Volltext Seite (XML)
Ludovit Rajter während des „Prager Frühlings" mit Klara Havh'kovä als Soli stin uraufgeführt. Das Werk vereinigt Elemente des Solokonzertes mit deut lich sinfonischen Zügen. Seine Großform ist durch DreiteiIigkeit gekennzeichnet: Marcia interrotta (unterbrochener Marsch), dem eine kurze Einleitung (Intro- duzione) vorangestellt ist, Notturno tempestoso con un minuetto antico (stür misches Nachtstück und Menuett im alten Stil) und Sketch. Das Menuett bil det den Mittelteil des zweiten Satzes, seine verkürzte Reprise dient als Über leitung zum dritten Satz. Sehr expressiv, dynamisch sind die Ecksätze ange legt, mehr impressiv, zugleich am farbenreichsten instrumentiert ist der Mittel satz. Die bei Suchen seltene Ausdruckshaltung des Grotesken prägt den hu morvoll-ironischen Schlußteil der Suite, der auf seinem Höhepunkt themati sches Material des ersten und dritten Satzes vereint. Die Klanglichkeit des Werkes wird durch Suchons unkonventionelle und freizügige Handhabung der Zwölftontechnik bestimmt. Aus Terzkomplexen, übermäßigen Quarten, vermin derten Quinten, kleinen Sekunden und großen Septimen gebildete Acht- bis Zwölftonklänge sind charakteristische Kennzeichen der Komposition. Der Kla vierpart ist reich an Akkorden und deren Zerlegung, enthält ferner melodische Partien, Triller und Tremoloabschnitte. Die intervallmäßige Konzeption der Ak- kordik bedingt den vorwiegend homophonen Stil des Werkes, in dem linearer Kontrapunkt nur selten erscheint wie in der freien Imitation des Menuettes oder als dreistimmiger Kanon im Schlußsatz. Häufig treten Ostinati auf. Moto risch hämmernder Rhythmus dominiert, besonders im Marsch und im Sketch. Er verleiht der Komposition mit ihren ohnehin vielfach altslawisch anmutenden melodisch-rhythmischen Gebilden einen kraftvoll-archaischen Charakter. Franz Schuberts Ouvertüren D-Dur und C-Dur entstanden Ende 1817 zwischen dem ersten Satz und den übrigen Sätzen seiner 6. Sinfonie. Sie wur den gestaltet „im italienischen Geschmack und dem Diktator desselben, Herrn Rossini, nachgebildet", wie in der Wiener Presse nach ihrer ersten Aufführung mit Anerkennung verzeichnet wurde. Es sind die spritzigsten und elegantesten Instrumentalstücke Schuberts geworden, die den Vergleich mit dem Vorbild wohl aushalten. Er selbst war nicht wenig davon überrascht, daß ihm aus gerechnet diese beiden Werke den Weg in die Öffentlichkeit bahnten. Er hatte sie im Handumdrehen niedergeschrieben, um nach einer hitzigen Diskussion im Liebhaberverein die Probe aufs Exempel zu liefern, „derlei Ouvertüren kön ne er jederzeit aus dem Ärmel schütteln". Und um seinen Leuten den Beweis recht deutlich unter die Nase zu reiben, leistete er sich den Spaß, die be kannteste Melodie aus Rossinis „Tancred", die damals die Runde machte, im Mittelteil seiner D-Dur-Ouvertüre zu zitieren („Di tanti palpiti"). Trotz dem kann von einer Parodie keine Rede sein, über den „italienischen Ge schmack" sich lustig zu machen, lag Schubert durchaus fern. Dazu hatte er vor Rossinis Genie zu begründeten Respekt, für die volkstümlichen Elemente seiner Musik einen zu sicheren Blick. Der einstimmige Fluß der leicht beglei teten Melodie, ihre unvermeidliche Symmetrie, die unbekümmerte Terzen- und Sextenverdoppelung, die unentrinnbare Stretta-Technik, die automatenhafte Wiederholung der Abschnitte, der zündende, federnde Rhythmus und die sorg fältige Crescendo-Regie der „Walzen" — alle kulinarischen Ingredienzen aus Rossinis Ouvertüren-Küche hat Schubert sehr genau beobachtet. Man merkt es ihm förmlich an, welchen Spaß ihm die Stil-Kopie gemacht hat. Um sie aber mit solch überlegenem Spaß zu betreiben, muß man schon ein Eigener sein. Bohuslav Martinüs Schaffen repräsentiert im internationalen Musik leben wohl am nachhaltigsten den Begriff der tschechischen Gegenwartsmusik, ohne daß dieser — bei der stattlichen Schar bedeutender zeitgenössischer Komponisten unseres Nachbarlandes — darauf beschränkt wäre. Im Gesamt werk des vielseitigen, kraftvoll eigenständigen Komponisten dominiert (obgleich der tschechische Meister auch zahlreiche musikdramatische Werke geschrieben hat) der Anteil der Instrumentalmusik, vielleicht weil die instrumentalen Aus drucksmöglichkeiten seinem Temperament und seiner Ansicht vom schöpferischen Prozeß mehr entsprachen, über Entstehung und Inhalt von Martinüs am 26. August 1956 durch die Wiener Philharmoniker unter Rafael Kubelik bei den Salzburger Festspielen uraufgeführter Orchesterkomposition „Die Fresken des Piero della Francesca" schrieb Milos Safrdnek, der Biograph des Komponisten: „Im April 1954 unternahm Martinü eine Autofahrt; bei wun derschönem Frühlingswetter bereiste er die italienische Halbinsel. Als er bei Perugia in das Tibertal einbog, gelangte er bis Borgo San Sepolcro. Hier, in dem Gemeindehaus eines abgelegenen Dorfes, war jahrhundertelang ein Fres ko unter einer Mörtelschicht verborgen gewesen: die .Auferstehung' von Piero della Francesca (um 1460). Von diesem Maler sind auch acht berühmte Bilder, die die Legende vom Heiligen Kreuz darstellen, im nahen Arezzo zu sehen. Martinü war von der schlichten, natürlichen, ungekünstelten Würde des Werkes Pieros tief ergriffen. Die Legende vom Heiligen Kreuz wird im Werk des Ma lers zum Ausdruck seiner Bewunderung für alles, was beim Menschen bewun dernswert ist, umgewandelt. Und so wählte Martinü die Fresken von der Kan zel der San Francesco-Kirche in Arezzo als Motto einer Orchesterkomposition und nannte sie ,Die Fresken des Piero della Francesca'. Die .Fresken' sind meditativ und im Ausdruck rein lyrisch. Sie bilden eine Suite in drei Sätzen für großes Orchester, ohne Klavier, aber mit Harfe und acht Schlaginstrumenten, mit einem langsamen Mittelsatz. ,Die Form ist gelockert, und nichts wiederholt sich hier; es gibt keine Durchführung oder Variationen, das musikalische Material ist sozusagen lose angehäuft und hält dennoch zu sammen'. Das war während eines unserer Gespräche in Paris Martinüs Kom mentar zu den Fresken. So wie in den Fresken des Malers gibt es auch im Tonwerk keine dramatischen Szenen, und alles ist — um mit dem Komponisten zu sprechen — .Ruhe und Farbe'. Der Inhalt des ersten Satzes ist das Spiegel bild der Eindrücke, die der Autor beim Anblick des Bildes gewann, das die Königin von Saba zusammen mit König Salomo darstellt. Im zweiten Satz wird Konstantins Traum vertont. In ihm finden wir Andeutungen an Martinüs typi sches Mährertum. Rhythmische Energie tut sich im dritten und letzten Satz kund (Poco allegro), in dem der Autor seinen allgemeinen Eindruck von den Fres ken wiedergibt. Die Fresken sind nach der 6. Sinfonie Martinüs erstes Orche sterwerk. Sie weisen jedoch einen ganz anderen Charakter auf: fröhlich, voll inneren Friedens, vielleicht auch italienisch gefärbt, wenn wir uns die Schön heit des südlichen Landes im Frühling vorstellen, da das Werk in des Künsters Geist zu keimen begann.“ VORANKÜNDIGUNG: Donnerstag, den 21. Juni 1979 20.00 Uhr (Anrecht B) Freitag, den 22. Juni 1979, 20.00 Uhr (Anrecht C 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 10. ZYKLUS-KONZERT und 10. KONZERT IM ANRECHT C FRANZ-SCHUBERT-ZYKLUS Dirigent: Johannes Winkler Solist: Ralf-Carsten Brömsel, Dresden, Violine Werke von Schubert, Weiss und Debussy Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit1978/79-Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in Schuberts Italienische Ouvertüre D-Dur schrieb Prof. Dr. Harry Gold schmidt, Berlin Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna — 111-25-12 2,850 T. ItG 009-47-79 EVP —,25 M 9. ZYKLUS-KONZERT und 9. KONZERT IM ANRECHT C 1978/79