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Offenbar hat Berlioz’ ,,Sinfonie fantastique“ (die Liszt so imponierte) zumindest wort mäßig Pate gestanden bei den vorangehenden „Fantastischen Erscheinungen über ein Thema von Berlioz“ des Walter Braunfels. Braunfels (1882—1954) ist Schüler von Lud wig Thuille in München, war Direktor der Kölner Hochschule für Musik. Er hat sich an Berlioz’ gigantischem Musikantentum, ebenso an den Neudeutschen um Liszt und Wagner begeistert. In seinem Werk läßt er mit sinfonischer Verve alles Kleingliedrige der Varia tionsform vergessen. Sein Klangsinn paart sich bestens mit den Traditionen der Münchner, eben der Thuilleschen Schule und läßt dennoch Beziehungen zu jüngeren Stilrichtungen erkennen. Die „Fünf Gedichte für eine Frauenstimme“ von Richard Wagner sind die einzigen Lie der (abgesehen von unwesentlichen Jugendwerken), die Wagner im Schweizer Exil (1849 bis 1859), in der Entstehungszeit von ,,Tristan und Isolde“, jemals komponiert hat. Sie ent standen in den ,,bangen, schönen, beklommenen Jahren, die er in dem wachsenden Zauber ihrer Nähe, ihrer Neigung verlebte, die seine erste und einzige Liebe war an dem Flöhe- punkte seines Lebens“ : Mathilde Wesendonck. Sicherlich ist keines seiner Werke so seinem Inneren entquollen. Die fünf kurzen Lieder sind Seelendokumente. Mit keuscher Hand lüftet hier die Dichterin (Mathilde Wesendonck) das Geheimnis des zarten Liebesbundes. Die Reihenfolge der Gesänge gibt ein getreues Bild von dem Verhältnis der beiden Lieben den: Am 30. November 1857 entstand als erstes Lied: Der Engel, vier Tage später folgten: Träume, der 17. Dezember ließ das auch textlich ganz Wagnerisch-pessimistische: Schmer zen entstehen, am 22. Februar 1858 entstand: Stehe stille! und am 1. Mai schließlich das resignierte: Im Treibhaus. Die Musik der ,,Träume“ ging später in den Liebeszwiegesang des zweiten Aktes, die des ,,Im Treibhaus“ in das Vorspiel zum dritten Akt des ,,Tristan“ über. Im Sommer 1862 überließ Wagner seinem Verleger Schott an Stelle des kontraktlich fälligen, aber noch unbeendeten ersten Aktes der ,,Meistersinger“ diese fünf Lieder zur Ver öffentlichung. Ursprünglich gab er ihnen den Titel: „Fünf Dilettantengedichte“, der aber bei der Drucklegung unterdrückt wurde. Prof. Dr. Hans Mlynarczyk. Literatur: Richard Petzoldt, Giuseppe Verdi, Leipzig 1951 Hans Schnoor, Geschichte der Musik, Gütersloh 1953 Ad. Boschot, Das romantische Leben Hector Berlioz’, Zürich 1932 Julius Kapp, Richard Wagner, Berlin 1910 Der Engel In der Kindheit frühen Tagen hört ich oft von Engeln sagen, die des Himmels hehre Wonne tauschen mit der Erdensonne, das, wo bang ein Herz in Sorgen schmachtet vor der Welt verborgen, daß, wo still es will verbluten, und vergehen in Tränenfluten, daß, wo brünstig sein Gebet einzig um Erlösung fleht, da der Engel niederschwebt, und es sanft gen Himmel hebt. Ja, es stieg auch mit ein Engel nieder, und auf leuchtenden Gefieder führt er ferne jeden Schmerz, meinen Geist nun himmelwärts! Stehe stille Sausendes, brausendes Rad der Zeit, Messer du der Ewigkeit: leuchtende Sphären im weiten All, die ihr umringt den Weltenball: urewige Schöpfung, halte doch ein, genug des Werdens, laß mich sein! Halte an dich, zeugende Kraft, Urgedanke, der ewig schafft! Hemme den Atem, stille den Drang, schweige nur eine Sekunde lang! Schwellende Pulse, fesselt den Schlag; ende, des Wollens ewiger Tag! Das in selig süßem Vergessen ich mög alle Wonnen ermessen! Wenn Aug’ in Auge wonnig trinken, Seele ganz in Seele versinken; Wesen in Wesen sich wiederfindet, und alles Hoffen’s Ende sich kündet; die Lippe ver stummt in staunendem Schweigen, keinen Wunsch mehr will das Inn’re zeugen: erkennt der Mensch des ewigen Spur, und lös’t dein Rätsel heilge Natur! Treibhaus Hochgewölbte Blätterkronen, Baldachine von Smaragd, Kinder ihr aus fernen Zonen saget mir warum ihr klagt? Schweigend neiget ihr die Zweige, malet Zeichen in die Luft, und der Leiden stummen Zeuge, steiget aufwärts süßer Duft. Weit in sehnendem Verlangen breitet ihr die Arme aus, und umschlinget wahnbefangen öde Leere nicht’gen Graus. Wohl, ich weiß es, arme Pflanze; ein Geschicke teilen wir, ob umstrahlt von Licht und Glanze, unsre Heimat ist nicht hier! Und wie froh die Sonne scheidet von des Tages leerem Schein, hüllet der, der wahrhaft leidet, sich in schweigendes Dunkel ein. Ein säuselnd Weben füllet bang den dunklen Raum: Schwere Tropfen seh ich schweben an der Blätter grünem Saum. Schmerzen Sonne, weinest jeden Abend dir die schönen Augen rot, wenn im Meeresspiegel badend dich erreicht der frühe Tod ; doch ersteht in alter Pracht, Glorie der düstren Welt, du am Morgen neu erwacht, wie ein stolzer Siegesheld! Ach, wie sollte ich da klagen, wie, mein Herz, so schwer doch sehn, muß die Sonne selbst verzagen, muß die Sonne untergehen? Und gebieret Tod und Leben, geben Schmerzen Wonnen mir: O wie dank ich, daß ge geben solche Schmerzen mir Natur. Träume Sag, welch wunderbare Träume halten meinen Sinn umfangen, daß sie nicht wie leere Schäume sind in ödes Nichts vergangen? Träume, die in jeder Stunde jedem Tage schöner blühn und mit ihrer Himmelskunde selig durchs Gemüte ziehn? Träume die wie hehre Strahlen in die Seele sich versenken, dort ein ewig Bild zu malen: All vergessen, Einge danken! Träume, wie wenn Frühlingssonne aus dem Schnee die Blüten küßt, daß zu nie geahnter Wonne sie der neue Tag begrüßt, daß sie wachsen, daß sie blühen, träumend spenden ihren Duft, sanft an deiner Brust verglühen, und dann sinken in die Gruft. Vorankündigung: Nächste Außerordentliche Konzerte: Sonnabend, 6. Februar 1960, 19.30 Uhr Sonntag, 7. Februar 1960, 19.30 Uhr Gastdirigent: Dr. Vaclav Smetäcek, Prag Nächste Konzerte im Anrecht A Sonnabend, 13. Februar 1960, 19.30 Uhr Sonntag, 14. Februar 1960, 19.30 Uhr Solistin: Annerose Schmidt, Leipzig (Klavier) Nächste Außerordentliche Konzerte: Dienstag, 16. Februar 1960, 19.30 Uhr Mittwoch, 17. Februar 1960, 19.30 Uhr Solist: Sergej Dorenski, Moskau (Klavier) \ 6021 Ra III-9-5 1,4 160 ItG 009/60 4. ZYKLUS-KONZERT „Musik von großen Meistern — um große Meister"