schuld am Kriege zu tragen hat. Weiter erklären sich so die Vorwürfe gegen Ein richtungen internationaler'Art. daß sie den Krieg haben nicht verhindern können. Dieser Vorwurf wird auch des öfteren der katholischen Kirche gemuckt. Freilich sind jene, die zurzeit dies der Kirche vorwerfen. diesel ben. die vor dem Kriege die Muckt dieser katholischen Kirche nicht anerkennen wollten, die alles taten, die moralische Macht der Kirche zurückzndrängen. Jetzt tut man so. als ob man es mit Neckt hätte nerlanaen kön an besonders hinreißenden Stellen stürmischen Beifall in -er Zu- hörerscl>ast auslöst, bildet schon äutzerlich eine glückliche Ergän zung der Art -es österreichischen Gastes Aber auch Inhaltlich schließen die Reden bedeutsam aneinander an. Denn wer zwei felt heute in Europa, dass die Bewahrung und Befestigung des Friedens die wichtigste kulturelle Aufgabe ist? Das stärkste In strument aber, bas bei dem Bemühen um dieses große Problem >n Frone kommt, ist -: e Presse Sie kann zum Guten wie zum Bösen den gewal'.igsten Einfluss ausüben. Der Bischof schildert zunächst mit flammenden Worten, welche Gefahr eine schlechte, unehrenhafte Presse bedeutet. Er weist mit Nachdruck daraus hin. dass eine Zusammenarbeit aller Organe der ehren haften Presse notwendig wäre. Innerhalb der ehrenhaften Busse ober kann die christliche Presse und besonders die katholi sche Presse, die Aufgaben besonderer Art zu lösen haben, nicht entehrt werde i. Der Vorsitzende Freckerr von Oer dankte den beiden Red nern für ihre tiefen und klaren Erörterungen. Die Versamm lung schloß sich hm ir.-i-N' sie Prälat Seipel und Bischof Dr. Sckrerber eine stürmische Ovation bereitete. Mit außerordentlich olücklichen Worten, di« trotz der spä ten Stunde noch einmal die Zuhörer in Lautlosigkeit fesselten, faßte H o ch sch u lpfa r re r Beier als Vertreter des Volks- Vereins für das katlMsche Deutschland das Ergebnis des Abends zusammen. Anknüpfen- an die Rede des Bischofs betonte er. dass die Notwendigkeit einer christlichen, einer katholischen Presse auch durch die Tat besaht werden mutz. In der Diaspora ist eine katholische Tageszeitung um so notwendiger, weil sie für viele die einzige tägliche Berührung mit dem katholischen Gc>. nen, sie hätte den Krieg durch ihren Einfluß verhindern sollen. — Ein anderer Vorwurf gegen die Kirche und alle religiösen Bekenntnisse ist der. daß sie sich niemals den Krieg absolut verbeten und ihre Angehörigen nie mals gezwungen haben, den Kriegsdienst zu verweigern, weiterhin, daß sie im Kriege für den Sieg des Heeres gebetet und die Massen gesegnet haben. Der Spott dar über ist außenordentlich billig. Die Leute, die so reden, zeigen, daß sie für religiöse Dinge überhaupt kein Ver ständnis besitzen. Sie meinen, daß die religiösen Men schen beten, um Gott Vorschriften zu machen. Für seden wahren Christen und jeden wahrhaft religiösen Menschen ist als selbstverständliche Voraussetzung in jedes Gebet die Unterwerfung unter die höhere Weisheit Gottes ein geschlossen. — Wenn man schließlich den Vorwurf macht, die Kirche Hütte den Krieg nicht einfach verboten, so ist daraus einfach zu erwidern: Sie konnte ihn nicht ver bieten. Die Kirche hat den Schatz von Glaubenswahr heiten, den sie von ihrem Stifter empfangen hat. zu über liefern und weiterzugeben. In diesem Schatz findet sich kein absolutes Verbot des Krieges. Und die Kirche durfte unter keinem Vorwand ein solches Verbot er finden. Der stärkste Grund für unser Wirken im Sinne des Friedens aber saus religiöser Ueberzeugung heraus sei das gesagU ist. daß wir nicht glauben können, daß wir Zeitgenossen eines schreckliclum Krieges geworden sind, ohne daß das einen Sinn baden soll. Gatt ist aut: er könnte uns durch solche Zeit nicht hindnrchaehen lassen, wenn dies keinen Sinn hätte. Die Menschheit soll ans dem Unglück des Krieges lernen, den Frieden zu lieben und für den Frieden zu arbeiten. Aus dieser Erkenntnis heraus arbeitet die katholische Kirche im Geiste Christi für den Frieden. Wie unterscheidet sich nun diese Arbeit der katho lischen Kirche von der anderer? Sie ist vor assem Be harrung. So beharrlich, daß sie fick durch keinen Pessimismus hemmen, durch keinen Optimismus in iwt- wendiae folgende Enttäuschungen Hineinbetzen lässt. D-e katholische Kirche Kat es niemals vergessen, daß unter den vorzüglichsten Namen ibres Stifters der des Frje den s st i f t e r s ist. Kein Wort wird dieser Stifter häu figer in den 'Mund genommen haben, als das Wart Frieden, ist es doch in seinem Gruße enthalten: Der Friede sei mit euch! Organisch geht die katholische Kirche bei ibrcr Arbeit für den Frieden vor. Sie arbeitet ans dem In neren der Menschen heraus; sie fängt nicht an mit dein Välkerfrieden. Wenn nicht im Inneren, in den Men schen selber Frieden ist. dann ist der Völkerttiedc,, nickt zu erreichen. Sie fängt damit an. den Menschen in helfen, den Frieden in sich selbst zu haben. Sic mahnt die Menschen zum Frieden in der Gemeinde, im Staate und in der Wirtschaft, in dem sie Gcreckt'akeit und L'ebe lehrt. Wenn man so den Frieden versteht und diesen stesleben ist. Die tägliche Zcitungslektüre beeinflusst die Ein stellung des Lesers. Ein Kot Kolik, der fick in der Diaspora nur an eine Presse hält, die nickt Fisch »nd nickt Fleisck ist. mutz notwendigerweise in vieler Beziehung lau werden. Die starken Verluste, die der Katholizismus u> der Diaspora immer noch erleidet, sind nicht zum wenigsten dem Einfluß der Brest« zu- zusckreibcu. Wir brauchen daher neben dem Priester in der Kircko den Laienpriester in der Redaktion. Durch ihn kommt die Stimme des Glaubens täglich zu uns. Wir haben in Sach sen nur eine katholische Tageszeitung, die „Sächsische V o l k s ze i tn n g ". Sie ist die Stimme des 'katholischen Bol- kes in Sachsen: jeder Katholik sollte diese Stimme täglich an lein Ohr klingen tossenl Das wäre der beste und praktische Dank für die Ausführungen des Bischofs. — Pfarrer Beier wies zum Schluß darauf hin, daß Prälat Seipel feinen katho lischen deutscken Mitbürgern ein dankenswertes Beispiel ae> aeben habe, daß man Politik, und zwar gute Politik machen könne auch als Christ. Sein Handeln sei richtunggebend g». wesen für die Politik der Wahrheit. Gerecktiakeit und Liebe, -er allein die deutschen Katholiken ihre Zustimmung »nd Mt- arbeit widmen könnten. Unter lebhaftem Beifall rief Pfarrer Beier am Schluss aus — und es waren die letzten Worte, di« in dieser Versammlung gesprochen wurden, gleichsam ein Merk spruch. der den Geist dieser Kundgebung für die Erinnerung zusammenfaßte: „Wir Katholiken in Deutschland und Oesterreich wollen in der Not unseres Volkes uns die Han- reichen un- gemeinsam arbeiten, damit wenigstens im Inneren des Volke» strahl« die Sonne des Friedens!" . Dyk