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Nr. 76 - 1V. Jahrgang Sonntag den L. April IV11 Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Ausgabe 4 mit »Die Zeit in Wort und Bild" vierteljährlich 2,1« In Dresden durch Boten 8,4« In ganz Deutschland frei Haus 8,88 in Oesterreich 4,43 X. Ausgabe « ohne illustrierte Beilage vierteljährlich 1,8« In Dresden durch Boten 8,1« In ganz Deutschland frei Haus 8,88 in Oesterreich 4,VV II — Einzel-Nr, 1« Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die ^gespaltene Petilzeile oder deren Raum mir 18 st, Reklamen mit 8« st die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt- Buchdruikcrei. Aedaktio» und Geschäftsstelle: Trrsdcn, Pillnitzcr Ttraste 43. — Fernsprecher 13«« Für Rüikgabe »»verlangt. SchrtftstiiirekcincPerbiudlichkeit Redaktions-Sprechstunde: I I bis 18 III,r. Vummhett oder Verleumdung? Man weiß nicht, ob mnii das eine, ob nion bas andere bejahen soll, wenn inan die wütenden Angriffe gewisser akatholischer kreise ans interne katholisch-kirchliche Ange legenheiten bezeichnen will. Wir selbst bedauern am mei sten, das; in den politischen Kampf, daß in den Kampf der Geister ein Ton hereingetragen wird, der ans die vielge- riihmte Kultur des 20. Jahrhunderts ein ganz besonderes Schlaglicht wirft, aber wir können angesichts der unerhörten Verdächtigungen nicht anders als die Alternative stellen: Dummheit oder Verleumdung, denn tatsächlich sind die Leute so polizeiwidrig dumm, daß ihre Erkenntnis »ich; über ihre eigene nächste Umgebung hinausreicht oder sie sind in ihrer Negation, in ihrem Hasse gegen die k'atholi'h? Kirche so fanatisch, daß selbst die böswilligsten Perle, billigen als Waffe nicht znrückgcwiesen werden, Freilich, die letztere Annahme ist schon deshalb nicht otzne weiteres von der Hand zn weisen, weil sie aus der Situation selbst berauszuwachsen scheint. Wer keine positiven Ideale mehr hat, der stürzt sich mit aller Kraft in die Negation, wer nicht mehr die Kraft hat zu lieben, der hat um so mehr Fähigkeit zu hassen, und wer den Boden unter seinen eigenen Füßen wanken sieht, der blickt mit Neid und Groll im Herzen auf den Nachbarn, der fest und unerschütterlich gleich einem Fels ans soliden; Boden steht. Wer Angen hat, zu sehen, der hat längst er kannt, daß sich der religiöse Anarchismus zersetzend im pro testantischen Lager fühlbar macht, daß der religiöse Jn- disferentismns die großen Massen beherrscht und daß die ganze Entwickelung unseres kirchlich-politischen Lebens mit Riesenschritten der Endskala zneilt, die nur noch zwei kämp fende, zwei um ihre Weltanschauung ringende Parteien sieht, den Katholizismus und den Atheismus. Alles, was dazwischen liegt, wird von der Macht der Ereignisse zer rieben und zur Stellungnahme für diese oder jene Richtung gezwungen werden. Schuld an dieser bedauerlichen Ent wickelung ist nicht die evangelische Orthodoxie, die wir stets hochachten, deren guten Willen wir niemals verkennen, schuld ist der liberale Protestantismus, der sich wie ein Dieb in der Nacht i» das evangelische Lager cingeschlichen hat, um hier seine meuchelmörderische Tätigkeit in den Massen ansznüben. Der Liberalismus kan» keine» Gott gebrauchen, weil er ein einig göttliches Gesetz über den Staat nicht an erkennt- Ter Staat ist ihm omnipotent, wie das Staats gesetz absolut ist. Er ist daher seiner ganzen Natur nach der geschworene Feind einer jeden christlichen Religion, und wenn er trotzdem heute noch sein Janusgesicht beibehält, so geschieht das nur, um das kleine Häuflein Katholiken und um die große Masse Protestanten zn täuschen. In dein Augenblicke, in welchen; der Katholizismus überwunden wäre, käme der Protestantismus an die Reibe, denn in einem omnipotenten Staate mit absoluter Reclcksauffassnng ist auch für die evangelische Orthodoxie kein Play vorhan den. Hegel sagt: „Das Volk als Staat ist die absolute Macht auf Erden." Aber eigene, positiv zündende und be geisternde Ideale hat der Liberalismus nicht. Deshalb kämpft er mit Lug und Trug, mit Waffen, die Vergifter und von dein für das menschliche Geschlecht allgemein gül tigen, ungeschriebenen Moralkoder verpönt sind. Aber auch die Annahme der Dummheit läßt sich recht- fertigen. Ter Liberalismus nimmt sich nicht die Mühe, die Lebcnsanschannng anderer kenne» zu lernen, der libe rale Protestantismus verzichtet darauf, die Einrichtungen der katholischen Kirche zu studiere», aber er behauptet, daß seine Weltanschauung die allein richtige ist, daß sein „pro testantisches Empfinden" durch katbolische Anordnungen verletzt sei, durch Anordnungen, die er gar nicht gelesen hat und nur dein Namen nach kennt. Und diese Behauptung von der eigenen Unfehlbarkeit ist für den Liberalismus ein so selbstverständliches Dogma, daß er jede» für einen Idio ten und Dummkopf erklärt, der nicht an dasselbe glaubt. Aber gerade diese souveräne Verachtung des Gegners und sciner Lehren ist der Hauptgrund, der den Liberalismus mehr und inehr in de» Hintergrund drängt, der die lange Zeit behauptete Inferiorität der Katholiken allmählich in eine glänzende geistige Uebcrlcgenheit bringt. Ter Gegner kennt uns und unsere Gesinnung nicht. Wir aber haben in einer langen Schule des Leidens uns und unsere Gegner kennen gelernt. Daher könne» wir aus der Verteidigung zum Angriff übergehen, daher können wir den Hieb als die beste Deckung verwenden. Man braucht nur einmal die Probe aufs Exempel zu machen und so einen über den Anti- modernisteneid spöttelnden und witzelnden Lassen zu fragen: „Du. Franz, sag mal, was steht denn eigentlich in dem Antimodernisteneid drin?" Das dumme und verlegene Ge sicht, das man zn sehen bekommt, entschädigt für viele rüpelhafte Anpöbelungen, denen der Katholik in der Dia spora tagtäglich ansgesetzt ist. Bassermann selbst, der Füh rer derjenigen, die national und liberal sei» wollen, hat im Reichstage glänzend bewiesen, daß er die päpstlichen Rundschreiben nicht gelesen hat, über die er sich ein Urteil anmaßt, und er hat dieserhalb in der Presse den gebühren den, beißenden Spott gesunden. Dummheit und Verleumdung vereinigt aber sicher in schönster Harmonie derjenige in sich, der in den „Leipziger Neuest. Nachr." einen Artikel über den Antimodernisteneid verbrochen hat. Man tut ja dem Manne, der seine Ellen vielleicht ganz gut ansmißt, aber von der katholischen Kirche und ihren Einrichtungen wirklich nicht mehr versteht als zn viel Ehre an, wenn man ilm überhaupt ernst nimmt, aber des Spaßes halber müssen nur doch einige Sätze aus seinem „Aufsätze" wiedergeben: „Dem Wortlaute der Enzyklika »ach brauctze» katho lische Professoren de» Eid nicht zu leisten, in Wirklichkeit aber sind sie dazu gezwungen. Sind die Prostssoren gute Katholiken, so können sie sich der Ohrenbeichte. nicht ent ziehen. Ter Beichtvater wird nun diejenigen Professoren, die den Eid nicht leisteten, wegen dieser Unterlassungssünde mit Fegefeuer bedrohen, und der unfehlbare Papst, der Stellvertreter Gottes, wird ihnen die Pforten des Himmel reiches nicht öffnen, sie vielmehr zur Hölle verdammen. Was bleibt da den; gläubigen Katholiken werter übrig? Ihres Seelenheiles wegen müssen sie den Eid leisten." Mai; weiß wirtlich nicht, ob man über diesen haar sträubenden Blödsinn lachen oder weinen soll. So viel steht fest, daß wir in ein homerisches Gelächter ansgebrochen sind. Ja, guter Mann von den „Leipz. N. N.", wenn der Papst diejenige», die den Eid nicht schwören, weil er (der Papst) sie selbst von; Eide entbunden hat, zur Hölle verdammt und ihnen die Pforten des Himmels nicht anfschließt, dann müssen schon die „gläubigen Katholiken" Kille olme Ans- nalnne, nicht nur der Seelsorger!) diesen entsetzlichen Eid leisten. Aber, Sie kundig";- Thebaner. der sie in Troja ebensogut Bescheid Nüssen, wie in de»; Belagerungsheere der Griechen, wie stellen Sie sich denn die Geschichte vor, wenn ein junger, llojähriaer. eben vom Professor der Theo logie zn seinem Amte ent aisencr Vikar eben diesem Pro fessor der Theologie, von dem er so viele Jahre Unterricht genossen hat, im Beichlstiilüe, wo bnnderte von Menschen draußen stehen und warten, eine Voriesnng über „Unter lassungssünden" halten würde, wenn der junge Vikar den alten Professor „mit st.m; Fegefeuer bedroben würde"?! Woher weiß denn de; Beicbtvaler überhaupt, daß der Beich- tcnde ein Geistlicher ist, wo! cr weiß er denn, daß er gar ein Professor ist. cer den Eid nicht geleistet hat? Woher hat übrigens auch der Papst las Nichteramt für den Himmel? Haben Sie sc.;o» einmal gehört, daß der Papst jemanden zur Hölle verdammt hat? Ter Mann hat buchstäblich kein? blasse Ahnung von den Lehren und Einrichtungen der katho lischen .Kirche, er kennt den Antimodernisteneid nur dem Namen nach und dock: erdreistet er sich ei» Urteil! Er ist der TyPnS des heutigen liberalen Protestantentnms, das den wilden Lärm gegen die päpstlichen Rundschreiben ;n Szene gesetzt hat. Traurig genug, daß unsere Regie rung sich von solch böswilligen Ignoranten ins Bockshorn jagen läßt. Unser Mann in den bekannten „Nachrichten" faselt noch weiter eine Menge unverdauten Zeuges, das nur ihm nicht weiter übel nehmen wollen, den» jeder spricht eben, nur so, wie er cs versteht. Ter Schlußsatz aber fordert doch einige Bemcrknngen heraus: „Und wie spricht ei» katholischer Geschichtslebrer über unseren großen Reformator Luther? Die katholische Kirche nennt ihn sowie alle Reformatoren: Gottesleugner, Ehe brecher und Betrüger. Sollen wir ruhig znsehcn, wie un sere evangelischen Kinder mit dergleichen Unwahrheiten vergiftet werden?" Wir fragen: Wo und wann bat ein katholischer Geist licher in Ausübung seines Amtes als Geschichtslehrer vor evangelischen Schülern die Reformatoren „Gottesleugner, Ehebrecher und Betrüger" genannt? Diese Fragen richten wir nicht an den Dunkelmann mit seinem famosen Aufsatz sondern an die „Leipz. Neuest. Nach;-.", die, wenn auch in einen; sogenannten unverantwortlichen Teile, denselben in tausende und abertausende von Familien hineingetragen haben. Und wenn sie uns die Antwort schuldig bleiben, so zeihen wir sie einer bewußte» Gemeinheit, d;e darin be steht, daß durch die Verbreitung von Schauermärchen der Kredit der katholischen Kirche untergraben und der kon fessionelle Frieden gestört wird. Wir behalten uns vor, den Geschichtsunterricht an Hand von Beispielen aus der Praxis zu demonstrieren, um zu zeigen, wie er im katholischen Lager und wie er in; pro testantischen Lager erteilt wird. Wir wollen dann sehen, Ivo die größere Unparteilichkeit herrscht und wo am meisten mit gehässigen Verleumdungen gearbeitet wird. Wir hof fen, daß diese Ausführungen alsdann auch den Evangeli schen Bund interessiere» werden, der ja besonders ängstlich darüber wacht, daß kein evangelischer Schüler von einem katholischen Lehrer Geschichtsstnnden erhält. Vorher nur noch ein Wort an die Adresse aller derjeni gen, die der Ansicht sind, daß die Katholiken in Demut der Entschließungen harren, die bezüglich der Frage der katho lischen geistlichen Oberlehrer nsw. von der protestantischen Mehrheit beliebt werde. Die Verletzung der Glcichb e r c ch tigu » g de r k atho > i s ch en Theo loge n mit d e n p r o t e st anti s ch e n w ä r e e i n e Verlegung der Verfassung, die ungeheure K o n s eqne n z e n z i e h e n w ü r d e. Glaubt etwa die Regierung, daß 22 Millionen Katholiken ruhig zusehen würden, weil» unser katholischer Klerus entrechtet und n jn-loi-l von den Staatsämtern ausgeschlossen würde.?! Glaubt die Regierung, daß wir einen Bruch der Verfassung zn unseren Ungnnste» ruhig Hinnehmen würden, ohne un sererseits mit aller Entschiedenheit, aber auch mit aller Be sonnenheit zn der veränderten Sachlage Stellung zn neh men? Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn die Negierung diese Fragen mit Ja beantworten würde, ein verhäilgnisvollerer Irrtum, als der Kulturkampf der 70er Jahre. Der liberale Protestantismus würfelt nur das Fell des lebenden Löwen, indem er über das Schicksal der katho lischen Fakultäten streitet. Wir, 22 Millionen deutscher Katholiken, wollen und fordern, daß die katholischen Fakul täten bestehen bleiben und wehe demjenigen, der die erste Hand an diese legt, nm sie z» vernichten. Mit Entrüstung weisen wir den unerhörten Eingriff in unser Selbstbestiinmungsrecht zurück, nicht bittend, son dern drohend weisen wir ans die Folgen eines Verfassungs- brncheS im liberaleil Sinne hin und stolz und kraftvoll ver künden wir der West: Nur als völlig gleichberechtigte Glie der wollen wir Bürger desselben deutschen Vaterlandes sein, das nur in rastloser Arbeit mitgeschaffen haben. Wir lachen über den törichten Hochmut, mit dem andere über unser Fell beschließen, mit dem andere n»S zn Heloten berabzu- drücken suchen. Wir branchen die Anerkennung als Staats bürger erster Klasse durch den Liberalismus nicht, weil wi' ans eigener Kraft gleichberechtigte Bürger geworden und verfassnngsmäßig als solche bestätigt worden sind. Wenn wir uns das kindliche Vergnügen machen wollten, dann könnten wir ebensogut die Liberalen als Mentchen zweiter Klasse erklären. Aber wir verzichten für unseren Teil ans so nnmännliches Gebaren und halten »ns zum letzten Kampfe bereit: Für die Verfassung, für iwwr Recht. R. Ist. yolMchc RimKschlm. Drek-?n, den 1. April 19t 1. — D«s deutsche Kaiscrpaar und Prinzessin Viktoria Luise begaben sich mit kleinem Gefolge im Automobil am Freitagnachmittag vom Achilleion zum Hafen und an Bord der Hohenzollern. Der Dampfer Prinzregeut Luitpold mit dem Kronprinz lief nachmittags '/„-I Uhr ein. Der Kaiser stand auf der Kommandobrücke, die Kaiserin und diePiin- zessin auf dem Promenadendeck der Hohenzollern. Die Majestäten empfingen sodann mit der Prinzessin die kron- prinzlichen Herrschaften am Fallreep mit Knß und Um armung. Bald nach st Uhr begaben sich sämtliche Herr schaften gemeinsam an Land, wo sie vom Publikum über- aus herzlich begrüßt wurden, und fuhren in Automobilen zum Achilleion. Im Reichstage wurde am Freitag der Etat des Reichskanzlers zn Ende berate». Die Debatte bewegte sich zum größten Teile nicht auf sachlichem Bode». Tic ein zelnen Parteien untereinander rechneten in ziemlich scharfer Weise ab. Die Reichssinanzreform und die kommenden Wahlen bildeten den Mittelpunkt in dem Wortgefechte zwischen der Mehrheit und Minderhit des Hanfes. Der Gehalt des Reichskanzlers wurde gegen die Stimmen der Polen und Sozialdemokraten bewilligt, obwohl letztere durch Abstimmung festgestellt sehen wollten, daß der Reichskanzler aänzlich unfähig ist. Bei der folgende» Beratung des Aus wärtigen Amtes wurde die Debatte ruhiger, welche bei Ab gang der Züge fortdanerte. — Abg. Freiherr v. Hertliug befindet sich auf dem Wege der Besserung. Die Anteilnahme an seiner Er krankung ist sehr groß. Alle Minister und Staatssekretäre lassen sich täglich erkundigen, der Prinzregeut von Bayern ließ Wünsche zur baldigen Genesung ttberbringen; der hl. Vater sandte seinen speziellen Segen. Die Budgetkomniission