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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« <Prei« 22s Silbergr. (f Thtr.) vietteljädriich, Z Tblr. für do« ganze Jabr, ohne Erhöhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumern, aus diese» Literatur, Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staats-Zeitung (Friedrich«- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie in> Auslande bei den Wohllöbl. Poll - Aemiern. Literatur des Auslandes. 14. Berlin, Mittwoch den 2. Februar 1842. Nord-Amerika. Die Kunst in Amerika. Unter dieser (Überschrift finden wir in einem der letzten Hefte der Xurtb ^mvrinsn Nnview einen Artikel, der manches Neue und Interessante enthält. In den bisher erschienenen, zum Theil sehr gründlichen'und belehrenven Wer ken über die Vereinigten Staaten ist die Kunst fast ganz unbeachtet geblieben. Die Fortschritte des Landes in materieller Hinsicht sind in der That so über wiegend und fallen dem Beobachter so sehr in die Augen, daß er die beschei deneren Anzeichen einer entstehenden Liebe zur Kunst unbemerkt läßt. Jener Artikel verdient also deswegen schon Beachtung, weil er uns mit diesem bisher vernachlässigten Gegenstände bekannt macht; und wenn die Hoffnungen unv Schlüffe des Verfassers gleich etwas sanguinisch erscheinen dürften, so ist es doch erfreulich, zu erfahren, daß sich der Sinn für das Schöne und Ideale bei diesem neuen, lange auf Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse «be schränkten Volke zu regen und wirken anfängt. Bon einem vor kurzem in Boston herausgekommenen Werke über die Architektur nimmt der „Reviewer" Anlaß, sich über die Kunst im Allgemeinen auf folgende Weise zu äußern: „Bon Amerikanischer Kunst reden, hieß früher, eine Sache besprechen, die nicht eristirte. Aber vie in den letzten Jahren so ansehnlich vermehrte An zahl Amerikanischer Künstler, die in Hinsicht ihrer erweckte öffentliche Theil- nahme und die Bedeutsamkeit mehrerer Gegenstände ihrer Arbeiten berechtigen uns, die Geburt des jungen Geistes unter uns zu begrüßen und ihn mit dem Lorbeer künftigen Ruhmes zu krönen. „Es wäre unnütz, zu fragen, warum wir so lange ohne Kunstschule ge blieben sind? Die Nothwendigkeit, die physischen Hülfsmittel des Landes zu entwickeln, Wüsten urbar zu machen, Städte zu erbauen, Verbindungen zu eröffnen, mit einem Wort, unseren Kontinent in einen für den civilisinen Menschen bewohnbaren Zustand zu versetzen, alles dieses bietet die Beantwor tung jener Frage dar. Die Summe der Zeit, der Unkosten, der Arbeit, die zu diesem Zwecke verwendet wurde, ist ungeheuer und kann den Vergleich mit den industriellen Anstrengungen jedes Europäischen Volkes aushalten. Wir haben die Oberfläche eines Erdviertels umgestaltet. Dichte Wälder sind in wallendes Korn verwandelt: mächtige Ströme, vormals nur von einzelnen Kanots beschisst, bilden jetzt die Heerstraßen eines zahlreichen Volkes; die ent ferntesten Punkte sind durch Wege verbunden und Städte unv Flecken in der Wüste gesäet worden. Das junge Rom, mit seinen Schlachten und Kolonieen, seinen öffentlichen Werken, Wasserleitungen und Tempeln, hat nichts Größeres ausgerichtct, und in den berühmten historischen Kriegen eines Philipp und Cäsar haben ihre bewaffneten Hecrhaufen nicht so viel gethan, als eine gleiche Anzahl unserer Landsleute, die nicht mit vergänglichem, menschlichem Wider stande, sondern mit den ewigen Hindernissen der Natur Krieg führten. Wir haben in den letzten zwei Jahrhunderten das Land zum Wohnsitz einer Nation vorbereitet. Aber weil wir uns mit Leib und Seele diesem Werke ergaben, folgt es daraus, daß wir keines anderen fähig wären/ und daß, weil wir mehrere Menschenalter lang die Vorarbeiter der Civilisation gewesen sind, wir unseren Ehrgeiz und unsere Fortschritte auf dieses Ziel beschränken müssen? Bon dieser Zeit an wird vielmehr der ältere Theil unseres Volkes in Allem, was gesitteten Nationen Ehre macht, in der Wissenschaft, der Literatur, der Kunst, nach ähnlichen Erfolgen streben. Auf der von den starken Armen unserer Väter ausgehauenen breiten Grundlage müssen wir das dauernde Gebäude eines sittlichen, denkenden, selbständigen National-Charakters erbauen." Nach dieser Einleitung fährt der Verfasser fort, vcn Rutzen der Kunsi, besonders für Amerika, auseinanderzusetzen. „Wir befinden uns bisher" — schreibt er, — „ohne alle Mittel, uns auf eine zuträgliche Weise zu erholen und aufzuhciiern, und der Mangel hieran äußerl sich in den öfteren, durch übertriebene Anstrengung der Seele und ves Körpers hervorgebrachtcn Krank heiten, in unserem zu ernsten Temperament, in dein gedankenvollen Ausdruck und in gänzlicher Abwesenheit des Frohsinns und Lebensgenusses, wodurch der Amerikaner der östlichen Staaten so sehr vom Charakter des Englischen Ur stammes abweicht. Was kann aber den Durst nach geistiger Erholung so gut löschen, als die Beschäftigung mit der heiteren, begeisternden Kunst?" Er schreitet hierauf zur Widerlegung der Meinung, daß den Amerikanern, wegen ihrer zu großen Liebe zum Praktischen, ihrem Alles verschlingenden Handelsgeist, ihrer prosaischen Lebensansicht unv Verachtung des Idealen, jeder Kunstsinn fehlen müsse. „Wir Anglo-Amerikaner werden leicht aufgeregt, be sitzen großen Enthusiasmus, tiefes Gefühl und verborgene, jedoch stets hervor brechende, starke Leidenschaften. Durch die lange Trennung und veränderten Umstände haben wir viel von vem ursprünglichen Englischen Phlegma ver loren, sind flink und erfinderisch geworden, geben uns leicht jedem anziehenden Gegenstände hin und verfolgen ihn mit Ernst und Ausdauer. Aus einen Cha rakter dieser Art wird es dem Künstler nicht schwer, einen Eindruck hervorzu bringen und ihn für alle Einflüsse des Schönen empfänglich zu machen. „Es steht mit dieser Meinung nicht im Widerspruch, zuzugeben, daß unser Geschmack im Allgemeinen noch äußerst roh und im Lob wie im Tadel über trieben ist. Daran ist die ungenügende Bekanntschaft mit Kunstwerken und der Mangel einer Richtschnur zur Beurtheilung derselben Schuld; diese läßt sich nur durch ein Studium der besten Werke erlangen, die wir noch lange Zeit nicht besitzen dürften. Aber kein verdienstvolles Gemälde wird je hier eingeführt, ohne gefühlt und genossen zu werden; nicht aus modesüchtigem Nachahmungsgeist, sondern aus Liebe und angeborenem Geschmack, der zwar nicht so scharf und sicher ist, wie der des Kenners, aber dennoch eine tiefe Grundlage zur Ausbildung des voltsthümlichcn Kunstsinns darbietet. Denn bei uns muß die Kunst volksthümlich seyn, durch das Volk genossen, vom Volke erhalten; sie hat den Schutz keiner privilegirtcn Klasse zu erwarten, und ihre Fortschritte werden daher allmäliger, aber eben deshalb fruchtbarer, reicher, verschiedenartiger, dauernder seyn." „Auch vom Geiste der Nacheiferung ist bei uns viel zu erwarten. In dieser Hinsicht genießen wir ähnlicher Vortheile, wie die Jtaliänischen Staaten des Mittelalters. Ein hochherziger Wetteifer wird unter den Künstlern der verschiedenen Staaten und der größeren Städte entbrennen; Schulen werden entstehen, deren jede ihren Stolz und ihren Namen haben wird. Derselbe Geist hat bei uns in inneren Verbesserungen und öffentlichen Arbeiten Wunder gethan; sein Einfluß muß im friedlichen Wetteifer der Künste gleich erfolg reich seyn." Nach einer längeren Abschweifung und ziemlich gedehntem Raisonnemcnt folgen dann einige Nachrichten über Amerikanische Künstler. Wir hätten diese ausführlicher gewünscht und jenes dem Vers, dagegen gern geschenkt; aber er hat das mit den meisten feiner Landsleute gemein, über den breiten, selbst gefälligen Redestrom das Wesentliche seines Gegenstandes aus den Augen zu verlieren. „Die Zahl unserer Künstler, vorzugsweise Bildhauer, ist gegenwärtig für ein so neues Land sehr bedeutend. Mehr oder minder ausgezeichnete Maler hat es stets gegeben, aber cs ist nicht wenig merkwürdig, daß die Bildhauerei in einem von jedem Muster derselben so sehr entfernten Lande entspringen sollte, wo Hunderttausende in ihrem Leben nie eine Statue gesehen haben. In einigen Individuen ist der Geschmack an einer Beschäftigung damit in von deren Einflüssen so abgelegenen Gegenden erregt worden, daß man dieses Phänomen keinem Anstoße von außen her, sondern beinahe einer höheren Ein- gebung deimessen möchte. Nur der Impuls des Genies leitete Powers, nach seinen unglücklichen Anfängen in Wachsfiguren, zu dem Versuch, nicht nur vie Züge und Linien des menschlichen Angesichts, sondern auch den Ausdruck, die Seele, das Licht und den Schatten der Charaktere vem Steine aufzuprägen. Es liegt etwas Außerorventliches in vcr Laufbahn eines solchen Mannes, der von bescheidenen Anfängen seinen Weg vorwärts verfolgt, die Zweifel seiner Lage, Heimat und Freunde hinter sich läßt und mit Triumph das Weltmeer überschreitet, um im Geburtslandc, im Garten der Kunst mit den auSgezeich. nctstcn Nebenbuhlern um die Palme zu ringen." (Powers befindet sich jetzt in Rom, wo er, Amerikanischen Nachrichten zufolge, durch seine Bildhauer-Arbeiten großes Aussehen erregt haben soll.) „Eine ähnliche Laufbahn haben zwei andere Amerikanische Bildhauer ge- habt; dem Ersten, Greenough, gebührt das Verdienst, den Weg nach Jia« lien eröffnet unv baS Beispiel gegeben zu haben, sich der Kunst an deren Quelle zu widmen. Mit welchem Glück dieses geschehen ist, zeigt sein hoher Ruf bei uns zur Genüge; und dennoch ist dieser Ruhm nur im Entstehen, da seine größten Werke noch nicht erschienen sind und er in jenes Lebensalter getreten ist, das man die Blüthezeit des Künstlers nennen kann. Seine hier ausgestellten Arbeiten machen sich durch Reinheit und Zartheit, durch eine geistige Auffassung und Freiheit von knechtischer Nachahmung der gewöhnlichen Jtaliänischen Manieren und Aufgaben bemerkbar. Die Entfaltung seines höheren Talents gehört den größeren Werke», die unsere Regierung bei ihm bestellt hat, von denen cmcs so populär und seiner so würdig ist, daß es ge wiß seinen ganzen Genius Hervorrufen wird. °) Ihn charakterifirt eine frühe ') Greenough hat so eben di- Statue Washington'« vollendet.