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Wochenblatt für für für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiun-vierzigfter Jahrgang. Erscheinr wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) Abvnnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kästet 10 Ps. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag Abvnnementspreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Wilsdruff, Tharandt, -W- Nossen, Siebentehn und die Umgegenden. Nr. 68. Freitag, den 25. August 1882. Hierdurch wird zur öffentlichen Kenniniß gebracht, daß der Königliche Friedensrichter Herr Gruhle auf Munzig die Besorgung der friedersrichterlichen Geschäfte für Munzig nebst Rittergut wieder übernommen hat. Königliches Amtsgericht Wilsdruff, es. A„g»st E. In Vertretung: Friedrich, Rfdr. Tagesgeschichte. Personen, welche aus Varzin kommen, versichern, daß Fürst Bismarck sich im allerbesten Wohlsein befinde und behaupten, alles, was über erneutes Auftreten seiner neuralgischen Beschwerden oder gar über eine Gesichtsrose, von welcher der Kanzler heimgesucht wäre, verbreitet worden, gehöre in das Gebiet der Fabel. Der Finanz minister Scholz, der seinen Urlaub antrat, begab sich inkognito nach Varzin, wo auch die Minister von Puttkammer und von Goßler er wartet werden. Es handelt sich, wie versichert wird, bei diesen Kon ferenzen um drei Dinge: um die Behandlung der Staatspfarrer-An gelegenheit, um eine neue Alkoholsteuer und um das Verhalten der Regierung beiden bevorstehenden Wahlen zum preußischen Abgeordneten hause. Ein offiziöser Artikel beleuchtet bereits in nicht mißzuverstehender Weise einen Aufsatz des französischen Professors Alglave, welcher die Abschaffung aller bisherigen Steuern auf Wein, Bier und anderen Getränken und deren Ersetzung durch eine eigenthümliche Besteuerung des Alkohols, nämlich durch eine Art von Monopol des Engrosver kaufs eingehend befürwortet. Der Genannte ist Professor derFinanz- wissenschaften an der Sarbonne zu Paris und der geistige Urheber der im Jahre 1872 vorgenommenen Reorganisation des Tabaksmono pols in Frankreich, infolgedessen dieses Besteuerungssystem 40 Mill. Franks mehr als bis dahin dem Staate einbrachte. Das Brauntwein- Monvpol-Projekt Aglaves beruht darauf, daß der Alkohol als ein überaus steuerfähigcs Objekt betrachtet wird. Derselbe ist Gegenstand eines weit verbreiteten und sehr geringen Schwankungen unterliegenden Konsums, ohne doch dabei ein unumgänglich nothwendiges Lebensmittel zu sein; ferner wird derselbe in geringfügigen Quantitäten genossen, sodaß die Steuer sich in sehr kleine Beträge vertheilt und einen hohen Satz erreichen kann, ohne daß sich der Konsum dadurch vermindert. Was aber die bevorstehenden Abgeordnetenwahlen betrifft, so sind die ersten Vorbereitungen seitens der'Ortsbehörden bereits einaeleitet. Die Parteien entfalten mit jedem Tage mehr Rührigkeit, allen übrigen vorauf die Konservativen, welche dabei mit Vermeidung allen Geräusches und großem Geschick vorgehen. Sie wollen jedenfalls alle ihre Ka pazitäten und irgendwie angesehenen Namen in das Abgeordnetenhaus dringen; auch dem jüngsten Sohne des Reichskanzlers, Grafen Wil helm Bismarck, ist bereits ein Mandat in jenem pommerschen Wahl kreise gesichert, in welchem Varzin liegt. In Stettin ist am letzten Sonnabend der neuerbaute Schrau- bendampfer „Rugia" vom Stapel gelaufen. Die „Rugia" ist das größte auf deutschen Werften gebaute Handelsschiff; sie ist 350' lang, 420,' breit, 32^2 tief und hält 180000 Kubikfuß Laderaum. Das Schiff nimmt 76000 Centner Ladung, 1200 Zwischendeckspaffagiere und 100 Kajütenpassagiere auf. Es ist von der Stettiner Maschinen- Actiengesellschast „Vulkan" für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt- Actiengesell^chast gebaut und es bedeutet die Erbauung dieses Schiffes den ersten Schritt eines Zusammengehens der deutschen Rhedereien und der deutschen Schiffsbauanstalten. Während die Bremenser Rhederci bis heute noch ihre Aufträge an englische Werften ertheilt, fällt Ham burg das Verdienst dieses nationalen Vorgehens zu, von dem man hoffen darf, daß es mit der Zeit alls-itige Nachahmung finden werde. Hamburg, 17. August. Das finanzielle Ergebniß des Sänger festes ist nach einem vorläufigen Ueberschlag ein so günstiges, daß ein Defizit nicht zu besorgen ist. So waren auf Platzbillets nach Maßgabe früherer Sängerfeste höchstens 12,000 Mk. Einnahme ge rechnet, während bei dem schönen Wetter allein für diese Billets (ohne Entreebillets für die Sängerhalle) 46,000 IN. eingenommen wurden. Die kleinen goldenen Fünfmarkstücke dürften demnächst ganz aus dem Verkehr verschwinden. Die Reichsbankanstalten sind ange wiesen worden, die eingehenden Fünfmarkstücke anzuhalten und nicht von neuem in Umlauf zu setzen. Es scheint demnach, daß sich die kleinen Goldstückchen für den Verkehr ungeeignet erwiesen haben. Danzig, 21. August. Das ostpreußische Jägerbataillon in Braunsberg ist am Sonnabend von einem großen Unglück betroffen worden. Das Bataillon sollte die Brigadeübungen in Danzig mit- machen, und dazu sollten die Mannschaften von Schöneberg aus per Kahn über die Weichsel gesetzt werden. Ein Kahn mit 20 Mann ge- neth aber in einen Strudel, und 5 Jäger, 2 Oberjäger ertranken. Die Leichen sind noch nicht aufgefunden. Der Augsburger „Allgem. Ztg." wird aus Bern gemeldet, daß am 27. August auf dem Schlöffe Wyden bei Offingen zur Erinner ung an den sogenannten „sozialdemokratischen Welt-Kongreß" von 1880 von den Züricher Sozialdemokraten ein Parteifest abgehalten werden soll, zu welchem auch deutsche Reichstags-Abgeordnete Einladungen erhalten haben. Die um halb 11 Uhr Vormittags beginnende Ver- sammlung wird unter freiem Himmel stattfinden. Eine besondere Festrede ist unter dem Titel „Die alten und neuen Raubritter" angekündigt. Laut „Offner Wochenblatt" wächst det Verkehr durch den Gott« hard sowohl der Personen wie auch namentlich der Güter sehr rasch. Bereits werden zum Gütertransport von Olten direkte Extrazüge noth wendig, oft mehrere an einem Tage. Aus Italien gehen fast täglich mehrere Wagenladungen mit wohlgemästeten Schlachtochsen durch Olten; vor drei Tagen zählte man zwölf solcher Wagen, den Tag darauf zehn in einem einzigen Zuge, zumeist für Frankfurt und andere größere deutsche Städte bestimmt. Bereits denkt man an eine Ver größerung des Bahnhofsgebäudes in Göschenen. Das „B. T." läßt sich aus Paris deu 21. schreiben: Die eng lische Besetzung des Suezkanals macht hier einen schlechten Eindruck, doch ist trotzdem nicht anzunehmen, daß Frankreich seine „Politik der Enthaltung" aufgeben wird. Die Gambetta'schen Blätter geben zu, daß das englische Vorgehen die französischen Interessen schädige, und führen zum ersten Male eine für England unfreundliche Sprache. Aus Paris wird der „Köln. Zeitung" vom 19. August gemeldet: Der juristische Beirath der Suezkanal-Gesellschaft trat heute zusammen, um die Forderung einer Entschädigung für die Handlungen der Eng länder in Betreff des Suezkanals zu prüfen. Der „Temps" konstatirt Englands Uebermacht zur See über alle Mächte zusammen und sagt, England sei und bleibe der Herr des Suezkanals, weil es Jeden, welcher den Kanal schließen wolle° bewäl tigen könne und andererseits Jedem, welchem es wolle, den Kanal schließen könne. Der Kanal unter dem virtuellen Protektorat Englands werde sich unter einem sehr erträglichen Regime befinden. Die Kon ferenz sollte daher, um sich Tinte, Papier und Lächerlichkeit zu er sparen, sich Protokolle über Neutralisirung und Schutz des Suezkanals versagen. Aehnlich sprechen sich die übrigen französischen Journale aus. Das „Journal des Debats" bespricht die letzten Bewegungen der englischen Truppen, welche zur Basis ihrer Operationen den Kanal gewählt hätten, und sagt, die überraschende Schnelligkeit der Bewe gungen mache dem General Wotseley alle Ehre. Dasselbe Blatt giebt dem französischen Kabinet den Rath, sich keinem Widerspruche gegen die englische Aktion ai'zuschließen, wünscht England Erfolg und kon statirt schließlich, daß die Türkei ihr doppeltes Spiel niemals aufge geben habe. Petersburg, 17. August. Die Verdikte der russischen Geschwo renen haben die Welt oft genug in Erstaunen gesetzt und die Unreife des russischen Publikums für Geschworenengerichte oft genug in ekla tantester Weise dargethan. Neuerdings ereignete sich hier folgender Fall: Ein Kollegiensekretär, der einst Jurisprudenz studirt und den Kursus absolvirt, war beim Friedensrichterplenum angestellt und gerieth vor 17 Monaten in Untersuchung wegen einer gegen ihn erhobenen Anklage der Unterschlagung dienstlich anvertrauter Gelder. Es handelte sich um einen Kassenabgang von etwa 35,900 Rubel. Es waren vor wiegend Erbschaftskapitalien, die hierbei zu Schaden kamen. Der An geklagte bekannte sich des impuffrten Verbrechens schuldig, erkannte auch die Civilarisprüche der durch die Veruntreuung Geschädigten an. Zugleich erklärte der Angeklagte, daß er zum Ersätze der veruntreuten Beträge die Mittel nicht besäße. Als Grund der Veruntreuungen wurden Kartenspiel und andere „noble" Passionen konstatirt. Aber das Benehmen des Angeklagten machte vor dem Gerichte einen „guten Eindruck"; die Zeugen schilderten ihn als einen gutherzigen, „umgäng lichen" Menschen, der zugleich sehr mäßig wäre, doch nur der Spiel wuth nicht widerstanden hätte. Der Angeklagte vergoß dazu viele Thränen und der Staatsanwalt selbst äußerte so etwas, wie: ermässe sich zurückhalten, um nicht aus seiner Rolle als Ankläger zu fallen. Darauf fällten die Geschworenen ein Verdikt, das bemerkenswerth ge nannt zu werden verdient: sie bejahten die Frage, ob der Angeklagte 35,900 Rubel in eigenem Nutzen und ohne Ersatz verwendet, aber sie verneinten die Frage, ob selbiger diesen Betrag aus dienstlich anver trauten Geldern unterschlagen. Der Angeklagte wurde somit frei gesprochen; er hat die veruntreuten Gelder nur civiliter zu ersetzen. Mit anderen Worten: der Angeklagte hat Gelder, die er aufzubewahren gehabt, veruntreut und vergeudet, und er ioll sie irgend einmal auch ersetzen — aber er ist „nicht schuldig". Freisprechungen dieser und ähnlicher Art sind in Rußland, seitdem es hier Geschworene giebt, nur zu häufig vorgekommen. In Corea (Ostasien) ist ein allgemeiner Aufstand ausgebrochen. Der König und die Königin sind ermordet worden und die japäne- sische Mission ist von der Anti-Fremdenpartei angegriffen worden. Japanesische Kriegsschiffe sind nach dem Flusse Seul gesandt worden. Die Empörung soll dem Widerstande gegen die Politik, welche zum Abschlusse der Verträge mit den Vereinigten Staaten und Großbri tannien führte, zuzuschreiben sein. Im auswärtigen Amte zu London eingetroffene Depeschen bestätigen diese Meldung in vollem Umfange. Der königliche Palast, sowie die japanische Legation wurden angegriffen und außer dem König und der Königin auch ein Diensten der Regier-