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E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, RuHdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. S3S Sonnabend, den 12. October 1888 Witteruugsausfichten für de« 12. October: Veränderliche, zeitweise heitere Witterung, Regen nicht ansgeschlossen. Temperatur kühler. Barometerstand am 11. October, nachmittags 3 Uhr: 755 mm. Gestiegen. "Waldenburg, 11. Oclober 1889. Nun ist der Czar endlich zum Besuch des deutschen Kaisers nach der deutschen Reichshauvtstadt gekommen, und das neckische Fragespiel in den Zeitungen hat sein Ende gefunden. Der Czar ist da! Er ist vom Kaiser Wilhelm II. mit derselben Höflichkeit und denselben Ehren empfangen worden, wie die verbündeten Herrscher von Italien und Oesterreich-Ungarn. An der Seite des deutschen Kaisers hat Alexander III. seinen Einzug durch die Spalier bildenden Gardetruppen in Berlin gehalten, nur eins fehlt: Die herzliche Theilnahme der Bevölkerung. Als König Humbert, Kaiser Franz Joseph nach der Spree kamen, herrschte schon lange vorher ein warmes Interesse in den weitesten Kreisen der Bewohner, man wußte, es handelte sich um den Besuch wahrer Freunde des deutschen Reiches. Anders diesmal! Dem Czarcu, als dem Gaste un seres Kaisers, ist ein würdiger Empfang geworden, aber das Gefühl, mit welchem man seinem Erscheinen f entgegensah, war das einer hochgradigen Gleichgiltig- f leit. Kaiser Alexander II. war in Berlin sehr be- § liebt, die starre russische Haltung seines Sohnes und Nachfolgers, die wenig deutschfreundliche Politik, welche er befolgt, sein schroffes Auftreten in manchen Fällen, ! die uns lebhaft interessiren, sind nicht geeignet, ihm in ! Deutschland warme Sypathienzu erregen. KaiserAlexan- s der ist ein Freund des deutschen Kaisers, er ist ein gerader, ehrlicher Mann, aber seine Politik entspricht wenig der eines freundnachbarlichen Verhältnisses. Wir brauchen uns nicht der Täuschung hinzugeben, ' daß hierin eine Aenderung durch den Besuch eintreten wird. Und wenn der Czar selbst wollte, seine Um- j gebung in Petersburg hat ganz andere Pläne. Kaiser Alexander wird gewiß wieder eine Unterredung mit dem Reichskanzler haben, wie vor zwei Jahren. Da- ! mals ist es unter vier Augen zu einer recht offenen und ungcnirten Auseinandersetzung gekommen, die doch einige Früchte zeitigte. Würde diesmal sich derselbe f Erfolg ergeben, so könnten wir uns freuen. Ein interessantes Vorspiel zur Czaren-Visite in . Berlin gewährte die Reise unseres Kaisers nach Kiel zur Begrüßung des englischen Kanalgeschwaders. Er klärt sich diese Reise auch wohl mit daraus, daß der Kaiser englischer Flottenadmiral ist, eine bemerkens- werlhe Thatsache bleibt sie doch, zumal der Ausflug unmittelbar vor dem Besuche des Czaren erfolgte. Es liegt darin die Constatirung eines recht guten Verhältnisses zu England, und was eine nahe Freund- schäft zwischen dem deutschen Reiche und Großbritan nien bedeutet, braucht nicht erst weiter dargelegt zu werden. Kaiser Alexander wird schon die Folgerungen ziehen. Daß der Kaiser die britische Flotte sehr hoch schätzt, hat er laut auf dem Galadiner ausgesprochen, welches er den britischen Offizieren im Kieler Schlosse gab. Die innere Politik wurde noch ausschließlich be herrscht durch die Erörterungen über die bekannte Kundgebung des deutschen Reichsanzeigers gegen die Kreuzzeitung. Aus verschiedenen Momenten in diesen Auseinandersetzungen ergab sich auf das Deutlichste, daß die kaiserliche Mißbilligung nicht blos der Kreuz zeitung galt, sondern erst recht den Personen, die hin ter derselben im Dunkel stehen. Was würden sich auch Kaiser Wilhelm II. oder erst recht Fürst Bis marck aus den Aeußerungen einer einzelnen Zeitung machen? Thatsache ist jedenfalls, daß die Stellung des Reichskanzlers so unerschüttert ist, wie nur je, und deshalb wäre es zu wünschen, daß die geheimniß vollen Andeutungen über die Kanzlerpolitik u. s. w. endlich ihr Ende erreichten. Wozu all' die Schreiberei? Dadurch wird nur von Neuem Mißtrauen gesät und genau das Gegentheil von dem erreicht, was erreicht werden soll. Im Bundesrath werden die vorberei tenden Arbeiten zur Reichstagssession fortgesetzt. Daß eme große Anleihe für Militärzwecke gefordert werden wird, scheint außer Zweifel zu sein, doch ist über die Höhe derselben Sicheres nicht bekannt. MMtiHche NunAjchau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm erledigte am Donnerstag Vor mittag im Neuen Palais bei Potsdam Regierungs- Angelegenheiten und arbeitete darauf längere Zeit mit dem Generalstabschef Grafen Waldersee, dem Kriegs- Minister v. Verdy, dem Generallieutenant v. Hahnke ; und dem General v. Wittich. Mittags erschien Fürst s Bismarck. Nach erledigten amtlichen Angelegenheiten i machte der Kaiser mit dem Reichskanzler einen Spazier- j gang und behielt ihn dann zum Mittagessen im Neuen - Palais. Am späteren Nachmittag kehrte Fürst Bis- ! marck nach Berlin zurück. Der Kaiser und die Kaiserin unternahmen dann noch eine Spazierfahrt. Der Kaiser Alexander von Rußland trifft heute Freilag Vormittag gegen 10 Uhr mit seinem Extrazuge von Kiel auf dem Lehrter Bahnhofe in Berlin ein. Der Empfang erfolgt in der üblichen Weise durch den Kaiser, sämmtliche Prinzen, den Reichs- ; kanzler und die Minister, die Generalität u. s. w. Auf dem Perron giebt die Leibcompagnie des ersten i Garde-Regimentes mit Fahne und Musik die Ehren- ! wache, die Regimenter der Berliner Garnison bilden Spalier zu den beiden Seiten des Weges bis zur russischen Gesandtschaft Unter den Linden, wo die erste Compagnie des Kaiser Alexander-Regimentes auf- . gestellt ist. Beide Kaiser halten in vierspänniger > Equipage ihren Einzug in die Residenz. Abends ist dann Galadiner und Galaoper. Wie stets, werden auch diesmal weitgehende Vorsichtsmaßregeln getroffen, s Nöthtg sind sie in Berlin in keiner Weise, aber der ! russische Selbstherrscher thut es ja mal nicht anders, j Zur Verbesserung der Stimmung des Publikums - tragen natürlich diese peinlichen Maßregeln nicht bei. ! Der Czar hat seine Reise nach Berlin am < Mittwoch Abend 11'/2 Uhr von Fredensborg ange treten. Die Kaiserin, das dänische Königspaar, der Prinz und die Prinzessin von Wales begleiteten den Kaiser bis zur Eisenbahnstation. Nachts begab sich derselbe dann an Bord der Dacht „Derschawa." Die Ankunft in Kiel erfolgte nachmittags 4'/r Uhr. Die Kaiserliche Dacht wurde in dem Hafen mit Kanonen donner empfangen, in großem Galaboote erfolgte die Fahrt nach der Barbarossa-Brücke, wo der russische Botschafter in Berlin, die zum Ehrendienst comman- dirten preußischen Generale, Admiral Frhr. v. Goltz, die Spitzen der Militär- und Civilbehörden anwesend waren. Vom Scebataillon war die Ehrenwache ge stellt. Der Kaiser, welcher von seinem Zweitältesten Sohn, dem Großfürsten Georg begleitet ist, erwiderte freundlich die Begrüßung und fuhr zuerst zum Schlosse, wo Diner eingenommen wurde, am Abend dann durch die erleuchteten Straßen, in welchen die Garni son Spalier bildete und eine dichte Menschenmenge versammelt war, zum Bahnhofe, wo ebenfalls eine Ehrenwache postirt war. Der Empfang durch die Be völkerung war ansprechend. Vom Bahnhofe erfolgte mittels Extrazuges die Weiterfahrt nach Berlin. Der Kaiser sieht ernst, aber recht wohl aus. In den zwei Jahren, in welchen er nicht in Deutschland war, scheint er auch an Körperumfang nicht ganz wenig zu genommen zu haben, ein Zeichen, daß mit Schwen- ningerkuren bei ihm nicht viel anzufangen ist. Sämmt liche Kriegsschiffe im Hafen, auch die englischen, waren abends elektrisch beleuchtet. Die „Nordd. Allgem. Ztg" giebt bezüglich der Dauerder Reichstagssession und des Termins der Neuwahlen folgende Mittheilung wieder: „Aus Bundesrathskreisen verlautet j.tzt, daß die Reichsregie rung damit rechnet, die dringendsten Arbeiten des Reichstages bis etwa zum 20. December erledigen zu lassen. Es heißt ferner, daß es in der Absicht liege, die Neuwahlen in der ersten Hälfte des Januar statt finden zu lassen, so daß die Thätigkeit des preußischen Landtages davon unberührt bleiben würde." Die „Kreuzztg." nimmt den Kampf mit den Kartellparleien mit frischem Muth von Neuem auf. Sie beschuldigt die Kartellparteien, nicht blos mit der kaiserlichen Kundgebung im Reichsanzeiger Wahlreklame zu ireiben, sondern auch den König gegen diejenigen einnehmen zu wollen, welche alle Zeit für Preußen im Felde gekämpft haben (das soll heißen gegen Walder see und den Militäradel). Das Blatt schreibt: „Das lassen wir nicht geschehen, dagegen lehnen wir uns auf bis zum letzten Hauche von Roß und Mann!" Von Zerknirschung ist in diesen Worten herzlich wenig zu spüren. Der Bundesrath hielt in Berlin eine Plenarsitzung ab. Erledigt wurden eine Anzahl Etatscapitel und Verwaltungssachen. Zugegangen ist dem Bundesrath das große Anleihegesetz für Zwecke der Verwaltungen des Reichheeres, der Marine, der Reichs-Eisenbahnen, der Post und Telegraphen. lieber die Bildung der beiden neuen Armee corps wird jetzt Folgendes bekannt: Das neue ost preußische Armeecorps (Danzig) erhält an Infanterie außer den im Bezirk schon stehenden zwei neue Regi menter Nr. 140 und 141, die aus den überschießen den Bataillonen der Regimenter 14, 18, 129, 13, 16, 39 gebildet werden. Vom 1. Armeecorps wird die 4. Jnfanteriebrigade (Danzig) an das neue Ar meecorps abgegeben, dafür bei der 2. Division eine 67. Jnfanteriebrigade aus den Regimentern Nr. 33 (Gumvimen) und Nr. 45 (Lyck) gebildet; nach Allen stein kommt die 2. Division (bisher Danzig). Das 2. Armeecorps giebt die ganze 8. Jnfanteriebrigade an das neue Armeecorps ab und bildet bei der vier ten Division an deren Stelle eine 68. Jnfanteriebri gade. Die 2. Division des Armeecorps steht in Thorn. In Elsaß Lothringen vollzieht sich die Bildung des neuen Armeecorps ohne Schwierigkeiten aus den dort vorhandenen Regimentern. In dem vor dem Schweidnitzer Schwurgericht statt gehabten zweiten Streikproceß gegen die Theilneh mer an den Ausschreitungen auf der „Glückhilfs"- und „Friedenshoffnungsgrube" ist jetzt das Unheil gefällt worden. Wegen schweren Landfriedensbruches wurden der Schlepper Poppe zu 2 Jahren Zuchthaus, der Schlepper August Grüttner und der Coaks-Arbei- ter Töly zu 2'/r Jahren und 3 Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. 21 Angeklagten wurden mildernde Umstände zugebilligt; dieselben wur den zu Gefängnißstrafen von 1'/- bis 3 Jahren ver-