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MOmsserTageblatt Wilsdruff-Dresden Drahtanschrift: „Tageblatt" Sonnabend, den 23. Mai 1936 Postscheck: Dresden 264N Nr. 119 — 95. Jahrgang Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Dai „Wilsdrufser Tageblatt' crlchetnl wertlagS nachm «Uhr Bezugspr. monatt 2RM tret Haus, bei Postbcstellung I.Sll RM zuzügl Bestellgeld Einzelnummer lü Rx! Alle Postanftaltcn, Postbolen. unser- Austräger u Geschäftsstelle nehmen zu ,eder Zeit Be- .. »ellungen entgegen Im Falle höherer Gewalt oder Wochenblatt für Wilsdruff u. UINgkgLNd sonstiger Bctriebsstorun- gen besteht lein Anspruch aus Lieferung der Zei ¬ tung oder Kürzung des Bezugspreises Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Rückporto beiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen und des Stadt rats zu Wilsdruff behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amtsgerichts Wilsdruff, des Finanzamts Nossen, sowie des Forstrentamts Tharandt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise lau, aufltegender Preisliste Nr 8. — Ziffer-Gebühr: 20 Rp,g. — Dorgeschrte. bene Erscheinungstage und Platzwünsche werden nach Möglichkeit berücksichtigt — Anzeige n-Annahm« durch Fcrnrus übermft, Fernsprecher: Amt Wilsdruff 206 ttften AnzcigE" ü'bcrne" men wir keine Gewähr ! — Bei Konkurs UN» Zwangsvergleich erlischt seder Anspruch aus Nachlaß. Volkswirtschaft und Weltwirtschaft. Zur Tagung der Deutschen Weltwirtschaftlichen Gesellschaft. Die deutsche Volkswirtschaft ist nach langer Krankheit auf dem Wege fortschreitender Genesung; die Weltwirt schaft aber, der Güteraustausch von Land zu Land, läßt bisher nur schwache Anzeichen einer Besserung erkennen. Doch gerade, weil und nachdem unser Vaterland sich aus den Röten der Arbeitslosigkeit und Mutlosigkeit mit Er folg aufgerafft hat, hegt es den redlichen Wunsch und Willen, daß der zwischenstaatliche Wirtschaftsverkehr eben falls eine entscheidende Wendung nehme. Denn erwiesen sich auch frühere Hoffnungen auf „Hilse von außen" als Täuschung, wird ein reger Binnenmarkt als das zuver lässige Fundament voll erkannt und zuvörderst angestrebt, so bleibt doch die deutsche Wirtschaft mit den Weltmärkten durch viele Fäden notwendig verknüpft. Dies ergibt sich daraus, daß unsere Werkstätten neben den stärker ent wickelten Heimstoffen große Mengen überseeischer Roh- und Treibstoffe brauchen und zu ihrer Begleichung einen Teil der verfertigten Waren ausführen müssen. Deshalb ist es be gründet, wenn dieDeutscheWeltwirtschaftliche Gesellschaft unter Leitung des kolonialen Vor kämpfers Dr. Schnee jetzt am Rhein eine große Tagung mit der Losung veranstaltet: Wille und Wege zur Welt wirtschaft. Auf einer Versammlung, die vor kurzem in Köln statt fand, hat Reichsbankdirektor Dr. Blessing die wesent liche Ursache der anhaltenden weltwirtschaftlichen Zerrüt tung dargelegt. Auch nach dem Zusammenbruch des Ver sailler Schandvertrages, der nach Kriegsende eineinhalb Jahrzehnte lang nicht nur in Deutschland eine gedeihliche Entwicklung verhindert und die natürliche Zusammen arbeit der Völker auf den Kopf gestellt hat, fehle noch immer das Vertrauen zwischen den Nationen. Ohne Ver trauen aber sei es nicht möglich, Zölle und andere Handels hemmnisse abzubauen, darauf eine neue Wirtschaftsord nung zu gründen und den Wohlstand zu heben, für den die technischen Voraussetzungen wie noch nie vorhanden wären. Wir haben es an uns selbst erfahren, wie sehr das Maß politischen Vertrauens eigenes Volksschicksal und auch die Möglichkeiten des wirtschaftlichen Schaffens bestimmt. Denn anders hätte sich das deutsche Wirtschaftswunder, die überraschende Wendung aus bedrohlichstem Tiefstand zum beherzten Aufstieg nicht vollziehen können. Während aber einträchtiger Arbeitswille und Arbeits- frieden bei uns einkehrten, Gütererzeugung und Güter verkehr, Volkseinkommen und Leistungsfähigkeit sich stetig erhöhen, mangelt es einer von Kriegsfurcht und Argwohn verkrampften Welt an solcher entschlossenen Zuversicht. Es ist leider oft im Völkerleben so gewesen, daß man den Abgrund erst dann deutlich sah, wenn es zu spat ge worden war, ihm auszuweichen. Uns drohte diese schwerste Gefahr vor wenigen Jahren, wurde aber noch in letzter Stunde beschworen. Um uns ist man bisher über frucht lose Beratungen, die mehr von einem Gegeneinander als vom geraden Willen zum Für- und Miteinander beherrscht waren, nicht hinausgekommen. Während man sich noch scheut, die aufrichtige deutsche Friedenshand zu ergreifen, geht der Wettbewerb der abgewerteten Währungen und Versperrungen weiter. Statt Klarheit und Wahrheit in den Preisbewegungen, auf den Rohstoffmärkten, im Rech- nungs-, Zahlungs- und Kreditverkehr, wie sie in Deutsch land die gesicherte Grundlage für Bedarfsdeckung und Wettbewerb der Leistungen bilden, herrschen in den welt wirtschaftlichen Beziehungen Unklarheit und Unsicherheit. Nur mühsam bieten von Fall zu Fall kurzfristige Ab machungen über beschränkten Warentausch, verwickelte Ver rechnungen, umständliche und rationierte Übertragungen Notstege, um den Verkehr nicht überhaupt in Stillstand ge raten zu lassen. Hierunter leiden alle Volkswirtschaften, auch die deutsche. Immerhin schneidet gerade sie entgegen den Hoffnungen ihrer Widersacher dabei nicht am schlechte sten ab. Dank der planmäßigen Ordnung unseres Außen-" Handels, für die gleichfalls der Grundsatz der gemein nützigen und vordringlichen Bedarfsdeckung gilt, hat die deutsche Handelsbilanz im ersten Viertel d. I. mit einem Ausfuhrüberschuß von rund 80 Millionen Mark gegen den doppelten Einfuhrüberschuß in der gleichen Zeit des Vor jahres abgeschlossen, und Millionen deutscher Menschen arbeiten an der Herstellung von Ausfuhrgut. Aber mancher Arbeitslose in fremden Ländern könnte wieder zu Brot" kommen, wenn ein zuverlässiger Friedenszustand und die Abtragung künstlich errichteter Hindernisse den Austausch ausländischer Bezüge und deutscher Leistungen beflügelten. Ein ungeheurer Schutt müßte freilich beseitigt werden, damit den gesteigerten technischen Möglichkeiten die welt wirtschaftlichen Auswertungen besser entsprächen, aus voller Gleichberechtigung und Gleichschätzung der Völker, ihrer Schutz-, Raum- und Güterbedürfnisse sich ein neues er sprießliches Gleichgewicht ergibt. Werde Mitglied der NSV! MM -es Küluuialmnisters Thoms Ein Schreiben an den englischen Ministerpräsidenten. Der englische Kolonialminister Thomas hat sein Rückrittsgesuch eingercicht, das vom König von England angenommen wurde. In einem Schreiben an den Ministerpräsidenten Baldwin weist Kolonialminister Thomas zur Be gründung seines Rücktritts darauf hin, daß die Art und Weise, in der sein Name und seine Privatangelegenheiten im Verlauf der Untersuchung der Versicherungsangelcgen- heit behandelt worden seien, ihm ein Verbleiben als Mit glied der Regierung unmöglich mache. Es sei bekannt, daß er der Nationalregierung lediglich deshalb beigetreten sei, weil nach seiner Überzeugung nur ein Zusammen stehen aller politischen Parteien ohne Rück sicht auf vergangene Meinungsverschiedenheiten England durch seine Krise bringen können. Diese Ansicht vertrete er heute vielleicht noch stärker als zuvor, aber soweit es sich um ihn persönlich handele, sei er der Meinung, daß er für das Kabinett Baldwin eher ein Hindernis als eine Stütze darstelle. Kabinetts-Umbildung? In seiner Antwort auf das Nücktrittsschreiben des Kolonialministers Thomas erklärte Ministerpräsident Baldwin, daß er an Stelle von Thomas genau so ge handelt haben würde. Ter allgemein erwartete Rücktritt Thomas' wird dem Ministerpräsidenten Baldwin aller Voraussicht nach Ge legenheit zu einer kleineren Kabinettsumbildung geben. Es darf angenommen werden, daß sich Baldwin während des Wochenendes mit einigen seiner Ministerkollegen dar über beraten wird, so daß die Neu- oder Umbesetzung eines oder mehrerer Posten im Kabinett unter diesen Um ständen schon vor Pfingsten vollzogen wird. Außer dem Kolonialministerium dürste vermutlich auch das Marineministerium frei werden, weil sich Lord Monsell bekanntlich schon seit längerer Zeit mit der Ab sicht trägt, aus dem aktiven politischen Leben zu scheiden. Zarte Fäden. Ge-üchte um Vermittlungsversuche zwischen England und Italien. Der Besuch des Londoner italienischen Botschafters Grandi im Auswärtigen Amt in London hat in politi schen Kreisen starke Beachtung gefunden. Man möchte darin die ersten zarten Fäden erblicken, die sich zwischen London und Rom wieder anspinnen, nachdem der Bruch nach der endgültigen Inbesitznahme Abessiniens durch Italien Anlaß zu ernster Besorgnis gegeben hatte. Natürlich sind allerlei Gerüchte im Umlauf über den Schritt Grandis, die von Paris auszugehen scheinen. Demgegenüber verlautet in London, es lägen keine An haltspunkte dafür vor, daß Grandi einen Schritt bei der britischen Regierung unternommen habe, um eine Rege lung der abessinischen Frage herbeizuführen. Es könne jedoch angenommen werden, daß Grandi die bereits von Mussolini abgegebene Er klärung wiederholt habe, daß Italien keine Angriffs- absichten gegen irgendwelche britischen Interessen habe. Man nimmt an, daß in der Unterredung auch der ita lienische Vorschlag zur Sprache gebracht worden sei, daß England die zur Verstärkung der britischen Gesandtschaftswache in Addis Abeba entsandte indische Kompanie zurückziehen soll. Hierzu verlautet, daß die englische Regierung gegenwärtig die Zurück ziehung dieser Truppe ablehne. Das halbamtliche Reuter büro meldet aber, daß man sich in London durchaus be wußt sei, daß die Verstärkung der Gesandtschaftswache nur eine zeitweilige Maßnahme sei. Andere Gerüchte bringen die Reise König Leopolds von Belgien nach England in Verbindung mit den Vermittlungsversuchen. „Morning Post" glaubt zu wissen, daß zwischen Paris und London bereits Verhandlungen schwebten, die Sanktionen auf der Junitagung des Völkerbundes fallenzulassen und mit Italien zu einem Aus gleich zu gelangen. Die Verhandlungen sollten dann bis zum Herbst vertagt und inzwischen irgendeine Formel gefunden werden, durch die der Völkerbund „sein Gesicht wahren" könne. Vor allem werde der angeregte Sichcrheitspakt im Mittelmeer zum Abschluß gelangen, wodurch die kleinen Anlieger staaten des Mittelmeeres in ihrer Sorge vor der künftigen Entwicklung beruhigt werden könnten. Ebenso sehe Eng land in einem derartigen Pakt die sicherste Garantie seines Seeweges nach Ostindien. Eine solche Kompromiß lösung, so erklärt das Blatt weiter, würde jedoch niw^ die offizielle Anerkennung der Annexion Abessiniens i sich schließen. „Oberst Lopez" Zauberkünstler und Dunkelmann. „Bernstein" der wirkliche Name des DokumentenfSlschers der Dum-Dum-Geschoß-Akten. Mehrere englische Blätter veröffentlichen bemerkens werte Enthüllungen,über den geheimnisvollen „Oberst" Lopez, der, wie Außenmini st er Eden kürzlich im Unterhaus mitteilte, der italienischen Regierung gefälschte Dokumente in die Hand gespielt hatte, aus denen hervor gehen sollte, daß britische Firmen Dum-Dum- Geschosse an Abessinien geliefert hätten. Lopez wurde in der Geheimdienstabteilung des englischen Kriegs ministeriums zwei Stunden lang über seine Tätigkeit ver nommen. Anschließend, teilte er einigen Pressevertretern mit, daß er den Beruf eines Varietszauber- künstlers ausübe und sich zur Zeit für eine neue Nummer vorbereite. „Daily Telegraph" meldet, daß Lopez mit seinem rich tigen Namen Henry Lawrence Bernstein heiße und 1872 in Melbourne geboren sei. Während des Krieges und nachher soll er in verschiedenen Ländern, u. a. auch in Ruß land und Bolivien, eine dunkle Rolle als Dokumente-n- fälscher und gekaufter Spitzel gespielt haben, wobei er ven- schiedene Namen geführt habe. Rätselraten um Badoglio. Die Rückkehr des Marschalls Badoglio, der von Mussolini zum Vizekönig von Abessinien eingesetzt wurde, nach Italien, hat in England größtes Aufsehen hervor gerufen. Sie^ wurde zunächst mit dem Gerücht in Rom in Verbindung gebracht, wonach der Grund für die Rückberufnng des Marschalls in der außenpolitischen Lage zu sehen sei. Badoglio hat den Auftrag erhalten, im Hinblick auf die Spannung mit England die Neu- organnisationdes italienschenVerteidi- dungswesens in Angriff zu nehmen. Die letzten Berichte der römischen Berichterstatter Londoner Blätter glauben jedoch, diese Gerüchte widerlegen zu können. Nach „Times" ist die Abberufung Badoglios hauptsächlich aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, da er wegen seines Herzleidens das Höhenklima nicht vertragen könne. Man könne weiter darin ein Zeichen der beginnenden Festigung der Verhältnisse in Abessinien sehen. Nach dem Pariser Berichterstatter des gleichen Blattes sieht man in der französischen Hauptstadt in Badoglios Rückkehr vor allem die Ankündigung großer militärischer Re form e n in Italien. Protest -er Deutschen in Eupen-Malme-y. Die „Berliner Börsenzeitunq" meldet aus Brüssel: Am Sonntag finden in Belgien Kammer- und Senats- Wahlen statt. Damit gelang ein teilweise sehr heftig ge führter Wahlkampf zu seinem vorläufigen Abschluß. Am 7. Juni folgen die Wahlen zum Provinzialrat. Als Ver treter altbelgischer Interessen werben in der Hauptsache die durch den sogenannten Seegers-Prozeß unrühmlichst bekanntgewordene „Katholische Union" und die belgische Arbeiterpartei sowie die Rex-Bewegung um die Wähler- stimmen. In dem durch das Diktat von Versailles vom Deut schen Reich abgetrennten Gebiet Eupen Malmedy-St. Vith hat die Christliche Volkspartei auf die Aufstellung von eigenen Listen zugunsten der neu gebildeten „Heimat treuen Front" verzichtet. Diese Front wendet sich in einem von ungefähr 2000 Deutschen aller Stände unterschrie benen Aufruf an die gesamte deutsche Bevölkerung von Eupen-Malmedy-St. Vith und fordert sie auf, zum Zeichen ihres Protestes gegen die Ausbürge rungsgesetze und andere gegen das Deutschtum ge richtete Maßnahmen belgischer Organe weiße Stimmzettel abzugebcn.