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Dresdner Journal : 20.01.1875
- Erscheinungsdatum
- 1875-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187501201
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18750120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18750120
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1875
-
Monat
1875-01
- Tag 1875-01-20
-
Monat
1875-01
-
Jahr
1875
- Titel
- Dresdner Journal : 20.01.1875
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I» A««» «ot—: IS^rtüL,. . . 1» 4 H»rk KO kt Kummer,i 10 Kk L»»»»rd»Id cks» ckovkdcM» ktvivd« tritt?o«t «»ck St»wp«lro»ot»l»U K1-». k»,«r»tenprvi,«r KEr 4« KLUM einer «;e»l>»I^ovv katit«U»! Atz v»t«r „Lios—iwät« äi« Lotto- 4» ?L kiiclteloeoi n^ltod mit ^uimtttm» äor 8ono- vock ^ei«nt»G», Xd«ock> für «im» solAvoäm» Dres-nerZomMl. Verantwortlicher Redacteur: Commissionsrath I. G. Hartmann in Dresden. LolpttU: F> Lru»4«te<ler, vommiomoiM 4» I)ro»«io«r ^vorvol»« «KenäL» : Lu«/«»» Urt, L»«d«r»-»»rU> l-»r«»Um ?rm»1^arl » II //a<r«e7».«c«»»« <S ^o-irr, L«rit» V»,»-S>u»dllrss-kr»«k-1.»ip«i8 - rritLkkor» ». N.- Nällcdeo Lu«i ckkv«8«, »erUo L. Lor«»«^, /»vat-cke»»- ck«»^ ,// Ftt>»e«^t,- Lrswao: L L<^otte, >r«»I»«: L >V«-»»Ae>»'» tiürvou; 6i»«wmt»: Lr kr-u-kknN » ».: L /aeAer'soko u. C //«rr»ian» -oos ttuillit», Sörlil»: /»» -O , Lmmorer: tk k»ri«: /^av«u, 7x»M», Lutt»«r ct 0o.» Laube <e vo., L»mdi»rs: L Li«t«t-e»»,' VI«: XI Oppettid Lvr»a»r«d«rr Lüm«^ äo» Oro«iLor 7»«r»»toj 1)ro»«t«o, biur^^rotimimt«»»« tick. t. Amtlicher Theil. Dresden, 11. Januar. Seine Majestät der König haben dem Hofopernsänger Lorenz Riese das Prädicat „Königlicher Kammersänger" allergnädigst zu verleihen geruht. Seine Majestät der König haben zu genehmigen geruht, daß der Kammervirtuos Friedrich Grützmacher die von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin verliehene Brrdienst-Medaille in Gold annrhme und trage. Nichtamtlicher Theil, llebersicht. Telegraphische Nachrichten. Tage-geschichte. (Dresden. Berlin. Posen. Pader born. Dortmund. Fulda. Flensburg. München. Wien. Zara. Paris. Genf. Madrid.) Deutscher Reichstag. (Sitzung vom 18. Januar.) Der Proceß Ofenhrim in W»en. -^IknrliiMchc Nachrichten. Berlin, Dienstag, 19. Januar, Nachmittags (Tel. d. Dresdn. Journ.) Im Abgeordnetenhause legte heute der Ainanzminister Camphausen den Etat vor. Die Einnahmen für das Jahr 1875 sind veran schlagt auf 694,422,613 Mark, mithin 3,871,438 nie driger als 1874, die ordentlichen Ausgaben auf 613,830,050, mithin 17,585,807 mehr als 1874, und die außerordentlichen Ausgaben auf 80,592,563, mit hin 2,562,775 mehr als 1874. Der Stand der Staats schulden ist der denkbar niedrigste. Dieselben betra gen 929,287,108 und werden ausgewogen durch den Besitz der Staatseisenbahnen. Die Zinsen der Staats schuld werden durch die Eisenbahnüberschüsse gedeckt. Im Etat des Cultusministeriums sind ausgenommen: 502,« 00 Mark mehr für die Universitäten, 2 Millionen für die Gehaltsaufbesserung der Geistlichen, H Million Entschädigung für den Ausfall der Stolgebühreu, 3 Millionen für die Elementarlehrer. Das Extraordinarium weist auf: 3 Millionen für Eisenbahnbauten und 25 Millionen für Wasser-- und Etraßenbauten, womit der Staat den darnicderliLgeuL.cn Industriezweige» aufhelfen will. Der Capi tän zur See Werner ist durch kaiser liche Cabinetsordre zum Contreadmiral befördert worden. Paderborn, Dien-tag, 19. Januar, Bormit- taaS. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Bischof Konrad Martin ist heute Morgen ^9 Uhr in Begleitung de- Polizeiserretärs Rust nach Wesel abgeführt worden, um dort vorläufig inhaftirt zu werden. (Vgl. unter „Tagesgeschichte".) Prag, Dienstag, 19. Januar, Vormittag-. sPrivat-Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Antwort der alttschechischen ReickSrathsabgeordueten an den Präsidenten de- Abgeordnetenhauses, Ur. Rech- bauer, auf dessen Aufforderung zum Eintritt in da« HauS ist gestern abgegangen. Dieselbe lautet ablehnend und trägt 26 Unterschriften. Die Jung- tschcchen werden eme separate Antwort absenden. Versailles, Montag, 18. Januar, Abends. (W. T. B.) In der Nationalversammlung wurde heute, bei Weiterberathung deS Gesetzes über die CadreS der Armee, beschlossen, in^ieder Com pagnie zwei Hauptleute anzustellen. Morgen wird dir Bersammlnng den Artikel 8 dieses Gesetzes beratben. Die Wahl deS Bonapartistischen Candidaten Caieaur in dem Departement HauteS-Pyr^n^e- (vgl unter „Tagrsgeschichte") ist nur dadurch ermög licht worden, daß etwa S60V konservative Wähler ihre Stimmen für ihn abgaben, weil der septen- nalistische Candidat Alicot von den Republikanern unterstützt wurde. London, Montag, 18. Januar, AbendS. (W. T. B.) Nachdem die persische Regierung vor Kur zem dem russischen General Falkenhagen die Con- cesfion zur Anlage einer zweiten Eisenbahnlinie durch Persien ertheilt hat, hat der Baron Reuter, wie die „TimeS" mittheilt, wegen Verletzung der ihm selbst vorher bewilligten Concesfion dem per- ssschev Großwefir einen Protest zugehen lassen. Der englische Ministerrefident Thomson in Te heran ist von dem Earl Derby angewiesen, diesen Protest formell und officiell zu unterstützen. Einem Wunsche deS Khedive von Aegypten entsprechend, find die Engländer Cholmondeley Pennell und Acton defignirt, um ein ägyptisches Handelsministerium nach dem Muster des engli schen eiinurichteu. Stockholm, Montag, 18. Januar, Nachmit tags. (W. T. B.) Der Reichstag ist heute vom König eröffnet worden. In dcr Thronrede wird bemerkt, daß die Gesetzvor lagen, betreffend die Umgestaltung des Landhecres und dcr Marine und die Einführung der allgemeinen Wehr pflicht, ausgearbeitet, daß dagegen die Vorarbeiten be treffs Abschaffung der Grundsteuern noch unvollendet seien. Da nun die das Militärwesen betreffenden Fragen mit der Grundsteuerfragc nn iEgsten Zusammenhänge ständen, würden dem Reichstage in der jetzigen Session nur einzelne Theile dcr darauf bezügliche» Gesetzentwürfe vorgelegt werden. Sodann wird zur Vermehrung des Betriebsmaterials bei den Staatseisenbahnen die Ver- willigung sehr erheblicher Summen in Anspruch ge nommen. Der im vorigen Jahre erzielte Einnahme überschuß beträgt 12 Millionen Kronen. Tngesgeschlchte. Dresden, 19. Januar. Se. Majestät der König haben Sich heute früh mit Sr. kaiscrl. königl. Hoheit dem Großherzoge von Toscana und Sr. königl. Hoheit dem Prinzen Georg zur Abhaltung einer Hofjagd, zu welcher mehrfache Einladungen ergangen sind, nach Moritzburg begeben. Die k. Jagdtafel findet im k. Schlosse daselbst statt. Dresden, >9. Januar. In den.Dresdner Nach- L«chtm7-sich vor einiger Hrit die Notiz, die säch sische Regierung beabsichtige eine gerichtliche Ver folgung der Redaction der „Preußischen Jahrbücher", weil dieselbe trotz der erfolgten, amtlichen Widerlegung die Richtigkeit der über den König Johann gebrachten, angeblichen Enthüllungen aufrecht erhielt. Da diese Notiz auch in andere Blätter üdergegangen ist und z. B. von der ,/Reuen Preußischen Zeitung" sogar als anscheinend officiös bezeichnet wird, so wollen wir doch, auf Grund deshalb eingezogener Erkundigung, hiermit bestimmt erklären, daß jene Nachricht vollständig unbe gründet ist. Dresden, 19. Januar. Es ist unmöglich, alle die halbwabren oder ganz unwahren Nachrichten über an gebliche Absichten oder Pläne der Regierung, welche die öffentlichen Blätter bringen, spcciell zu verfolgen und richtig zn stellen. Wir würden daher auch Das, was die „Dresdner Nachrichten" in den letzten Tagen über die Einberufung des Landtages, die Behandlung des nächsten Budgets, die Einführung der Einkommensteuer, sowie über Veränderungen im Rechnungswesen der Staats-Eisenbahnen u. s. w. gebracht haben, nicht weiter berücksichtigen, wenn nicht die „Dresdner Zeitung" einen der bezüglichen Artikel als „anscheinend officiös" be zeichnet hätte. Wir wollen daher zur Vermeidung von Mißverständnissen, nach deshalb eingezogener Erkundi- gnng, hiermit erklären, daß von den Angaben der „Dresdner Nachrichten" in dieser Beziehung nur soviel richtig, aber freilich auch ganz allgemein bekannt ist, daß im Herbst dieses Jahres der Landtag wieder zusammen tritt und ihm das neue Budget vorgelcgt werden muß und daß der erste -- von dem Finauzministerium noch nicht festgestcllte — Entwurf der Justructivn für die Abschätzung zur Einkommensteuer iu diesem Augenblicke dem Landesculturrathe und den Handelskammern zur Begutachtung vorliegt. Alles Uebrige beruht theils auf bloseu Vermuthungen des Verfassers und mehr oder weniger willkürlicher Annahme, theils ist cs positiv un richtig, wie z. B. die Angabe, daß beabsichtigt werde, die gegenwärtige Finanzperiode um eiu halbes Jahr aus- zudehnrn und die Einkommensteuer erst mit dem I.Juli 1876 rinzuführcn, sowie daß die Abschätzung für die letztere erst im Juli und August d. I. stattfinden solle. 0. Berlin, 18. Januar. Vor Beginn der heutigen Sitzung des Reichstags war in den Abteilungen die Commission für die Vorberathung der Justizgeschc ge wählt worden, welche ans folgenden Mitgliedern besteht: Reichensperger (Olpe), v. Forcade de Biaix, Or. Mayer (Donauwörth), Hauck, v. Schöuing, v. Jagow, Thilo, 1 >e. Schwarze (Sachsen), Klotz, Herz, Eysoldt (Sachsen), Or. Zinn, Or. Lasker, Or. Marguardsen, Miguöl, v. Puttkamer (Fraustadt), Bernards, Or. Lieber, Pfaffcroit, Or. Krätzer, Or. Bähr (Kassel), Becker (Oldenburg), Or. Gneist, Or. Grimm, Or. Völk, Struck mann (Diepholz), Or. Wolffson, Gaupp. Auf der Tages ordnung der heutigen Sitzung stand die Fortsetzung der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung. Dieselbe wurde auch heute noch nicht zu Ende geführt. Zur- Erledigung kamcu die Ktz 55 bis 76, und zwar gelang ten mit zwei Ausnahmen überall die Bestimmungen der Vorlage zur Annahme. Eine vom Abg. Or. Zinn verschlagene Resolution wegen obligatorischer Einführung der Leichenschau im deutschen Reiche fand nicht die Mehrheit. (Vgl. umstehend den Sitzungsbericht.) — Die Bankcommission ist mit dcr Berathuna des ihr vorgelegten Gesetzentwurfs iu ihrer gestern Abend bis znr Nachtzeit (^12 Uhr) andauernden und heute Vormittag weiter anberaumteu Sitzung fertig geworden. Zum Referenten ist der Abg. Or. Bamberger ernannt, mit dem Auftrage, schriftlichen Bericht zu erstatten. Der Bericht für das Plenum wird in der morgen statt- fiudenden Sitzung der Commission festgestcllt, dann so fort in den Druck gesendet werden, und voraussichtlich morgen Abend noch zur Vcrtheilung gelangen. Die Beschlüsse der Commission in den beiden letztgenann ten Sibimai« bezoaen sich nach der „D. R-C." znm größten Theil Genehmigung der Beschlüsse in der ersten Lesung und nur einige Abwelchungtn von den früheren Beschlüssen haben wir hier noch zu registriren. In dem 8 4» des Ent wurfs wird daS Statut der Rcichsbank normirt. Hierzu hat die Commission in zweiter Lesung den Beschlug gesasit: Jedem Antheilsinhaber der Bank in dcr Generalversammlung eine Stimme zu gewähren, es darf jedoch ein Stimmberechtigter nicht mehr als WO Anthcile auf sich vereinigen. In dem Centralausschub der Bank soll nach den Beschlüssen der Com mission nur ein Besitzer von mindestens drei Antheilsscheinen gewählt werden dürfen. — In dem 8 4t welcher nach den Be schlüssen der ersten Lesung solgendermaben lautete: „Die durch gegenwärtiges Gesetz ertheilte Concesfion der Rcichsbank er lischt mit dem l. Januar l8Sl, wenn nicht vorher eine Ver längerung stattgesunden Hal" — wurde nach längerer DiScus- sion die Regierungsvorlage wieder hergestellt, welche, wenn die Kündigung mcht zum 1. Januar Witt erfolgt ist, dem Reiche das Recht cmräumt, nach vorhergegangener einjähriger Ankündigung von w zu 10 Jahren entweder die Rcichsbank auszuheben und die Grundstücke derselben gegen Erstattung des Buchwerthes zu erwerben oder die sämmtlichen AMheite der Reichsbank zum Nennwerthe zu erwerben. Jedoch wurde hierzu ein Zusatzantrag des Abg Lasker angenommen, daß zur Verlängerung der Concesfion dcr Reichsbank Uber den l. Januar Witt hinaus, die Zustimmung des Reichstages erfor derlich sei — Endlich wurde auf Antrag des StaatsministerS Delbrück in den 8 61 des Gesetzes noch die Bestimmung ein« gefügt, daß, wenn nach dem i. Januar wsi an Stelle der gegenwärtigen Reichsbank eine andere Bank treten sollte, dann das Reich verpflichtet sein solle, bis zum 29. November 1925 an Prcubcn und die bisherigen Bankantheilsewener eine Rente von jährlich 621,000 Thalern zu zahlen Mit diesen Acn- derungen wurde schließlich daS ganze Gesetz mit 16 gegen 4 Stimmen angenommen. (Gegen das Gesetz stimmten die Abgg. Mosle, Haanen, Frhr. v. Aretin und v. Miller (Weilburgs. Der Abg. Berger war nicht anwesend, würde aber gleichfalls für daS so amendirte Gesetz gestimmt haben.) * Berlin, 18. Januar. In der heutigen Sitzung des Herrenhauses wurde auf Antrag des Herrn v. Feuilleton. Redigirt von Otto Baust. Refidenztheater. Am 18. Januar wurde die drei- actige Gcsangsposse von Friedrich Hopp: „Doctor Faust's Hauskäppchen" oder „die Herberge im Walde" gegeben. Die Musik ist vou Heben streit. Die Idee eines Zauberringes, eines Zauberhorns, eines Tuches zu einem Tischchendeckdich, und wie die verschiedenen Gefährten der Springwurzel und der Steine der Weisheit alle heißen, erfreut des Menschen Herz, wenn es sich seitwärts in die Büsche schlägt, um sich im Gebiete des Märchens für die Fatalitäten des kargen Lebens schadlos zu halte«. Auch ein Zauber käppchenist eine gute Aguisition der Phantasie, welche ihren Hausrath billig kaust. Die Arten dieser Kopfbedeckung sind verschieden; die eine macht unsichtbar, die andere löst die Zungen, und wenn der Besitzer das Käppchen aufsetzt, so sprechen die Leute ohneSchonung gegen sich selbst dir Wahrheit und plaudern alle ihre wirklichen Gesinnungen aus, was sie sonst im Leben aus angestammter Vorsicht zu meiden sehr beflissen sind. Und diese Angewohnheit der Menschen, in höflicher Form ein wenig zu lügen und zu heucheln, ist für den gesellschaftlichen Verkehr keine so üble Erfindung, denn wenn Jeder plötzlich heraussagte, was er über seinen Nächsten denkt und was es überhaupt mit seiner 'Nächstenliebe für eine Br- wandtntß hat, so würde des Daseins liebliche Gewöhn- hrit und des praktischen Lebens behagliche Täuschung wie ein Nebel zerreißen. Wir würden gleich dem er wachenden Schlafwandler lauter Abgründe neben uns erblicken; die Zerstörung des Vertrauens ginge bis in das beste Familienleben hinein, das Band der Achtung und Gegenseitigkeit würde zerrissen, mit einer Fülle von komischen Situationen kämen auch die bittern tra gischen in Mengc herbei, der Haß artete in Verwüstung aus, die staatliche Ordnung käme zur Auflösung. Die ungeschminkte Wahrheit darf in unsern auf Mangel haftigkeit und Illusion basirten Verhältnissen nur Gast rollen geben, wenn sie Allgrmeingcbrauch wird, zer trümmert sie uns das ganze Kartenhaus und wir schlagen einander die Köpfe ein. Und das Schlimmste kommt noch: wir würden durch die Wahrheit nicht einmal wirklich die Wahrheit hören, sondern in den meisten Fällen nur die offene Aussprache von der über reizten Stimmung des Moments. Die besten Freunde oder die sich glcichgiltigsten Personen hätten sich also vergeblich gepriesen, gefördert oder zerzaust. Ich bin mir bewnßt, in diesem Gedanken für einen echten Poeten den fruchtbarsten Boden zu einer sehr anziehenden und neuen Dichtung gegeben zu haben, die nicht nöthig hätte, in Märchenhauch zu ver duften. Auf eine solche Auffassung der Zaubcrkäppchcnidce ist der Verfasser von „Doctor Faust's Hauskäppchen" nicht gekommen. Er benutzte ihre große Hcbelkraft nur zur Herbeiführung burlesk-komischer Scrnen. Seine Posse hat eine harmlose Tendenz, aber sie verliert sich in einer lockeren Zusammenstellung von einzelnen Situationen, denen die frische Strömung geschlossener Action, und in folge dessen auch die rege Spannung des Publikums fehlt. Und diesen Dingen, die nicht vorhanden sind, schließt sich auch der Mangel an Witz und amüsanten Cou plets an. Mit realistische« Geschick ist in dem bunten Ganzen eine Räubrrgeschichte ausgeführt, die sich einer sehr gut einstudirten Darstellung erfreute. Wenig Glück hat der Verfasser mit den komischen Rollen gehab/ die des Hrn. Karl (Schloßinspector) geht mit vollen Segeln, oder vielmehr Fittigen, denn der Darsteller trägt Gänseflügel an den Annen, in die Hanswurstiade nnd in das Grundelement des Stückes, die Geschmack losigkeit, über. Hr. Alexander stellt den glücklichen Besitzer des Käppchens dar, durch das er von einem Bummler auf diesem selbigen Lebenswege znm gemach ten Mann wird, eine starke Carrn-re, aber eine schwache Moral. Der talentvolle, immer angeregte Künstler wußte oft trefflich auf die Lachlust zu wirken. Sehr unbefangen und wohl empfunden in der Wir kung trug Frau Bauer-Körnig das hübsche Couplet von dem verfolgten Mädchen vor, welches immer schreien will, aber nie geschrien hat. Diese Scene gehört zu den anmuthigstrn Leistungen der tallentvollen jungen Schauspielerin. O. B. Das Concert zum BestendesVincentiusvcreins fand am 18. d. im Meinhold'schen Saale Statt und wurde durch die Gegenwart Ihrer Majestät der Königin Marie und Ihrer königl. Hoheiten des Prinzen und der Fran Prinzessin Georg ausgezeichnet. Treffliche künstlerische Kräfte hatten sich in dankens- werthcr Weise zur Herstellung eines reichen Programms vereinigt, an ihrer Spitze Herr Generalmusikdirector I. Rietz, der selbst die Begleitungen am Flügel über nommen hatte. Das Concert begann mit Beethoven's Quintett für Pianoforte und Blasinstrumente. Letztere wurden schön von den Herren Kammermusiken: Hieben- thal, De mnitz, Stein und Franz ansgcführt,und Frl. Marie Hübner spielte die Pianofortepaitir sehr löblich, musikalisch und belebt im Vortrage, und erwies sich noch durch einige Solopiecen als talentvolle und gut unter richtete Schülerin des hiesigen Conservatoriums. Herr Concertmeister Schiever trug mit sehr geschmackvoller Behandlung Adagio und Allegro aus dcm Violinconcert Wedell der Gesetzeutwurf, betreffend Auflösung deS Lehnsverbandes in der Kunnark rc. einer Commission von 15 Mitgliedern und auf Antrag des Herrn v. Bernuth der Gesetzentwurf über das Vormundschafts- wesen und der Gesetzentwurf, betreffend die Geschäfts fähigkeit Minderjähriger und die Aufhebung der Wieder einsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährig keit gemeinschaftlich einer besonderen Commission von 20 Mitgliedern überwiesen. Diese beiden Commissionen, sowie die übrigen auf Grund der Geschäftsordnung zu wählenden Commissionen sollten nach Schluß der Si tzung sofort gewählt werden. — Im Abgeordneten haus! fand heute die Präsidentenwahl statt. Bei der Wahl des ersten Präsidenten erhielt (wie bereits tele graphisch gemeldet) der Abg. v. Bennigsen 292 von -295 giltigen Stimmen; derselbe nahm die Wahl dankend an. Zum ersten Viccpräsidenten wurde der Abg. Or. Löwe mit 2t 1 von 294 giltigen Stimmen gewählt; der Abg. Reichensperger erhielt 58, v. Köller 20, Graf Bethusy-Huc H, v. Rönne und Holtermann je eine Stimme. Der Abg. Oi. Löwe nahm die Wahl dankend an. Bei der Wahl des zweiten Viccpräsidenten wurden 289 Stimmzettel abgegeben, davon waren ungiltig 14; es erhielten Graf Bethusy-Huc 186, Reichensperger 60, v. Köller 24, Lucius 2, Graf Wintzingerode, v. Wedett- Malchow und Duncker je eine. Der Abg. Graf Bc- thusy Hnc nahm die Wahl ebenfalls dankend an. Es erfolgte dann die Wahl der 8 Schriftführer, deren Re sultat in rer nächsten Sitzung mitgetheilt werden wird. — Der Reichskanzler hat zur Verhütung der Ein schleppung des Coloradokäfers dem Bundesrathe den folgenden Entwurf einer Verordnung, betreffend das Einfuhrverbot von Kartoffeln ans den Ver einigten Staaten von Amerika, sowie von Ab fällen und Verpackungsmaterial solcher Kartoffeln vor- 8 l. Die Einfuhr von Kartoffeln aus den Vereinigten Staaten von Amerika, sowie von Schalen und anderen Ab fällen fol her Kartoffeln, ferner von Säcken oder sonstigen Gegenständen, welche zur Verpackung oder Verwahrung der artiger Kartoffeln oder Kartvffelabfällc gedient haben, ist bis auf Weiteres verboten. — 8 2. Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft. — Wie der „Volksztg." mitgetheilt wird, dürste der Arnim'sche Proceß vor dem Kammergericht erst nach den diesjährigen Grrichtsfcrien (also frühestens im Sep tember) zur Verhandlung kommen. — Der „K. Z." wird telrgraphirt: Hn hiesigen un terrichteten Kreisen wird versichert, daß die hier zwischen dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und dem spanischen Gesandten Rascon wegen der „Gustav"- Angelegenheit geführten Verhandlungen ein befrie digendes Resultat erreicht haben. Die deutsche Regie rung soll mit dem Vorgehen Spaniens ganz zufrieden sein, insofern dasselbe eine volle Genugthuung für Deutschland in sichere Aussicht stelle. Posen, 18. Januar. (Tel.) In der heutigen Schwur- gcrichtssitzung wurden von 4 Personen, welche wegen Aufruhrs und Widerstands gegen die bewaffnete Macht bei Gelegenheit der Einführung des Propstes Kubeczak in Lions angeklagt waren, 2 unter Annahme mildern der Umstände, und zwar zu 1 Jahre, resp. zu 9 Mo naten Gefängnißstrafc vcrurtheilt. Die beiden an dern Augeschuldigten wurden freigcsprochen. Paderborn, l6. Januar. In dem „Wests. Volksbl." liest man: Die 24 Wochen (168 Tage) Freiheitsstrafe, welche Bischof Konrad Martin wegen Nichtbezahlung von 800 Thtr. maigesetzlicher Strafen zu verbüßen hat, nahen sich ihrem Ende; begonnen am 4. August v. I., läuft die Strafzeit am 19. d. ad. Ob aber der Oder hirt schou am genannten Tage die Freiheit wieder er langen wird, ist dem Vernehmen nach noch unbestimmt. Es ist nämlich inzwischen die Festungsstrafe von 2 Mo naten, wozu der Bischof wegen des Hirtenschreibens vom 14. März v. I. vom Krcisgericht zu Hörter unterm 18. Juni v. I. vcrurtheilt war, rechtskräftig geworden. Das genannte Urtheil war vom hiesigen Appellationsgerichte von Spohr vor, Hr. Kammervirtuos Fr. Grützmacher mit bekannter Meisterschaft eine von ihm neu bearbeitete Zonal» »Ila n>ilitt>rc- für Violoncello von L. Bvccherini. Frl. Malten, die Herren Decarli und Matthias er freuten durch mehrfache Gesangsvorträge, erstere nament lich durch sehr gelungene Ausführung der Susannen- arie (b'-ckur) aus „Figaro's Hochzeit", imd Frl. Hav er laub bereicherte durch zwei Declamationen die mit warmem Beifall aufgenommeneu künstlerischen Leistun gen. C. B. Rundschau über Theater und Musik. *1 Das während der letzten Herbstmesse in Leipzig aufgetauchte und wohl von jedem Kunstverständigen als boshafter Scherz anfgenommene Gerücht, Theodor Wach tel gedenke die Partie des Lo Heng rin seinem Reper toire einzuverleiben, ist am 14. ds. im neuen Theater unsrer Schwrsterstadt zur vollendeten Thatsache gewor den. Zwar lohnte zügelloses Händeklatschen das kecke Wagniß, aber den Beginn einer neuen Epoche in der Künstlerlaufbahn des Tenoristen pur vxeoll'-neo dürfte dasselbe kaum bezeichnen. Die Einseitigkeit nnd nüch terne Poesielosigkeit des blosen Vtrtuoscnthums wird bei wenigen Gestalten so eclatant zum Ausdrucke gelangen, als in derjenigen des Gralritters. Während der Opern referent dcr „L. Nachr." das Experiment möglichst zu beschönigen sucht und den „späten Entschluß" des Sän gers sogar „rühmlich" findet, ertheilt der Kritiker der „D. A. Z." dieser jüngsten „Versündigung" an einem deutschen Kunstwerke die unverhohlenste, energischste Rüge und bedauert, daß ein deutsch« s Publicum eme solche Verkümmerung nicht nur zuließ, sondern derselben auch noch zujubrln konnte, durch seine Zugeständnisse das Gefühl künstlerischer Verantwortlichkeit erstickend.
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