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bin in dem Augenblicke so für Michelangelo eingenommen, daß mir nicht ein mal die Natur auf ihn schmeckt, da ich sie doch nicht mit so großen Augen wie er sehen kann." Wieder einmal läßt Bruckner das Hauptthema erst allmählich sich formen. Es wird vorbereitet in einer Einleitung, die mit einem 18taktigen Orgelkonzert auf d, dem Grundton des ersten Satzes, beginnt. Acht Hörner künden das Haupt thema an, indem sie vom Grundton aus zuerst die Terz, dann die Quinte erreichen. Im Gegensatz zur Beethovenschen Neunten, die in der gleichen Tonart steht und mit einem ähnlichen Vorgang beginnt, wird hier die Terz von vornherein einbezogen, werden die drei Töne des Dreiklangs verwendet — wir wissen, welche Bedeutung die Zahl drei in Bruckners Werk hat. Das Haupt thema bricht dann im Unisono des vollen Orchesters mit einer Urgewalt herein, wie sie nur Bruckner entfesseln konnte. Es ist das Schicksal, dessen Hammer schläge ertönen, und es ist zugleich ein Symbol für die Titanenkraft des Men schen, der sich gegen das Schicksal stemmt. Die melodische Linie des Themas wird bestimmt durch den Absprung von dem Grundton auf die Dominante A, die beiden Töne, die schon in der Einleitung eine so wichtige Rolle spielten. Im Gegensatz dazu ist die Gesangsgruppe mit einer süßen Melodie in den ersten Violinen, einem Begleitgesang der zweiten Violinen, der Bratschen und der Celli, die sich zu wärmenden Harmonien finden, beseligende Musik glück hafter Zeiten. Das dritte Hauptthema aber greift wieder auf das erste zurück: Unisono des d-Moll-Akkords (d - f - a) in den Violinen und Bratschen, dem die tiefen Streicher in Gegenbewegung antworten, dazu Umschreibungen des Akkords in den Holzbläsern. Mit diesem Material wird eine Durchführung von gewaltigen Maßen und schier unübersehbarem Reichtum der thematischen Be ziehungen gestaltet, die sich bis in die Reprise hinein — sie bringt keine wört liche Wiederkehr des ersten Themas! — erstrecken. Die Coda greift sinngemäß auf die Einleitung zurück, so daß der ganze Satz in einem festen Rahmen steht. Das Scherzo, wie in der 8. Sinfonie an zweiter Stelle, greift noch einmal die Brucknersche Scherzo-Idee auf, wie sie schon in der 1. Sinfonie aufgezeichnet war und seitdem in sieben Variationen durchgeführt wurde. In dieser achten und letzten Variation hat der todkranke Mann, im Hauptteil sowohl wie im Trio, das kühnste geschrieben. Das hat schon Hermann Kretzschmar, der dem Meister im allgemeinen nicht ganz gerecht wird, erkannt, als er schrieb: „Der zweite Satz ist das vielleicht grausamste und unheimlichste Scherzo, das die sinfonische Literatur aufzuweisen hat. Die Themen sind, auch im Trio, nur Figuren, die im verminderten Septakkord spukhaft, fahl, gehetzt und entsetzt hinauf — und hinabjagen; als Kern der Musik trägt die Erinnerung die mörde risch dröhnenden Rhythmen der Hörner, Trompeten und Posaunen heim." Das ist Elfentanz und Geisterraunen, Rauhnachtschreck und Walpurgiszauber, Wel tentaumel und Höllenspuk. Das Adagio aber stößt die Tore des Himmels auf. Das erste Thema ist ein Abbild des ganzen Satzes; wie es, zuerst im vergeblichen Ansprung der kleinen None, dann aber immer sehnsüchtiger und inbrünstiger sich aufschwingt, be sonders markant auf den Tönen des D-Dur-Dreiklangs (glänzend instrumentiert mit dem Einsatz der drei Trompeten) und damit den d-Moll-Dreiklang des ersten Satzes aufhebend, so schwang sich Bruckners Seele auf den Flügeln dieser Töne in die ewige Verklärung. Mehr als langsamer Satz ist dieses Adagio mit Rückbeziehungen auf die Thematik der vorangegangenen Sätze ein echtes Finale, und man kann die Sinfonie trotz des fehlenden vierten Satzes als voll endete ansehen, genau wie die „Unvollendete" Franz Schuberts. Da aber auch Themen aus früheren Sinfonien auftauchen (erstes Adagio = Thema der 8. und Hauptthema der 7. Sinfonie), ist es der Finalsatz für Anton Bruckners gesamtes Schaffen, das in ihm eine letzte Verinnerlichung von überirdischer Schönheit erfährt. Dr. habil. Dieter Hartwig 806 Dresden, Alaunstr. 36-40 er ^leLz-eit 7978 > 79 Preis des Programmheftes: 0,25 M III 9 92 JtG 059 16 79