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Dresdner Journal : 22.02.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189702227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18970222
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18970222
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-02
- Tag 1897-02-22
-
Monat
1897-02
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 22.02.1897
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Erscheine»: Täglich «tt Ausnahme der Emm- «nd Feiertage abend« Fern«pr..«nschluß!«r ir»L Veils»»-««: y», Dresden vterleljährlich: 2 Mark «0 Pf., bei den San», lich deutlchen Pvstanswlicn ^««e>lahilich»Mart; außer, halb de« Deutschen Reiche« Post» «d Stempel-uschlaa Einzeln« Nummern: l0 Ps ArrÄner M Journal. AntünStguusSsehthre»: Mr den Raum Auer gespal tenen Zelle kleiner Schrift 20 Pf Unter „Eingesandt" die Zeile so M. Bei Tabellen» und Ziffernsatz entsprechender Aufschlag Hera»«,eSer: ESnigliche Expedition de« Drr«dner Journal« Dre«den, Zanngerftr 20. Fernspr.-Anschluß: Nr I2SL 1897. ^43 Montag, den 22. Februar, abends. Amtlicher Teil. Wekanntnrachung, die diesjährigen Wollmürkte in Sachsen betr. Die diesjährigen Wollmärkte fallen in Kamenz auf Montag, den 14. Juni, in Leipzig auf Dienstag und Mittwoch, den 15. und 16. Ium. Dresden, am 20. Februar 1897. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Vodel. Gersdorf. Nichtamtlicher Leit. Zur Ärelafragt. Tag die Einigkeit der Mächte nicht lediglich ein Phantasiegebilde ist, haben die Hellenen inzwischen nun doch erfahren. Wie aus den heute eingetroffenen Telegrammen hervorgeht, hat die vor Kanea liegende internationale Flotte gestern nachmittag die ersten Schüsse auf die kretensischen Aufständischen, als diese sich zum Angriffe auf die türkischen Truppen in Haleppa anschickten, abgegeben. Drei englische, ein russisches und ein italienisches Kriegsschiff haben in Gemeinschaft mit dem gerade noch rechtzeitig an Ort und Stelle angelangten deutschen Kreuzer „Kaiserin Augusta" den Griechen oder wenigstens den von ihnen geführten Aufständischen klar gemacht, daß es auch heute noch ein gefährliches Unternehmen ist, entgegen dem Willen der europäischen Großmächte auf eigene Faust Eroberungspolitik zu treiben und mit der größten Skrupellosigkeit den Frieden Europas auf das Spiel zu fetzen. Ein genaues Bild von den Vorgängen des gestrigen Nachmittags vermag man sich heute zwar noch nicht zu machen und insbesondere werden noch nähere Nachrichten über die Beteiligung griechischer Truppen oder wenigstens griechischer Offiziere an der Affaire abzuwarten sein. Aber daß das energische Vorgehen der internationalen Flotte in hohem Grade geeignet ist, den ungünstigen Eindruck zu verwischen, den die unterbliebene Blockade des Piräus machen mußte, dürste sich alsbald zeigen. Jedenfalls ist die Einigkeit der Mächte das einzige Mittel, wodurch die Griechen wieder zur Vernunft zurückgeführt und die übrigen „heldenhaften" Nationen, die es, je weiter der Frühling von ihren Bergen herabsteigt, um so mehr nach großen Thaten gelüstet, die Mazedonier, Bnlgarni, Serben rc., von unklugen Unternehmungen znrückgehalten werden können. Erfreulich ist es unter diesen Umständen jedenfalls, daß man auch in Rußland, dessen Diplomatie sich bis in die letzten Tage über ihre Absichten in ein auf fallendes Schweigen gehüllt hatte, nunmehr ebenfalls einen entschiedenen Standpunkt gewonnen hat. Mit unumwundener Deutlichkeit wenigstens besagt es der nachstehende offiziöse Bericht aus St. Petersburg, daß Rußland für den griechischen Plan der Annektion von Kreta nicht zu haben sein wird: Die öffentliche Meinung hat die Nachricht von der Besetzung einiger Punkte auf Kreta durch Truppenabteilunge» der euro Väuchen Geschwader mit Befriedigung vernommen. Sie erblickt in dirfen Maßnahmen ein wirksames Mittel zur Verhütung der Gefahren, die sich aus dem dreisten Anschläge Griechen lands aus Kreta ergeben könnten sowie einen sichtbaren, und daher sehr überzeugenden Beweis der Festigkeit und Aktionsfähigkeit des europäischen Konzertes. Man darf von diesem Einvernehmen der Mächte überhaupt eine befriedigende Lösung der gegenwärtigen türkischen Krise hoffen, da der bisherige Verlauf der kretensischen Frage sür den Sultan eine Mahnung bildet, gegenüber den Reformvor schlägen der Mächte, die ihm bald vorgelegt werden sollen, kluge« Entgegenkommen zu beweisen. Bezüglich Rußland» kann die Versicherung erneuert werden, daß es im Interesse der Friedenserhaltung dem europäischen Konzerte in der weiteren Behandlung der kreten sischen Angelegenheit treu zu bleiben entschlossen ist. Das einvernehmliche Vorgehen der Mächte l egt auch im wohl verstandenen Interesse Griechenlands selbst, von dem man wohl noch immer hoffen darf, daß es sich nicht ausschließlich von jenem nationalen Chauvinismus beherrschen lassen wird, der ihm angesichts der einmütigen Forderungen Europa» nur Nachteile bringen kann Mag die Angelegenheit in den Einzelheiten welchen Verlauf immer nehmen und mag die philhellene Strömung in einem Teile Europas noch so sehr anwachsen, so darf doch das Eine jedenfalls als feststehend gelten, daß die Mächte nicht gewillt sind, die Entscheidung der kretensischen Frage im Sinne der Angliederung dieser Insel an Griechenland zu- zulassen. Die gesamte Situation gebietet, wie schon so ost dargelrgt wurde, die ungeschmälerte Ausrechterhaltuug deS Grund satzes der Integrität deS ottomanischen Territoriums Würden sich die Mächte bestimmen lassen, dieses Prinzip zu gunsten der griechischen Ansprüche aus Kreta zu durchbrechen, dann würden sich begreiflicherweise auch die Bulgaren und die Serben er mutigt fühlen, sozusagen weitere Breschen in dieses Prinzip zu legen und die Durchsetzung ihrer Aspirationen auf Sebict-erweiterungen durch kühne Handstreiche zu unter nehmen. Ja der Appetit Griechenlands selbst könnte durch die Besitzergreifung von Kreta noch mehr angeregt werden, sodaß cs virlleicht sein Glück auch in Makedonien versuche» würde. Wie man sieht, würde sich bei einer Nachgiebigkeit der Mächte gegenüber den unzeitgemäßen Ansprüchen Griechenlands die Perspektive auf jene für den Geiamtsriedcn gefährlichen Per Wickelungen aus der Balkanhalbinsel eröffnen, deren Verhütung seit Jahren daS Hauptziel der europäischen Diplomatie bildet. Alle diese Erwägungen, welche das Unternehmen Griechenlands als ein sehr bedenkliches erscheinen lassen, bestimmen das Kabinett von St. Petersburg zu der dezidierten Weigerung, die Annexion Kretas durch Griechenland zuzugeben, und zu einer durchaus energischen Halt ung gegenüber den Vorgängen auf dieser Insel. Daß sich dieser russische Standpunkt vollkommen mit dem von der deutschen Reichsregiernng ein genommenen deckt, dafür spricht die nachstehende, als offiziös kenntlich gemachte Auslassung, welche gestern in der „Nordd. Allgemeinen Zeitung" zu lesen war: Die von „Reuters Büreau" gebrachte Nachricht, Lord Salisbury habe den deutschen Blockadevorschlag da hin beantwortet, daß, bevor eine Aktion gegen Griechenland unternommen würde, die zukünftige Verfassung Kretas unter den Mächten zu beraten und dabei eine Autonomie der Insel nach dem Borbilde von Samos ins Auge zu fassen sei, ist nach unseren Jnsormationen zutreffend. Wie wir hören, ist die deutsche Regierung, getreu ihrer bisherigen Haltung, bereit, mit den Mächten in Verhandlungen über die znkünstige Gestaltung Kretas unter zwei Voraussetzungen einzutretrn: Einmal muß dabei eine Afnnexion Kreta« durch Griechenland außer Betracht bleiben, welche keinerlei Gewähr für die Herstellung geordneter Zustände aus der Insel bieten, dagegen für die übrigen Balkanvölker einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen würde. Ferner aber ist vor Eintritt in ,ene Verhandlungen der völkerrechtswidrigen Aktion Griechenlands ein Ende zu machen, deren Fortdauer eine steigende Kriegsgesahr enthält Hiernach scheint es, als ob der Boden für ein er sprießliches gemeinsames Handeln zu gunsten des Weltfriedens für die Mächte leicht wiedergefunden werden könnte. Wenn Griechenland nicht mit aller Gewalt gegen fein eigenes Interesse handeln will, wenn in der Türkei die maßvollen und kaltblütigen Leute das Ohr des Sultans wie bisher behalten und wenn schließlich nicht unter den europäischen Mächten sich eine oder mehrere befinden, für die ein Weltkrieg ein erwünschtes Ereignis bildet, so müßten unseres Erachtens die Aussichten für einen friedlichen Aus gang der jetzigen Wirren keine geringen sein. Man sieht, daß einige nicht leichtzunehmende „Wenns" der glücklichen Lösung vorgelagert sind, aber hoffentlich kommt man doch schließlich über sie hinweg. Tagesgeschichte. Dresden, 22. Februar In unserem Referate über die Sitzung des sächsischen Eisenbahnrates vom 4 d. Mts war die Mitteilung enthalten, daß sich der Eisenbahnrat einstimmig für die Ausdehnung des Roh stofftarife« auf Kartoffeln erklärt habe. Hierzu ist er läuternd zu bemerken, daß bei der fraglichen Abstimmung zunächst die Frage, ob der Eisenbahnrat für den Fall der allgemeinen Annahme de« Rohstofftarises wegen der Kartoffeln eine Ausnahme gemacht wißen wolle, gegen 2 Stimmen verneint wurde und daß sich sodann der Eisenbahnrat einstimmig für allgemeine Annahme des Tarifs, also auch für Erden und Kartoffeln sowie für Rüben erklärt hat Deutsches Reich. * Berlin Über die Rückkehr Sr. Majestät des Kaisers au« HubertuSstock sind noch keine Bestimmungen getroffen — Die „Wirtschaftliche Vereinigung" des Reichstags war am Sonnabend zusammengetreten, um sich schlüssig zu machen über eine Interpellation wegen der Durchführung des Börsengesetzes, insbesondere darüber, welche Schritte die Regierung gegen die freien Börsen vereinigungen zu thun gedenke Es kam indes zu keinem endgiltigen Beschluß, vielmehr soll die Wirtschaftliche Ver einigung am 4. März zu nochmaliger Besprechung der Frage zusamnientreten. — Neuerdings macht sich, wie ver lautet, in landwirtschaftlichen Kreise» mehrfach die Ansicht geltend, man solle die Berliner Freie Vereinigung der Produktenhändlcr nur so, wie bisher Weiterarbeiten lasse», da sich hiernach allmählich ganz von selbst eine Kräftigung deS Einflusses der Produktenbörsen in der Provinz er geben werde — Zu ihren neulichen Ausführungen über die deutsche Kriegsmarine bemerken heute die „Berl. Pol. Nachr" noch folgendes: Wenn unseren Ausführungen betreffs des Mangels an für den Dienst im Auslande verfügbaren Kreuzern mit dem Einwande zu begegnen versucht wird, daß doch das Panzergeschwader, bestehend aus den Schiffen „Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Brandenburg", „Weißenburg", „Wörth" zur Hand sei, so trifft die That- sache an sich gewiß zu. Dazu aber, dieses Panzergefchwader etwa in die kretensischen Gewässer zu entsenden, wird eine von dem Bewußtsein ihrer schweren Verantwortung für die Sicherung der vaterländischen Küsten durchdrungene Regierung sich ohne weiteres nicht verstehen können Denn dieses Panzergeschwader ist in erster Linie zum Schutze der heimatlichen Küsten bestimmt, und es hieße dasselbe dieser seiner eigentlichen und vornehmsten Aufgabe entziehen, wollte man es als Lückenbüßer an die Stelle der nicht vorhandenen Kreuzer treten lassen, ganz abgesehen davon, daß niemand zu sagen vermag, ob nicht plötzlich Wendungen der allgemeinen Lage eintreten können, welche den Gebrauch der Schlachtschiffe in den heimatlichen G'wässern behus« Abwehr feindlicher Unternehmungen dringend geboten erscheinen kaffen Eine Verwendung dieser Schiffe außerhalb des Rahmen« ihrer plan mäßigen Bestimmung würde nur dann zu rechtfertigen sein, wenn es sich um Lebensintereffen der Nation han delte. — Was den sonstigen Bestand unserer Marine an Panzerfahrzeugen anlangt, so ist das Panzerschiff „Kaiser" in Ostasien stationiert, „Baden" und „Bayern" sind »och im Umbau begriffen, „König Wilhelm" ist bekanntlich in die Klaffe der Panzerkreuzer versetzt, welch' letztere Schiffskategorie ebenfalls für den heimatlichen Dienst solange unabkömmlich bleibt, als an deren Stelle kein ausreichender Ersatz vorhanden ist. Speziell die Panzer „Frithjof", „Heimdal", „Odin", „Aegir" sind für den Küstenschutz gebaut Die „Deutschland" befindet sich auf Werft, sie ist wohl fertig, aber ihrer Indienststellung steht das Hindernis im Wege, daß im Etat für diesen Zweck weder die benötigten Mittel noch das Offiziers- und Mannschastspersonal ausgeworsen sind Es behält also bei unseren vorhergegangenen Ausführungen sein Bewenden, daß unsere Marine der Mittel entbehrt, das Reich im Auslande in einer seiner internationalen Machtstellung entsprechenden Weise zu repräsentieren. Wenn unsere Marin euer wa ltung in Erkenntnis der Unhaltbarkeit eines solchen Zustandes die angemessene Verstärkung der Seeftreitkräfte in Anregung bringt, oder auch nur den Ersatz der unbrauchbar gewordenen Schiffe be antragt, so entsteht alsbald der Lärm über „ufer lose Flottenpläne" Muß aber Deutschland in Ermangelung des benötigten schwimmenden Materials in entscheidungsschweren internationalen Krisen in der Reihe der großmächtlichen Flaggen unver treten bleiben, dann ist es wieder nicht recht Die Nutzanwendung hieraus sollte unseres Erachtens nicht schwer zu ziehen sein — Die Kommission sür Arbeiterftatistik trat am Sonnabend unter der Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden, Direktor« im Reichsamt des Innern !>r. v Woedtke, zur Feststellung des von ihr zu er stattenden Bericht« über do« Ergebnis der die Verhältnisse in der Kleider- und Wäschekonfektion betreffenden Untersuchung zusammen Ter von dem Direktor des Kaiser!. Statistischen Amts vi. v. Scheel, als dem Re ferenten der Kommission, ausqearbeitete Entwurf wurde von der Kommission mit unwesentlichen Abänderungen ge nehmigt Der Bericht, welcher die Ergebnisse der Schluß beratung der Kommission enthält, ist nunmehr dem Hrn Reichskanzler zu überreichen. — Die Jstei nnahme an Zöllen und Verbrauchs steuern hat in den ersten zehn Monaten des lausenden Etatsjahres 614,9 Mill, oder 66 Mill, mehr wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres betragen An dem Mehr beteiligten sich die Zölle mit 39,1 Mill., die Znckersteuer mit 2l,2 Mill , die Branntweinverbrauchs abgaben mit 5,3 Mill — Die Börsensteuer hat 6'r Mill weniger, die Post- und TelegraphenverwaUung l t Mill mehr, die Reichseisenbahnverwaltung 3,2 Mill, mehr ein gebracht — Über die Einigungsbestrebungen der Frei sinnigen beider Richtungen bemerkt die „Kreuzzeitung": Groß und breit weiß das „Berl. Tagebl" das „Scheitern der liberalen Einigung" zu verkünden Die Vertrauens männer der beiden freisinnigen Parteien waren bekanntlich zu Besprechungen zusammengetreten, und in deren Verlauf hatte die „Freisinnige Vereinigung" den Antrag gestellt, daß man sich in allen Wahlkreisen, wo ein ernsthafter Kampf gegen das Agrariertum in Frage komme, auf einen gemeinschaftliche» Kandidaten vereinigen solle. Von der „Freisinnigen Volkspartei" ist dies abge'ehnt, und statt dessen eine eingehende Untersuchung der Verhältnisse in den einzelnen Wahlkreisen beantragt worden, woraus sich das praktisch Zweckmäßige dann von selbst ergeben würde Hierauf wiederum glaubt die „Freisinnige Vereinigung" nicht eingehen zu dürfen; unter dem Vorgeben, daß eine solche Untersuchung die vorhandenen Gegensätze nicht mildern, sondern verschärfe» würde, in Wahrheit aber, weil sie sehr wohl weiß, daß die Zahl ihrer Anhänger gegen die der „Freisinnigen Volkspartei" fast überall verschwindet, wonach das Endergebnis der Erhebungen nicht zweifelhaft sein könnte. Der Abg. Richter hat das natürlich längst gewußt und danach gehandelt, und eS ist ihm richtig ge lungen, seine alten Freunde wieder einmal herein zulegen. Bei der Auswahl der Vertrauensmänner mußte >nan das von vornherein erwarten. Die Namen Richter und Pachnicke sind beide ein Programm Um so thörichter muß es erscheinen, daß es der „Freisinnigen Vereinigung" beigekommen ist, mit solch einem Gegner öffentlich zu ver handeln, statt dies in tiefster Stille abzumachen, so weit und so gut es irgend geht. Noch thörichter freilich nimmt es sich aus, wenn sich das „Berl. Tgbl" jetzt an die Wähler wendet uud diesen zumutet, die Führer zur Einigung zu zwingen Wer sind denn die Wähler, wenn man die Sache konkret ins Auge faßt, die Verhältnisse nimmt, wie sie wirklich sind, nicht wie sie auf dem geduldigen Zeitungs papier erscheinen? Sie sind im großen und ganzen daS, was Eugen Richter aus ihnen macht, nicht weniger und nicht mehr. Seit dreißig Jahren hat er sie unumschränkt geleitet und geführt, find sie in seinen Händen wie bloßes Wachs gewesen; und nun, wo die Gefahr sich naht, sollen sie sich plötzlich selbständig machen und den bisherigen Herrscher unter ihren Willen beugen. Wenn man nur wüßte, was dieser Wille ist, und worauf er sich richtet 1» akstraeta läßt es sich wohl formulieren: gegen die Reaktion will alles kämpfen, auch Hr. Eugen Richter mit Wie aber steht es im besonderen Falle? Da wird es sich wohl zeigen, wer dem anderen „über" ist, das „Berliner Tageblatt" oder Hr. Eugen Richter. So spitzt sich nach gerade die Sache, komischerweise, zu. — Die überseeische Auswanderung im Jahre 1896 war nach den bereits vorliegenden amtlichen Zahlen er heblich geringer als in den Vorjahren. Es wan derten nämlich über Bremen, Hamburg, Stettin, Ant werpen und Bordeaux 32 152 Personen aus Deutschland Kunst und Wissenschaft. K. Hosthcater. — Neustadt — Am 21 Februar: „Die Nibelungen", ein deutsches Trauerspiel von Friedrich Hebbel. Erste Abteilung: „Der gehörnte Siegfried" Zweite Abteilung: „Siegfrieds Tod". Dritte Abteilung: „Kriemhilds Rache". In zwei aufeinander folgenden, nur durch eine Stunde Pause getrennten Vorstellungen, von nachmittags '^4 Uhr bis abends um 10 Uhr, hat die König! Hofbühnc den Versuch gemacht, die ganze gewaltige Nibelungentrilogie Fr Hebbels mit ihren elf Akten an einem Tage und in einem Zuge vorzuführen. Der Versuch ist, soweit es sich um die Anteilnahme des Publikums und die Ausdauer der darstellenden Kräfte handelte, vollkommen geglückt Das Haus war, bis auf eine Reihe von Plätzen im ersten Range, dicht gefüllt, die Zuschauer und Zuhörer be gleiteten gegen den Schluß ebenso wie zu Anfang der großen Tragödie die Darstellung mit gespanntem Anteil, der Beifall war nach den erschütternden Szenen von »Kriemhilds Rache" nicht minder lebhaft und lautschallend, als nach denen von „Siegfried« Tod". Bis zur Mitte des fünften Aktes der dritten Abteilung, bis wohin ich der Aufführung beiwohnte, ließ sich auch auf der Bühne kein Nachlassen, keine Ermüdung verspüren. Verkörperung und Wiedergabe der mächtigen Handlung und der Ge stalten blieben auf der Höhe, auf die man sie hier bei früheren Vorstellungen gehoben hat, eine Höhe, die freilich nicht überall, nicht gleichmäßig die poetische Höhe der Tragödie erreicht Den stärksten Krafteinfatz bei dieser einheitlichen Vorführung der Trilogie hatten Fr! Sal» dach als Kriemhild und Hr. Winds als Hagen Tronje zu leisten, ihnen gebührt, unbeschadet der übrigen Darsteller, in erster Reihe der Dank für die glück liche Lösung der übergroßen Aufgabe Frl. Salbach gab sich rückhaltlos an die wunderbar angelegte und im tragischen Konflikt bis zum Unheimlichen wachsende Kriem- hildengestalt hin. Sie entzückte in allen Teilen der Nolle, in denen die Anmut, die echt weiblichen Eigenschaften, der ursprüngliche Seelenadel der unglücklichen Königstochter zur Geltung kommen — sie überraschte in einigen Hauptszcnen der dritten Abteilung auch durch die leidenschaftliche Kraft, mit der sie dem in Kriemhilds armem Herzen tobenden Racheverlangen Ausdruck lieh. Nichtsdestoweniger bleibt der Künstlerin die dämonische Wildheit und Selbstvergessen heit versagt, zu der das Nibelungenepo« wie Hebbels dramatische Schöpfung das innere Leben Kriemhilds steigern Der seelische Vorgang, um den es sich hier handelt, kann zwei äußere Formen annehmen, die eine, die der völligen Verzerrung des ursprünglich edlen Bildes, ist Frl. Salbachs ganzer Anlage unzugänglich, so bleibt nur die der Ver steinerung, der Erstarrung, aus der von Zeit zu Zeit noch eine heiße gewaltige Flamme herausschlägt. Dieser letzten Steigerung ist ihre Auffassung fähig und es würde sich eigentlich nur noch um ein kleines Opfer an Weichheit, an anmutvoller Beweglichkeit im dritten Teil der Trilogie handeln — Hr Winds führte den Hagen mit all' der düstern Härte durch, die der Gestalt zu eigen ist, sehr schön hob er davon die rauhe, schlichte LehnStreue, die keines Wortes bedarf, und namentlich den letzten vertrauensvollen Anschluß an Volker den Spielmann ab, in dem der wilde Recke sein belastetes Gewissen entläd. Nicht so vollständig kam eine andere Seite Hagens, der grimmige Humor, zu Recht, für den der Darsteller in den Szenen des dritten und vierten Aktes von Kriemhilds Rache den Ton nicht fand Alles in allem war die große Aufführung, bei der ja minder glückliche Einzelheiten drein gehen müssen, ehren volle« Zeugnis für die Wirkung des Werkes und die Leistungsfähigkeit der Bühne Der Gedanke liegt nahe, mit ähnlichen Doppelvorstellungen Goethe« „Faust", Schillers „Wallenstein", Grillparzer« „GoldneS Vließ" im Zusammenhang vorzuführen. Inzwischen behält eS, trotz des glücklichen Gelingens, sein Bedenkliches, die Empfäng lichkeit des Publikums, die Gestaltungskraft der Schau spieler öfter auf solche Proben zu setzen Vorstellungen an zwei aufeinanderfolgenden Abenden, zu billigen Preisen, würden die gleiche, ganz gewiß die nachhaltigere Wirkung thun, der Charakter von Festvorstellungen läßt sich im gewöhnlichen Laufe der Tage und inmitten der Folge des Spielplans nicht ohne weiteres erzielen Ad Stern. Die deutschen Ausgrabungen in Athen. über die Ergebnisse der Ausgrabungen, die das Deutsche Archäologische Institut in Achen schon seit mehreren Jahren im Westen der Akropolis veranstaltet hat und auch in diesem Jahre fortsetzt, ist in den Mitteilungen dcS Instituts (Bv XX! Heft 3) jetzt ein dritter und vierter Bericht er schienen. Zahlreiche Gönner haben durch freigebige Bei träge diese Ausgrabung in dankenswertester Weise unter stützt und gefördert und ihre Durchführung in einem ihrer hohenswissenschastlichen Bedeutung entsprechenden Maßstabe möglich gemacht; ihr Ziel ist, für große Fragen der Stadt- Topographie des alten Athens mit dem Spaten die Ent scheidung zu suchen Zahlreiche Reste von Bauanlagen verschiedener Zeiten sind nach und nach ans Licht gebracht; eine große Brunnenanlage au« Pisistratischrr Zeit, in der Dörpfeld die gesuchte vielumstrittene Enneakrunos erkennt, eine Straße, die vom Areopag zur Akropolis hinauszieht, mit Privathäusern, Brunnen, Heiligtümern besetzt; ein den Heilgottheiten Amyno« und Asklepios geweihter Bezirk, ein DionysoSheiligtum, Gräber, die noch vor der wahr scheinlich im sechsten oder fünften Jahrhundert vor Christi stattgehabten Regulierung der Straße angelegt waren, sind aufgedeckt, dann zwischen dem Areopag und dem sogenannten Theseion Reste von Gebäuden, in deren einem die Königshalle am alten Stadtmarkt vermutet wird Von diesen Funden war schon mehrfach in der Presse die Rede Das früher Mitgeteilte wird jetzt ergänzt durch die neuen Berichte; in dem einen be handelt Hr. 11». Schrader die Einzelfunde im Gebiete de« Dionysion; in dem anderen Hr. Or. Körte das Heiligtum des Amynos. Auf große Resultate der Art, wie sie der Laie leicht als das Wesentliche bei Ausgrabungen ansieht, auf reich liche Ausbeute an Skulpturen und Kunstwerken anderer Art, an Einzelfunden überhaupt, wurde hier von vornherein nicht gerechnet. Aber ganz fehlen diese nicht leicht, wo Spuren alter Besiedelung im griechischen Boden aufgedeckt werden, und manches unerwartete, an sich erfreuliche oder im Zusammenhang mit dem Gesamten der Untersuchung wertvolle Stück hat auch hier der im ganzen sehr weit gehenden Zerstörung der antiken Reste widerstanden Das künstlerisch anziehendste Stück ist wohl ein etwas über lebensgroßer, vortrefflich erhaltener griechischer Porträtkopf aus Marmor, mit langem Lockenhaar, in das ein Diadem oder Kranz geschlungen war, mit einem schmachtenden, an Aphroditebilder erinnernde» Blick und sür einen Mann merkwürdig weichen Formen Man erkennt in ihm da« Bildnis eines hellenistischen Fürsten aus der Zeit des zweiten oder ersten Jahrhunderts vor Christi. Früherer Zeit, zumeist dem vierten Jahrhundert, ge hört eine Anzahl von Aphroditestatuetten und Kybele- bildchen an, deren häufiges Vorkommen in dem ganzen freigelegten Teile des Stadtgebietes die Vermutung nahe- gelegt hat, daß hier in der Nähe die Heiligtümer der Aphrodite Pandemos und der Göttermutter zu suchen seien Der alte Bezirk de« Dionysos mit seinem wahr scheinlich im sechsten oder siebenten Jahrhundert erbauten kleinen Tempel, seinem Altar und seiner etwa« später an gelegten Weinkelter hat von seiner einstigen Auistattung mit Weihgeschenkcn nicht« hinterlassen. Aber in dem großen Festsaal der Genossenschaft der Jobacchen, der sich in jüngerer Zeit im Zusammenhänge mit anderen Neu-
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