Volltext Seite (XML)
MsdmsserTagebN Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Dai „WilSdrufser Tageblatt' erschein! werttags nachm. 4 Uhr. BczugSpr. monatl 2RM. frei HauS, bei Postbestellung 1.80 RM. zuzügl. Bestellgeld Einzelnummer lü Rpf. Alle Postanstalten, Postboten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle Nehmen zu jeder Zett Be- . stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt oder Wochenblatt fllr WtlsdrUff U. UMgegeNV sonstiger Betriebsstörun- gen besteht kein Anspruch — aus Lieferung der Zei ¬ tung oder Kürzung des Bezugspreises Rücksendung eingcsandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. Das «Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Stabil rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen belördlicherseits bestimmte Blatt alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegender Preisliste Nr. 8. — Ziffer-Gebühr: M Rpfg. — Dorgeschrie- bene ErschcinungStage und Platzwünsche werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzeigen-Annahme bis vormittags lg Uhr —, . Für die Richtigkeit der durch Fernruf Lbermit- Fernsprecher: Amt Wilsdruss 206 teilen Anzeigen überneh men wir keine Gewähr. ——— — Bei Konkurs und Zwangsverglcich erlischt jeder Anspruch auf Nachlaß. Nr. 276 — 94. Jahrgang. Drahtanschrift: „Tageblatt" Wi lsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 27. November 1935 Hinter den Kulissen. Der abessinische Krieg wird in Europa entschieden. Daran ist kein Zweifel mehr, wenn auch die Kampfhandlungen in Abessinien weitergehen Und vermutlich in nächster Zeit sich noch verstärken werden. Denn nach dem Grundsatz: „Neue Besen kehren gut" wird der neue italienische Generalstabschef Badoglio seine Forsche zeigen. Aus der anderen Seite werden die Abessinier den Widerstand verstärken. Inzwischen werden die Fäden in Europa gesponnen. Englands Plan war, Italien von vornherein durch die Sühnemaßnahmen derart scharf anzufasscn, daß ihm die Luft und die Lust vergeht, den Krieg in Abessinien fort- zusetzen. Aber Italien gibt das Spiel so leicht nicht ver loren, es hat einen energischen Abwehrkampf organisiert, der das ganze Volk zusammengeschweißt hat. Es wird zähen Widerstand gegen die Sanktionen leisten, schon um der Welt nicht das Schauspiel eines in die Knie gezwungenen Staates zu geben. Als England die Forderung stellte, daß der Völkerbund die Llsperre Segen Italien beschließen müsse, da zeigte sich plötzlich, daß das ganze Sanktionsgebäude auf ziemlich schwachen Füßen steht. Der Beschluß in Genf ist vorerst um einige Tage verschoben worden. Es wird bei den paar Tagen dermutlich nicht bleiben, t. In dem Augenblick, da der Völkerbund die Sperrung der Qlzusuhr nach Italien beschließen würde, wäre für Italien jede Möglichkeit eines Zurück unmöglich. Und das würde die europäische Lage denn doch derartig er schweren, daß man wohl selbst in London Angst vor der eigenen Courage bekommt. _ Bisher hat England den Völkerbund unter seinem Druck bei der Stange halten können. Es hat in Genf die Wirtschaftlichen und finanziellen Sühnemaßgahmen gegen Italien durchsetzen können, ohne daß sich wesentliche Widerstände gegen die englischen Wünsche zeigten. Wer dieitz aber, ob man in Genf bereit ist, sich weiter vor den Kritischen Wagen spannen zu lassen? Es könnte doch sehr wohl sein, daß in der Frage der Llsperre die ohne hin vorhandenen Widerstände gegen die Sanktions- Maschinerie stärker werden. Und das könnte selbst eine starke englische Regierung nicht ertragen, daß etwa die kunstvoll aufgebaute Einigkeit in Genf in die Brüche gebt. Man wäre Wohl heute in London ganz froh, wenn wan um den Beschluß gegen eine Llsperre in Italien herumkäme. Wie sollte man sonst die Botschaft des englischen Ministerpräsidenten an Musso- lini anders verstehen. Baldwin hat durch den britischen Botschafter in Rom eine Note übergeben lassen, in der er seine persönlichen Ansichten und Wünsche zur Beilegung des abessinischen Konflikts zum Ausdruck bringt. Und es scheint, daß er auch Mussolini gebeten habe, seine Bedingungen für die Beendigung der Feind seligkeiten mitzuteilen. Eine solche Note sendet man nicht, wenn man den Gegner in die Knie zwingen will. In dem Sanktionsnetz gegen Italien scheinen also einige Maschen aufzugehen. Vor allen Dingen ist Frank reich in der englischen Rechnung ein sehr unsicherer Posten geworden. Der französische Ministerpräsident, der bisher mit England durch dick und dünn gegangen ist, Hai London wissen lassen, daß er sich nicht mehr stark genug fühle, die britische Marschroute in Gens weiter witzumachen. So ist denn Laval sehr erleichtert, daß wan seinem Wunsche durch Vertagung der Llsperre Rechnung getragen hat. Frankreich leitet dabei noch ein anderer Gedanke: Italien hat deutlich zu verstehen gegeben, daß es die Llsperre als eine besonders ernste Drohung ansehe und gegebenenfalls aus dem Völkerbund austreten werde. Damit befürchtet Frankreich die weitere Störung des französisch-italienischen Verhältnisses und ^ne ernste Gefahr für spätere Wiederanknüpfung der Beziehungen. Bemerkenswert ist, daß die englische Regierung durch die Baldwin-Note in Rom diesmal direkte Ver bindung mit Mussolini sucht und nicht wie bisher Frankreich die Vermittlerrolle überläßt. Damit verbessern sich die Aussichten einer englisch-italienischen Verständi gung, und außerdem wird es Italien leichter gemacht, sein Entgegenkommen zu beweisen. Denn Italien empfindet es als versöhnliche Geste, saß England den Streit aus der Atmosphäre des Druckes heraus- nimmt und statt dessen den Weg direkter Fühlungnahme beschreitet. ... Irgendwie werden die Verhandlungen zum Ziele sichren müssen. Man wird Europa um des abessinischen Konflikts willen nicht unnötigen Spannungen aussetzen, deren Auswirkungen man nicht übersehen kann. Und England kann das Ansehen des Völkerbundes, auf den seine ganzen Karten gesetzt hat, nicht weiteren Gefahren aussetzen, zumal die Lage in Nordchina von neuem die Ohnmacht dieser Genfer Einrichtung der Welt vor Augen führt. Der Zusammenbruch des Völker bundes wäre heute gleichbedeutend mit einem starken strestigeverlust des britischen Weltreiches. Und den kann sich Großbritannien nicht leisten! Abessiniens Schicksal Wird also in England entschieden! Entspannung äer Lage? Lonaon u. Paris 2»r Uerftdiebung arr versperre gegen Natten In London und Paris spricht man von einer merk-' lichen Entspannung der Lage durch Verschiebung des Planes einer Llsperre gegen Italien. Londoner Blätter melden, daß Italiens Äußerung, es müsse die Annahme der Llsperre als feindliche Handlung betrachten und die Verantwortung für die Folgen ablehnen, habe die Hal tung der Mächte, besonders Frankreichs, beeinflußt. Ein weiterer Grund für den Aufschub sei die Ungewißheit über die Haltung Amerikas. Außerdem herrsche bei der englischen Regierung Klarheit darüber, daß es immer schwieriger werde zu einer Ver einbarung zu kommen, je länger der Krieg und die Sühne maßnahmen fortdauern. Schließlich erwartet man in London, daß infolge der Note des englischen Minister präsidenten an Mussolini die italienische Regie rung jetzt eher geneigt sei, die Genfer Vorschläge des britischen Außenministers Hoare über die Rohstoff- verteilung in Erwägung zu ziehen. Die Pariser Blätter begrüßen die Vertagung einer Llsperre gegen Italien, weil dadurch eine weitere Zuspitzung der Lage vermieden werde. Außerdem vertritt man in Paris den Standpunkt, daß ein Ausfuhrverbot für Erdöl doch nur eine halbe Maßnahme sei, solange andere Länder, wie beispielsweise Amerika, sich nicht daran beteiligen. Die amerikanische Negierung könne ohne Beschluß des Kongresses kein Ausfuhrverbot verhängen. Die ein solches Verbot durchführendcn Staa ten hätten also einstweilen die Kosten des Verfahrens zu tragen. Man könne zwar behaupten, schreibt das „Journal", daß die Sperrung der Slzufuhr das Ende des Krieges bedeuten würde und daß dies doch schließlich der Zweck und Sinn des gemeinsamen Genfer Vorgehens sei. Auf der anderen Seite müsse man berücksichtigen, daß das Ziel der Sühnemaßnahmen dahin gehe, den Frieden sobald wie möglich wiederherzustellen. Die Frage sei aber, ob dieses Ziel durch eine so schwerwiegende Maßnahme erreicht werde. Denn wenn man Italien in die Enge treibe, sei zu befürchten, daß es zu einer letzten verzwei felten Handlung greife und alles aus eine Karte setze. Die Außenpolitikerin des „Oeuvre" glaubt die Nachgiebigkeit Englands in der Frage der Llsperre darauf zurückführen zu können, daß man auchinLondondieRückwir- kungen fürchte, die eine solche Maßnahme in Italien auslösen könnte. * Keine Aenderung -es englischen Giandpunkies. Keine Botschaft Baldwins an Mussolini. Die vom „Daily Telegraph" und von französischen Blättern verbreitete Meldung, daß Ministerpräsident Bald win durch den britischen Botschafter in Rom eine persön liche Botschaft an Mussolini überreicht habe, wurde am Dienstag in London amtlich dementiert. Eine Pariser Zeitung hatte gemeldet, daß Baldwin den italienischen Regierungschef eingeladen habe, seine Be dingungen für Beendigung der Feindseligkeiten mitzutei len. Demgegenüber wird von maßgebender englischer Seite erklärt, die Unterredung zwischen Mussolini und Sir Eric Drummond habe in keinem Zusammenhang mit irgend welchen Friedensvorschlägen oder mit der Lage im Mittel meer gestanden. Auch die Frage eines Oelausfuhrver- botes sei nicht erwähnt worden. Gleichzeitig wird in Lon don betont, daß die englische Politik bezüglich eines kol lektiven Vorgehens und der Anwendung von Sühnemaß nahmen keine Aenderung erfahren habe. Insbesondere seien die Kommentare, die an die Aufschiebung der Sitzung des Achtzehnerausschusses in Genf geknüpft worden sind, unbegründet. Die englische Regierung unterstütze nach wie vor die Einbeziehung der Oellieferunen in die Sanktionsmaßnahmen und sie werde sich an jedem kol lektiven .Beschluß des Genfer Ausschusses in dieser Rich tung beteiligen. Dieser Beschluß, so wird in London hin zugefügt, hänge augenscheinlich von der Stellungnahme Amerikas ab. Amerika besteht auf Drosselung -er Oelausfuhr. Die in der amerikanischen Pressr verbreiteten Gerüchte, daß die Regierung ihren Druck auf die Oelexporteure ver ringert habe, weil in Gens der Zeitpunkt für die Bovkott- beschlüsse verschoben worden sei, haben im amerikanischen Staatsdepartement ein nachdrückliches Dementi hervorge- rufem Die Regierung habe nicht die Absicht, müßig zuzusehen, wie amerikanische Bürger „ein Blutgeld gierig einstrei- chcn". Die Regierung bleibe bei ihrer Politik ohne Nück- sicht darauf, was England, Frankreich, der Völkerbund oder die anderen Nationen unternehmen. Amerika stehe dem Völkerbund fern und unterstütze niemand. Frankreichs Politik. Lavals Rundfunkansprache. In einer über sämtliche französische Sender verbrei teten Rundfunkansprache behandelte Ministerpräsident Laval die inner- und außenpolitische Lage. Er sprach bei dieser Gelegenheit die Hoffnung aus, daß zwischen Deutschland und Frankreich gute nach barliche Beziehungen unter gegenseitiger Achtung zustande kommen möchten. Laval schilderte die Auswirkungen seiner zahlreiche« Notverordnungen. Schon jetzt regten sich unerbittliche Zen soren, die über die Regierung den Stab brechen wollten. Schon die Möglichkeit, daß die bevorstehenden Parla mentsverhandlungen Schwierigkeiten bringen könnten,habe verheerend gewirkt. Es zeige sich wieder die gleiche Er scheinung, die die Bildung der Regierung Laval gerecht- fertigt habe; nämlich Göldabfluß. Ein Land könne nicht ewig von Anleihen leben; es müsse klug und tat kräftig seine Ausgaben seinen Einnahmen anpassen. Eine neue Abwertung des Franc sei ab zulehnen. Die Regierung werde auch nicht zulassen, daß durch Schwächung der Regierungsgewalt über eine schlei chende Krise das gleiche Ergebnis erzielt werde. Die Auf rechterhaltung der Sparmaßnahmen verhüte die Ab wertung. Zur Innenpolitik betonte Laval, daß keine Par tei das Recht habe, ihre Autorität an die Stelle der Auto rität des Staates zu setzen. Er rufe alle Franzosen auf und bitte sie, der Welt nicht das Schauspiel der Zer rissenheit zu geben, nur in der nationalen Aussöhnung liege das Heil. Als Außenminister habe er nur ein Ziel: Frankreich den Frieden zu bewahren. Seine Aufgabe werde leichter zu erfüllen sein, wenn Frankreich stark bleibe, wenn seine Finanzen gesund und seine Stimmung gut sei. Neben der freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Großbritannien habe Frankreich die Freundschaft mit Italien wahren müssen, die er am 7. Januar d. I. in Rom besie gelt habe. So habe die französische Politik alle militärischen Sühnemaßnahmen sowie alle Maßnahmen gegen Italien abgelehnt, die zu einer Blockade zur See hätten führen können. Laval äußerte sich dann optimistisch über die Möglich keit einer Beilegung des italienisch-abessinischen Streites. Er hoffe, daß man im gegebenen Augenblick nicht vergeb lich den Versöhnungsgeist Mussolinis an rufen werde. Frankreich sei dem Grundsatz der kollektiven Sicher heit treu geblieben. Es habe das bei allen seinen diplo matischen Unternehmungen bewiesen. So sei namentlich der französisch-sowjetrussischc Pakt gegen kein Land gerichtet. Diese Versicherung habe der französische Botschafter in Berlin neuerlich dem Reichskanzler gegeben. Frankreich verzichte auf keine seiner Freundschaften. Es achte alle seine Verpflichtungen. In Verfolg der Festi gung des europäischen Friedens suche es die Mithilfe aller, und es wünsche aufrichtig, gutnachbarliche Beziehungen gegenseitiger Achtung mit Deutschland herzustellen und zu fördern. Das starke, wachsame, friedliche Frankreich habe nichts zu fürchten. * Nückzug -er Italiener? Von abessinischer Seite verlautet, daß ein von der Südfront eingetroffener Kurier nähere Einzelhei ten über die kürzlich angeblich von den Italienern ver lorene Tankschlacht bei Analeh, östlich des Fafan- flusses, gebracht habe. Diesen Meldungen zufolge sollen sich die italienischen Truppen auf dem Rückzug befinden; ebenso die am Fafanfluß nördlich von Gorahai operie renden italienischen Abteilungen. Die abessinischen Streit kräfte drängten stark nach und hätten dadurch die itali enischen Somalitruppen gezwungen, ihren Rückzug unter Hinterlassung zahlreicher Automobile, Transportzüge und von Waffen und Munition „in wilder Flucht" fortzusetzen. Die italienische Rückzugbewcgung gehe auf die Ausgangs punkte der Offensive Üal-Ual und Gerlogubi zurück.