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oHilHarnoooio 4. ZYKLUS- KONZERT 1970/71 Spielzeit 1970/71 — Chefdirigent: Kurt Masur Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Druck: veb polydruck Werk 3 Pirna - 111-25-12 1,5 ItG 009-124-70 rsten Violinkonzertes, mit dem das Werk vom Soloinstrument eröffnet wird, und aucht noch in verschiedenen anderen Kompositionen Bartoks aus jener Zeit auf (u. a. in den „Zwei Porträts" op. 5 für Orchester, in den „Vierzehn Bagatellen für lavier" op. 6). Um einen Eindruck von der Stimmung Bartoks zu vermitteln, aus er heraus jenes Leitmotiv Stefi Geyers und der darauf basierende erste Satz es Violinkonzertes geboren wurde, sei der erwähnte Brief nochmals zitiert: „Als ich Ihren Brief gelesen hatte, setzte ich mich an den Flügel — ich habe die trau ¬ rige Vorahnung, daß ich im Leben keinen anderen Tröster haben werde als die Musik . . . Seit einiger Zeit bin ich in so merkwürdiger Stimmung, ich falle von sogar eine Zeile, ein Wort von einem Extrem ins andere. Ein Brief von Ihnen, Ihnen macht mich jubeln, ein anderes bringt mich fast zum Weinen, so weh tut es mir . . . Was wird das Ende davon sein, und wann ... Es ist ein ständiger see ¬ lischer Rausch. Zum Arbeiten (zum Komponieren) brauche ich gerade das . . . Mit dem aufsteigenden Grundmotiv a — fis — a — cis und einer ausdrucksstarken Weiterführung seines Stimmungsgehaltes eröffnet die Solovioline den langsamen ersten Satz (Andante sostenuto), der gleichsam das „ideale Bildnis" (aus den „Zwei Porträts" op. 5) vorwegnimmt und stark an die chromatisch gewürzte, ge ¬ fühlsgesättigte Tonwelt von Wagners „Tristan und Isolde" gemahnt. In kunstvoller kontrapunktischer Führung treten die übrigen Streicher, dann die Bläser hinzu und weben einen feinnervig differenzierten Klangteppich. Im Kontrast zum Ein ¬ leitungssatz ist der Schlußsatz des nur zweisätzigen Konzertes angelegt (Allegro giocoso): Heiter und kraftvoll prononciert gibt hier das Soloinstrument die De vise. Im Verlauf des vielgliedrigen Satzes bekommt es übrigens reichlich Gele- Eingeschaltete nachdenkliche Episoden rufen die genheit, virtuos zu brillieren. Tonwelt des „Leitmotivs" aus dem ersten Satz, das auch gegen Ende des Satzes Kraftvoll wirkt der im Horn notengetreu wieder erscheint, in die Erinnerung, Abschluß des Werkes, Für eines seiner „vorzüglichsten" Werke hielt Ludwig van Beethoven seine 7. SinfonieA-Durop. 92, die tatsächlich auch von ihrer triumphalen Uraufführung an bis heute stets ein Lieblingswerk des Publikums wie der Dirigenten gewesen ist und schnell eine außerordentliche Popularität errungen hatte, wenn es auch anfangs, durch die Kühnheit und Neuartigkeit dieser faszinierenden, aber höchst eigenwillig gestalteten Komposition bedingt, nicht an kritisch ablehnenden Stimmen fehlte. Die von Beethoven 1811 begonnene (einzelne Skizzen reichen schon in frühere Jahre zurück) und 1812 vollendete Programm-Sinfonie Sinfonie wurde der natura istischen zusammen einem Wohltätigkeits- „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria konzert zugunsten verwundeter bayrisch-österreichischer Soldaten, die Napoleon 1813 in der Schlacht bei Hanau geschlagen hatte, am 8. Dezember 1813 in Wien uraufgeführt und versetzte dabei, ebenso wie in den bald darauf folgenden So schrieb die Begeisterung, Wiederholungen, die Zuhörer in unglaubliche „Wiener Zeitung" zu diesem Ereignis: Der Beifall, den Beethovens kraftvolle Kompositionen, von ihm selbst dirigiert, und die aus Eifer für die Kunst und die Sache des Vaterlandes zu diesem Feste der Kunst und der patriotischen Wohltätigkeit vereinigten ersten Künstler der Kaiserstadt bei allen Zuhörern fanden, stieg bis zur Entzückung." Als hochbedeutender künstlerischer Beitrag reinen Gefühl der Vaterlandsliebe" durchdrungenen Meisters zum des vom Befreiungskampf gegen die napoleonische Herrschaft steht das aufrüttelnde, Elan und aktivierende Kraft ausstrahlende Werk gewiß mit der Zeit seiner Entstehung in ideellem Zusammenhang, wenn es sich hier wohl auch weniger um direkte programmatische Bezüge handelt. Da Beethoven zu der „Siebenten" Gegensatz zu der vorangehenden 6. Sinfonie (Pastorale) keinen Schlüssel für eine bestimmte programmatische Deutung gegeben hat, hat das Werk phantastischen zum Teil sogar recht seltsam immer wieder zu mancherlei, Erklärungs- und Deutungsversuchen gereizt, die allerdings meist nur gewisse Wesenszüge, nicht aber seine Gesamtheit erfaßten. Besonders berühmt wurde Betonung des rhythmischen Richard Wagners von der ungemein starken Elements in dieser Schöpfung ausgehende Deutung als „Apotheose des Tanzes"; Robert Schumann wiederum faßte die Sinfonie als Schilderung einer Bauern ¬ hochzeit auf, und der Musikwissenschaftler Arnold Schering legte sie gar nach Szenen aus Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre" aus. Indessen kann man mit derartigen, doch schließlich am Äußerlichen haftenden Erklärungen kaum Ausdrucksmitteln der Eigengesetzlichkeit dieser Musik, ihren besonderen gerecht werden. Das Grundelement eines vitalen, pulsierenden Rhythmus, de sich als alles beherrschende, alles gestaltende Kraft erweist (charakteristischer ¬ weise gibt es in der ganzen Sinfonie, ebenso wie in der „Achten", keinen langsamen Satz), aber auch eine interessante, neuartig bereicherte Harmonik, eine eng verzahnte Thematik und eine überaus großzügige, kühne Linienfüh- strahlend-glanzvolles Werk über- rung schufen zusammenwirkend hier ein schäumender Lebensfülle von festlicher Heiterkeit bis ausgelassenstem, wild entfesseltem Taumel, in dem Beethoven in schöpferischer Entwicklung zu absolut neuen Ordnungen und Formungen vorgedrungen ist. Mit einer breit angelegten, wie abwartend wirkenden langsamen Einleitung, die unmerklich zum Hauptsatz (Vivace) hinführt, beginnt der erste Satz. Das lebens ¬ sprühende, in punktiertem Sechsachtelrhythmus stehende Hauptthema durchzieht als dominierende rhythmische Grundfigur den gesamten, wechselvollen Stim ¬ mungen unterworfenen Satz, der trotz an sich frischen, hellen Charakters doch bereits, ähnlich wie später das Finale, reich an schroffen dynamischen Kontrasten, kühnen Modulationen, starken Ausdrucksspannungen und Steigerungen ist. Der zweite Satz, von Beethoven als erster entworfen, bildet das Kernstück der Sinfonie und erregte von Anfang an besondere Aufmerksamkeit und Begeiste ¬ rung. Dieses von tiefer Empfindung beseelte, wunderbare a-Moll-Ailegretto ist in erweiterter dreiteiliger Liedform angelegt; während der erste Teil ein ernstes Thema in gleichsam gebrochenem Marschrhythmus bringt, dem als Gegenstimme eine innige, ausdrucksvolle Melodie der Celli und Violen beigegeben ist, wird im gesangvollen, freundlichen Mittelteil besonders der Gegensatz zwischen Moll und Dur wirksam. Nachdem am Schluß noch einmal die Marschweise aufgenommen wurde, schließt das Stück, wie es auch begonnen hatte, mit einem fragenden Quartsext-Mo akkord. Im dritten Satz, einem verhältnismäßig ausgedehnten Scherzo, fällt die damals innerhalb einer A-Dur-Sinfonie ungewöhnliche Wahl der Tonart F-Dur auf. Der lebensfrohe, kapriziöse Presto-Satz rauscht in funkelnder, sprühend-jugendlicher Ausgelassenheit an uns vorüber, zweimal kontrastierend unterbrochen von einem lyrischen, liedhaften Trio-Teil, dessen Thema einem Zeitgenossen Beethovens zu ¬ folge einem österreichischen Wallfahrtsgesang entnommen sein soll und dessen besonderer Effekt eine sogenannte liegende Stimme, hier der Klang des fest ¬ gehaltenen Tones a, darstellt. Voller bacchantischem Überschwang gibt sich schließlich das stürmische Finale. Vor allem die Kühnheiten, die zahlreichen melodischen und metrischen Wieder ¬ holungen, die Orgelpunkte, und überhaupt die „Aufgeknöpftheit dieses ausge ¬ lassenen Satzes wurden Anlaß für kritische Äußerungen der Zeitgenossen, und „Gipfel der Gestaltlosigkeit" bezeichnet. Ein man hat ihn einmal sogar als ungestümer Ausbruch heftiger Leidenschaften, Rhythmus elementa rem von umtost, trägt aber gerade das in jubelndem Tutti endende Finale des Werkes charakteristischste Züge der eigenwillig-genialen Persönlichkeit seines Schöpfers. Dr. habil. Dieter Härtwig