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«. Fahr»«». M.»» A-en-Aussabe Rlttwoch. 14. Mat 193» Sernlvrecher-Tammelnummer: »L»Lt Nur >är Vachtgrlvräch«: Vir. >ooit SchrNUeNmi» ». H,uptgeI<HLIt«ftelle: DieNie» - U. t. «aNenftras« »S/L» . l. »V l». M«i w« »«< N^tzch Mei»««»»» >«> V«V ».»« «. V-ftb«,ü»»preV I», «-»-t «-> ,.«0 «N. etnlchl. »« »I,. «oft,»b<Ihr (»hn« P<>ft»uftellun»«ge»lU,r>. Einjelnummer 10 VI«. Nngeigenprril«: »te >n»e»ee« «erden nach »vldmarl berechnet: dt« ein- Wal««« »o m» »rette Zeile »» VI«.. 9>r »nlwitrt« KI PI». AamtNenan,eigen und Etellengeiuche °»ne SiaLatt 1» VI».. antechalb «» VI,.. dt« »o «m »rette «eaame,etle »so PI»., außechal» »»0 VI». O»erteng«»L»r KI VI». «ludwtrti,- «ustrtge gegen «orau1de,-chlung DruS ». Verla«: «eplch « «eich«dt, Dretde«. Poftiche«-»w. iE Lredde» Nachdruck nur mit deuN.Quelle«an»ab« <Dre»dn. Rachr.I juUtiltg. Unverlangt« Vchriltstück« werde» »ich« aufbewabrt AllWlmgsbebatte lm SüchMen LaMag Eine stürmische Sitzung Es rast -er See... Mit der Regierungserklärung notwendig verbunden wie der Knall mit dem Schuß ist die große Aussprache der Par teien. Ein politischer Abcschütze ohne Ahnung vom par lamentarischen Tuten und Blasen wäre aber der Zuhörer, der glauben wollte, daß diese heftig wogende Redeschlacht über das Schicksal der Negierung und des Landtages ent scheidet. Die Würfel fallen in den Fraktionszimmern und in Verhandlungen hinter den Kulissen. Was da unten im Plenum vor sich geht, ist nur Schaugefecht. Trotzdem will auch dieser letzte Akt der Regierungskrise ernst genommen werden, insoweit wenigstens, als die Stellungnahme bei Parteien zum Regierungsprogramm darin zum Ausdruck kommt. Zunächst marschiert die Opposition auf, und die Sozial demokratie hat als stärkste Fraktion das erste Wort. Sie hat dem Kabinett Schteck, weil es rein bürgerlich ist, Tod und Verderben geschworen. Das ist ganz natürlich; dafür ist sie Opposition und Kamps gegen die Regierung ihr Be ruf. Was darüber htnausgeht, was der Abgeordnete Büchel mit Schreien und Toben dem unruhig werdenden Hause als Begründung seiner Feindschaft gegen Schieck vorträgt, ist eitel Spiegelfechterei. > Im Hinblick auf die Lage kann höchstens die Bersicherung des Sozialdemokraten inter- tssicren, daß es auch seiner Partei mit der Auflösung ernst fei und daß sic nicht daran denke, etwa mit Abkommandie rungen den Landtag zu rette«. In solche« Lag« ist es immer gut, Löwenmut zu markieren, und so versichert denn Herr Pochet auch, daß die Sozialdemokratie auf Grund zuver lässiger Berechnungen mit etwa 70MV Neuwählern rechnen tiirse. Auf denselben Ton des Bramarbasierens ist auch die Rede des kommunistischen Führers Renner abgestimmt. Er hat zwar eine neue, wohl revolutionär sein sollende Nuance in feine Kleidung mit einer Reißverschlußjacke gebracht, aber die Propagandaplatte, die er abrollen läßt, krächzt immer und auch jetzt wieder das alte moskomitische Hetzlied. Um so nüchterner wirkt neben diesen pathetisch rollenden Phrasen die knapp bemessene Erklärung, die der volkspartei liche Führer Dr. Blüher für alle Regierungsparteien ab- gilit. Sie kann nach Lage der Dinge keine Ueberraschungcn b> tilgen,- denn die Bereitschaft zur Unterstützung des Schicck- kabinetts ist von dieser Seite aus eine Selbstverständlichkeit. Nochmals hört man die Warnung vor einer unzeitgemäßen Auflösung, den Hinweis auf den unerledigten Etat und auf die Gefahren, die sich für das Land aus einer Stockung in der staatlichen Finanzivtrtschast ergeben. Aber gerade weil die Regierungsparteien wissen, daß sie mit der breiten Darlegung solcher Bernunftsgrtinde an der politischen Lage nichts ändern können, haben sie auf die Verlängerung der Debatte durch Einzclrcdner verzichtet. Als Held des Tages wird der nationalsozialistische Red ner von Killtnger mit stürmischem Hallo begrüßt; denn in den Falten seiner Toga birgt er heute die Entscheidung über Krieg und Frieden. Im Nu füllt sich das seit Renners Rede geleerte Haus und begierig hängt es an Killingers Lippen. Aus der ironisch abfälligen Schilderung der Entstehungs geschichte des Kabinetts Schteck durch Herrn von Ktllinger bleibt der Eindruck hasten, daß die nationalsozialistische Ab neigung gegen die Beamtcnregierung hauptsächlich in der Gegnerschaft gegen die Demokraten, von denen die Anregung ausging, ihren Ursprung hat. Dann kommt unter einer Flut von Kraftworten eine formulierte Mißtrauenserklä- rnng. Die Begründung ist einfach genug: es handelt sich für die Nationalsozialisten nicht um die Besetzung des Ar- bcitsministeriums mit einem Minister schlechthin, sondern um die Ernennung eines Mannes, der ihr Vertrauen ge nießt. Der Zweck soll die „Ausrottung der roten Bonzen" aus der Zeignerzett sein. Einem Diktat der Volkspartei wollen sich die Nationalsozialisten nicht fügen. Und weil um gekehrt sich Ministerpräsident Schteck ihrem Diktat nicht ge fugt hat, wollen sie von ihm und seinem Beamtcnkabinett nichts mehr wissen. Das ist alles so scharf zugespitzt, daß eine Ucberbrückung der Gegensätze nicht mehr möglich er scheint. Die Landtagsauflüsung ist bei den Nationalsozialisten beschlossene Sache. Diesen Eindruck sucht als zweiter nationalsozialistischer Redner der Abgeordnete Kunz noch zu verstärken. Dabei kommt cs wegen seiner Angriffe gegen die sozialistischen Oberbcamten des ArbeitSmtnisteriums, die er als „Exponen ten einer korrupten Zeit" bezeichnet, zu stürmischen Auf tritten, die jedes Wort unverständlich machen. Bon rechts und links umringen die Abgeordneten die Tribüne, die National sozialisten eilen zum Schutze ihres Redners herbei, und manchmal scheinen die gegenseitigen Beschimpfungen in Tät lichkeiten ausarten zu wollen. Erst als Innenminister Richter das Wort ergreift, um für die angegriffenen Beamten seines Ressorts einzutreten, legt sich die Unruhe einiger maßen. Dann verklingt dieser Höhepunkt der Debatte in kincr kurzen Feststellung des Ministerpräsidenten, der den Nationalsozialisten gegenüber erklärt, baß er aus seinen Unterhandlungen mit dem Abgeordneten von Ktllinger nicht den Eindruck habe gewinnen können, daß die Nationalsozia listen die Besetzung des ArbeitSmtnisteriums zu einer Kabt- »cttssrage machen würden. So wichtig diese Feststellung ist, an der verfahrenen Lage scheint sie nichts mehr ändern zu können. Das Meer der Parteiletdenschasten ist in Aufruhr. Der rasende See will sein Opfer habe«. Dresden, den 14. Mat 1930. > Die Tagesordnung für die heutige Sitzung des Sächsischen Landtages umfaßt die Aussprache über die Regie rungserklärung sowie die Anträge aus Auslösung des Landtages, die von den Linksparteien gestellt wor den sind. Die Besprechung soll gemeinsam erfolgen. Die öffentliche Tribüne ist dicht gefüllt. Abg. Edel (Soz.) gibt eine Erklärung seiner Fraktion ab, die sich gegen eine Presseäußerung richtet. Die Sozialdemo kratie sei entgegen dieser Aeußerung für schnellste Behandlung des Auslösungsantrages. Abg. Renner (Komm.) erhält das Wort zur Geschäfts ordnung. Er trägt heute eine braune Joppe und wird mit dem Rufe begrüßt: „Renner ist unter die Braunhemden ge gangen." (Schallendes Gelächter.) Der Redner fordert, die A u f l ö s u n g s a n t r ä g e in sofortige Schluß beratung zu nehmen. ES müsse Schluß gemacht werden mit dem Komödienspiel im Landtag. Präsideut Weckel erklärt, bah am Schlüsse der Aus sprache über den Antrag Renners aus sofortige Schlutz- bcratung abgestimmt werden würde. Abg. Döchel ISoz.» eröffnet die Aussprache. Die Sozialdemokratie stehe in schärfster Opposition gegen die Regierung Schi eck. Wenn noch «in Zweifel an der reaktionären Ge- samttendrnz dieses Kabinett» bestanden habe, so sei er durch oie gestrige Regierungserklärung behoben worden. Für die große Masse habe diese Regierung nichts übrig, aber wenn es sich darum handle, den Besitzenden die Dinge zu erleichtern, da werde sehr konkret gesprochen. Die Regierung scheue auch nicht vor falschen Darstellungen zurück. Es sei niemals eine Mehrheit für die Beseitigung des Arbeits- und Wohlfahrts ministeriums vorhanden gewesen. Die Unruhe des Hauses ist zeitweise so groß, daß kaum ein Wort zu verstehen ist. Das Kabinett Schleck sei als MtnderheitSregie- run «geboren und so würde es auch bleiben. Schon seit Jahr und Tag werde versucht, unter Täuschung der Wähler zu regieren, ohne daß eine Mehrheit die Verantwortung tragen wolle. Die Ursache sei, daß man die beiden Flügel, Nationalsozialisten und Demokraten, nicht unter einen Hut bringen könne. Es bleibe keine andere Möglichkeit, als eine Regierung uach links unter Führung und Betritt» gung der Sozialdemokratie. Daß eine rein sozialistische Regierung infolge der dauernden Sabotage der Kommunisten nicht denkbar sei, bas sei ganz klar. Wenn aber keine andere Lösung möglich sei, müsse das Volk entscheiden. Es habe schon schlechtere politische Minister gegeben, als das Beamtenkabinctt. Aber wie solle eS denn existieren, wenn eS keine politische Mehrheit hinter sich habe? Wem solle es denn verantwortlich sein, wenn nicht dem Landtag und den Parteien? Dadurch, daß nach der Regierungserklärung die Zusammenfassung mehrerer Ministerien auch wieder aufgehoben werden könne, sei den Nationalsozialisten eine Brücke gebaut, «m doch noch an der Landtagsauslösung vvrbei- z«kom«e«. Die Nationalsozialisten feien die Strohpuppen der Arbeit geber. Die Sozialdemokraten brennten darauf, mit den Nationalsozialisten in den Wahlkampf zu kommen. Bei der Abstimmung über die Auflösungsanträge werde jeder seiner Fraktionsgenossen seine Pflicht tun, wenn er nicht todkrank sei. Bon einer Abkommandierung könne keine Rede sein. Die Landtagsauflösung müsse be schleunigt werde». Präsident Weckel teilt mit, daß die Fraktion der Deutschen Bolkspartei Einspruch gegen sofortige Schlußberatung de« AuslösungsantrSge erhoben habe. Infolgedessen sei heule eine Abstimmung nach »ee Geschäftsordnung nicht mSglich. «bv. De. »sicher «DNP.s gibt namens der Parteien, die den Ministerpräsidenten Schieck gewählt haben, folgende Erklärung ab: Wir begrüßen die von dem Herrn Ministerpräsidenten abgegebene Erklärung, die in unantastbarer Sachlichkeit den ernsten Willen zu praktischer Gesetzgebung und VerwaltungS- arbett erkennen läßt, und die das eifrige Bestreben zum Aus druck bringt, die wirtschaftlichen und sozialen Schmierigkeiten der Gegenwart mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu überwinden. Wir glauben, daß die Regierungserklärung ihren Eindruck auf alle Teile der Bevölkerung, -tc unser Land wirklich fördern wollen, nicht verfehlen wird, und sind bereit, die neue Regierung in ihrem Willen und ihrem Be streben tatkräftig zu unterstützen. Als die vornehmste Aufgabe, deren Lösung das Inter esse des Landes gebieterisch fordert, erachten wir die Berabschiedung des Staatshaushaltplanes, weil hiervon die Erteilung von Aufträgcn an die Wirtschaft ,ur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit und zur Beseiti gung der Erwerbslosigkeit, sowie die Gewährung von Mit teln zur Behebung sozialer Not, namentlich an Gemeinden und Bezirksverbände, vor allem aber die Förderung des Wohnungsbaues abhängt. Deshalb und weil die große Mehr heit der Bevölkerung von Regierung und Landtag praktische Arbeit und keine neue Beunruhigung durch Landtagswahlen mit ungewissen Erfolgen wünscht und erwartet, werden wir die Auflösungsanträge ablchnen. Wir sind damit einverstanden, daß der Herr Ministerpräsi dent den Versuch unternommen hat, die Zahl der Minister zu vermindern. Es ist obzuwarten, ob die sachlichen Beziehungen zwischen Wirtschaft und Finanz auf der einen und zwischen innerer Verwaltung und Wohlfahrt und Arbeit aus der anderen Seite bei gemeinsamer Verwaltung je durch einen Minister zu einer Verbilligung, Beschleunigung und Erleichte rung der Verwaltung führen werden. Jedenfalls kann man aus der Absicht, diesen bisher schon laufenden Versuch, und zwar ohne Verschmelzung des Verwaltungsapparats noch weiter sortzusetze», die Landtagsauslösung unmöglich recht fertigen und daraus keinen wirklichen Grund für die Neu wahlen hcrleiten. Wir halten vielmehr Neuwahlen aus solchem Anlaß mit den berechtigten Interessen der Bevölkerung, namentlich auch der Arbeiterschaft, für schlechterdings unvereinbar. «bv. Rvnner (Kom.l billigt der Regierungserklärung zu. baß sie die am rgffinierteste» und geschicktesten ausgearbeitete Regierungserklärung sei, die man seit jeher hier gehört habe. Aber diese Raffinesse bedeute noch keineswegs, daß ihr Inhalt etwas Positives be sage für die breiten Massen. Es scheine, als ob die Er klärung im Verband Sächsischer Industrieller ausgcarbcitet worden sei. Das Proletariat lasse nicht auf die Dauer mit sich spielen. Gegen verschärften Terror werde mit verschärften Gegenmaßnahmen geantwortet werden. Bei der langen Rede Renners leert sich das Haus zu sehends. Außer der Regierung und den Fraktionsgenossen Renners sind nur etwa 10 Abgeordnete anwesend. Abg. v. Killinger lAatfoz.) bezeichnet dieRegierungSchieckalsetnBerlegen» heitsprodukt, wie man es sich nicht schöner vorstellen könne, von den Parteien, die Auflösung und Neuwahlen scheuten. Wie konnte es möglich sein, daß die anderen einfach das restlos schluckten, was ihnen die Demokraten zu bieten wagten? Die Regierung Bünger sei durch die National sozialisten gestürzt worden, aber auch durch die Deutsche Volks- Partei selbst. Er könne sich nicht vorstellen, daß sich im Minister- rat nicht eine Stimme gegen die Ratifizierung des Bonn«. Plans erhoben habe. Man habe geglaubt, daß die National sozialisten ihre Schlüsselstellung nicht benutzen würden, um Einfluß zu bekommen, aber die Nationalsozialisten ließe« nicht mit sich spielen. Jetzt glaube die Regierung, die Nationalsozialisten wieder vor vollendete Tatsachen stellen zu können, da machten sie jedoch nicht mit. Mit dem Beamtenkabinett seien die Nationalsozialisten nicht einverstanden. Sie dächten nicht daran, sich dem Diktat der Demokraten zu beugen. In dem Arbeits Ministerium äußere sich immer noch die Zeignerzett. Der Redner nennt den Fall Tempel, den Scidemannskandal. Die Nationalsozialisten wollten das Arbeitsminifterinm für sich haben, wollten eS mit einem ihnen nahestehenden Beamten besetzen, damit reine Bahn geschahen werde. „Bcamtenkabtnett" sei ein dummes Schlagwort. Diese Minister sollten unpolitisch sein? Damit könne man wohl politischen Spießern imponie- ren. nicht aber den Nationalsozialisten. Die Rede von Killingers ruft oft stürmischen Widerspruch und Heiterkeit hervor, so daß vieles aus der Pressetribüne verloren geht. Abv- Kunz IRattoz.) weist Vorwürfe der Linken zurück, baß seine Partei vom internationalen Kapitalismus bestochen worden sei. Die Linke wollte mit diesen Angriffe» ihre eigenen Bütteldienste ver tuschen. Die Landtaasa«flösn«a sei keine speziell sächsische Sache. Es handle sich um die deutsche Schicksalsfrage über haupt, die in diesem Zusammenhänge zur Debatte stehe und gelöst werben müsse. Das neue Kabinett sei genau so politisch gebunden wie das alte. Damit würde nur die Unzulänglich keit der Parteien verdeckt. Als der Redner die Linke, besonders die Sozialdemokraten» scharf angreift, nnb Ministerialdirektor Dr. Sittel und Ministerialrat Dr. Mayer die Exponenten einer korrupten Zeit nennt, schwillt der ohnehin fast andanernbe Lärm außer» ordentlich an. Mehrere Sozialdemokraten springen von ihren Plätzen aus und wollen ans Sunz eindringen. Man hört Rufe wie „Halt die Schnanze", „Dumme»J«nge«-Manier"» „dreckiger Lnmp". (Sortfetznna stehe nächste Seiles