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-N»_ WtqMU M AWa ANtzeiimz 155. zu Nr.I26 des Hauptblattes. 1924, — / ' ' Beauftragt mit der Herausgabe: RegterungSrat Brauße tu Dresden.' ordentlich erboßt über das Ehepaar Neumann gewejen brechcr genannt worden ist, oder daß man gesagt hat, ist. Ich weiß aus meinen eigenen Erfahrungen man sollte den Kerl hängen, so ist das durchaus nichts aus der Oberlausitz her, daß sich viele derartige Fälle Absonderliches. Es ist im Reichstag bei manchen Ge- geführt wird. Soweit da? Urteil im Zeignerprozeß auch die aus LandtagsverhandlMge». (Fortsetzung der W. Sitzung von Freitag, den I». Mai.) fühlen, deswegen müssen wir auch verlangen, daß schließlich auf dem Wege der Behandlung der An zu fordern, al- uns am heutigen Tage ein Urteil vßn der Presse übermittelt worden ist, das meiner Meinung nach ungeheuerlich ist. ES betrisst den Fall in Großen hain. Ich habe bisher immer gefunden, daß die Dresdner Volkszeitung, auS der ich das Urteil eben ersehen habe, über alle diese Fälle durchaus sachlich geurteilt hat. Mir ist selber der Bericht zu Ohren gekommen, ich kenne selber einige dieser Leute, die zu schweren Strafen verurteilt worden sind und ich muß sagen: daß ist eben ein Klaffenurteil ganz ungeheuerlicher Art, gegen da- zu protestieren von dieser Stelle auS alle Veranlassung vorliegt. In solchen Fällen sollte man doch die Situation ein wenig mehr prüfen. Wenn der Reichswehrsoldat aussagt, daß jemand Lump oder Ber- Oberlausitz her, daß sich viele derartige Fälle zugetragen haben. Man muß dabei berücksichtigen, wie die Bevölkerung im vergangenen Jahre Not gelitten hat, wie die Inflation ihre Kreise zog und wie da selbst verständlich eine Erregung im Volke vorhanden war, die man eben nur aus einer solchen Situation heraus die Strafe des Ehrenrechtsverlust dabei sein soll. Ter Staatsanwalt stellt es in das Ermessen des Gerichts, mildernde Umstände zu bewilligen, das Gericht pfeift darauf und verhängt eine Zuchthausstrafe. Man muß doch einmal diese Urteile vergleichen etwa mit den Ur teilen, wie sie gegen die Münchner Hitler-Banden ge fällt worden sind, und die Frage prüfen, ob wir in Teutschland eine Klassenjustiz haben oder nicht. Ich bin der Meinung, die Frage ist längst beantwortet, und es ist keine Phrase, es ist kem Schlagwort, wenn man heute davon redet, daß wir eine Klassenjustiz haben, und daß wir sie auch in Sachsen haben. Ich bin der Meinung, die Binde ist der sächsischen Justiz sehr von den Augen gerutscht. Es hat etwas aus gemacht, daß im vergangenen Jahre von bürgerlicher Seite immer darauf hingewiesen worden ist: es werdet! viel zu milde Urteile gegen tue Arbeiter gefällt. Tie Richter urteilen danach, wer vor den Schranken steht. (Sehr richtig! b. d. Mehrheit der Soz.) Deshalb wäre cs angebracht gewesen, daß für solche Situationen die politischen Tezernate bei den Staatsanwaltschaften geblieben wären, die man bedauerlicherweise abgebaut hat (Sehr richtig! b. d. Mehrheit der So;.) Kürzlich sind drei Nationalsozialisten in Leipzig von der Straf kammer zwar verurteilt worden, aber es war von vornherein eine Bewährungssr-st g-geben. Tabei war der Sachverhalt der, daß sie versucht haben, den Münchener Hochverrat sofort auf Sachsen zu über tragen. Ein ähnlicher Fall ist in der Presse von Frei berg gemeldet worden. Auch da war eine Bewährungsfrist von vornhereingegeben. Ich möchte wissen, ob diese Art von Bewährungsfrist auch bei den Arbeiterprozessen in Frage kommt. (Staatsminister Bünger: Ich habe ja fünf Beispiele genannt.) Sie haben einige Beispiele dafür gebracht, daß gewisse Bewährungsfristen gewährt worden sind. Hier handelt es sich aber darum, daß nicht ein einziger Fall bekannt ist, daß Rechtsstehende überhaupt ins Gefängnis kommen. Ta ist die Be währungsfrist von vornherein üblich. Es muß ver langt werden, daß dieselbe Praxis auch für die Ar beiter gilt. Erkennt man es an, daß es richtig ist, Be währungsfrist und Gnade zu verleihen, dann steht denr grundsätzlichen Teile der Anträge nichts entgegen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit, da ich die Behaup tung aufgestellt habe, daß Klassenjustiz besteht, bemerken, daß uns die Antwort des Herrn Justizministers in einer der vergangenen Sitzungen hinsichtlich des Falles Zeigner unbefriedigend vorkommt. Seine Ausfüh rungen waren wenig überzeugend. Ich bin bei den: Prozesse in dem Punkte, um den es sich bandelt, den mein Kollege Arzt angeführt Hai, anwesend gewesen, und ich muß sagen, daß der Staatsanwalt Fiedler nur ganz unzulänglich entkräften konnte, was unter seinem Eide der Rechtsanwalt Graf ihm unterstellte. Er bestritt zwar den konkreten Wortlaut der Äußerungen des Rechtsanwaltes Gras, aber er konnte nicht leugnen, daß er sich ähnlich ausgedrückt habe. So ist cs auch, wenn man sich die Vorgeschichte ansieht, hinsichtlich der Aussagen des Rechtsanwaltes Vr. Meltzer. Tas Justiz ministerium hätte, uni dem Vorwurfe der Klassen justiz zu begegnen, alle Veranlassung, dafür zu sorgen, daß derartige Prozesse, wenn es sich nur mißliebige Personen handelt, korrekt und einwandfrei geführt werden, ohne Ansehen der Person, und daß gegen die Schuldigen, wenn von: korrekten Verfahren abgewichen wird, unnachsichtlich eingeschrittcn wird. In dem Falle deS Rechtsanwalts vr. Meltzer, der offenbar versucht hat, in der unerhörtesten Weise Zeugen zu beeinflussen, sollte daZ Justizministerium Veranlassung nehmen, da für zu sorgen, daß derartige? nicht wieder vorkommen kann, und daß der Schuldige seiner Bestrafung zu TaS Ergebnis, daß da? ganze Leben vr. Zeigner- vergiftete, hätte unter glücklicheren Umständen einmal als Jugendsünde eines großen Mannes nach denr Tiner erzählt werden können. Er hat sich in seiner öffentlichen Stellung als Diener der Gemeinschaft beträchtliche Verdienste erworben. Das moralische Niveau, auf dem er lebte, ist unzweifelhaft so ge artet, daß dort Ludendorff und Hitler nicht atmen könnten. TaS Urteil, das für ihn auf 3 Jahre ge meines Gefängnis lautet, steht in einem großen Widerspruch mit der Freisprechung Ludendorffs und Hitlers. Die ganze Atmosphäre diese- Prozesse- mit ihrem Ludergeruch politischer Rachsucht kündet die schlimme Krankheit der deutschen Justiz. Abg. Evcl (Miuderh. d. Soz.): Der Herr Justizminister hat sich seine Rechtfertigung, meiner Ansicht nach, etwas sehr leicht gemacht. Er hat ans der Urteilsbegründung jeweils vorgelesen, daß die Verurteilungen ganz mit Recht erfolgt sind. Aus meiner eigenen bescheidenen Praxis in einigen Prozessen muß ich aber sagen, daß man so überhaupt kein Urteil fällen kann, denn die Urteilsbegründung als solche ist für die Beurteilung, ob eine zu hohe Strafe angesetzt worden ist, durchaus nicht maßgebend. ES komint darauf an, ob dje Begleitumstände des Prozesses bei der Urteils findung genügend gewürdigt worden sind. Es kommt darauf an, ob etwa vorhandene wichtige Zeugen ver nommen worden sind oder ob sie ausgeschaltet wurden. Es kommt schließlich darauf an, welches Gewicht das Gericht den einzelnen Zeugen beimaß, ob es etwa, wie wir das aus sehr vielen Fällen der letzten Zeit beobachten konnten, zivile Zeugen einfach auLschaltete und lediglich die militärischen Zeugen gelten ließ oder wie die Ver hältnisse sonst gelegen baden. Jedenfalls müssen wir vonr Standpunkte der Sozialdemokratischen Partei aus sagen, daß das Urteil des Herrn Justizministers über die hier vorgeführte Politik zu einseitig ist und wenig im Zusammenhänge mit dem steht, schlecht zu dem paßt, was er über die Berücksichtigung der Verhältnisse hin sichtlich der Gnadenpraxis bei den Wucherfällen gesagt hat. (Sehr richtig! bei den Soz.) Es wäre meiner An sicht nach selbstverständliche Pflicht des sächsischen Justiz ministeriums, die ganz besonderen Zeitumstände auch bei den Urteiien mit zu b erücksichtigen, um die es sich hier handelt. Wenn z. B. der Herr Justizminister den Fall von Oderwitz angezoaen hat, so muß ich doch schon sagen, muß es eine Ursache gehabt haben, daß die ganze Bevölkerung des Orte- so außer- legenheiten, auch von bürgerlicher Seite, darauf hingewiesen worden, daß es bei der Beurteilung solcher Beschimpfungen auch etwas darauf ankommt, in welchem Milieu, in welcher sozialen Stellung der Betreffende lebt, und wenn das die Richter nicht begreifen, so tun sie mir leid. (Zuruf rechts: Ist alles berücksichtigt worden bei den Urteilen!) Teswegen haben sie wohl auch Zuchthaus bekommen? Wir haben alle Ver anlassung, dagegen ganz energisch zu protestieren. Das besonders Ungeheuerliche dabei ist, daß auch noch richtig verstehen kann. Aber diese Situation, diese Er regung der Bevölkerung wird bei den Urteilen in keiner Weise berücksichtigt. Sie ist auch nicht berücksichtigt bei dem, was der Herr Justizminister hinsichtlich des Falles in Zittau gesagt hat. Aus seinen Worten wenigstens kann man entnehmen, als sei er der Meinung, daß die Strafen noch verhältnismäßig milde seien. In der Oberlansitz ist man allgemein der Auffassung, daß es geradezu ein Skandal ist, in welcher Weise die Not delikte jetzt geahndet werden. Dazu kommt noch im besonderen Maße in Betracht, daß man die Praxis insofern geändert hat, als man die bis dahin bestehende Einrichtung der politischen Staats anwälte abgebaut hat, so daß die werktätige Be völkerung ganz besonders schwer betroffen wird. Mir ist auch ein anderer Fall persönlich uahegegangcn. Er bezieht sich auf den Bezirksvorsitzenden der BSPD. in Tröbigau. Dieser bekam mehrere Monate Gefängnis deswegen, weil er Beschlagnahmen geleitet haben soll, aber inan weiß, wie die Dinge im vergangenen Jahre gegangen sind. Die Erregung war eben so groß, daß unter Umständen auch der eine und der andere sich zu Ausschreitungen Hinreißen ließ. Aber wenn man es auf der einen Seite beim Wucher gelten läßt, daß an- normale Zeiten waren, so muß man doch von der Justiz verlangen, daß auch in diesen Fällen, wo Arbeiter in Be tracht kommen, dieselbe Praxis gehandhabt wird. (Justiz minister Bünger: Gnadeninstanz!) Ich habe Ihre Worte über die Wucherfrage so aufgefaßt, als ob auch das Gericht als solches schon mit zu berücksichtigen hätte, unter welchen Umständen die Straftaten begangen worden sind. Ter Herr Iustizminister hat meiner Ansicht nach absolut Unrecht, wenn er sich auf den „Vor- wärts" bezieht. Der „Vorwärts" hat darauf hin- gewieseu, daß die Kommunistische Partei wenig be rufen wäre, für die zu begnadigenden Opfer einzu treten, weil der „Vorwärts" meinte, daß diese Opfer auf das Konto der Kommunistischen Partei zu setzen seien, aber das hat damit nichts zu tun, daß die Opfer selbst naturgemäß nicht der Klassenjustiz überliefert werden sollen. Das eine solche Klassenjustiz nicht be stände, kann man nach dem, was die Erfahrungen in den letzten Wochen bewiesen haben, nicht behaupten. Wir sind mit vielem, waS in der kommunistischen Presse in letzter Zeit geschrieben worden ist, durchaus nicht einverstanden. Wenn z. B. die K. P.T. den Massen ge sagt hat, daß die kommenden Kämpfe auf den Barri kaden ausgetragen werden, daß es in den Krieg gehe, m die letzte Schlacht usw., so meinen wir, sind das unter den gegebenen Umstünden Phrasen, die aber sehr leicht gegen die Arbeiter in ihrer Gesamtheit ausgenützt werden können. Aber das hindert uns durchaus nicht, zu sagen, daß die Opfer der Verhältnisse dennoch der Gnade empfohlen werden sollten. ES ist auf den Fall Hartwig hingewiesen worden' wo ein Arbeiter zu einen: Jahre Zuchthaus verurteilt wurde, weil er das Sprenggeschoß geworfen hat. Ich will auf den Fall selbst nicht eingehen, aber dieser Fall müßte doch meiner Meinung nach dem Justizministerium Veranlassung geben, über die sozialen Ursachen der Delikte etwas nachzudenken; denn als dieser Mann, nach Zeitungsberichten wenigstens, befragt wurde über die Motive seiner Handlungen, sagte er, er mußte seinen: Herzen überhaupt einmal Luft machen. Seine Erregung war so groß; er hielt den Fabrikanten für einen Ausbeuter und für einen gemeinen Menschen. Was hier in diesen Zeitungsberichten steht und was der Herr Justizminister bestätigt, ist das nicht zum mmdesten so ähnlich wie etwa die Situation, die Gerhart Hauptmann schon vor vielen Jahrzehnten in seinen: berühmt gewordenen Drama „Tie Weber" schildert? Dieser Truck der Rot ist es, den wir berücksichtigt wissen wollen. Und weil wir das wünschen und weil wir uns in dieser Beziehung als Vertreter des arbeitenden Volkes Jusiizmiuister Bünger (Fortsetzung): Doch ich will damit aufhören. Ich habe die ein zelnen Urteile, die Herr Abgeordneter Bertz vorgebracht bat, bis auf eins, das ich nicht da habe, gewürdigt. (Abg. Licberasch: Die Justiz steht vollständig weiß da!) Ich glaube ja. Meine Herren Kommunisten! Sie täten besser, statt solcher ungerechten Beurteilung der Urteile selbst mit dafür zu sorgen, daß das Volk sich beruhigt und daß es nicht den Klassenrichtern, wie Sie sie nennen, als Opfer ausgeliefert wird. Diejenigen, die hier ins Gefängnis gehen müssen, sind sie nicht Opfer der Richter, die »angeblich Klasscnurteile fällen, sondern sie sind Opfer ihrer Verirrung und Irreführung. (Sehr gut! rechts.) Wenn eS Ihnen ernstlich darum zu tun wäre, diese Leute vor dem Gefängnis zu bewahren und vor den schweren Schäden zu schützen, die, wie ich ganz gewiß nicht verkenne, mit der Strafvollstreckung ver bunden sind, so würden Sie selbst mit besserem Bei spiel vorangehen, was Ruhe und Ordnung anlangt. Aber das Zeugnis können Sic sich selbst wohl nicht ausstelleu, daß Sie in diesem Punkte einwandfrei da- stehen. Erst gestern habe ich in der „Ostthüringischen Arbeiterzeitung" vom 25. 4. 23 — der verantwortliche Redakteur ist Herr Lieberasch — einen Artikel gelesen, darin steht in: Hinblick auf das Verbot in Thüringen, am 1. Mai zu demonstrieren/-zu lesen: Die revolutionären Arbeiter werden sich einen Dxeck nm^ dieses Verbot kümmern. Sie werden an: "isE Mai demonstrieren und den Kapitalisten eine rcböluionäre Antwort geben Ja, wenn Herr Licberasch als Mitglied des Landtages — und es ist jetzt ein Verfahren deswegen gegen ihn anhängig — selbst in so gröblicher Weise gegen den Paragraphen verstößt, welcher cs verbietet, daß man öffentlich zum Ungehorsam gegen Verordnungen der Regierung auffordert, dann sind Sie nicht auf dem richtigen Wege, wenn Sie dann Ihrerseits die wegen gleicher Verstöße ergangenen gerichtlichen Erkenntnisse als Klasscnurteile bekämpfen und die armen Leute bedauern, wenn sie deswegen ins Gefängnis müssen. Sie machen es Ihnen ja erst vor. Cie geben ihnen ein schlechtes Beispiel. Nur ein solches schlechtes Bei spiel ist es, wie erwähnt, auch, wenn es in: „Kämpfer" vom 15. Mai heißt und zwar in großer Schrift gedruckt: „Schlagt die Faschisten tot, wenn ihr sie trefft!" Das ist öffentliche Aufforderung zum Mord, und Herr Siewert ist verantwortlicher Redakteur jener Zeitung. Meine Herren Kommunisten! Ich habe Ihnen ge sagt, ich werde, was an mir liegt, streng darauf halten, daß objektiv und gerecht geurteilt wird. Aber geben Sie sich nicht der Hoffnung hin, daß, tvo sich Aufleh nung gegen die Staatsgewalt zeigt, dem etwa mit Milde begegnet werben wird. Für solche Fälle ist Milde nicht angebracht. Wir müssen unbedingt zur Ruhe kommen. Sie werden in dieser Beziehung bei mir kann: auf eine leichte Auffassung der Sachlage stoßen. Diese meine Ansicht gebe ich Ihnen heute offen bekannt, und an dieser Auffassung werde ich festhaltcn. Hierauf wird in die Aussprache der Auflagen und Anträge eingetreten. trägeimRechtsausschußetwesBrauckbaresimallgemeinen 'm allgemeinen in Betracht kommt, verweise ich auf herauskommt. Deshalb unterstützen wir die Tendenz j das führende liberale englische Blatt, der „Manchester dieser Anträge, die aus der Rot geborenen Delikte und Guardian", der über den Ausgang dieses Prozesses Anlaß der Reichserekutive geborenen Delikte geschrieben hat: zu begnadigen; wir haben umsomehr Veranlassung, das