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Mittwoch, 27. August 10Z« Ein Gesetzentwurf zur ReWreform „Mter »erfttimek Seiminfchast" «ßlaat vrnLtinolckuug no»or«r vorltuar SodrUtlaltoug Berlin. 28. August. Aus Kreisen der Länberkonferenz ist jetzt den Rcichsmtnisierien der fertig ausgearbeitete Entwurf eines Gesetzes über die Reichs re form zugegangen. Der Text entspricht, wie in einer Vorbemerkung gesagt wird, um der perschiedcuen Netrachtuugswcise nicht vorzugrcisen, tn- altltch den Beschlüssen des Vcrfassnngsansschnsses der änderkon seren-, fülle aber deren Lücken, insbeson dere über die Umgltcderung. aus. Das Gesetz gliedert sich in zwei Teile, nämlich die dauernden Aenderungen der Äeichsversassung und einmalige NeberleitungS- vorschriften. Die dauernden Aenderungen sind nicht sehr zahlreich. Als eine sehr wichtige Acndernng ist ein Artikel anznsehen, der der Reichsoersassnng als Artikel lila eingefügt werde» soll und der besagt, das, die Vorschriften über die bisherige ZuständigkeitSverteilung zwilchen Reich und Ländern nicht gelten für Länder mit „verein fachter Verwalt ungssorm". Diese Länder, sür die auch der Name „Länder ver, stärkt er Gemeinschaft" zur Wahl gestellt wird, sollen GcsetzgcbungSrecht nur haben, soweit es ihnen vom Reich übertragen wird. Ihre Verfassung soll durch RetchSgesch bestimmt werden, ebenso ihre Grenzen untereinander. Doch soll die Bestimmung wegen der Grenzen erst nach zwei Jahren in Kraft treten, um eine Zeit zu freier V e r st ä n d t g u n g zu lassen. Die Justiz soll dem Reiche zustehen, ferner nach einem weiteren in die Verfassung einzusügenden Artikel Polizei, Gcmeindeaussicht, Gewerbeaussicht, Kirchen, und innere Schulangelegenhetten. Im zweite« Teil des Gesetzes wird ausgesprochen, daß die bisherigen preußischen Provinzen und die Länder Thüringen. Hessen, Hamburg, Mecklen burg-Schwerin. Oldenburg, Braun sch weig, Anhalt, Bremen, Lippe. Lübeck. Mecklen» bnrg-Ltrelitz, Schaumburg-Lippe vorbehalt lich der territorialen Neugliederung sofort solche Länder vereinfachter Verwaltung werden sollen. Tie NetchSregierung soll unter entsprechender Erweiterung zugleich die preus, ischen Ministerien und die preußische Staatsverwaltung übernehmen, während in den anderen vereinfachte» Ländern die Landesminister sich in L a » d c S d t r c k t o r e n verwandeln. Weitere Ueber- leitungSvorschristen und Vorschriften über Dezentralisierung schließen sich an, darunter eine Vorschrift, daß der Preußische Landtag während einer UebergangSzeit für besondere Ausgaben bestehen bleibt. Die laufende Gesetz gebung soll, bis der Reichstag sie übernehmen kann, von der Rcichsregierung mit dein durch Erweiterung des Preußi schen Landtags gebildeten gemeinschaftlichen Landtag besorgt werden. Ucber die neuen Grenzen zwischen Ländern ver einfachter Verwaltung heißt es, daß sie in der Weise neu zu ziehen seien, daß sie unter Vermeidung von GebietSetnschlüssen abgerundete Gebiete einschlicßen, die für die Mittel instanz der Ncichsverwaltung und sür die höchste Instanz der Landesverwaltung einen zweckmäßigen Zuständigkeitsbereich bilden. Die Beratungen zur Finanzpolitik vradtmalcknog nnsvror varllnor Lckrlttlottuug Berlin, 26. August. Das Reichskabinett hat seine finanz politischen Beratungen heute noch nicht beendet. Die Ver- Handlungen werden am Mittwoch fortgesetzt werden, und man hosst in Regterungskrctsen, daß es möglich sein wird, an die- sem Tage zum Abschluß zu gelangen. Wenn auch an den amt lichen Stellen über den Stand der Dinge keine näheren Mit- teilnngen gemacht werden, so geht man doch wohl nicht fehl in der Annahme, daß sich gewisse Schwierigkeiten ergeben haben, die mit der Senkung der Real steuern Zusammen hängen. vor allem damit, daß der Rcichssinanzminister Dietrich daran denkt, zur Senkung dieser Steuern einen Teil der aus der HauSzinssteuer gewonnenen Mittel für diesen Zweck flüssig zu machen. Offenbar spielt auch die Be fürchtung, daß dadurch die öffentlichen Mittel sür den Bau von Kleinwohnungen mit Mieten, die für die breiten Massen erschwinglich sind, eine Eindämmung erfahren könn ten. eine gewisse Nolle. Da aber die Beratungen heute noch zu keinem Abschluß führten, so lassen sich Einzelheiten der geplanten Finanzreform und über die Gestaltung einzelner Stcuerarten heute noch nicht Mitteilen. Arbeitsbeschaffung im Verkehrswesen Berlin, 26. August. Im Arbeitsbeschaffungsprogramm der Reichsbahn spielen Arbeiten für die Vermehrung des Glcisnmbanes eine beträchtliche Nolle. Wie wir hören, hat die Deutsche NeichSbahngesellschaft nunmehr diese Arbeiten in allen Direktionsbezirken in Angriff genommen und darüber dem ReichsverkchrSministerium bereits einen Bericht zu- gchcn lassen. — Im gleichen Ministerium ist Sorge dafür ge tragen worden, daß alle Geräte für die Neichswasser- st roßen, deren Beschaffung ans Grund des Hanshaltplanes 1030 möglich ist. durchweg von deutschen Arbeitern und in deutschen Werken hcrgestellt werden. Es handelt sich u. a. um IO Dampfer, 13 Motorfahrzeuge. S Bagger und 37 Prähme. Hypnose Diese NeichStagswahlen stehen im Zeichen der schweres Wirtschaftskrise, die lähmend auf unserem Volke lastet. Wo ist die Ursache, wer sind die Schuldigen? Das ist heute die Frage, die in Tausenden von Versammlungen und in Mil- lionen von Flugblättern gestellt und beantwortet wird. Und wic es in Mahlzeiten noch nie anders sein konnte, nach der Parteizugehörigkeit des Fragestellers ganz verschieden. Daß die Kommunisten, um mit ganz links zu beginnen, in marxistischer Verranntheit alle Schuld aus das kapitalistische System legen, das böse von Anfang an, nur auf die Unter drückung der arbeitenden Klasse bedacht, und unfähig, eine ge regelte Warenproduktion durchzusühren, wird von ihnen nie mand anders erwartet haben. Die Sozialdemokraten sind da schon weit vorsichtiger. Natürlich erfordert auch bei ihnen das marxistische Dogma, die Schuld des Kapitalismus gebüh rend zu unterstreichen. Aber daneben wird doch bereits schüchtern darauf hingewiesen, daß die deutsche Krise nur et» Ausschnitt aus der grpßen Weltwirtschaftskrise sei, unter der heute nahezu alle zivilisierten Länder zu leiden haben. Die Weltwirtschaftskrise stark in den Vordergrund »u rücken und demgemäß die besonderen deutschen Umstände in den Hintergrund treten zu lassen, ist das offenkundige Be streben des Reichskanzlers Dr. Brüning und seines Finanzmintsters Dr. Dietrich. Verständlich, wenn man bedenkt, daß wir in Mahlzeiten leben, in denen es für die Regierungsparteien natürlich nicht angenehm ist, eine Stel lung zu verteidigen, sür deren schlechten Zustand sie natur gemäß die Verantwortung in den Augen eines Großteiles unseres Volkes zu tragen haben. Die nationale Opposition weist denn auch energisch darauf hin daß in erster Linie doch die besonderen Umstände eines übermäßigen Steuerdrucks» verschärft durch den fortlaufenden Kapitalentzug durch die Tribute, die Verschwendung und die Aufblähung unserer Ver waltung und das unrationelle Arbeiten des parlamentarischen Systems sowie die Verschleppung der Finanzreform für die Krise und die Millioncnarbettslosigkett verantwortlich z« machen seien. Was ist nun richtig? Inwieweit trifft an unserer Krise die Schuld die enge Verflechtung Deutschlands in die Welt wirtschaft, und inwieweit haben innerdeutsche Verhältnisse an der Krise Anteil? Es kann nicht geleugnet werden, daß die Weltwirtschafts krise einen Staat, der, wie Deutschland, aus den Export an gewiesen ist, natürlich in seiner wirtschaftlichen Struktur be einflussen muß. Freilich dürfen wir dabei nicht vergessen, daß die Weltwirtschaftskrise in erster Linie eine Krise der Roh st o s s m ä r k t e ist. deren Preise teilweise völlig zu sammengebrochen sind. Seit einigen Jahren bereits rückläufig, hat sich dieser Preiscinbruch in den letzten drei Monaten ganz besonders verschärft. Einige Beispiele da für: Die Rohgummtprcise, die gegenüber 1013 auf et« Fünftel ihres damaligen Standes zurückgegangen sind, haben im letzten Vierteljahr wiederum einen Preisrückgang auf die Hälfte erlitten. Baumwolle ist seit Mat um ein Drittel gesunken, Kupfer ging um 10 Prozent zurück, ja selbst ein Edelmetall wie Silber, bas seit langer Zeit rück läufig ist, hat seit einem Vierteljahr ein Fünftel seines Wertes eingebüßt. Aehnltche Preisrückgänge haben Genuß- und Nahrungsmittel wie Kaffee, Kakao und Weizen erlebt. Und dieser Sturz des Preisniveaus ist eingetreten, obwohl sich der Verbrauch stark erhöht hat. So hat sich der Nohgummikonsnm seit 1028 in Europa und in Amerika im Gefolge der Zunahme an Kraftfahrzeugen um fast die Hälfte gesteigert. Allerdings hat die Erzeugung die starke Steigerung des Verbrauches noch übertrossen. Und aus dieser Tatsache der Ucberproduktion erklärt sich auf nahezu allen Rohstoffmärktcn der starke Preissturz. Eine Aus nahme macht nur der Baumwollmarkt. Hier ist die Nachfrage durch das starke Vordringen der Kunstseide erheblich gesunken und hat überdies zu den Schwierigkeiten der Texttlwaren- industrie stark betgetragen. Die Weltwirtschaftskrise repräsentiert sich uns also tm wesentlichen als eine Krise der rohstofferzeugenden Länder. Deutschland, das fast ganz auf die Einfuhr frem der Rohstoffe angewiesen ist, die es zu Fcrtigsabrikaten ver arbeitet und teilweise wieder ausführt, um mit dem Erlös einen allerdings nur kleinen Teil seiner LebcnSmttteletnfuhr, seiner Auölandszinsen und der Tribute zu bezahlen, kann durch eine Rvhstosfkrifis unmittelbar nicht betroffen werden. Denn billiger Einkauf von Rohstoffen muß ihm naturgemäß als ein wesentlicher Faktor zur Verbilligung seiner Fertig, fabrikateproduktion zugute kommen. Man könnte allerdings annehmen, daß eine mittelbare Beeinflussung Deutschlands insofern entstünde, als seine Fertigfabrikate von den in ihrer Kaufkraft geschwächten Rohstoffländern nicht mehr im gleichen Maßk gekauft werden wie früher. Das ist aber nicht der Fall. Wie die deutsche Handelsbilanz der letzten Monate zeigt, ist ein Rückgang der deutschen Ausfuhr nicht zu be merken gewesen. Allerdings ist nicht zu leugnen, daß die da bei erzielten Preise entsprechend der allgemeinen weltwirt schaftlichen Lage zurückgingcn, ja daß viele Exporte sogar Verluste statt Gewinn brachten. Anderseits ergibt sich aber daraus, baß die deutsche Ausfuhr, da sie trotz gesunkener von «rmmi in Reuzott eingetreffea 8um ersten Male ein Atlantikffieoer auf -em Hudson gelandet Ne « york. 26. August. Der Ozeanslieger v. Gronau hat um 26.«, Uhr MEZ. die B a t t c r y.Insel überflogen. Fünf Minuten später ging er unter riesigem Jubel der Ne«. Yorker Bevölkerung neben der F r e i h e i tS st a t u e aufs Wasser nieder. Polizciboote hatten die Auslaufstrecke vom Hasenverkehr sreigcmacht. Das Flugzeug wurde allenthalben mit großer Begeisterung und Sirenengeheul begrüßt. ES ist das erstemal, daß ein Atlantikflicger in Nenyork gelandet ist. Die 1660 Kilometer lange Strecke Halifax—Neuyork hat daS Flugzeug in einer durchschnittlichen Stundengeschwinbigkeit von 166 Kilometer zurückgclegt, so daß cS nur 6 Stunden hierfür brauchte. Die Menschenmenge, die sich zum Empsange im Battery-Park cingesundcn hatte, war bei der Ankunft des Flugzeuges überrascht, da man nicht mit einer so hohen Fluggeschwindigkeit gerechnet hatte. Der deutsche Geschäftsträger Dr. Kiep sandte dem dent, schen Flieger v. Gronau und seinen Begleiter« durch die Nenyorker Vertretung der Dornicrwcrke ein herzliches Be» grüßuugStelegramm und beglückwünschte die Lufthelden zu ihrer hervorragenden Leistung. Die deutschen Flieger sind zu der gegenwärtig in Ehikago veranstalteten internationalen Klngwoche von dem Komitee ossizlell und dringlich eingeladen worben» da sich dort zur Zeit alle führenden Männer des amerikanischen Flugwesens besinden, die ihnen einen großen kameradschaftlichen MtllkommenSempfang bereiten wollen. Etwa IW 666 Menschen umsäumtcn die User, winkten und brache« in begeisterte Willkommcnruse auS. Zahlreich« deutsche «nd amerikanische Fahnen wiegten sich im Winde. Der große Empsang im Rathaus wird erst morgen statt« finden. Die Ozeanflieger gaben, nachdem sie mit dem Polizeiboo« an Land gebracht waren, verschiedenen Reportern ein kurzes Interview, kehrten dann sehr bald an Bord ihres FlngzeugeS zurück und stiegen nach Northbeach ans, wo das Flugzeug während der Nacht »ntergedracht wird. Gronau erklärte, der Traum seines Lebens sei erfüllt, da er als erster Atlantikslieger in Neuyork gelandet sei. Feste Pläne habe er im Augenblick nicht, eS sei möglich, daß er sich nach Ehikago znr Internationalen Flngwoche begeben werde. -Vergleiche hierzu den Artikel „Welche Bedeutung hat Gronaus Amerika-Flug?" aus der 3. Seite.) Lim halbe Milli«« Arenen slir die NeMeniMung von Andres Tagebuch Stockholm» 26. August. Obwohl noch nicht bekannt ist, ob bas Tagebuch Anbrös so aut aufgehoben und erhalten werden kann, daß man die Schrift zu entziffern vermag, und obwohl man noch nicht weiß, ob die Auszeichnungen bis zum Unter, gang der Expedition fortgesetzt worden sind, ist von einem ausländischen Pressekonzern bereits eine halbe Million Kronen für die Veröffentlichung deS Tagebuches geboten worden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird daS schwedische Panzer schiff „Oskar II." die sterblichen Ueberreste der Forscher nach Schweben einholen. Es ist jedoch auch der Vorschlag gemacht worden, daß der alte Kreuzer „Svensksund" zu diesem Zwecke nach TromSö abgeht, da seinerzeit die Andrssche Expedition auf diesem Kriegsschiff nach der Insel befördert wurde, von wo die Ballonfahrt auSgtng. Andrs wird seinen Wünschen entsprechend in seinem Heimatort, dem mittel- schwedischen Städtchen Gräma, betgesetzt werden. Das Kloster Monte Casstno vesützr-et Rom, 26. August. Durch einen großen Waldbrand wurde ein großer Teil der ausgedehnten Waldungen vernichtet, die das berühmte Kaouzinerkloster Monte Casstno in der Provinz Neapel umgeben. Erst nach stundenlangen Be mühungen gelang es. das Feuer, das bereits das Kloster- gcbäude bedrohte, ctnzudämmcn. Der Schaden wir- auf über eine kalbe Million Lire geschätzt. ^ . ...