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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930204023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893020402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893020402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-02
- Tag 1893-02-04
-
Monat
1893-02
-
Jahr
1893
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Wir sind eS, so schreibt unser Berliner Herr 8s Mitarbeiter, von Herrn Bebel gewohnt, das; er überbastend rasch spricht, aber diesmal überlraf er sich selbst. Blitzschnell, wie die beiden Arme gesticulirent aus und niederslogen, über schlugen sich auch die Sätze des Redners. Doch war Alles, waS er sprach, so unzweideutig, das; der Sinn der vielen Tausende von Worten, die der Stenograph zu Papier bexen mußte, unbedingt fcststeht. Es wäre Unsinn, crkiärt Herr Bebel, den ZukunftSslaat ins Einzelne auSmalen zu wollen; die ökonomische Entwickelung führt von selbst dahin, wir können und wir wollen sie nicht künstlich beschleunigen; wir können cS abwarlen; die socialistischc Gesellschaft folgt so sicher auf die bürgerliche, wie diese aus die feudale folgte ; uns bleibt nur übrig, den Proletarier auszuklären, daß er unter der bürgerlichen Gesellschaft nur die Güter zu erzeugen bat, die die berrschendeElasse genießt und verzehrt, wir brauchen aber dem Proletarier keinen Zukunftsstaat auszumale», auch haben wir das für uns selbst nicht nöthig; denn der Uebergang wird ein sehr einfacher sein: an dem Tage der allgemeinen Expropriation der Arbeitsmittel brauchen wir ja nur die Directoren, Ingenieure u. s. w., die sich noch im Dienst der großen Unternehmer und Actiengesellschasten vorfinden, als StaatSdirectorcn und Staat-ingenicure anzustellen. — Also Herr Bebel! Seine Getreuen »n Parlament klatschten Bei fall. WaS wird man aber draußen im Lande sagen, in den weiten Kreisen, denen man erst jüngst wieder den „großen Kladderadatsch" für eine sehr kurz berechnete Frist versprochen, denen man eine Entwickelung der Dinge in Aussicht gestellt hat, wonach jedcrSocialdemokrat erwarten durste,wenn nicht morgen, so doch in diesen letzten Jahren des Säculums noch den „vollen Antbcil am Arbeitsertrag" einhcimsen und genießen zu können. Herr Bebel will warten, er will so lange warten, bis diese bürgerliche Gesellschaft einen Productionszweig nach dem andern verstaatlicht hat, so daß schließlich nicht einmal ein Wechsel im StaatSsrcretariat nötbig ist, sondern, wie Herr Bebel wohlwollend verspricht, Herr v. Boetticher den Rest des Verstaatlichens auch noch vollziehen darf. Herr Bcbel hat nicht im Mindesten die Absicht, diesen Proceß künitlich zu beschleunigen. E» gehl ihm Alles ganz nach Wunsch. Die bürgerliche Gesellschaft ist ja so viel bester, als oie feudale war, ja, sie ist ,die denkbar beste unter allen gegebenen und je er lebten", — nur daß sie eben dem Arbeiter den vollen Anthcil am Arbeitsertrag vorentbält, daß sie genießt, was jener pro- ducirt. Herr Bebel klärt also darüber die proletarisirten Masten auf. und berust sich im fiebrigen auf sein Programm, in dem ja die unveräußerlichen Menschenrechte und pvliliscb- wirtlstchaftliche» Geranten sür die socialistischc GesellschaftS- ordnung urkundlich dcponirt sind. Run sind wir in der That begierig, WaS die „Zielbewlißten" im Lande zu dieser Abwiege- lungS- und RückzugSreke der ParlameiitS-Socialistcn sagen. Herr von Vollmar war nickt im Reichstag anwesend — vielleicht um dem FractionSführer die Beschämung zu ersparen, die ibn doch erfassen muß. wenn er des vorigen Sommers gedenkt, wo dem Münchener CtaatSsocialismuö und seinem Wortführer der heilige Krieg erklärt wurde Die Bedel'sche Rede ist nicktS weiter als ein reumüthiges Bckenntniß zu eben demselben StaatSsocialiSmu«, der vor sechs Monden noch als der wahre „Sumps" verpönt wurde. Jetzt ist die Gesamuit- lieit der Fractiouellcii aus „staatSmännische»" Erwägungen, die nicht allesammt ausgesprochen wurden, vom „Berge" in diesen „Sumpf" hinabgesticgcii. Seit einigen Tagen lauten die Nachrichten in Bezug auf dieErbaltung des europäischen Friedens sehr günstig. Zwar gefalle» die Franzosen sich darin. mit großem Nach druck das Eintreffen einer russischen EScadre im Hafen von Eberbourg anzukündigen und daraus aus die Fortdauer der russischen Sympathien für Frankreich zu schließen, wir konnten aber aus Pariser Blättern die mannigsachen Betlemmunge» conslatiren, die in Frankreich in Folge der Anwesenheit deS russischen Großfürsten - Thronfolgers in Berlin und der dabei zwischen den beiderseitigen Höfen gewechselten freundschaftlichen Kundgebungen bcrvorgerufen worden find. Heute verlautet nun aus Wien eine Nachricht, die, falls sie begründet ist, ohne Zweifel geeignet ist, die FrietriiShofsnungen wesentlich zu bestärken. Wie daS „Neue Wiener Tagblatt" melket, habe Minister Wekerle erklärt, daß die auswärtige Lage niemals so beruhigend gewesen sei. als gerade jetzt und eS nicht unwahrscheinlich wäre, daß in absehbarer Zeit eine Drei - Kaiser-Zusammenkunft stattsinden werde. Es wird abzuwarten sein, ob von anderer Seite diese Mittkeilunz Bestätigung findet. Wir glauben teilten Grund zu haben, sie sür gänzlich unbegründet zu halten, da nach einer Meldung der Münchner „Allgem. Ztg " der Großfürst-Thronfolger in Berlin versichert hat, daß ein Bündniß zwischen Frankreich n»d Rußland nickt bestehe. Falls eS wieder zu einer Drei-Kaiser-Zusammen- kunst kommen sollte, dann würde allerdings um die Er haltung des Weltfriedens Große« gewonnen sei. Soviel steht aber auch fest, daß kann derjenigen Politik, die Fürst Bismarck sich zur Richtschnur erkoren hatte, ein glänzendes Zeugniß ausgestellt wäre. Wer geglaubt batte, der italienische Bankscandal werde durch den Beschluß der Deputirtenkammcr, die Debatte über diese Angelegenheit aus drei Monate zu vertagen, zur Ruhe gekommen sein, der bat sich einem Irrtbum hingegebcn. Im Gegentbcil, die Opposition bat die Sacke abermals zur Sprache gebracht, und wie wir aus den neuesten vorliegenden telegraphischen Melkungen ersehen, die GemUtbcr baden sich in bedenklicher Weise erhitzt, so daß eS in der gestrigen Kamnier- sitzunazn sehr stürmischen Scenen gekommen ist. Zunächst wurde rin Schreiben CriSpi'S, der erkrankt ist, verlesen, in welchem derselbe gegen die Aussage Tanlongo'S, soweit sie ibn betreffen könne, prolestirt, daß er (Tanlongo) mehreren Ministerpräsidenten große Snmmcn zu außerordentlichen Bedürfnissen der Regierung gegeben bade. In der Debatte über die Auslieferung deS Depulirten de Zerbi an die Gerichte sprachen sich Eolaganni (äußerste Linke) nnd Prinetti (Reckte) für die Auslieferung re Zerdi'S und eine parlamentarische Untersuchung aus. Das von Eolaganni erwähnte Gerückt, daß die Rationalbank jähr liche Beiträge zu de» Geheimfonds liefere, wurde von dem Ministerpräsidenten G'vlitli als durchaus falsch beizcicknct. Giolilti erklärte darauf, er überlasse eS der Kammer, bezüg lich des AuSlieferuttgSbegehrenS schlüssig zu werde». Die parlamentarische Untersuchung würde zur Zeit im Lande den Eindruck Hervorrufen, als wolle die Kammer de» Laus der Gerechtigkeit aushalteii. (Beifall links.) Der Justiz- minister bezeichnet? sodann die Behauptung, daß der Richter, welcher die Untersuchung in der Angelegenheit bezüglich der „Banca Romaiia" cingclcitet habe, versetzt worden sei, als unzutreffend, rechtfertigte eingehend die Vornahme der HauS suamngen und schloß mit der Versickerung, die Kammer sowie das ganze Land tonnten bestimmt aus die Unabhängigkeit deS italienischen RicktcrslandcS zählen. Auch der Finanzministcr Gri m ald i betonle hierauf, daß er fick nur deshalb nickt an der letzte» Debatte über die Bankangelcgcnheit bctheiligl habe, weil cS sich um eine wesentlich politische Frage gehandelt hätte. Er weise die gegen ib» uinlausendcn infamen Be schuldigungen mit Verachtung zurück. Die Znkunst werke dartbu», daß sein Verhalte» stets ein corrcclcS gewesen sei. Der Minister Lacava wies gleichfalls die außerhalb der Kammer umlauseudeu Insinuationen aus das Entschiedenste zurück. Sodann wurde der Antrag, de Zerbi ausznliefcrn, nahezu einstimmig genehmigt und die Sitzung geschlossen. Die Beziehungen zwischen dem Vatican und der französischen Republik wurden bei der am Donnerstag im Elisi'-epalais vollzogenen Ueberreicknug des EardinalbuloS an die Erzbischöfe von Rone» und Toms von beiden Seiten rednerisch gestreift. Sowohl die neue» Eardinäle als Präsident Earnvt gingen einer intimeren Befassung mit der Frage ge fli'sentlichst auS dem Wege; aus beiden Leiten begnügte man sich mit einer vorsichtigen Sondirung deö Geländes, weitere Actionen bi» zu gelegenerer Zeit verschiebend. Zwischen Republikanern und Ultramoiitaiicn bat seit dem Sommer vorigen IabreS eine wesentliche Verschiebung der Operationsbasis stattgesnnbcn. Damals schien die AnziehmigSkrast de» republikanischen Ge dankens den Höhepunct ihrer Wirksamkeit erreicht zu baden; eine allgemeine Fahnenflucht der Monarchisten und Imperialisten, auch der Klerikale» unter ihnen, fand statt von der bisher vcrtheidiglen Sacke zu den Feldzeichen der parlamentarische» Republik, welche sich im Glanze der russischen BiiubeSgeiiosseuichast sonnte und den Dreibund cnvgiltig überflügelt zu haben wähnte. Dan» kam die säst- und kraftlose Acra oc» Ministeriums Loubct; eS kam der Pananiaschwindel. und die Aureole der parlamentarischen Republik verflüchtigte sich spurlos. Heute ist das bestehende Staatsregime nickt bilsespendend, sondern selbst im höchsten Grade der Hilfe bedürftig, cS bat keine Bedingungen mehr zu stellen, sondern um die Bedingungen, die ibm von anderen Leute» gestellt werde», zu feilschen, und muß froh sein, wenn eS fick von Fall zu Fall woiterschlcppen kann. Aus der Resignation, welche vorigen Sommer den Klerikalen cS nabe legte, ihren Anschluß an die Republik zu bewerkstelligen, ist beute schon ein ganz anderes Gefühl geworden, ein Gefühl, welchem die gönnerhaften Worte, womit die neue» Eardinäle dem Präsidenten Earnot ihre Bereitwilligkeit zur Unterstützung der weltlichen Gewalten rusicherten, seine» prägnanten Ausdruck findet. Priester und Bischöfe seien glücklich, an dem ihnen vom Papste empfohlenen Werke des Friedens mil^iarbciten, und „forderten ihrerseits nur Gerechtigkeit und Freiheit". Sic „fordern" also doch, zwar nicht Alle», sondern „nur" das, was so ziemlich dasselbe ist, oder dock schon zwischen deute und morgen werden kann. Im Namen der Gerechtigkeit und Freiheit lasten fick schließlich auch die allerexlremsten Forderungen for- muliren, und daß Präsident Earnot sich so stellt, als merke er gar nickt, welcher Wind die Segel deS französischen UltramontaisiSiiiiis schwellen macht, zeigt, wie wenig Selbst vertrauen bc» Männern am Sieucr der Republik zur Zeit iniicwohiit. Der Paiiamaseandal hat die Gcmüther der Pariser Machthaber ausfallend zahm und genügsam „emacht. Ihnen liegt augenblicklich nicktS mehr am Herzen, als unter ben Franzosen Beruhigung, Harmonie und Eintracht berbeizusübre» Die Ibatsacke, daß im Gefolge der Panama-Asfaire Aufregung, Disharmonie und Zwietracht cinbergehen, wird also von Herrn Earnot, der doch gewiß nickt sür einen pessimistischen Darsteller der Zustände Frankreichs gelte» wird, zugegeben. Herr Earnot giert ferner zu, daß der Republik zur Herbeiführung der ersehnten Ver söhnung deS öffentlichen Geistes die Mitwirkung von Papst »»d Geistlichkeit sehr willkommen ist. Er würde vielleicht nickt so gesprochen haben, wen» die Verbältniste so lägen, daß die Republik auö eigener Kraft der augenblicklichen Schwierigkeiten Meister zu werten hoffen könnte. Jedenfalls erhebt der UltrauioiitanismuS in Frankreich sein Haupt wieder hossnuiigSooller und zuversichtlicher, als er es seit den letzten zwanzig Jahren je gctha» hat. AuS Egypten liegen beute wieder bedenkliche Nachrichten vor, die darauf schließe» lasten, daß zwischen den Engländer» n»d der eingeborenen Bevölkerung fortdauernd sehr gespannte Beziehungen bestehen. Die englische Regierung empfing eine Depesche von ihrem Gesandten in Kairo, Lord Eromcr, wonach der gegenwärtige Zustand in Egypten die sofortige La n du ngallerdortbin beorderten Truppen erheische. In Uebereinstimmiing hiermit meldet da« „Reuter'sche Bureau" au» Kairo, daß cs wahrscheinlich sei, daß zwei englische Ba taillone, die neuerdings die Bestimmung erhalten hätte», nach der Insel Mauritius abzugchcn, »»umchr in Alexandrien ge landet und »ach Kairo abgchc» würden. Man ersieht hier aus, daß England alle Vorbereitungen trifft, um allen etwaigen unliebsame» Ueberraschungcn in Egypten gewachsen zu sein. Das englische Eabinet bat auch alle Ursache, feine Position im Nillante nickt erschüttern zu lasten, da dasselbe die Zugangöstraßc zu dem ostindisckcn Reich bildet. Deutsches Reich. 88. Berlin, I. Februar. Die Tölpelhaftigkeit des fran zösischen IesuitenblattcS in Rom hat in allen diplo matischen Kreisen außerkalb Frankreichs Heiterkeit und aller dings auch niaßloses Staunen wackgcrusen. Die europäische Diplomatie, immer mit Ausnahme Frankreichs, war nachgerade vollkommen darüber einig, daß der jesuitische Einfluß im Feiiilletsn. Werben und Freien am Hopatcong. Line verteufelt naturgetreue Studie au» dem amerikanischen Hinterwald. »I Bon Philipp BergeS. Nachtruck »erboten. (Schluß.) Als Alles geordnet war, ließ der Richter seine Blicke noch einmal über die Harrenden schreiten, spuckts in weitem Bogen au» und räusperte sich. Darauf zog er feine Waterbury-Ubr und warf einen Blick nach dem Himmel. Es war jetzt nahezu fünf Uhr und Heller goldiger Tag. .LadieS uud Gentlemen!" begann Seine Eliren feierlich. „Wenn Dies nicht eine Gerichtsverhandlung wird, wie sie anständiger selbst von New - d)ork oder Washington, der BundeSbaiHtstadt, kaum geliefert werten kann, dann will ick für den Rest meines gesegnete» Lebens sür'n Maultbier Lstiinirt werden. ES ist Alles in schönster Ordnung und NicktS fehlt. Im Namen des Gesetzes also, LadicS und Gentlemen, und in meinem eigenen al» Friedensrichter dieses Eounty eröffne ich die Versammlung." Nach diesen Worten sank tiefe», feierliches Schweigen aus die Versammelten nieder. Auch der Richter schwieg. Er war wieder einmal in Verlegenheit. WaS nun weiter ? Plötzlich erinnerte er sich eines eigenartigen Tricks, den der Ncw- Aorker Richter seiner Zeit in jener Sckwurgcrichtsvrrhand- lung auSgesührt hatte. Er war nämlich unvermittelt vor den Angeklagten, einen Raubmörder, bnigesprungen und hatte ibm mit Donnerstimme inö Gewissen geredet, woraus der Er schrockene und Uebcrraschte zusammcnzebrochen war und seine Schuld bekannt batte. Diesen hochfeinen Trick beschloß Seine Ebren sosort nach zuabmen, um die Sitzung abzukürze» Während noch Aller Augen gespannt aus ihn gerichtet waren, erhob er sich plötz kick, eilte aus den armen. ausS Höchste erschrockene» Abraham zu. schüttelte ihn an den Armen und schrie ihn sürchtrr lich an: „Schuldig?! He! Angeklagter — Ihr steht vor Eurem Richter bekennt! schuldig?!!!" Abraham zuckle zusammen, wars einen scheuen Blick auf Betty und errötbete. „Schuldig!" sagte er leise. Da- faltige Antlitz de» Richters erhellte sich. Trinmvhirend wandte er sich an die Geschworenen, zeigte mit dem Daumen auf den Bräutigam und nickte großartig mit dem Kops. „Er dal bereit» seine Schuld gestanden. Gentlcnien, wir werden »»»mehr verdammt schnell an- Ziel kommen!" DaS Volk im Hintergründe deS Hofs, das Uber diese neue Manier, Heirathc» z» stiflen, in wahnsinnige Freude gerieth, brach in lautes Belsalljauchzeii aus, daS der Richter mit einer Verneigung eiilgegciinahm. Dann wankte er sich, wieder ernst und würdevoll, an den Lohgerber. „Ihr seid kraft meines Amtes Staatsanwalt", sagte er, „klagt nun den Angeklagten an und gebt cS ihm tüchtig!" Der Lohgerber erhob sich, nahm die Mütze ab, kratzte verlegen seine» Kops und setzte die Mütze wieder auf. „Ja", sagte er, „wenn ich den Angeklagten anklagen soll, klage ich alfo den Angeklagten an, daß er liier dieses Mädchen von ihrem eigene» Vater, der sie mit Liebe geboren »nd erzogen bat, in der Stille der Nacht wegrauble, wie ein gemeiner Dieb, um sie glücklich zu machen. Er ist ei» Sckurke, kaö heißt, wenn er'S nicht thut, er wird » aber wobl tbu», denn er ist ein Ehrenmann, ich kenne ibn, eS ist Abraham Walthai», und er liefert mir Kuhhäute zum Gerben. Tie letzte war mit den Hörnern und ganz naf; und also Betrug, von wegen zu viel Feuchtigkeit, aber hier will ich'» ihm nicht Nachträgen, den» er ist ein treuer Kunde von mir, und ihn nicht mehr anklagen, als er's verdient. Er ist also »ach meiner Ueber- zcugung ei» ehrlicher Mann, der nur seine Schaffelle zu kakl fckecrt — sonst kenne ich keinen Fehler in seinem Eharakter. WaS da» Mädchen anbelangt, so wird er« wobl getkan haben, aber er wird « auch wohl Ibun, nämlich sic glücklich machen, und ich calculir' auch, daß sie gutwillig mit ibm gegangen ist. denn wenn'S an-Hciralbe» geht, sind die Weiber höllisch dahinter her. Und da» ist nun meine Anklage. Und möge Gott seiner armen Seele gnädig sein. Amen! Abermals tiefeS Schweigen ringsumher. Die Rede batte eine mächtige Wirkung erzielt. Abraham hielt die Hände vorS Gefickt, er glaubte vielleicht, man wolle ihn ausbängen, und Betty schluchzte leise Allein der Richter ließ sich nickt beirren. Er gab dem StaatSanwalt einen Wink, sich zu setzen, nnd wandte sich an den OrtSschceiber. „Herr Vertbcitiger, habt Ihr noch etwas zu sagen?" „Nein, ich verzichte", cntgegnete der Schreiber, srob, so leichten Kaufe» davon zu kommen. „Nun denn", fuhr Seine Ehren fort, „so möge denn die Jury, zwöls Männer gut und »reu, sich erheben, Beratbung pslegen und ihren Spruch abgcben, ob Schuldig oder Nicht- schuldig!" Die Geschworenen erhoben fick, begaben sich hinter einen bauSboben Misthaufen und steckten ihre Pseiten in Brand. Gesprochen wurde kein Wort. Vielleicht wußten die Braven selbst nicht, weshalb sie sich aus der Versammlung entfernen mußten Sie kebrten erst wieder aus ibre Plätze zurück, als der Richter, des Warten« müde, sie selbst herbribolte. „»eil, Gentlemen, wa« sagt Ihr?" „Wir haben Nickt« gesagt", rntqeanrte Einer. „Sckulrig oder nicht?" beharrte Seine Ebren. „Nun, da er selbst eS sagt, also Schuldig!" Die Anderen nickten. „Ich danke Ihnen, Gentlenien," sagte der Richter nn» mit einer prächtigen Handhewegiing und erhob sich. „Abraham Waltbaui, Angeklagter, da Ihr durch Euer eigenes Bekennt niß nnd durch Ausspruck der Jury schuldig, fälle ick nun mehr daS Urthcil über Euch. Ich verurtbeilc Euck also, kraft meines Amtes, dieses Mädchen — sie mag beiße», wie sie wolle — lebenslänglich zu beiratben. Könnt Ihr irgend Etwa» Vorbringen, Angeklagter, warum dieses Unheil nicht an Euch vollzogen werde» sollte?" Abraham macbte ei» dummes Gesicht uud zuckte mit den Schultern. Er wußte i» der That nickt, WaS er gegen dieses Unheil ciiizuwcnteil gehabt haben sollte. Und nun war der Ban», den die New-Aorker Erinnerung über de» arincii Friedensrichter anSgeübt batte, gebrochen. Schnell schritt er auf das von de» Liebenden ersehnte Ziel los. Er ließ Beite vor sich hiutrclen, fragte nach ihren Namen, die er in sein Taschenbuch schrieb, und wandte fick an das gcsammtc Publicum. „Mitbürger!" ries er mit lauter Stimme. „Dieser Manu und dieses Mädchen sieben bier vor dem Gerichtshof, um von mir getraut z» werde». Wenn sich »u» irgend ein Narr da drüben in der Bande aufbält, der etwa» weiß, »m die Heiratk zu vereiteln, so möge er jetzt kervortrctcii und eS dreist sage», wenn nickt, so soll er da« Ma»l halten sür jetzt und alle kommenden Zeiten. Also! Alle, die Ihr inil dieser Eheschließung einverstanden seid, sagt laut: Ja!" Alle riefen: „Ja!" „Die dagegen sind: Nein!" Keiner sagte „Nein". „Aha! Einstimmig gewählt!" sagte der Nicktcr, da ihm gerade nichts Passenderes einfiel, und wandte sich wieder den oeiden Eantidatcn zu. „Gebt Euch Eure Pfoten, Kinder!" Tie Eanditatcn reichten einander die Hände. „Hm — hm — ahem! Abrabam Wallham, schwörst Du, sür immer und immer, bi» da» letzte Horn tutet, treu zu Bett« zu ballen, willst Du sie ernähren, anständig behandeln und Alle« befolgen, was die Gesetze dieses glorreichen Lande in solchen Vergebungen und Uebertretungcn vorschreiben — so Dir Gott helfe?" „Ja, Herr Ick will », Herr!" „Dann bist Du, so weit cS Dich angeht, vcrbeiratbct. Und ich komnie nun zu dem Märchen. Hui — km — abcm! Betty KimbaUS, schwörst Du, daß Du diesem Abraham hier für alle Zeiten treu fein willst, schwörst Du, ihn zu pflegen, wenn er krank, und ibm zu gehorchen, wenn er gesund ist? Laß Du stet» ein gulcS treues Weib fein willst bei Strafe von voll, auf die Gosabr bin, solche Strafe zu dulden, wie das Gesetz für solche Vergehungen vorschrcibt? Beschwörst Du Dies — so Dir Gott helfe?" „Ich schwöre!" „Dann bist auch Du verbciratket und kraft meines Amtes n»d des Gesetzes nenne ick Euch, Abrabam Wallbam und Bett», geborene KimbaUS, Man» und Weib, »nd ermächtige Euch, cs immer »uv immer zu sein »nd zu bleibe» und die -Koste» betrage» fünf DollaiS und fünfzig EcntS für den Trauschein und »löge Gott Barnibcrzigkcit an Euren Seelen übe» unk Euch segne» mil seinem mächtigsten Segen. Amen!" I» diesem Aiigenblicke, das Amen war kaum dem Munde des Richters enlstohe», entstand im Hofe ein Tumult. Weiber und Mädchen stoben kreischend aiiSeiiiaiider und die Männer drängle» fluchend und drohend gegen das Brautpaar, welches sie, wie ans geheime Verabredung im Nn »mschloffen hatten. Weder Abrabam „och Bett», seine neugebackene Fra», ver mochte» den Grund des Vorganges zu erkenne», aber der Richter von seinem erböhlen Platze ans sah, daß zwei fremde Männer i» de» Hof ciilgedriingeii wäre», ein junger und ein alter. Der Letztere war kein Anderer, als der achtbare Ionalba» KimbaUS, welcher seine Büchse schwang, in allen Tonarten nach seiner Tochter schrie unk be» Enlsübrer zu erschießen drohte. Der Zartsnß au- dem Osten, welcher sich an seiner Seite befand, schwieg. Als eS den Beiden nicht gelang, den Haufen gut herziger Männer, die sie von dem Vrautpgar trennte», zu durchbreche», riß der Alle feine Büchse an die Wange, richtete die Mündung direct in den Schwarm und feuerte. Nun floh Alles au» einander und der Hof ward leer. Mil einem Sprung befand sich der Alte a» der Seile de« Brautpaares und krack in eine Flnth von Schimpsworlc» aus. Abraham ließ sie rubig über fick ergeben, nur als der ungebaltene Schwiegervater alhemfchöpsciid eine kleine Pause machte, sah er ib» treuherzig au und streckte die Hand aus. „Gebt Euch zufrieden. ES ist ja jetzt Alles vorbei und Eure Vorwürfe habe» keinen Zweck mehr", sagte er, „Betty ist mein Weib!" „Euer Weib?" schrie Mr. KiuiballS »nd riß die Büchse empor. „Einen Augenblick — ich mache sie zur Wittwr!" Der Richter siel dem Wüthcnden in de» Arm und binderte ihn am Abdrücken. Zugleich gab er dann dem jungen Ehe paar einen Wink, sich rasch zu entfernen. „Kommt ;u Euck, Sir!" sagte nun der Friedensrichter. „Eure Tochter ist richtig vcrbeirathe«, und kein Gott kann sie wieder von ibm trennen, wenn sic eS nickt selbst will. Was bat Euck denn Abraham gcthan, da« Ihr so wüthrnd ans ib» seid'?" Der Alte sah sich vorsichtig um und brach in ein leise- Lachen aus. „WaS mir Abraham gethan hat? Nicht»! Ich «.
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