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Zunächst will die Pforte dem Verlangen Griechenlands nach einer Grenzregulirung den heftigsten Widerstand entgegensetzen; sie trifft be reits Maßregeln, um jeden Versuch Griechen lands zur Besetzung von Epirus und Thessalien mit aller Kraft zurückzuweisen. Auch auf andere Weise sucht sie die Beschlüsse des Berliner Con- gresses zu durchkreuzen. So kommen jetzt aus Thessalien die fürchterlichsten Depeschen. Große Feuersbrünste wüthen daselbst. 30 Dörfer sind angesteckt, die ganze Ernte ist vernichtet. Eine große Anzahl von Häusern, im Dorfe Sophades allein 22, sind verbrannt; daselbst sind auch einige Kinder in den Flammen umgekommen. Die Anarchie wüthet im ganzen Lande, und es ist nicht zu zweifeln, daß das Feuer mit Fleiß angelegt worden sei, denn es brach in verschie denen Dörfern gleichzeitig aus. Es wird allge mein geglaubt, daß es von den türkischen Be hörden angelegt worden ist, nachdem sie den Beschluß des Congrestes über diese Länder er fahren haben. Sie beabsichtigen, das Land zu verwüsten und zu voller Unterwürfigkeit zu zwin gen. So berichtet das Wolff'sche Telegraphen- MUtton. Unpolitische Plauder-Ecke. Nachdem schon so viel über die socialistischen Bestrebungen geschrieben worden ist, will ich es einmal versuchen, den Leser in den socialdemo kratischen Staat, und zwar in eine ganz gewöhn liche Werkeltagsstunde blicken zu lassen. Ich will aber durchaus nicht verantwortlich dafür sein, daß es so werden muß, es kann auch anders kom men. Also: Es ist früh am Morgen gegen halb sieben Uhr, und da schon der Hochsommer eingetreten war, warf die Sonne ihre Strahlen um diese Zeit recht warm auf unsern Markt hernieder. Aus allen Straßen kamen junge Frauen und solche, von denen man früher sagte, daß sie dem reiferen Alter angehören; allesammt aber mit einem Krüglein in der einen und einem Zettel- chyi in der andern Hand. Ihr Zielpunkt war ein am Rathhause stehendes gewölbeartiges Ge bäude. Bei einem Fremden mußte dies Bild baß Ver wunderung Hervorrufen, was mochten die Frauen in früher Morgenstunde mit ihren Krüglein auf dem Markte wollen? Sehen wir einmal zu. Seit der Einführung des sozialdemokratischen Staates war Alles, was früher der Privatunter bureau. Das wären ja schandbare Thaten, wenn sie sich bewahrheiten würden. Da wäre es entschieden die wichtigste Arbeit für den Congreß gewesen, den schon lange kranken Mann, der sich als solches Scheusal benimmt, mit dem Tode abgehen zu lassen. — Glücklicherweise bie ten alle andern noch zu regelnden Punkte keine derartigen Schwierigkeiten. Oesterreich wird mit der Ordnung der Verhältnisse in Bosnien, die unter der türkischen Herrschaft vollständig ruinirt worden waren, vollauf Beschäftigung haben, ferner hat es seine Beziehungen zu seinen jetzt unabhängi gen Nachbarn Rumänien, Serbien und Monte negro zu regeln. England trifft Vorbereitungen, sich auf der Insel Cypern häuslich einzurichten, soll doch schon die Legung eines Kabels nach der Insel beabsichtigt sein. Rußland und die Türkei haben mit der Heilung ihrer Wunden, die der Krieg ihnen geschlagen, zu thun. Das traurige Bild eines alten baufälligen Hauses, das von zwei Seiten gestützt werden muß, bietet die Tür kei. Im Westen steht sie unter der Oberaufsicht Europa's im Allgemeinen und Oesterreichs im Besonderen, im Osten dagegen hat sie sich unter die schützenden Fittige Englands gestellt. Man sollte nun meinen, daß für die Existenz der Tür kei bestens gesorgt ist, aber wer birgt ihr dafür, daß die treuen Stützen nicht einstens auch bei der Theilung des baufälligen Hauses mithelfen werden? Die Wahlvorbereitungen spitzen sich viel fach wieder zu reinem Parteigezänk zu. Und doch sollte bei den diesmaligen bedeutsamen Wahlen weniger danach gefragt werden: bist du conservativ, bist du liberal? Als der Reichstag aufgelöst wurde, so that die Reichsregierung die sen Schritt, weil sie vermuthete, daß die deutsche Nation mit der Ablehnung des sogenannten So- cialistengesetzes nicht einverstanden sei, vielmehr nehmung überlassenwar, von Staats wegen geregelt worden, und so waren denn auch die Milch händler und Händlerinnen aus der Welt geschafft und auf dem Markte ein großes Milchgewölbe errichtet worden, wo jede Frau ihr Quantum Milch gegen eine Anweisung zu ihrem Schälchen Kaffee erhalten konnte. Selten ließ eine Haus frau ihre Anweisung unbenutzt zu Hause liegen, denn da das Geld abgeschafft und die Anwei sung immer für einen bestimmten Tag ausge stellt war, so konnte weder ein Verkauf noch eine Aufbewahrung der Zettel für spätere Zeiten statt finden. Die Kleidung der Frauen war eine gleichmäßige, wie sollte auch in einem echt social demokratischen Staate die Eine einen Vorzug vor der Andern haben, wäre ja der verhaßten Un gleichheit von früher Thür und Thor damit von Neuem geöffnet worden. Jede war mit einfachem Morgenrock, Schürze und Häubchen bekleidet, ob wohl Mancher diese Einförmigkeit längst nicht mehr behagte. Allein was half's? 's war Re gierungsvorschrift und dagegen ließ sich nichts machen. Bald war das Geschäft, der Austausch der Zettel gegen die Milch, erledigt und munter plau dernd, ebenso wie es bei dem früheren verrotte ten Bourgeoisstaat alte Sitte war, standen die Frauen in Gruppen zusammen. „Denkt Euch nur", meint die Eine, deren Mann in der Staatsbäckerei als Ausseher fungirte, „ich gegen eine Partei, die sich selbst auf einen Standpunkt außerhalb des Staates stelle, auch strenge Ausnahmemaßregeln verlange. Auch die Steuerreformpläne und sonstige mannichfache Aenderungen unserer Gesetzgebung ließen es nöthig erscheinen, einen Appell an das Volk zu richten, um seine Meinung in allen diesen Fra gen zu hören. Der Vertreter dieser Volksmei nung ist aber der Abgeordnete, und darum muß bei Ausstellung eines Candidaten die erste und wichtigste Frage allemal die sein: Welches ist deine Stellung zu dem von der Regierung be absichtigten Ausnahmegesetz gegen die Social demokratie, zu den Steuerreformprojecten, zu den handelspolitischen Fragen, zu den nothwendigen Correcturen des Actiengesetzes, der Gewerbeord nung, dem Freizügigkeitsgesetz, der Einschränkung des allgemeinen gleichen directen Wahlrechts? Gar häufig ist aber leider davon gar nicht die Rede, namentlich nicht bei denjenigen Candida ten, die Mitglied des aufgelösten Reichstages waren und jetzt wieder aufgestellt sind. Da handelt es sich zumeist nur um das glückliche „Durchbringen." Es würde doch den Erwar tungen der Regierung schwerlich entsprechen, wenn es dem Parteiterrorismus gelingen sollte, den Ausdruck der wahren öffentlichen Meinung zu verwischen. In der Absicht der Reichsregierung soll es liegen, den Reichstag so spät wie möglich ein zuberufen. Der äußerste gesetzliche Termin würde der 9. oder 10. September sein. Der Kaiser soll übrigens den dringenden Wunsch hegen, den Reichstag in Person zu eröffnen. Die erste Session wird jedenfalls nicht von langer Dauer sein, da nur das Socialistengesetz vorgelegt wer den wird. Eine derartige Beschränkung ist auch vollständig am Platze. Nicht nur die Rücksicht auf die durch die Anstrengungen des Wahlkampfes habe nun schon seit fast zwei Jahren mit meinem Mann glücklich und, ohne in Streitigkeiten zu gerathen, gelebt, kommt ihm jetzt der unselige Ge danke, für ein hergelaufenes Frauenzimmer, das hier im Asyl für männerlose Frauen ein Unter kommen gefunden hat, eine heftige Liebe zu fasten, und nun hat er die Scheidung beantragt, und da er vorgiebt, seine Liebe zu mir wäre geschwun den, erhält er Recht und ich muß wohl oder übel von ihm fort. „Ist das nicht himmelschreiend von einem solchen Mann? „Da kannst Du noch von Glück sagen", er widert eine Andere, deren treue Ehehälfte in der allgemeinen Schuhwaarenanstalt von früh 7 Uhr bis Mittags und von 2 bis 5 Uhr Nachmittags (denn die 8stündige Normalsarbeitszeit war längst zum Gesetz erhoben) seine Fußbekleidungskunst ausübte, mein Mann ist bereits der drein- oder vierundzwanzigste, den ich seit der neuen Aera habe, und das erst seit einigen Tagen. Und was gedenkt er schon zu thun? Mich wieder fort schicken! Da ist er nämlich gestern wieder nach Hause gekommen, eine Versammlung hätten sie gehabt, sagte er, um ein Verbot des Schuhdrah tes bei Befestigung der Stiefelsohlen zu bean tragen, die vernagelten Sohlen wären bester zu verarbeiten; aber das kenn' ich bester, i er läßt seinen Verdienst größtentheils in Anwei sungen auf Bier auszahlen und da hat er denn I Abends immer zu thun, dieselben umzusetzen, —