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Nummer 2 — 26. Jahrgang kmol Ivöch. Bezugspreis sür Januar J.ÜO einschl, SesteNgelo Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 39^. Stellengesuche 89 L. Die Petitreklamezeile. 89 Milli meter bien. 1 ^l. Offertengebühren sür Selbstabholer 20 L. bei Uebersenbung vurch sie Post aufterüem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1« Sonntags-Nr. 15 Geschäft!. Teil: Friedrich Rieser in Dresden- ZBtllMlw Dienslag, 4. Januar 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung o Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Per, antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Nückportt nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrh Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresdey pelrvsren Niile Mülien v fpieüriek 0re»«Ien»A. pjllnitrer Ltr. 46 Uu« 2747Y bic^pkl. slllgo in »onlzsn SIUNÜ6N iMelirls?! vs Nlillelii.z! ^ 1-!-! IMS », resii <Seschiift»ftell«, Druck und Berta« r Saronia- Buchdrcickeret »mbH., Dresden.«. 1. Polierstrotze 17» Fernruf 21012. Postscheckkonto Dresden 11727. Bmikkonto: Dresdner »an», Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen DreSden-iUIst-dt 1, Potterstratze 17, und 21012. Fernruf Der polMsche Jahresbeginn Die NeujahrsempfSnge beim Reichspräsidenten — Marx und Äindenburg über die Erfolge des vergangenen und die Aufgaben des kommenden Jahres Berlin. 3. Januar. Reichspräsident von Hindenburg empfing am Reujahrstage um 12 Uhr die Chefs der hiesigen diplomatischen Vertretungen. Während der Auffahrt der Diplomaten erwies eine Abteilung Reichswehr im Ehrenhof des Reichspräsidiums die militärischen Ehrenbezeugungen. Im Anschluß daran empstng der Reichsprä sident den Reichskanzler, sowie die in Berlin anwesenden Reichsminister und Staatssekretäre der Reichsregierung. Ferner sprachen ihre Glückwünsche aus Vertreter der Wehr macht, der Reichsbahn, der Reichsbank, des Reichsrates und des Reichstages. Den Abordnungen dankte der Reichspräsident mit warmherzigen Worten. Während der Empfänge hatte sich vor dem Palais des Reichspräsidenten eine vielköpfige Menge ange- sammelt, die das Deutschlandlied anstiinmte und dem Reichs präsidenten Ovationen darbrachte. Nuntius Pacelli. der Doyen des diplomatischen Korps, richtete beim Empfange der Diplomaten an den Reichspräsidenten folgende Ansvrache: „In dem zu Ende gegangenen Jahre, das seinen Stnmpel da durch erhalten hat, daß der große Staat, dessen höchstes Amt, Sie, Herr Reichspräsident, so weise verwalten, in den Völker bund eingetreten ist, hat der Gedanke des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit trotz mancher Schwierigkeiten und Hindernisse einen neuen mächtigen Aus schwung genommen. Zwar läßt sich die tatsächliche, endgültige Auswirkung derartiger Bemühungen noch nicht genau übersehen, aber ganz zweifellos ist es tröstlich festzustellen, daß der Ge danke der Solidarität der Nationen im Bewußtsein der Völker immer klarer und tiefer geworden ist. Mögen in dem Jahre, dessen Anbruch wir heute begrüßen, diese Keime sich entwickeln, wachsen und reiche, heilbringende Früchte der Wohlfahrt und der Befriedung tragen! So wird cs mit Hilfe der göttlichen Vorsehung möglich sein, den durch den furchtbaren Weltkrieg in seinen lebenswichtige» Funktionen gestörten wirtschaftlichen und sozialen Organismus auf gesunden festen Grundlagen wieder aufzubauen. Dann wird das Echreckbild der Erwerbslosigkeit verscheucht wer den können, das sür die ungeheure Menge der werktätigen Be völkerung unsagbare Leiden und körperliches, geistiges und mo ralisches Elend bedeutet. Möge das neue Fahr die Menschheit vor allem durch imiwer engere Bande der Brüderlichkeit in den hohen Idealen der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Liebe vereinen, auf denen das Glück der Völker ruht." Der Reichspräsident erwiderte die Worte des Nuntius mit einer herzlichen Ansprache, in der ers aglc: „Mit aufrichtigem Tanke nehme ich die in so warme und herzliche Worte gekleideten Glückwünsche entgegen, die sie im Namen des Diplomatischen Korps dem deutschen Volk und mir als seinem Vertreter dargebracht haben. Nach den Spannungen und Erschütterungen der vergangenen Jahre sind die Völker in der Tat Zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden, in ihren politischen, wirtschaftlichen und geistigen Lebensnot wendigkeiten mehr denn je aufeinander angewiesen. Jedes Volk hat in erster Linie das Rocht und die Pflicht, sein politische Unabhängigkeit, seine Freiheit und seine Eigenart auf recht zu erhalten. Das soll »nö darf aber nicht hindern, auf der Grundlage der Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung aller Nationen das allgemeine Wahl der Menschheit zu pflegen und zu fördern. Seien Sie überzeugt, daß das deutsche Volk in diesem Sinne mit aller Kraft an der Erreichung des hohen Zieles der Völkerverständigung Mitarbeiten wird. — Möge das neue Fahr die Wünsche, mit denen wir heute sein Kommen begrüßen, möge es das tiefe Verlangen der Menschheit nach ruhiger, gedeih licher Arbeit und nach einer wahren Friedensge>»ei»scl>nst der Völker erfüllen. Reichskanzler Tr. Mary gab beim Empfange der Reichsrcgicnuig einen Rückblick auf daö vergangene Jahr: Nicht leicht war der Weg, den das deunche Volk im Jahre 1926 zurückgelcgt hat. Nur in ersten Anfängen war eine Neuerung der schwierigen Wirt- jchaftslage bemertbar, und besonders die' im Mittel punkt der wrrtichastlichen Nöte stehende Arbritslofig-c keit weist immer noch einen besorgniserregenden Umfangs auf. Immerhin darf festgestellt werden, daß die Mahnung zu Arbeit und Zpar'amkeit, die Sie, Herr Reichspräsident, vor einem Jahre hier ausgesprochen haben, nicht unbe achtet geblieben ist. Im Zusammenwirken von Regierung^ Parlament und Wirtschaft, von Reich und Ländern, find be-, trächtliche Anstrengungen mit dem Ziel der Arbeitsbe«! schaff u n g entfaltet worden, während es andererseits ge-, lungen ist, trotz steigender Laste» den Reichshaushalt ohne' tatiächliche Anleiheaufnahme auszugleichen und den Haus halt des kommenden Jahres in den Grenzen des Voraus- gegangenen zu halten. Die fest fundierte Stabilität der Reichsmark gab dem Ausland volles Vertrauen in dis Stetigkeit der deutschen Finanz- und Wirtschastseiitwick- lung. Auch auf dem rein Politischen Gebiet hat sich Deutsch land in wachsendem Matze die Achtung des Auslandes und die Berücksichtigung seiner Lebensinteressen gesichert. Während die deutsche Außenpolitik ichon be stehende Freundschaften sorgfältig gepflegt und weiter ver tragsmäßig verankert hat, war sie zugleich bemüht, die Be ziehungen zu früheren Gegnern immer mehr auf die Grund lage der gegenseitigen Verständigung und Gleichberechtigung zu stellen. Die Räumung der Kölner Zone, der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund mit ständigem Ratssitz, die Regelung der Jnvestigationssragc und die zugesagte Zu rückziehung der fremden Kontrollorgane kennzeichnen das Fortschreiten in dieser Richtung. Erfreulicherweise konnte sich dabei die politisch: Leitung dn zunehmendem Maße auf einen die verschiedensten Bevölkerungsschichlen und Par teigruppierungen umfassenden Willen zum Wiederaufbau der deutichen Weltgeltung mit den Mitteln einer ebensosehr auf die friedliche Verständigung wie auf die Wahrung der nationalen Würde bedachten Politik stützen. Dieser Z»g z» einheitlicher Willensbildmig in de» gro» ßen Lebensfragen der Nation, von dem wir wümcken und hoffen, daß er sich immer stärker entfaltet, berechtigt zu der Erwartung, daß unter ihrer vorbildlichen Leitung Deutsch lands Bemühungen um die europäische Verständigung zum Wohl des deutschen Volkes und der internationalen Ge« meinichaft erfolgreich fortgeführt werden. Der Reichspräsident erwiderte: Gern erkenne ich mit Ihnen, Herr Reichskanzler, an, daß das abgelaufene Jahr uns auf dem Gebiete der Außenpolitik wie im Innern gewisse Fortschritte gebracht hat. Aber noch harren wichtige Ausgaben der Lösung: sie soll das neue Jahr uns bringen. In erster Linie muß es unser aller gemeinsames Ziel sein, baldigst die Räumung des immer noch besetzten Gebietes zu erreichen. Im Bereiche der inneren Politik ist am dringendsten die Behebung dev wirtschaftlichen'-Not. Daneben harren wichtige sozialpoli tische Fragen, harrt die Neuregelung der finanziellen Be ziehungen zwischen Reich und Ländern der Lösung. Wir wollen am heutigen Tage hoffen und wünschen, daß es im neuen Jahre gelingt, all diese bedeutsamen Ausgaben durchzuführen und damit eine Grundlage zu chassen, auf der die weitere Geiundung und der Wiederaufstieg unsres Volkes sich vollziehen kann. Hierzu ist die erste Voraus setzung, daß in alle,, Lebensfragen unsrer Nation der einig« Wille und die z u > a m m e n g e f a ß t e Kraft aller Teile und Schichten unseres Volkes eingesetzt werden können. Daher richte ich auch an diesem Tage und von dieser Stelle aus an unser Volk, an alle Parteien und alle Perufsstände den dringendcn Appell, nicht imm.r oie Verschieden heit der Weltanschauungen »nd die Ge gen sä Ke »er Fittcrcsscn i» den Vordergrund zu sielten, sono rn sich in erster Linie von der Rücksicht ans das Gesamtwohl des Vaterlandes leiten zu lassen. Nur wenn dieser Ge danke Gemeingut aller unserer Volksgenossen ist, können wir das Gespenst in unserem Hause, die Zwietracht und die Zerrissenheit, bannen und die ernsten Aufgaben, di« unser harren, so lösen, wie cs das Wohl des Vaterlandes und seine Zukunft fordern. Preußen — Deutschland Von Adam Röder, M. d. R. (Nachdruck verboten.) Seit vielen Jahrzehnten wird in Deutschland durch Hochschulen, Mittelschulen und Volksschulen im Bunde mit einer unwissenden Publizistik die Meinung verbreitet, daß Preußen geschichtlich der Schöpfer des deutschen Reiches sei, daß Preußen geschichtlich als Vertreter des deutschen Reichsgedankens angesprochen werden müsse. Diese Auffassung ist namentlich seit 1871 zu einem Gemeingut der Volksvorstellung geworden. Vom klein sten Lesebuch der Volksschule bis zum Kollegheft der Ge schichtsstudenten zog sich wie ein roter Faden durch allen Geschichtsunterricht die These: P r e u ß e n als B a n n s r- träger des Reichsgedankens. Solche Vorstel lungen in die Köpfe gehämmert und in die Herzen veran kert, wirken wie eine gewaltige Suggestion und schaffen '.in Vorurteil, das schwer auszurotten ist. Aber die bessere Geschichtserkenntnis läßt sich auf die Dauer doch nicht unterdrücken, die Wahrheit marschiert und dringt auch allmählich in die Volksauffassung ein. Die unabhängige Geschichtsschreibung hat es seit vielen Jahrzehnten festgestellt, daß Preußen, daß die t r a d i t i o- nelle preußische Politik nicht nur nichts für das Reich getan, sondern wo es ging, dem Reich »nd seiner Festigung e n t g e g e n arbeitete. Die preußische Politik hat seit dem Großen Kurfürsten ganz konsequent nur die Vergrößerung Preußens und die Festigung der Hohen- zollernschen Dynastie im Auge gehabt. Und es ist wahr lich kein journalistischer Zufall, sondern der Durchbruch einer spezifisch preußischen Grundanschauung, wenn das Organ des ostelbischen Junkertums, die „Kreuzzeitung" behauptete: „Germania non necesse est — Borussia ne- Unser neuer Roman mit dessen Abdruck wir ln der heutigen Nummer begin nen, ist das berühmteste Werk der englischen Schrifistrl- lerin G. Eliot und spielt in Florenz zur Zeit des prunksüchtigen, gewalttätigen Medieser Geschlechts und des geheimnisvollen Dominikanerpredic.ers Savona- rola. — Abenteuer, Intrigen, mysteriöse Fremde, dis Geschichte einer edlen Frau, der Tod Savonarolas — oll das ist mit spannender Gewalt geschildert und macht den Roman „Romola" zu einem großartigen Erlebnis. cesse" — das deutsche Reich ist nicht notwendig, wenn nur Preußen besteht. Diese Anschauung war stets und stän dig bis zum Wilhelm l. das Grundthema preußischer Po litik. Auch Wilhelm I. wollte vor allem nur preußischer König sein: die Machterweiterung der hohenzollernschen Dynastie galt auch diesem ehrlichsten Manne des Hauses Hohenzollern als erster Gesichtspunkt preußischer Politik. Als Oesterreich 1866 mit Hilfe einer ausländischen Macht, Italien, aus dem deutscken Reich entfernt wurde, war das eigentliche Ziel Preußens erreicht. Es ist flagrante Un ehrlichkeit und politische Brunnenvergiftung, die preu ßische Politik als reichsdeutsche Politik zu qualifizieren. Man braucht nicht auf Onno Klopp und nicht auf Kon stantin Frantz allein zurückzukommen, uin darzutun, daß seit dem „großen" Kurf ü r st e n alle Hohenzollern planmäßig daran arbeiteten, die preußische Hausmacht auf Kosten des Reiches zu vergrößern. Es ist in allen sach tchen Geschichtsbüchern zu lesen, daß es der große Kur- ürst mar, der jede Gelegenheit, dem deutschen Reich zu chaden, benützte. Die brutale Ländergier des sranzö- ischen „roi soleil", Ludwig Uv. wäre unmöglich gewesen, wenn sie nicht von dem Brandenburger unterstützt wor den wäre. Immer wieder hat Friedrich Wilhelm Geld unterstützungen voll Ludwig XIV. angenommen, auch der V e r l u st S t ra ß b u r gs an Frankreich ist auf sein Kon to zu schreiben. Es ist doch durch keine Sophistik die Tat sache aus der Welt zu schaffen, daß Friedrich Wilhelm oersprach, Ludwig XlV. zum Kaiser von Deutschland zu wählen, wenn die vom Kurfürsten geforderten Subsidien gewährt werden. Und Friedrich n. hat erst recht keine andere Po litik als die der Machterhöhung seines Hauses und seiner Dynastie auf Kosten des deutschen Reiches getrieben. Die ser durch und durch undeutsche Fürst, für den es nur eine französische Literatur und Kultur gab, der nichts wußte von Leibniz, Lessing, Goethe, Shakespeare, der nicht ein mal ordentlich deutsch sprechen und schreiben konnte, der das Christentum als eine Ausgeburt der Dummheit be- zeichnete und mit französischen Enzyklopädisten und Po- pularphilosophen deutsche Sitte und Sittlichkeit verspottete und welschen Lastern anhing, hat Preußen auf Kosten des Reiches groß gemacht. D. h. Preußen war er selbst, sein Haus, seine Dynastie: das deutsche Reich war ihm eine lächerliche Fiktion. Die Art. wie er den ersten schlesischen Krieg begann, war eine Frivolität, ein Treubruch und in seiner Wirkung ein Verrat am Reich. Aus dem schlesischen Krieg folgerte der siebenjährige, der nächst dem 30jährigen Deutschland am schlimmsten verwüstete. Zu Beginn dieses Krieges brach Friedrich in Sachsen ein und die Reichsversammlung in Rcgensburg verhängte die Reichsacht über ihn. Auch diesen Krieg gewann Fried rich trotz schwerer Niederlagen bet Hochkirch und Kun- nersdorf: er behielt Schlesien. Aber um welchen Preis! Das ganze Land war verwüstet, aller Wohlstand vernich tet, Feld und Flur lagen brach, die Zahl der Krüppel und Bettler wuchs ins Uebergroße. Freiherr von Studrach schrieb aus Lissa am 9. Dezember 1707 an den Kriegs minister, es sei ihm nicht möglich, das Elend länger anzu- sehen: „sie krepieren nicht allein an ihren Wunden, son dern vielmehr aus mangelnder Subsistenz". Die Dörfer verwüstet, die Städte zertrümmert, alle Mittel aufge braucht — das ist das Ergebnis eines aus Frivolität und Machtgier entstandenen Krieges, an dem das deutsche Reick zugrunde ging. Als 48 Jahre nach der Schlacht bei .-öwch- kirch die furchtbare Niederlaae der Preußen bei Jena and Anerstädt erfolgte und auch Oesterreicks Macht durch 'Na poleon gebrochen war, da legte Franz Joseph die Kaiser krone nieder, die seit Friedrich il. „siegreichen" Krieaen doch nur eine leere Dekoration bedeutete. Planmäßig hat Friedrich n. am Zusammenbruch k » Reiches aeorb-i- tet und sein, Nachfolger setzte dem allem die Krone auf. da er durch den Frieden von Basel, um den Preis weiterer Gebietserweiterungen für Preußen, weite Teile des rechts rheinischen Deutschland an Frankreich auslieferte. Selbst wenn man den kleindeutschen Standpunkt gel- teil lassen könnte, bleibt die Tatsaä)e bestehen, daß die spe zifisch preußische Politik zu allen Zeiten der Reichspolitik