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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.03.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120319027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912031902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912031902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-19
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
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MMer Tageblatt s146S2 lNachtmschlu») l 14«92 l««chta,Ichl>ch) Cet.-Ällschl! 14M3 Cel.-Änschl.^i4N3 Amtsblatt des Nates und des Dotizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen Preis sür Inlerat« au, Leipzig und Umgebung bi« UpaltigePetitzeil« sPs., dirilleklame- zeil« i Ml. von auswärt» !IU Pf. Neklamee 1^0 Ml. Inserate van Behörden iw amt. lichen Teil di« Petitjeile 5l> Pf keschästronzeigen mit Platzoorschrisrr» im Preis« erhöht Rabatt nach Tarts. Leilagegebuhr Gesamt auslag« S Ml. p Tausend «rkl. Postgebühr. Tetideilag« höher. Felierteilt« Austräa« können nibt zurüL- -erogen «erden Für da» ürscheinen im bestimmten Tagen und Plätzen wird lein» Garantie übernommen. Ln;eigen. Annahme: 2»hann>,,all« b, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Lzpeditionen de» In» und Au»londe». Druck und Seel«» »on Fischer L Kiiefte» Inhaber: Paul Kiirsten. Nedaltion und Selchllt»st«ll«: Iohannisgasse 8. Haupt - Filiale Dresden: Seestraste t, i lTelrphon t821i. Nr. 144. viensisg, Lea IS. M«n isi?. los. Ishrgsny. Die vorliegende Ausgade umfaßt lü Seilen. Das Wichtigste. lJm TortnlUllder Ulld Oberhausener Bezirk bat die Zahl der Arbeitswilligen aber mals zu geno in men. (Siche bes. Art.) * In der gestrigen Debatte im englischen Un terhause wandte sich Lord Beresford gegen den deutschfeindlichen Charakter der Rede Churchills. (S. des. Art.) * Bei der Kesselexplosion in SanAn- tonio iTexas) sind 25 Personen gelötet wor den. (S. Tageschr.) Llsurchills Mttenreüe. Wir gaben bereits in unserer heutigen Morgen nummer den ersten Teil der Rede, durch die gestern Churchill den Flottenetat im englischen Unterhause einbrachte, wieder. Im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen er örterte Churchill das Problem der Oelfeuerung und Luftschiffahrt. Armee und Flotte erwarben gemeinsam Land bei Easrchurch. Gebäude und Schuppen für eine Marineluftfahrerschule sind im Bau. Eine Anzahl Aeroplane zur Ausbildung und zu Versuchszwecken werden hauptsächlich in Eng land gekauft. Einige davon sind den besonderen Bedürfnissen der Flotte angepasst. Obwohl der gegenwärtige Etat keine Gelder für lenkbare Luftschiffe einstellt, darf man nicht annehmen, daß diese An gelegenheit nicht Gegenstand unablässiger Aufmerk samkeit sei. Churchill fuhr fort: Es ist unmöglich zu sagen, ob unsere hauptsäch lichen Rivalen so schnell bauen können als wir. Es ist jedenfalls sicher, das; sie tatsächlich nicht so schnell bauen, und es ist ebenfalls richtig, daß wir grosse Schiffe im Laufe eines einzigen Jahres bauen, be waffnen und ausrüsten können. Die wachsende Ver mehrung des Mannschaftsbestandes der fremden Flotten macht es notwendig, unseren Mann schaftsbestand zu verstärken. Wir als Ration befin den uns in der Defensive. Es ist undenkbar, daß wir auf Deutschland oder eine andere euro päische Macht einen unvermuteten Angriff machen. Abgesehen von der moralischen Seite, was würde es nützen? Wir haben kein Mittel, einen solchen Angriff, selbst wenn er erfolgreich wäre, zu ver folgen und den Krieg zu einem schnellen Abschluß zu bringen. Wir sind auf die Defensive angewiesen. Die Folgen einer Niederlage zur See wären für uns viel größer als für Deutschland und Frankreich. Unsere Position ist in hohem Grade künstlich. Wir beziehen unsere Nahrungsmittel über See. Wir Haden eine sehr kleine Armee und können die Unabhängigkeit und die Lebensintercssen eines großen kontinentalen Staates nicht bedrohen und könnten keine Invasion gegen einen kontinentalen Staat ausführen. Diese Tatsachen rechtfertiaen die maritime Suprematie Englands. Wir betrachten die Stärke unserer Flotte nicht von dem Gesichtspunkte des Handels, sondern von unserer Freiheit. Wir dürfen es niemals dahin kommen lassen, daß die Flotte einer einzelnen Macht uns in irgendwelchem Augenblick mit begründeter Aussicht auf Erfolg angreifen könnte. Wenn dies „insulare Arroganz^ist, ist es zugleich die erste Bedingung unserer Existenz. Es wird kerne Schwierig keit machen, Vorkehrungen zu treffen, die es uns ermöglichen, unsere Stellung zu erhalten und so schnell als notwendig den entsprechenden Spielraum für unsere Sicherheit zu gewährleisten. Diese Maß regeln werden auch keine übermäßigen und unver hältnismäßigen Ausgaben herbeifüyren. Es ist nur nötig, einen größeren Bruchteil der vorhandenen Flotte auf einen höheren Stand der Indienst stellung und damit zu größerer Bereitschaft zu bringen. Wir beabsichtigen, die Organisation der Flotte vollständig zu ändern. Schiffe für den Schutz des Königreichs (l>vwe cketeuee) werden in die erste, zweite und dritte Flotte eingestellt, die acht Kriegsgeschwader zu je acht Schiffen bilden sollen, zugleich mn den Kreuzergeschwadern, Flottillen und sämtlichen Hilfsfahrzeugcn. Jede dieser drei Flotten bildet eine Verwaltungseinheit und hat einen bestimmten Standard der Indienststellung (Kom mission). Die erste Flotte wird vier Kriegs- geschwader von Schiffen in voller Indienststellung samt dem Flaggschiff umfassen und folgendermaßen gebildet werden: Die Kriegsschiffe der ersten und zweiten Division der Heimatflotte werden das erste und zweite Kriegs geschwader. Die Atlantische Flotte wird auf die Heimathäfen anstatt auf Gibraltar basiert und wird drittes Kriegsgeschwader. Dieses Geschwader wird im Laufe des Jahres auf acht Schiffe gebracht. Das vierte Geschwader wird gebildet aus den Kriegs schiffen, die jetzt im Mittelmeer stationiert sind. Es tritt an die Stelle der Atlantischen Flotte, wird auf Gibraltar basiert und nötigenfalls auf acht Schiffe ge bracht. Die zweite Flotts besteht aus zwei Geschwadern mit den dazugehörigen Kreuzern und befindet sich auf dem Niveau der gegenwärtigen dritten Division, das heißt, die Schiffe bedürfen zur Mobilisierung keiner Reserven. Die Hälfte der Mannschaft ist stets an Bord, die andere in Schulen und Baracken an Land. Diese Schiffe kosten in bezug auf Be satzung und Erhaltung praktisch ebensoviel wie Schiffe in voller Dienstdereitschafr, sind aber insofern im Nachteil, als sie allein mit der Stammannschaft an Bord fern von den Heimatshäsen kreuzen könnten, wenn ein kritischer Augenblick eintritt. Sie müssen in einem solchen Falle erst die Heimats häfen anlaufen, um den Rest der Mannschaft an Bord zu nehmen. Es wird vorgeschlaaen, die vorhandenen elf Kriegsschiffe der dritten Division auf 16 zu erhöhen und sie in das fünfte und sechste Kriegsgeschwader einzuteilen. Eins dieser beiden Geschwader wird sich stets in den Heimatshäfen be finden und daher bereit sein, sich sofort in Bewegung zu setzen. Das zweite Geschwader wird gemeinhin sich im gleichen Zustande der Bereitschaft befinden und nur während eines Teiles des Jahres kreuzen. Die Bildung dieser zweiten Flotte findet sofort statt, wird aber die volle Geschwaderstärke erst nach mehreren Jahren erreichen, sofern die Umstände nicht eine Beschleunigung nötig machen. Die dritte Flotte soll aus zwei Kriegsgeschwadern mit Kreuzern bestehen und wird im Frieden wie die gegenwärtige vierte Division bemannt sein, also mit reduzierter Stammannschaft. Es ist daher eine wirk liche Mobilisierung erforderlich, bevor diese dritte Flotte vollständig in See gehen kann. Bei aller Beschleunigung werden also immer einige Tage vergehen, bis sie schlagfertig ist. Es wird beabsichtigt, eine neue Klasse der Flottenreserve, „die mittelbare Reserve", zunächst aus 5000 Mann, zu bilden. Wir werden also im Mobilmachungsfalle eine Flotte von 57 bzw. 65 Kriegsschiffen haben gegenüber 38 der nächststärksten Seemacht. Dies Verhältnis von 57 zu 38 wäre ausreichend, wenn die Ziffern allein entschieden. Die Neuorganisation ließe sich leicht weiter entwickeln. Es wäre ganz einfach, die Geschwader auf 9 und später auf 10 Schiffe zu vermehren. Es liegt dies zedoch jenseits der Periode von vier oder fünf Jahren, die den äunersten Horizont unserer Flottenpolitik darstellt. Wir bilden dieses Jahr die siebente Zer störerflottille, 1913 die achte und vielleicht die neunte im Jahre 1915. Die unmittelbaren Kosten dieser Maßregeln werden nicht so groß sein. Der haupt sächliche Betrag entfällt auf die Vermehrung des Mannschaftsbestandes. Die Vermehrung unter dem jetzt geltenden deutschen Gesetz beträgt 3500 Mann. Dagegen fordern wir — ich denke mit großer Mäßi gung — eine Vermehrung von durchschnittlich nur 2000 Mann. Wenn anderwärts weitere Vermeh rungen stattfinden, werden wir es für notwendig erachten. beträchtliche Vermehrungen zu fordern! In der Debatte erklärte Lee, die Rede Churchills beweise, daß die Admiralität entschlossen sei, eine klare, stetige und resolute Politik in bezug auf die Seestreitkräfte Eng lands zu verfolgen. Churchill habe absolut klar ge macht, daß in Zukunft eine gewaltige Erhöhung der Ausgaben Englands sür die Flotte stattfinden müsse. Die Voranschläge seien basiert auf der An nahme, daß keine Erhöhung in den veröffentlichten Bauproqrammen der auswärtigen Mächte ein trete. In diesem Falle wäre ein offenes Wort das beste. Da die Macht zur See für uns eine Lebensbedingung ist, so glaube ich nicht, daß irgendein Verständiger sagen kann, wir trieben es darin zu weit. Sicherlich kann nicht behauptet werden, daß wir das Tempo forcieren. Der einzig mögliche Zweifel ist, ob für das allernotwendigsie, mit unserer vollkommenen Sicherheit zu vereinbarende Minimum gegenwärtig genügend gesorgt wird, und ich glaube, es wird gerade nur eben erhalten, und wir nehmen keine provozierende Stellung ein. Ich fasse die Politik der Admiralitkt dahin auf, daß wir eine lleberlegenhelt von M Prozent il-er die nSchft- Lstärkste Mncht behalten, wenn die fremden Mächte an ihren Flotten programmen festhalten; daß aber, wenn diese Pro gramme irgendeine Erweiterung erfahren, unsere Antwort in der Anwendung des Grundsatzes be stehen wird: „Zwei Kiele gegen einen.' Lord Beresford gegen Churchill. Lord Beresford erklärte, der erste Paragraph der dem Flottenetat beigegebenen Denkschrift sei eine indirekte Drohung und Herausforde rung gegen Deutschland. Churchill hätte das, was zur Verteidigung des Reiches notwendig sei, auch ausführen können, ohne Deutschland zu erwähnen oder unnötige Aufregung zu ver ursachen. Dies sei nicht das Mittel gewesen, den Frieden zu wahren oder zu einer Einschränkung der Rüstungen zu gelangen. Der Vergavbeitevstveik. Ein Ablenkungsmanöver. Die Lärmszenen, die die Sozialdemo kraten gestern im preußischen Abgeord neten Hause bei den Verhandlungen über den Bergarbeiterstrerk aufgeführt haben, sind vermutlich das Ergebnis einer wohlüberlegten Taktik. Die Nachrichten aus dem Ruhrgebiet lassen bereits keinen Zweifel darüber, daß der Streik im Abflauen begriffen ist. Die Folgen dieser Niederlage werden die sozialdemokratischen Schürer des Streiks um so mehr zu fühlen bekommen, je größer die finanziellen Verluste sind, die sowohl die streikenden Verbände als solche als auch die Arbeiter schaft an Lohnausfällen erlitten haben. Da bedarf es eines Ablenkungsmanövers, um die Arbeiterschaft vergessen zu machen, wie mutwillig sie von den sozialdemokratischen Strekkschürern in das aussichtslose Unternehmen hineingejagt worden ist. Als erprobtes Mittel, ein derartiges Manöver in Szene zu setzen, empfehlen sich parla - mentarische Tumulte, die ihren Urhebern den Schein besonderer Arbeiterfreundlichkeit ver leihen und sofürdieSozialdemokratiedas Odium der verlustreichen Niederlage mindern sollen. Dieser „Z w e ck d e r U e b u n g" ist zwar durchsichtig genug, verdient aber trotzdem, beleuchtet zu werden. Ueber den heutigen Stand der Bewegung ver zeichnen wir nachstehende Meldungen: Oie Lsye Im Ruhrgebiet. Weitere Abflauung der Streikbewegung. (Von unserm Spezialkorrespondenten.) pf. Essen. 19. März vormitags. Heute ist eine w e i te re A b f l a u u n g der Streik bewegung festzustellen, indem sich die Zahl der Ar beitswilligen bei der heutigen Schicht wieder vermehrt hat. So haben im Dortmunder Revier von 17 852 Bergleuten 5739 gearbeitet, es streiken also 67,85 Proz. gegen gestern 71,08 Proz., im Bezirk Oberhausen haben von 14230 Berg leuten 9495 gearbeitet, es streiken also 34,27 Proz. gegen gestern 35,29 Proz. Besondere Unruhe« sind bisher nicht zu verzeichnen, nur im Bezirk Hamm haben in der vergangenen Nacht Streikende einige Attentate verübt. So wurde auf einen Maschinisten der Bcrgwerksgcsellschaft Trier ge schossen, ohne daß es gelang, den Täter zu verhaften. Ferner wurde auf zwei Schutzleute geschossen, doch gelang es hier, den Täter alsbald zu fassen. Zechenverband und Arbeiter. (Von unserm Spezialkorrespondenten.) pst. Essen, 19. März. Ueber die gestrige Sitzung des Zechenvertandes hören wir. daß den Zechenbesitzern empfohlen wird, die sich zur Arbeit meldenden Bergleute insoweit wieder aufzunchmen, als sich unter ihnen nicht die Hetzer befinden, die den Streik mit herbei geführt haben. Man ist ferner übereinaekommen, den sich j .tzt erst zur Arbeit meldenden Bergleuten die ver tragsmäßig verwirkten 6 Schichten einzubehalten. Die Eine Stmiüe zu spät. 13) Roman von A. von Liliencron. (Nachdruck verdaten.) Frau von Kerkau wurde noch eine stürmische Um armung von Evchen zuteil, dann hängte sich das Mädchen an den Arm des Pfarrers und erzählte ihm fröhlich von ihrer Begegnung mit der Tante. Dame Drigitrc seufzte und wandte sich kopfschüt telnd an ihre Base, als die beiden Damen im Gast zimmer ihren Anzug ordneten. „Das Kind ver wildert hier zu sehr. Ich werde es bald zu mir nehmen müssen." Frau von Kerkau wehrte diesem Gedanken und meinte läck-slno „Vorläufig ist der bezaubernde Wildfang wohl am besten in diesem einfachen Hause aufgehoben. Der letzte, aber auch nur der aller letzte Schliff bleibt dann Ihnen vorbehalten. Ich bin überzeugt, das wird Ihren Schützling unwider stehlich machen" Am Abend nahm der Pfarrer auf Wunsch seiner Gäste eine kleine Prüfung mit seiner Schülerin vor. Sie bestand aufs beste. Auch am nächsten Tage beim Kirchgänge erschien das schöne Kind so still und ge sittet und zeigte sich bei der Predigt so aufmerksam, daß Dame Brigitte nichts zu erinnern fand und ihr am Nachmittage mit einer gewissen Wärme ihre Anerken nung aussprach. Lochen wußte das zu schätzen. So stürmisch um armte sie das alte Fräulein, daß eine gewisse Wolke aus deren gepuderter Frisur ausslicg. Derartige An griffe auf ihr Acuß.res konnte Dame Brigitte durch aus nicht ertragen. Sie stieß Evchen unsanft von sich, glättete die zerdrückten Puffen ihres Kleides und er klärte ungnädig: Kleines Fräulein müssen manier licher sein, wenn Ihr Kuß erfreuen soll." Das Kind wurde dunkelrot. warf Len Kopf in den Nacken und rief trotzig: „Ich mag Sic gar nicht küssen." Dann schoß sie wie ein Pfeil aus dem Zimmer. In dem Hausflur traf sie mit Frau von Kerkau zu sammen und fiel ihr um den Hals. „Tante Sibnlle. nicht wahr, Sic freuen sich, wenn ich Ihnen einen Kuß gebe?" Zärtlich streichelre Brunos Mutter das Kind; iah Ke doch in ihm die zukünftige Tochter. „Natürlich, Ev chen, ich haoe dich ja lieb." „Kann ach nicht lieber zu dir kommen, wenn ich hier weg muß?" schmeichelte sie. „Ich mag nicht nach Wolkental." Frau von Kerkau beugte sich herab. „Noch geht das nicht", sagte sie; „ich bin ja bei der Frau Kron prinzessin. Aber wenn du einige Zeit in Wolkental gewesen und ganz verständig geworden bist, dann hole ich dich zu mir." Die lichtblauen Augen des Mädchens leuchteten. „Ist bas gewiß?" „Ja, Evchen. ganz gewiß." Frau von Kerkau »am, sobald sie sich freimachen konnte, und hatte bald in guter Menschenkenntnis die schroffsten Ecken abgerundet, an denen das gefangene Vögelchen sich den Kopf stieß. Nach Freiheit dürstete Eva, und wenigstens teil weise wurde diese ihr nun zugestandrn. Die be engende Kleidung sollte nur bei Ausfahrten, oder wenn Besuch erwartet wurde, angelegt werden, und ein ältlicher Schimmel wurde ihr als Reitpferd be willigt. Diese Bestimmungen hoben Lochens bedrücktes Ge müt. vor allem aber war es die Liebe der Tante Sybille, die ihr junges Herz erfreute. Freilich, als Frau von Kerkau abgereift war, schwand allmählich der besänftigende Einfluß, und in Evchen erwachte von neuem crennendes Heimweh. Es wuchs und wuchs, bis es das junge Herz fast über wältigt hatte. An einem herrlichen Oktobertage war das junge Mädchen gerade in der Stimmung, mit Gewalt die Fesseln zu sprengen. Dame Brigitte hatte eine Nach richt erhalten, die sie in freudige Aufregung versetzte, denn — so meinte sie — dieser angekündigte Besuch könnte sür ihren Schützling von unbrrechrnoaren Fol gen sein. Sie selbst wollte Evchen davon benachrich tigen. Als sie nun, ihren Schützling im Garten suchend, auf einen Rasenplatz zusteuerte, bot sich ihr ein Bild, das ihr einen Ruf der Entrüstung entlockte. Von Baum zu Baum war eine Leine gezogen, und daran flatterten — großer Himmel — neben Taschentüchern auch ganz unglaubliche Gegenstände, und das in aller nächster Nähe des Schlosses zwischen Blumen und Rasenanlaqen; und vor diesen wessen flatternden Fahnen saß oder richtiger kauerte ihr «chützlinq. Die Hände um die Knie gefaltet, starrte sie auf die nasse Wäsche, als wollte sie aus ihrer Reinheit irgendetwas Verborgenes herausstudieren. „Eoa, mein Kind, was machst d" hier?" Das Mädchen stand auf. Ihre schlanke Gestalt überragte die Tante. Sie sah auf sie herab, und das gab dem kalten, verschlossenen Ausdruck ihres Gesichtes etwas sehr Herbes. „Ich war in Birkenfeloe", sagte sie, ohne eine weitere Erklärung zu geben. Dame Brigitte zuckte die Achseln. „Was soll denn das heißen?" Ueber die Züge des Mädchens flammt« ein heißes Rot, in den Augen blitzte es auf. „Es soll heißen, daß ich es nicht mehr ertragen konnte vor Sehnsucht nach Birkenfelde. Sehen Sic, so, gerade so sah es im Pfarrgarten aus, wenn ich mit der Pflegemutter die Wäsche aufaehängt hatte. Die Rosine mußte mir helfen, die Wäsche hier herunterzuschaffen, und dann habe ich sie allein, ganz allein aufgehängt." „Das nasse Zeug — mit den gepflegten Händen!" jammerte das Fräulein; „schrecklich!" Evchen spreizte die schlanken Finger aus und be trachtete sie nachdenklich. „Ich wollte, sie sprängen alle auf und würden rot; sann wäre doch etwas so wie in Birkenfelde." „Kleine, rabiate Person!" sagte die Tante schel tens, doch nicht unfreundlich. Dams Brigitte wünschte ihren Schützling in eins gute Stimmung zu versrtzen; sie war dann viel hübscher als mit diesem finsteren Gesicht. „Wir bekommen morgen Besuch. Jeannette soll dich dann sorgsam anziehcn. Ich wünsche Staat mit dir zu machen." Evchen schien durchaus nicht beglückt zu fein; sie strich über eins der nassen Wäschestücke, das der Wind ihr entgegentrieb, und sah gleichgültig in die Fern«. „Bist du denn gar nicht neugierig. Kleine? Du wirst dich über den Besuch freuen", verkündete die Tante in drängender Ungeduld. „Tantr Sibylle?" fragte Eva, und ihr« Augen strahlten. „Nein, aber ihr Sohn. Das ist doch ein Atiick von „Den hat sie sehr lieb", meint« das Mädchen nach denklich; „von dem hat mir Tante Bylle oft erzählt und mir auch sein Bild gezeigt. Er geht schön aus und hat gute Augen." Das alt« Fräulein war befriedigt; ihr Plan ließ sich gut an. „Nun. Lochen, das war doch eine gut-' Nachricht." Das Mädchen nickte. „Ja, ich freue mich sehr auf den Vetter." Am nächsten Tage fuhr der Erwartete zur fest gesetzten Stunde vor. Er ließ seinen Blick über die Hensterreihe gleiten und entdeckte einen reizenden Mädchenkopf, der seinen Gruß erwiderte und sich dann hastig zurückzog. Das konnte nur Eva sein. Fräulein Brigitte ampfing den jungen Offizier zuerst allein. Sie hatte sich ihren Plan gemacht und handelte danach. Line Weile nötigte sie ihn durch ihre Fragen, ihr von Berlin und vom Hofe zu er zählen, dann kam sie auf den Punkt, durch den sie eine Annäherung der beiden jungen Leut« anbahnen wollte. „Ja, ja, das Leben bei Hofe ist herrlich, aber es har auch seine Schwierigkeiten", seufzte sie. „Ich be mühe mich, meinen jungen Schützling etwas für diese höchsten Kreise zu erziehen; aber Lochen steht jetzt auf der Schwelle zwischen Kind und Jungfrau, da zeigen sich manchmal kleine Unebenheiten, di« stö rend wirken. Ich rechne da auf Ihre Hilfe, um diese Dinge zu beseitigen." Der junge Offizier lächelte ungläubig. „Ich werde mich wohl wenig dazu eignen, junge Damen zu erziehen", antwortet« er. „Im Gegenteil, ich wette darauf, daß Sie diesen liebenswürdigen Wildfang lammfromm machen kön nen; mir will das durchaus nicht gelingen." Die letzte Tatsache wagt« Bruno nicht zu bezwei feln, und «r bemerkte nur, halb unwillig, halb er heitert: „Wie sollte ich dazu kommen, auf die jung« Dame einen Einfluß zu üben?" „Einfach, weil Sie der Sohn Ihrer Mutter sind; Lochen vergöttert Ihre Mutter, da wird auch Ihr Wort besonderen Eindruck auf sie machen. Erzählen Sie Jh^rr Cousine von den Damen am Hof«, von dem heilsamen Zwange der Etikette und von den glänzenden Festen, die in Berlin gefeiert wetten, und auf denen mein« kleine Schönheit einmal glän- cn soll. Wenn Sie sich mit der Kleinen etwas lie benswürdig beschäftigen wollen, so haben sie ihr Herz schnell gewonnen; sie ist sehr empfänglich für «in gutes Wort." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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