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Nummer 156 — 25. Jahrgang Smal wöchentl. Bezugspreis für Juli 3.W -K einschi. Bestell^lv. Anzeigenpreise: Die tgesp, Pelitzeile 8üL, Stellengesuche 2» L. Die Petitreklamezeile. 89 Milli meter breit, 1 »st, Osfertengebühren für Selbstabholer 20 bei Uedersenüung durch di« Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1V Sonntags-Nr. 15 F. Deschäftlicher Teil: I. Hillebrand in Dresden. Kämpfe Velsen. WM»! k (am bleumarkt) iinü bgrle;>mSlieI neu »nli oebrunckt Donnerstag, 15. Juli 1926' Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenausträgeh u. Leistung o. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Feriu ruf üdermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Vers antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückport^ nicht versehene Manuskripte wevd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags- Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden- zv-der«»»!,« 17 . /Vttm. I. Soll» i^-i-nml r>oz» - ^eichälioftcllr, TruU und Verlag, Saxonia- Buchdruckerci GmbH., Drcsden-A. l. Poiierslratze 17. Zeriirn! 2I0I2. PoMchl-ckioiiio Dresden 147»? Aaiikkonio- Vassenge «- gkrigsche, Dresden. Für christliche Politik und Kultur :>I«dak«il>„ der Sächsische» Volkszeitung ^ Dresden-Alisiadl I, Poiiersir»de 17. Fernrns 2071f und 21012. Italienische Sorgen Äon unserem römischen G. - V e r t r e t e r. Rom. 13. Juli 1926. Ein Schmerzenskind der Italiener ist das — wenn auch langsame — Zurückgehen ihrer Valuta. In kaufmännischen Kreisen ist man sehr beunruhigt über die wirtschaftliche Lage; man fürchtet das Gespenst der Inflation, das Deutschland heimsuchte und nun in Frankreich sein Wesen treibt. „Die Lira ist krank", hat Mussolini bei der Eröffnung des neuen nationalen Ausfuhrinstitutes erklärt. Zweifellos ist die Regierung darauf bedacht, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um einer Krisis zuvorzukommen. Damit hängen auch die jüngsten Verbote zusammen: kein Bargeld, Schecks, Anweisungen, Wertpapiere und dergl. nach dem Ausland auszuführen. Bei der Grenzüberschreitung dürfen nicht mehr als 10 000 Lira mitgeführt werden. In richtiger Erkenntnis der gegenwärtigen Lage mußte der Mini sterpräsident gestehen: das Leben sei ein hartes geworden, es sei kein bequemes mehr, für niemanden sei es leicht voranzukommen. Wo liegt nun der Grund für diese Blutarmut? Die Zirkulation der Banknoten, beteuerte Mussolini, hat sich verringert, die Tendenz ist eher eine deflationistische, die Staatsbilanz ist nicht nur ins Gleichgewicht gebracht wor den, sie erzielte sogar einen bedeutenden Ueberschnß. Was Sorgen bereite, seien die Zahlen der Handelsslati- stik des vergangenen Jahres. Häufig stimmten die Zif fern der Handelsnachweise der einzelnen Länder gar nicht mit denen der italienischen Stati stik überein. So erklärte z. B. Deutschland, das; Italien im Jahre 1925 für 2 Milliarden 980 Mil lionen Lire nach Deutschland ausgeführt habe, während die italienische Statistik nur 2 Milliarden 27 Millionen Lire aufweise. Im ganzen will das Ausland von Ita lien für 12 Milliarden 519 Millionen Lire Waren erhal te» haben, während Italien nur für 10 Milliarden 91 Millionen Lire herausrechnet: wo steckt der Unterschied von 2 Milliarden 428 Millionen Lire? Vielleicht zum Teil in der Valuta, oder in der geringeren Angabe sei tens der Exporteure aus fiskalischen Gründen, vielleicht in einer falschen Berechnung. Sehr zufrieden stellend für die italienische Handelsbilanz sind folgende Ziffern: Milch- und Käseerzeugnisse: Einfuhr 42 Millio nen, Ausfuhr 611 Millionen: Gemüse und Früchte: Ein fuhr 68 Millionen, Ausfuhr 1 Milliarde 892 Millionen (480 Millionen mehr als im Jahre zuvor): Wein usw. 28 Millionen Einfuhr, 350 Millionen Ausfuhr: Kleider und Wäsche erzielten einen Ueberschnß von 80 Millionen. Die Italiener trinken für 500 Millionen Lire Kaffee und verzehren für 510 Millionen vom Ausland eingeführte Fische, während sie für 220 Millionen Lire auswärtigen Tabak verrauchen. In Modeartikeln über steigt die Ausfuhr um eine halbe Mil liarde die Einfuhr. Der wunde Punkt ist die Getreideeinfuhr: 4 Milliarden 166 Millionen Lire. Um der wirtschaftlichen Krisis wirksam entgegen zutreten und das Problem zu lösen, müssen Negierung, Industrielle, Arbeiter, Landleute, Bankiers. Kaufleute — kurz das italienische Volk vereint Zusammenhalten. Die ser Tage hatte sich auch das Gerücht verbreitet, Finanz minister Graf Volpi habe seinen Abschied eingereicht, ein Gerücht, das prompt seitens der Negierung verneint wurde. Schmerzlich müssen die Herren Italiener die Be handlung empfinden, die ihnen von ihren Bundes genossen während des Weltkrieges zuteil wurde, jetzt wo die fremdländischen Archive die Geheimdokumente zutage gefördert haben. Bitter beklagt sich darüber das amtliche Faschistenblatt „il Popolo di Roma", daß der Präsident der französischen Republik am 5. März 1917 zu dem Friedensvermittler Oesterreichs, dem Prinzen Sixtus von Parma sagte: „Frankreich hat Italien ver sprochen, ihm zu helfen, nicht aber es abzufinden mit per sönlichen Privilegien auf Eroberungen, die es nicht zu machen verstand. Wir haben ihm Triest nicht garan tiert". In der Unterredung vom 18. April erklärte Lloyd George dem Emissär des Kaisers Karl: „Nach meinem Dafürhalten könnte man Italien nur das tren- tinische Dreieck bis Bozen geben". — „Wenn Italien fähig ist. es sich mit den Waffen zu erobern!" warf sei nerseits Prinz Sixtus ein. „Ich verstehe — sagte darauf Lloyd George — wir hegen für Oesterreich ü«mer ein altes Freundschaftsgefühl". Die äthyopische Frage hat den Italienern wie der einmal die Störrigkeit der lateinischen Schwester vor Augen geführt. Die ganze einheimische Presse beklagt sich über das mit Blindheit geschlagene Frankreich, das nicht verstehen will, daß es einzig und allein nur in der Solidarität mit Italien sein Heil finden kann. Die europäische Politik Englands, laufe ja nur darauf hinaus, Frankreich und Deutschland durch das S o r g e n g e s p e n st der Unsicherheit an der Stange zu halten. Bitter beschwert sich die der Hinter den Kulissen der Börse wird augenblicklich sehr eifrig darüber debattiert, was a» den in der Presse bereits durch- gesickerten Gesprächen richtig ist. wonach Deutschland für die Stabilisierung des französischen Franken eine gewisse Beihilfe leistet. Es ist bereits bekannt geworden, das; derartige Bewe gungen im Gang sind und zwar gegen Zugeständnisse der fran zösischen Regierung bezüglich einer früheren Räumung der noch besetzt gehaltenen Gebiete. Von authentischer Seite hören wir folgendes: Richtig ist, daß an den in ternationalen Bemühungen zur Sanierung der Frankenwährung auch Deutschland in einer bestimmten Form sich beteiligt. Die Reichsbank. wie auch üiegesamte Industrie hat das größte Interesse daran, daß die Frankenstabilisierung möglichst bald erfolgt, weil gegenüber der wachsenden Konkurrenz infolge der unterbrochenen Währung auch steigend sich Schwierigkeiten für die deutsche Industrie und den deutsche» Export ergeben. Die Situation, welche für die deutsche Industrie bei dem Anhalten dieser Wühruugskrisis in den Ländern um Deutschland herum, also vor allem in Italien, Belgien und Frankreich, entstehen könnte, ist außerordentlich schwierig, zumal wenn man bedenkt, daß für eine wesentliche Hcrabmindcrung der Arbeits- losenziffer dann kaum mehr Aussichten bestehen. Auch das von der Rcichsregierung ausgearbeilete planmäßige Arbeits beschaff u ng sp r og ra in m würde im Höchstfälle 4—500 000 Arbeitslose beschäftigen können und es bleiben dann immer noch IX- Millionen Arbeitslose übrig. Diese aber durchzuhalten bei einer fortgesetzten Verringerung der denlschen Produktion und Das englisch-französische Schuldenabkommen wird von den englischen Morgenblättern ausführlich besprochen. Die Tiines meint, das Abkommen sei dazu bestimmt, das französische Volk zu ermutigen, endlich mit der finanziellen Reform zu be ginnen. Es sei ein Freundschaftsakt, der durch den Glauben an die dauernde Gemeinsamkeit der Interessen beider Länder diktiert worden sei. Die „Westminster Gazette" schreibt, das Zugeständnisse der Sicherheitsklausel sei mehr ein Freund schaftsdienst. Vielleicht gelinge cs Caillaux auf diese Zugeständ nis gestützt, auch für das amerikanische Abkommen eine Sicherheitsklausel zu erreichen. „Daily Mail" stellt fest, die englischen Staatsmänner hätten so großes Entgegen kommen gezeigt, weil Frankreich im Weltkriege so schwer gelitten habe. „Daily Expreß" bezeichnet das Abkommen als ein großes Opfer des' britischen Steuerzahlers. Der Texl des Abkommens Das Finanzininisterium veröffentlichte gestern abend einen offiziellen Bericht über das am Montag in London Unterzeichnete französisch-englische Schnlden- abkomine n. Der Text des Abkommens hat danach folgenden Wortlaut: 1. Frankreich ist damit einvcrstanden, folgende .Ja h r« s l c i st n » g e » zur vollstäiidi- gen und e» »gültigen Regelung der franzvsikäien Kriegsschnloen a» Großbritannä» zu zahlen: Ans eine Ge sa m t k r l e g s s ch n l d von <»53 127 NUN Pfund Sterling im Finanzjahre 1929 27, 4 Millionen: 1927, 28: <i Mil gionen, 1928/29: 8 Millionen, 1929 39, l9 Millionen: 1939 31 bis einschließlich 1959 57 12,5 Millionen, 1957 Regierung nahestehende „Tribuna" über den Unverstand der Franzmänner: Da befinden sich in Tunis mehr als hunderttausend Italiener, die alle drei Monate mit Ent nationalisierung bedroht werden. Italien möchte end lich einmal reine Bahn schaffen, aber Tunis antworte: Nein! Weiter! Tanger, in vorherrschender Stellung am Hauptportal des Mittelmeers, verfügt über ein inter nationales Regime, woran sich Italien aus Grund seines elementaren Rechts der Freiheit und Sicherheit beteiligen muß. Aber sophistischerweise macht Frankreich auf die Abmachungen von 1902 aufmerksam, um Italien ans- zu schließen. Und erst im lybischen Hinterland, bis nach Kufra und zum Tschad-See hin — da suchten die Franzosen, nicht zufrieden mit ihrem ungeheuren atlan- Erschwerung -der deutschen Ausfuhr ist kaum denkbar. Au» diesen Erwägungen heraus ist allerdings eine gewisse Fühlung-, nähme ergangen, die in ihrem Endergebnis lalsächlich auch auf eine Beihilfe der Stabiliserung der Frnnkenwährung hinauslief. Daß dafür Zugeständnisse von der Gegenseite erwartet werden^ müssen, ist ja ganz selbstverständlich. Sie bewegen sich aber nicht: nur auf politischem Gebiet also hinsichtlich weiterer Erleichterun gen im besetzten Gebiet, die ja ohnehin in Auswirkung von Locarno und des bevorstehenden Eintritts Deutschlands in den. Völkerbund sich ergeben müssen, sondern sie liegen auch auf wirtschaftlichem (gebiet und zwar im Hinblick auf die »och un»! vollendeten deutsch-französischen Wirtschastoverhandlungen. Die Gestaltung dieser Verhandlungen wird auch wesentlich von dev cndgülligen Gestaltung der Stabilisierung der französischen! Währung abhänge» Ehe nicht ein solcher deuisch-sranzösischex .Handelsvertrag zustande gekommen ist, wird auch kaum größere Aussicht auf eine Beruhigung der gesamten Verhältnisse sich ergeben. In diesem Zusammenhang sei übrigens das Bestreben inter nationaler Finanzkreise erwähnt dahingehend, gleich dem Locarno -er Politik, demnächst auch ein Locarno der Wirtschaft zu schaffen. Diese Bemühungen sind zwar nicht gerade neueren Datum, aber die finanzielle Situation gerade in den sogenannten „Sieger"-Staaten nötigt dazu, auch aus wirischastlichcm und finanziellem Gebiet zu internationalen Abmachungen zu kommen, die ei» ersprießliches Zusammenarbeiten der Völker ermöglichen. bis einschließlich 1987 88 14 Millionen, alles in Ainvels snngen des französischen Schatzamtes. 2. Frankreich wird dem britischen Schatzamt vor oder spätestens bis zum 15. September 1920 einen Schuld schein für jede der unter Artikel 1 des Abkommens vorg gesehenen Zahlungen aushündigen, 3. Die auf Grund sämtlicher gemäß den vorliegenden Abkommen ansgcgebcncn Bons gemachten Zahlungeil wer den ohne Abzug geleistet und werden keinen Steuern odep anderen öffentliche» Belastungen in Frankreich unterliegen. 4. Frankreich kan» je nach seiner Lage nach einer vorherigen Mitteilung an die englische Regierung, die z»m mindestens 99 Tage vorher erfolgen muß, die Zahlun gen eines Teiles der Schulden vertagen, wenn dir in Frage kommende Summe die Hälfte sämtlicher dreimonat lichen Zahlungen nicht übersteigt, txs wird festgestellt, daß sämtliche verspäteten Zahlungen Znsiüzinsc» von 5 Pro zent tragen. 5. Jede Perinehrung der französischen Zahlung wird verzinst werden. 9. Die Kricgsschnldcnkontcn Frankreichs gegen Groß britannien werden endgültig abgeschlossen. Das britische Schatzamt hat das Recht, jede» Betrag zinückznhalte», oer Frankreich ans diesen Konten gntgcschricben wird. 7. Der Betrag von 53,5 Millionen Pfund Sterling verbleibt als unverzinsliche Schuld. Die Rnckcrstattnng dieser Schuld wird durch spätere» Abkommen geregelt wer den. Die britische Regierung wird als Garantie dieser Schuld das in London während des Krieges dnrch sie sranzösjsche Regierung hinterlegte Gold (Abkommen von Cnlaisj unverzinslich weiter behalte». 8. Sofort nach Inkrafttreten des gegeuwärngen Ab kommens und Aushändigung der französischen Schuld scheine an Großbritannien sowie Erfüllung der andereil Bedingungen wird das britische Schatzamt die augenblick lich von Großbritannien in Besitz gehaltene» Bons der sranzöslschc» Schatzanwcisungc» annullieren und Frankreich wieder znstellen. tischen, saharischen und Mittelmeer-Reiche, systematisch Fuß zu fassen, um den Italienern znvorzu- kom i» e n. Heute handle es sich um das italienisch-englische Einverständnis wegen Aethyapien, Da sei keine fran zösische Kolonie im Spiel, da würde Frankreich kein Opfer akverlangt. Und doch hätten die Franzosen sofort Mittel gefunden, nicht nur die Italiener zu schikanieren, sondern die Abessinier mit Mißtrauen gegen sie zu er füllen und das ganze wilsonsche Wespennest des Bölker- bnndes gegen sie mobil zu machen. „Es hat den An schein — ruft die „Tribuna" entrüstet ans — daß die Wege Frankreichs und Italiens nicht mehr zusammen gehen!" Das grobe Opfer -er britischen Steuerzahler London, 14, Juli. (Drahtbericht.)