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Erscheint i Mittwoch und Sonnabend. Als Beiblätter: l. Illustr. Sonntergs- k>latt (wöchentlich), L. Eine tcrndwirth- fctzcrftrtcHe Weirage (monatlich). Abonnements - Preis: Bierteljährl. I M. 25 Pf. Ans Wunsch unentgeltliche Zusendung. Inserate sind biS Dienstag u. Freitag, Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor« puszeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. Geschäftsstellen bei Herrn Buchdruckereibes.P abst in Königsbrück, in den An» noncen-Bureaus von Haasin- stein L Vogler u. „Jnvalidcn- dank" in Dresden, Rudolph Mosse in Leipzig. Zu WuLsnih. Königsbrück, Radeberg, Radeburg, Moritzburg uud Rnlgegend. Blatt und des Stadtrathes Amts- des Aönigl.UmLsgerichLs Druck und Verlag von E. L. Först er's Erben in Pulsnitz. RiewnddrMzigstsu AshugÄNg. Verantwortlicher Redakteur Gustav Häberlein in Pulsnitz. 6. April 1892. Mittwoch. B. Auf Folium 4 des nach dem Gesetze vom 15. Juni 1868 geführten Genossenschaftsregisters für den Bezirk des unterzeichneten Amtsgerichts ist heute der Turnverein für Großröhrsdorf als juristische Person eingetragen worden. Pulsnitz, am 4. April 1892. Das Königliche Amtsgericht. Or. Hempel. Die Reichstagssession. Die erste Vollsession des am 20. Februar 1890 ge wählten deutschen Reichstages hat am Donnerstag endlich ihren wirklichen officiellen Abschluß gefunden, es können jetzt also die Reichsboten auf eine beinahe zweijährige Thätigkeit zurückblicken, denn am 6. Mai 1890 trat das gegenwärtige Reichsparlament zum ersten Male zusammen und in der Zwischenzeit ist es zwar wiederholt auf meh rere Monate vertagt worden, ein formeller Schluß konnte indessen aus Gründen der geschäftlichen Lage niemals er folgen. Es ist demnach am verflossenen 31. März eine Riesensession zu Ende gegangen, wie sie in den parlamen tarischen Annalen des neuen Reiches in solcher Ausdehnung noch niemals zu verzeichnen war und dies rechtfertigt ei nen nochmaligen Rückblick nicht nur auf den im November vorigen Jahres begonnenen letzten Sefsionsabschnitt, son dern anch auf die gesammte nun abgeschlossene Sitzungspe riode des Reichstages überhaupt. Läßt man hierbei die hervorragendsten gesetzgeberischen Erfolge desselben zunächst Revue passiren, so zeigt es sich, daß der Schwerpunkt der Reichstagsbeschlüsse auch diesmal wieder auf socialpolitischem Gebiete lag. In dieser Beziehung muß als das Haupt werk des Reichstages das sogenannte Arbeiterschutzgesetz betrachtet werden, welches in Gestalt der Novelle zur Ge werbeordnung den Reichstag gleich nach seinem ersten Zu sammentritte in Anspruch nahm und viele Monate hindurch beschäftigte; bekanntlich sind einige der wesentlichsten Be stimmungen des genannten umfangreichen Gesetzes am 1. April d. I. in Kraft getreten. Eine weitere wichtige so cialpolitische Arbeit hat der Reichstag erst vor kurzem zum Abschluß gebracht, die Novelle zum Krankenkassengefetz; auch deren Berathung zog sich durch viele Monate hindurch. Zu den nennenswerthen socialpolitischen Ergebnissen der vollendeten Reichstagssession wäre noch das Gesetz über bie Einführung von Gewerbegerichten, welches bereits im ersten Sessionsabschnitt zur Annahme gelangte, zu zählen. Andere hervorragende Arbeiten waren die Beratungen und Feststellungen des Reichshaushaltsetats und der hier mit zusammenhängenden Vorlagen, besonders der Militär- Vorlage des Jahres 1890, weich' letztere mit bedeutender -Rehrheit genehmigt wurde. In das Gebiet der Colonial- pvlitik gehörten der Nachtragsetat für Ostafrika und die ^anioa-Vorlaze, welche die Censular - Gerichtsbarkeit aus 'damoa regelt, sowie die in dem letzten Missionsabschnitte Mehmigte Vorlage über die Aufstellung von Etats für A Schutzgebiete. Durch fast einstimmige Annahme des Gesetzentwurfes, betr. die Vereinigung der Insel Helgoland All dem Deutschen Reiche, bekundete der Reichstag seine Zustimmung zur ersten größeren colonialpolitischen That „neuen Courses", dem Ostafrika - Vertrage zwischen ^cutschland und England. Eine hochwichtige Entscheidung ^ur aber wiederum dem letzten Theile der Thätigkeit der uteichsboten Vorbehalten, diejenige über die neuen Handels- Atträge Deutschlands mit Oesterreich-Ungarn, Italien, Belgien und der Schweiz. Mit großer Mehrheit wurden lummtliche Verträge vom Parlamente nach allerdings leb- Mten Debatten angenommen und hiermit die vom Mini sterium Caprivi eingeschlagenen Handels- und zollpolitischen " entschieden gutgeheißen. Neben diesen hauptfüch- 'Wen gesetzgeberischen Äufgaben wurden jedoch vom Reichs te noch eine große Anzahl zweiten und dritten Ranges ^r verschiedensten Gebiete erledigt, so in den früheren ^essionsabschnitten die Novellen zum Strafgesetzbuch (Be- r der Verwendung u. s. w. entwertheter Postwerth- -cichen und der Beschädigung von Thelegraphenanlagen) »um Vatentgesetz und zum Muster- und Markenschutzgesetz, ^Handelsvertrag mit Marokko u. a., im letzten Sessions- Schnitt aber namentlich das Weingesetz, das Telegraphen- tn-K das Gesetz über die Gesellschaften mit beschränk- Hutung. Schließlich nahmen auch zahlreiche Anträge, vmtlonen u. s. w. die Arbeitskraft des Hauses mehr oder weniger in Anspruch. Eine Anzahl Gesetzentwürfe aus jüngster Zeit, wie das Checkgesetz, das Znhältergesetz, das Trunksuchtsgesetz u. a., mußten unerledigt bleiben. Die Thätigkeit des Reichstages innerhalb des nun fast zweijährigen Zeitraumes seines Zusammenseins ist demnach eine recht fruchtbare gewesen und gewiß darf man hoffen, daß die in dieser Zeit zu Stande gekommenen gesetzgeberischen Arbeiten dem Vaterlande nur zum Segen gereichen werden. Einen derartigen ersprießlichen Verlauf der Session hätten wohl Viele in Anbetracht der Zusam mensetzung des jetzigen Reichstages kaum erwartet, da in demselben die Gegner des Cartels der regierungsfreundlichen Parteien vom Jahre 1887 die Mehrheit besitzen, welche Mehrheit aber wiederum aus ganz verschiedenartigen Ele menten zusammengesetzt ist. Der Rücktritt des Fürsten Bis marck und die Einsetzung des Ministeriums Caprivi trugen indessen sehr wesentlich dazu bei, die drohenden Gegensätze zwischen der Regierung und der Reichstagsmehrheit aus zugleichen, ja das Centrum und die Freisinnigen stellten sich gleich von Anfang an durchaus freundlich zu dem neuen Cabinet, und letzteres fand auch bei der Rechten und den gemüßigten Liberalen eine im Allgemeinen günstige Aufnahme. So war es der neuen Regierung denn keines wegs schwer, mit dem neuen Reichstage auszukomnien und sie hat in demselben im Großen und Ganzen ihre Wünsche, namentlich in den zur Behandlung gelangten glotzen principiellen Fragen, durchgesetzt. Inzwischen ist nun allerdings mit der Erneuerung eines besonderen preu ßischen Ministerpräsidenten an Stelle Caprivis eine aber malige Veränderung in der Regierung vor sich gegangen, indessen wird hierdurch die Stellung der Regierung gegenüber dem Reichstage nicht tiefgreifend verändert. Welchen Verlauf die Dinge freilich in der nächsten Ses sion des Reichstages nehmen werden, das läßt sich nament lich im Hinblick auf die unverkennbare Verstimmung des Centrums infolge des Scheiterns des preußischen Volks- schulgesetzentwurfes noch nicht im Entferntesten beurthellen. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Pulsnitz. Am Freitag Abend hatte sich eine große Anzahl hiesiger Bürger im Saale des Schützenhauses ver sammelt, um gemeinsam die 77. Geburtstagsfeier unseres Altreichskanzlers Bismarck festlich zu begehen. Einige Herren hatten diese Veranstaltung in die Hand genommen uud die hiesigen Vereine nebst der Bürgerschaft eingeladen. Es wechselten Vorträge der Stadtcapelle mit Ansprachen und gemeinschaftlichen Gesängen, es wurde unseres Kaisers und unseres Königs mit dreifachem Hoch gedacht und Herr Bürger meister Schubert brachte in einer patriotisch durchglühten Rede dem ehrwürdigen Greise im Sachsenwalde seine Hul digung dar, die in einem dreifachen, mit Begeisterung von den Anwesenden ausgebrachten brausenden Hoch endete. Außer einer im Laufe des Tages bereits von Herrn Bürger meister Schubert im Namen der Stadt abgesandten Depesche wurde eine weitere von der Versammlung zur Absendung gebracht. Hierauf folgten Gesangsvorträge durch die ver einigten Gesangvereine „Männergesangverein", „Sängerbund" und „Militärgesangverein", die ganz vortrefflich zu Gehör gebracht wurden. Pulsnitz. Das Stadtverordnetencollegium wählte in einer am Sonnabend Abend stattgefundenen Sitzung den Stadt verordneten Herrn Fabrikbesitzer und Reichstagsabgeordneten Georg Hempel zum Vorsteher deZ genannten Collegiums. Pulsnitz. In einer am Sonntag Abend stattge fundenen Versammlung der hiesigen freiwilligen Feuerwehr wurde, nachdem der stellvertretende Commandant, Herr Bauersachs, aus verschiedenen Gründen eine definitive Ab lehnung bei einer event. auf ihn fallenden Wahl in Aussicht gestellt hatte, auf Vorschlag des Genannten und der ge- sammten Führerschaft der seitherige Sektionsführer Herr Bruno Borsdorf zum Hauptmann und Commandant der freiwilligen Feuerwehr einstimmig vom ganzen Corps ge wühlt. — Die Vorbereitungen zu dem am 8. und 9. Mai d. Js. stattsindenden 25jährigen Jubiläum des obengenannten Corps haben insofern bereits ihren Anfang genommen, als die verschiedenen Ausschüsse gewählt und in denselben Be- rathungen stattgefunden haben. Die Einladungen zu diesem Feste, die in ausgedehnter Weise erfolgen und wobei in erster Linie die Behörden und Corporationen unserer Stadt ins Auge gefaßt sind, werden diese Woche noch in die Hände der Betreffenden gelangen. Pulsnitz. Zu dem am Montage stattgehabten Viehmarkte waren 440 Stück Kühe, 320 Stück Ochsen, 204 Schweine und 110 Pferde aufgetrieben worden. Im Vor verkäufe wurden 413 Stück Rindvieh umgesetzt. Der Markt war vom herrlichsten Frühjahrswetter begünstigt und hatte sehr viele Landbewohner aus unserer Umgebung herbeigelockt, doch ließ das Geschäft viel zu wünschen übrig. — Das Reichsgesetzblatt Nr. 18 enthält auf seiner ersten Seite die kaiserliche Verordnung das Inkrafttreten der auf die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe bezüglichen Be stimmungen der Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891. Diese Verordnung ist datirt vom 28. März und lautet in ihrem Hauptbestandtheile wie folgt: Für das Handelsge werbe treten die Bestimmungen der ZZ 41 u, 55 n, 105 g,, 105l>, Absatz 2, 105 o, 105 o, 105 f, 105 b und 105 i des Gesetzes vom 1. Juni 1891 re., im Uebrigen mit dem 1. Juli 1892 in Kraft. — Demnach wird an letztgenanntem Tage die vor einiger Zeit angegebene fünfstündige Geschäfts zeit an Sonn- und Festtagen eintreten. — P o l i z e i b e r i ch t. In der Nacht vom Sonn abend zum Sonntag wurde Herrn Rentier Müller in Puls nitz ein Bienenstock gestohlen. — Am 1. April, Abends, wurde in Bretnig ein Unbekannter mit mehreren Effecten angehalten und gab derselbe an, diese Gegenstände, als: 2 Leinwandsücke, 1 Paar duukelroihe Frauenstrümpfe, sowie ein Barchenthemd in der Nähe des Ohorner Rittergutes ge funden zu haben. Die Eigenthümer werden gebeten, sich in der Expedition dieses Blattes zu melden. Pulsni tz. Die Zeit der Konfirmation naht wieder heran. Manche Eltern können nur mit größter Mühe die Kosten für dieselbe erschwingen und namentlich macht ihnen die Bekleidungsfrage viel Sorge. Die Unbemittelten eisern den Wohlhabenden nach, Neid und Mißgunst finden reiche Nahrung. Namentlich sind es die Konfirmandinnen, die — sonst vielleicht das beste Beispiel eines wirthschaft- lichen Haushaltes vor Augen habend — sehr leicht eine schlechte Lehre mit ins eigentliche Leben hinüber nehmen. Wie leicht fällt der Samen des Hochmuths in ein für Putzsucht empfängliches Herz! — Auch die Einfachheit kann geschmackvoll sein, wenn sie mit zartem Sinn und feinem Gefühl zum r usdruck gebracht wird. Wie engel haft erscheint doch eine junge Mädchenknospe, im glattge scheitelten Haar, die, von der Wichtigkeit des feierlichen Augenblicks durchdrungen, in schwarzem, faltigen, glatten Kleidchen an den Tisch des Herrn tritt, um den Segen ihres lieben Beichtvaters zu empfangen. Welchen häßlichen Eindruck macht dagegen die angehende junge Dame, die, mit frisirtem Haar und im reich verbrämten mit allerlei Falbeln und Besätzen verzierten Kleid daneben kniet. Hin weg mit diesem die Würde der Feierlichkeit verletzenden Plunder. In allen Gemeinden sollten Geistliche, Lehrer und Väter die Zeit der Konfirmation und des Eintritts so vieler jugendlicher Personen in einen Lebensruf zu der Mahnung benutzen, daß man nicht in Hochmuth, sondern in Demuth miteinander wetteifern möge und daß Einfach heit und Bescheidenheit weit größere Zierden seien als Pracht und Stolz. Mit dem Abschied von der Jugend muß überall auch die Uebung in der Selbstthätigkeit und Wirthschaftlichkeit beginnen. Möchten recht viele Organe der Presse in den Wochen vor Ostern sich an diese soziale Frage erinnern und eine darauf bezügliche Mahnung an ihre Leser richten, die sich nicht nur auf die Abschaffung