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Ttsniglieh Sirehsisehev Stantsanzeigev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 160. > Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: i. B. Regierungsassessor vr Gerth in Dresden. < Mittwoch, 14. Juli I 1909. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 20, sowie durch die deutschen Postanstalten 3 Mark vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktags nachmittags. — Fernsprecher: Expedinon Nr. 1295, Redaktion Nr. 4574. Ankündigungen: Die Zeile N. Schrift der 6mal gespalt.Ankündigunasseite 25 Pf., die Zeile größerer Schrift od. deren Raum aus 3mal gesp. Textseite im amtl. Teile 60 Pf., unter dem Redaktionsstrich lTingefandt) 75 Pf. Preisermüßigg. auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Verwalter des Johannesstifts in Meißen, Pfarrer emer. Paul Gustav Werner daselbst und dem Archi- diakonus Pastor Heinrich Moritz Richter in Zittau das Ritterkreuz 1. Klasse vom Albrechtsorden zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der Tafeldecker Heimpold das ihm von Sr. König!. Hoheit dem Prinzregenten Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser, verliehene Verdienst kreuz vom heiligen Michael annehme und trqge. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der Berlagsbuchhändler vr. pkil. Müller-Mann in Leipzig das ihm von Sr. Majestät dem König von Rumänien verliehene Ritterkreuz des Ordens der Rumänischen Krone und die ihm von Sr. Hoheit dem Herzog von Sachsen-Altenburg verliehene Erinnerungsmedaille annehme und trage. Vom 15. Juli 1909 ab bis auf weiteres ist an Stelle des Oberregierungsrats vr. Weißwange der Regierungs rat bei der Kreishauptmannschaft Bautzen vr. Caspari zum zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden des Schieds gerichts sür Arbeiterversicherung zu Bautzen bestellt worden. 2816 k Dresden, am 14. Juli 1909. 492g Ministerium des Innern. Die Königliche Kreishauptmannschaft hat dem Schutz mann Ernst Oswald Grimm in Chemnitz für seinen beim Aufhalten eines durchgehenden führerlosen Pferdes be wiesenen Mut und die dabei an den Tag gelegte Ent schlossenheit eine Geldbelohnung bewilligt. 2248III Chemnitz, am 7. Juli 1909. 4gzz Königliche Kreishauptmannschaft. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im Geschäftsbereiche deS GesamtmmisterimnS. Bei der Oberrechnungskammer ist zum Oberrechnungsrevisor ernannt worden der seitherige Sekretär bei der zweiten Rechnungsexpedition des Ministeriums des Innern Hermann Röber. Im Geschäftsbereiche des Ministerium» der Finanzen. Bei der Post-Verwaltung ist ernannt worden: Wirtschafts- inspektor RÜlker als Postagent in Grüngräbchen (Amtsh. Kamenz). (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Bo« Königlichen Hofe. Dresden, 14. Juli. Se. Majestät der König nahm vormittags die Vorträge der Herren Staatsminister und des Kabinettssekretärs im Residenzschlosse entgegen, empfing dann die Hofdepartementschefs zum Rapport und kehrte hierauf nach Wachwitz zurück, wo um 2 Uhr Familientafel stattsand, an der Ihre König!. Hoheit die Prinzessin Mathilde teilnahm. Allerhöchstderselbe reist mit Ihren König!. Hoheiten den Prinzen-Söhnen nachmittags 5 Uhr 18 Min. vom Hauptbahnhofe nach Sei- und wird dort im Hotel Salegg Wohnung nehmen. Ihre König!. Hoheiten die Prinzessinnen Marga rethe und Anna werden sich, von Bad-Aster kommend, in Plauen i. B. und die Prinzessin Alix, von Münster a. St. in München eintreffend, Sr. Majestät anschließen. In der Allerhöchsten Begleitung befinden sich Ihre Exzellenzen die Frau Oberhofmeisterin v. der Gabelentz- Linsingen und der Generaladjutant Generalleutnant v. Müller, ferner der Geh. LegationSrat Kammerherr v. Stieglitz. Se. Majestät der König wird mit Ihren König!. Hoheiten dem Kronprinzen und dem Prinzen Fried- rich Christian von Seis zur Teilnahme an dem Uni- versität-jubiläum am 29. Juli früh 8 Uhr 5 Min. in Leipzig eintreffen. — Der Hr. Minister des Königlichen Hauses Staats minister v. Metzsch-Reichenbach hat einen mehr wöchigen Urlaub an getreten. Mitteilungen aus der öffentlichen Verwaltung. --- Sicherem Vernehmen nach tritt am 1. Oktober der Rat für landwirtschaftliche Angelegenheiten im Ministerium des Innern, Geh. Regierungsrat Münzner in den Ruhestand. Als sein Nachfolger tritt der Direktor der landwirtschaftlichen Schule zu Chemnitz Prof, vr. Roth in das Ministerium des Innern ein. Deutsches Reich. Reichskanzler Fürst v. Bülow. Der vierte Kanzler scheidet aus dem Amte, das er reichlich acht Jahre verwaltet hat, und zum erstenmal seit Bismarcks Abgang erweckt der Rücktritt des obersten Reichsbeamten wieder die volle Teilnahme der politischen Welt. So verschiedenartig die Tätigkeit des Fürsten v. Bülow im einzelnen und vom einzelnen beurteilt werden mag, zweifellos hat sie ergeben, daß er über Caprivi und Hohenlohe hinweg der eigentliche Nachfolger des ersten Kanzlers war. Dem Titanen durchaus nicht wesensverwandt, hat er doch gleich ihm die Zeichen und Aufgaben seiner Zeit verstanden und vor zwei Jahren mit dem Appell an die Nation einen Erfolg erzielt, der dem Bismarcks im Jahre 1887 nicht nachstand. Im all- gemeinen mehr vorsichtig als gewaltig zugreifend, hat er doch im rechten Augenblicke die Energie des Wortes und der Tat bewiesen, die der von ihm festgehaltenen Tradi tion seines großen Amtsvorgängers entsprach. Zu heroischen Dingen durch Vie Zeit nicht berufen, hat er doch mit staatsmännischer Klugheit und meisterlicher Taktik die mehr als einmal bis zur Kriegsdrohung ge steigerten Gefahren von außen wie manche von den Zwischen kanzlern unbeseitigte Schwierigkeiten im Innern über wunden und mit der Blockpolitik einen eigensten Ge danken verwirklicht, der an Wert dem der Kartellpolitik nichts nachgibt. Darum vollzieht sich sein Rücktritt unter einer Teilnahme aller politischen Kreise des In- und Auslands, wie sie das Scheiden der beiden Kanzler vor ihm nicht begleitet hat. Als der Staatssekretär v. Bülow, dem das Abkommen mit Spanien über die Abtretung der Marianen und Karolinen die Erhebung in den Grafenstand eingetragen hatte, den dornenvollsten Posten im Reiche einnahm, war seine Kunst in der auswärtigen Politik erwiesen und sein Stand in der politischen Arena durch seine ungewöhnliche Redegabe gesichert. Er hatte gezeigt, daß er die welt geschichtliche Entwickelung nach Bismarck und die aus ihr erwachsenden neuen Aufgaben für Deutschland begriff, daß er entschlossen war, die nationale Großmachtpolitik des jugendstarken Reiches mit einer besonnenen Weltpolitik zu verbinden. Diese durch das Aufkommen neuer Welt mächte in Asien und Amerika beglaubigte Politik, die nicht mehr durch den europäischen Horizont begrenzt war, sondern nach dem Maße unserer überschüssigen Bolkskraft, kolonialen Pflicht und Ausbreitung von Industrie und Handel auch für Deutschland Platz an der Sonne forderte, hat er als Kanzler mit Ruhe fortgeführt. Er ist immer darauf bedacht gewesen, daß das Reich in Fragen, die auch seine Zukunft in der Welt betrafen, daß es im Wettstreite der Nationen auf der Weltbühne nicht beiseite geschoben wurde, -und hat hiernach die deutsche Politik namentlich während des Chinaaufstandes und in der Marokkofrage geleitet. Wechselte in diesen langwierigen Angelegenheiten das Glück deS Vorgehens, 0 entstand doch zuletzt eine Stärkung des deutschen An ehenS, das weiter zu mehren dem Fürsten Bülow in allen Phasen der Orientwirren gelang. Einen fortlaufenden Anspruch an seine diplomatische Kunst stellte die Ententenpolitik, die das aus der eigenen Isolierung heraus verlangende England bettieben hat. Daß die durch sie hervorgerusenen Schwierigkeiten der Lage bis heute mit dem auf unsere Seite fallenden Vorteil erhöhter Wachsamkeit und gehobenen Vertrauens in die eigene Kraft geebnet worden sind, ist der Zuverlässigkeit und nicht minder der gelegentlichen Deuuichkeit der Bülowschen Politik zu danken. So gab er einerseits dem Verbündeten an der Donau ein leuch- tendeS Beispiel der Treue, das wieder einmal den festen Kitt dieses Bunde- aufdeckte, und erklärte anderseit- vor aller Welt, daß die englisch-französische Entente den Frieden wenig fördere, wenn nicht beide Mächte auf gute Beziehungen zu Deutschland achteten, daß eine offensive Wendung auf da- gerüstete deutsche Volk stoßen werde.. Beurteiler im Lande, die an dem Kanzler von jeher mehr Schwächen bemerken wollten als fremde Kritiker, haben mit ewiger Berufung auf Bismarck den Tatmenschen vermißt. Sie meinten, daß jede Zeit einen olchen Heros brauche und hervorbringen müsse, und lendelten dabei zwischen der Mahnung, das Reich nicht n Händel zu verstricken, und dem Appell an die Tat- rast hin und her, ohne gelten zu lassen, daß in der etzigen Periode wachsame Ruhe das oberste Gebot für ne deutsche Politik sei. Fürst Bülow aber hat die Ge winne, die zu machen waren, mit Vorsicht hereingebracht, den Frieden in allen Ehren gewahrt und, wenn es not tat, auch Bismarckschen Ton angeschlagen, wovon Chamber lains Abfertigung und Delcassös Ende zeugen. Die schwere Bürde seines Amtes hat Fürst Bülow vielleicht noch mehr als Leiter der inneren Politik ge fühlt und getragen. Hier mußte er sich erst eine Position schaffen, das Vertrauen des Kaisers, der Verbündeten Regierungen und der großen bürgerlichen Parteien erst gewinnen. Und auch hier half es ihm, daß er die Grundlinien Bismarckscher Staatskunst unter Berücksichtigung der ver änderten Zeitanforderungen innezuhalten suchte. Für das Verhältnis zum Kaiser taugte freilich nicht das Vorbild des großen Mannes, dessen Kraftnatur sich mit der ausgeprägten Individualität des Herrschers nicht einigen konnte; da brachte das temperierte und ausgleichende Wesen des Fürsten Bülow andere, glücklichere Vorbedingungen mit. Wohl aber für die Stellung zu den Bundesregierungen, mit denen auch der vierte Kanzler in Erkenntnis der be sonderen Lebensbedingungen und Kulturaufgaben der Einzelstaaten einträchtig die Wohlfahrt deS Reiches ge fördert hat. Und ebenso für die Behandlung der bürger lichen Parieren, aus denen eine sichere Mehrheit zur Er füllung nationaler Staatsnotwendigkeiten herauszubilden sein Ziel war. Als er sein Amt antrat, fand er das Zentrum in einer Machtstellung vor, die ihn zur Kom promißpolitik zwang, um die Verstärkung der Wehrmacht zu Wasser und zu Lande, den Zolltarif und die Handels verträge im dringenden Interesse der Sicherheit und der volkswirtschaftlichen Produktion des Reiches durch zubringen. Nachdem er die preußische Kanalfrage ab getan und damit die Spannung zwischen der Krone und den Konservativen beseitigt hatte, erledigte er mit Unter stützung des überall marktenden Zentrums jene nationalen und wirtschaftlichen Aufgaben. Mit den Opfern, die diese Erfolge kosteten und die sich namentlich in der Auf hebung . des § 2 des Jesuitengesetzes enthüllten, konnte aber die Staatsraison auf die Dauer nicht belastet werden. Als das Zentrum bei einer Nachforderung für Südwest afrika, die zur Wiederherstellung des Friedens im Schutz gebiete, zur Wahrung des deutschen Ansehens im Aus lande unvermeidlich war und der selbst der Freisinn nicht widerstrebte, sich mit der Sozialdemokratie verbündete, um den Kanzler seine ganze Macht fühlen zu lassen, da er faßte er mit Bismarckscher Intuition den Augenblick und sprengte durch die eindrucksvolle Berufung an die Wähler schaft die klerikale Fessel. Er hatte auf die Niederlage des Zentrums durch die Schwächung der Sozialdemo kratie und durch die Stärkung der antisozialistischen Parteien gerechnet, und mit vollem nationalen Aufschwünge machte das Bürgertum die Hoffnung des Kanzlers wahr. Auf den Trümmern der Zentrumsherrschaft entstand der konservativ liberale Block, m dem sich der staatsmännische Gedanke des Fürsten Bülow verkörperte, den Linksliberalismus für positive Mitarbeit zu gewinnen und Konservative mit Liberalen in der Frontstellung gegen die in nationalen Fragen schwierigen oder grundsätzlich versagenden Parteien festzuhalten. Zu den interessantesten parlamentarischen Dokumenten der vierten Kanz erschüft gehören die Reden, in denen Fürst Bülow sich über sein Verhältnis zum Kaiser und zu den Parteien ausgesprochen hat. Mehrmals ward ihm die Aufgabe, persönliche Kundgebungen des Herrschers vor dem Reichstag zu erläutern und Angriffe gegen das sogenannte persönliche Regiment abzuwehren. Seine Verteidigungen bekundeten ebensoviel taktische Feinheit wie Offenheit und ließen Rückschlüsse auf die immer engeren Beziehungen zwischen dem Kaiser und seinem ersten Be rater zu. Sie gipfelten darin, daß in jedem konstitutio nellen Staatswesen der leitende Minister mit der Indi vidualität des Fürsten rechnen muß, daß der Kanzler dem Kaiser das Recht der persönlichen Initiative nicht verkürzen darf, daß die starke Persönlichkeit eines Herrschers von großem Vorteil für das Volk ist und dessen Wünschen entspricht, wenn sie auch dem verantwortlichen Minister seine Aufgabe nicht entleichtert. Fürst Bülow hat stets das redliche Wollen, den vorurteilslosen Sinn, den großen Zug deS Kaisers betont und die volle Verant wortlichkeit für dw Allerhöchsten Kundgebungen über nommen, ohne einem übertriebenen Hervortreten deS Herrschers da- Wort zu reden. Mit diesen seinen Aus lassungen hat er nicht auf das Parlament und die weitere Öffentlichkeit, sondern jedenfalls auch auf den Kaiser den