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Frankreichs Meinung über die Röumnng. Kompromittierende zeugen im Bergmann-Skandal. — Las Zentrum rückt von Ulitzka ab. Anmaßende Bestreitung deutscher Rechte. Französische Phantasien zur Rede Strescmanns. «Durch Auiiklpruch.» Paris. 1. Febr. Die Rede Strescmanns, so schreibt das „E ch o de Pari s". hat Brtand cri''lich in Verlegen heit gebracht. Man bemerkt dies a» der Vertagung der Siede, die er gestern im Senat hätte halten sollen. Das Blatt jagt, Strcsemann habe Brtand vor die Alternative gestellt: Entweder ist der Locarno-Vertrag etwas wert, und in diesem Falle ist die Sicherheit Frankreichs garantiert und die Rhein- landräumung must in .kürze erfolge», oder aber die Rhein- landbeievung bleibt bestehen und Locarno ist als wert- und wirkungslos anerkannt worden. Man müsse zugebe», das! dieses Argument der stärke nicht entbehre. Wenn Frankreich heute wieder aus die Besetzung zurück greisen wolle, könne cs nur daraus verweise», dass Deutsch land seine Rcparationsvcrpftichtnngcu so lange nicht ersiillt habe, als es eine einsachc Annuität zahle und noch nicht mit der Amortisation des Lchnldcnabkommens begonnen habe, d s juristisch aus 13L Milliarden Mark scsGcleßt bleibe. Deutsch land könne deswegen nicht den Art. 43l des Versailler Ver trages über die jetzige Nheinlandränmung in Anspruch nehmen. Was die Sicherheitsfrage anbelange, so werde Brtand versuchen, sich durch eine ziemlich zweideutige Lösung aus der Klemme zu ziehen. Er werde Deutschland eine neue Verringerung der Nhctnlandgarntsonen um lllOOO Mann vorschlagen. Es wäre nicht verwunderlich, meint das „Echo de Parts" zum Schluß, wenn Ltrcsemann sich zu dieser Lösuna begucmte. Das „I o u r n a l" schreibt. StrescmannS Begründung sei »iiwidcrlcgtich. wenn man sie lediglich vom Standpunkt des Rhetnlandes aus ansieht. Der wahre Faktor der europäischen Stabilität aber liege in einer Sicherstellung der Ost grenzen. Erst wenn Deutschland Garantie» auch in dieser Hinsicht gegeben habe, werde man die Nhcinland- räumung ins Auge sassen könne», ohne das wäre sie eine Torheit. „Avenir" schreibt: Gewisse Sätze in StrcsemannS Rede haben »ns beunruhigt. Er gibt zu verstehen, daß Chamber- lain aus Vrtaud einen Druck ausübcn könne. DaS ist ei« Trick oder ein bcutsch-englischcö Einverständnis. — Die „Volonte" schreibt: Der deutsche Minister des Aeußcrcn willigt ein das? eine internationale Kontrolle an die Stelle der Besetzung trete, aber lediglich bis 1985. Man warbt sich i» Berlin nicht recht klar, daß cs unmöglich er scheint, eine derartige These sür die össentlichc Meinung in Frankreich annehmbar zu machen, die — mit Recht oder Un recht — die Besetzung als eine Garantie ansieht. die besser ist als die Kontrolle in dem Augenblick, i» dem man fordert, das? die eine und die andere gleichzeitig verschwinden solle. * Die versprochene letzte Trnppenvermindernng ist bei weitem nicht so eingctretcn. wie sie »ns von Frankreich zu gesagt worden war: wir haben also alle» Anlas?, neuen Ver sprechungen gegenüber misstrauisch zu sei» — ganz abgesehen davon, das? die vollständige Räumung unser Recht ist. Dieses Recht ist mit der lügnerische» Vehauptnng. Deutschland müsse erst mit der Amortisation der in London festgesetzten seit Annahme der Dawcs-Gesctze aber illusorisch gewordenen t32 Milliarden beginnen, cke ibm c!» Zurückgreiicn auf Artikel 481 zustche, nicht aus der Welt geschasst. Fm übrigen hat sich, in? Gegensatz zu dem, was die „Bolontä" schreibt, die deutsche Außenpolitik noch nie damit einverstanden erklärt, das? bis l985 an die Stelle der Besetzung eine internationale Kontrolle trete. Die Antwort, die Parts in diesen Blätterstimme» an Dr. Strcsemann richtet, bctrisst gleichermaßen den dcutschnatio- nalen Debatteredner Frcytagh-Loringhofe», der wie Stresemann die jeder wahre» Verständigung abgeneigte Doppelzüngigkeit Frankreichs ins rechte Licht setzte. Aber eben deshalb hätte der ZentrumSabgeordnete Ulitzka besser getan, sich dieser Kritik anzuschließen und dein deutschen Pro test einen noch grösseren Nachdruck zu geben. So aber muhte im Auslände der Eindruck hervorgerusen werden, als übcr- wicgc innerpolitischer Zwist die gemeinsame Empörung gegen über Frankreich. Im bewirten Gebiete dürste man dafür herz lich iventg Verständnis übrig habe». -- Die deutschnationale Pressestelle erinnert in? übrigen an die Erklärung, die der Abg. Kaas am 28. In?i des vergangenen Jahres im Reichs tag abgab, und wirst die Frage ans, ob der deutschnationale Abg. Freytagh-Loringhoven dasselbe, was Herr Kaas gesagt habe, nur deshalb nicht nnssprcchen dürfe, weil die Dent'ch- nattonalen schon vor Locarno gegen Frankreichs Ehrlichkeit mißtrauisch gewesen seien. Die französische Keeresresorm. Nur eine Abriislungsmakregel? Frankreich hat den Uebergang von der eineinhalb- zur einjährigen Dienstzeit beschlossen. Als Folge ergibt sich zwaiigsläusig eine Verminderung der in? Frieden bestehenden Formationen, wenn inan die Regimenter aus einigermaßen genügender Stärke erhalten will. Die Franzosen behaupteten svsort, mit dieser Verkürzung der Dienstzeit der Abrüstungs- pslicht Genüge getan zu haben. Kann wirklich der Uebergang zur einjährigen Dienstzeit als Abrüstungsmaßregel ernst ge nommen werde»? Frankreich hat nach dein Jahr l870 schon zweimal die Dienstzeit herabgesetzt. Einmal von fünf aus drei Jahre und später vv» drei auf zwei. Es wird wohl schwerlich jemand behaupten wolle», das revanchelüsterne Frankreich habe seinerzeit damit abrüsten wollen. Es muß also doch andere Gründe iunerpolitischcr und volkswirtschaft licher Art geben, die eine Verkürzung der Dienstzeit ge bieterisch fordern können. Umgekehrt muß man allerdings die Tatsache buchen, daß Frankreich 1918, als es die Zeit des Revanchckricgs gekommen glaubte, i» der Absicht aus zu rüsten zur dreijährigen Dienstzeit zurückgckehrt ist. Der Grund sür diese Erscheinung liegt in den organisatorischen Anschauungen der damalige» Zeit. Man maß vor dem Welt kriege der aktiven Armee eine überragende Bedeutung zu. Reserve- und Landwehrfvrmationen traten dagegen in den Hintergrund. Der Zweck der Rückkehr zur dreijährigen Dienstzeit war, dem volkreicheren Deutschland ein gleich starkes und sogar überlegenes aktives Heer entgegenstellen zu können. In der Bewertung des aktiven Kasernen» hccrcS einerseits, und der Reserven ander seits. ist aus Grund der Ersahrungcn des Weltkrieges ein erheblicher Wandel eingctretcn. Der Wunsch, von vornherein die ganze Masse der ausgebildeten Tauglichen zu verwende«, herrscht heute vor. Man ist damit ganz aus die Ideen det großen HccreSorganisatorcn der sranzösischcn Revolution zurückgekommcu, wie sie der bekannte Sozialistcusührcr Janrös in seinem Buch „Die Armee der Zukunst" schildert und weiter entwickelt. Ganz im gleichen Sinne schreibt der Vorsitzende des Heeresausschusscs der französischen Kammer, General Giro d, in seiner kleinen Abhandlung „Die einjährige Dienst zeit, warum ich sie wünsche und wie ich sie mir denke": „Es handelt sich darum, das Zahlenverhältnis zwischen aktiver Armee und Reserve zu verschieben. Wir müssen den Schwer punkt der mobilen Strcitkräste vom Kasernen Heer nach de in ansgebtldeten Volk verlegen." D. h. mit anderen Worten, man rechnet jetzt nicht mehr wie 1914 damit, das? inan sür die entscheidenden Operationen ein so und so starkes aktives Heer benötigt» sondern man rechnet gleich von Anfang an mit der ganzen Masse der Reservcsvrmattvncn. Damit ist das aktive Heer keine durch die operativen Bedürfnisse gegebene Größe mehr, und damit ist auch die Bah» sür eine Bestimmung der Länge der Dienstzeit nach anderen Gesichtspunkten frei. So gut man 1918, um ein ebenso starkes aktives Heer wie die Deutschen zu erlangen, notgedrungen aus die dreijährige Dienstzeit zurück- griss, ebenso gut kann man heute, wo das aktive Heer nicht mehr dieselbe Rolle spielt, die Länge der Dienstzeit so be messen, wie cS mit Rücksicht aus die Ausbildung einerseits und die Volkswirtschaft ander seits wünschenswert erscheint. Ron Abrüstung ist dabei überhaupt nicht die Rede, ebensowenig in anderen Veröffentlich»»«» gen, die dem sranzösischcn Publikum die Gründe sür das neue Wehrgcsetz darlcgcn wollen. So schreibt ». B. General Tausslieb in seinem Buch „Die Organi sation der Landesverteidigung für den Krieg": „Die Hauptmasse der Armee bilden nicht die zur Ausbil dung bei der Fahne Dienenden . . . Gut organisierte nnd bewaffnete Reserven sind es, die eine gewaltige Streitmacht darstcllcn." Man kann zwar zu Recht behaupten, daß eine Ausbildung von zivöls Monaten weniger gründlich ist, als eine von acht» zehn Monaten und damit eine geringere Letstungssähigkett der Truppe ctntritt. Man darf aber nicht übersehen, daß Frank reich durch Erhöhung -er Zahl der Kapitulanten, durch vcrinehrte Entlastung der Truppe von Mobilmachnngs- vorarbettcn und Arbeitsdienst und endlich durch »vetteren Aus bau der vormilitärischen Erziehung Vorsorge getroffen hat, daß die Güte der Ausbildung trotz Verkürzung der Dienstzeit nicht z» sehr leidet. Die Verkürzung derDtenstzett, einschließlich ihrer organtsntorischcn Folgen, stellt sich sonach nicht als Abrüstungsmaßregel dar. vielmehr als eine ttmorganisation. die tiinerpolitisch und volkswirtschaftlich erwünscht und durch die neuzeitliche Anschauung vom „Voll in Waffen" möglich geworden ist. Rur in einem Punkt ist di« französische Rüstung infolge der einsährigen Dienstzeit tat. sächlich schwächer geworden. Mit einer Verkleinerung des KasernenhecreS ist naturgemäß die Zahl der sofort per« Zer Unfug der Untersuchungsausschüsse. Skandalszenen im preußischen Femeausschutz. Berlin. 1. Febr. Der F c m c a n v s ch u s? des Preußischen Landtags hielt heute eine Sitzung ab, in der zunächst Oberst leutnant a. D. Ahlrmann gehört wurde, wobei cs sofort zu schweren Zusammenstößen zwischen dein Zeuge» und de»? Ausschuß kam. Oberstleutnant a. D. Ahlemaiin wandte sich immcutlich gegen das Ausschußmitglied Kuttner, dein- acgentiber er erklärte, er — Kuttner — sei seinerzeit ebenfalls selbst des Mordes bezichtigt morde» und wage es. einen Mann des Mordes zu beschuldigen, der wie der Oberleutnant Schulz für sein Vaterland mit seinem Leben etngetreten sei. Wetter erklärte der Zeuge, er habe keine Veraulgssung. in diesen» Ausschuß den parlamentarischen Ton zu wahren. Eö kam zu einer skandalösen S ch t in p f s z e n e. indem der Abg. Kuttner den Oberstleutnant Ahlemann als einen „unverschämten Lümmel" bezeichnet,:, was dieser thin mit gleicher Münze zuriickzghlte. Es wird dann der Oberleutnant a. D. v. Tettenborn ver nommen, vor dein Grütte - Lehder seinen Mordplan an Scvering entwickelt haben soll. Der Zeuge wird sehr auS- säilig gegen Grütte-Lehdcr, den er von Anfang an als Idioten behandelt habe. Grütte-Lehder habe ihm nie einen Mordplan enthüllt. Der Vorsitzende erklärte Tettenborns Vernehmung snr beendet. Herr v. Tettenborn nimmt trotzdem nochmals dos Wort »nd führt ans: Ich möchte noch Verwahrung ein- legrn, daß ich zwei Jahre beschuldigt, aber bisher iitcht ver nommen worden bin. Vorsitzender: Ihre Vernehmung ist beende!! Zeuge: Dann möchte ich nur noch ersuchen, daß in Ihrem Ausschußbcschluß zum Ausdruck gebracht wird, daß ich nichts mit Fememörder,i zu tun gehabt habe, ocnn ich komme dabei nicht mit still Mark Gcldstrasc weg, wie vielleicht ein unter Immunität stehender Abgeordneter. sGroße Erregung tm Ausschuß nnd im Zuhörcrrauin.» Der Ausschuß vertagte sich bau» auf unbestimmte Zeit. Die Untersuchung im Bergmann-Skandal. Berlin, 1. Febr. In de» gestrigen Vernehmungen tm Bergmann-Skandal machten die beiden Zeugen Direk tor Rocich von der TreuhaiidgeseNschast sür Handel, Industrie nnd Gewerbe und Major a. D. H i n tz c Aussage», ine nicht nur Staatsanwalt Jacobi, sondern auch die Beamten des sür das Vcrgmannschc Unternehme» zuständigen Polizei reviers belasteten. Beide Zeugen gaben an. daß das Polizei revier ans Anfrage der Trenhandgescllschaf« erklärt hat. baß Bergmann und sein Unternehmen sich beS besten RnseS er- srcuten. Daraus bade die Drenbandgcsellschas» dem Lombard, Haus sür über r»1ll»0il Mark Ei,»lagen »ermittelt. AlS bei Auftreten von Zweifeln an der Solidität des Unternehmens Major Hiirtzc den ihm befreundeten Staatsanwalt Jacobi gefragt habe, ivic die Anzeige gegen Bergmann einznbringcn sei, habe Jacobi ausdrücklich erklärt, das? ein solcher Schritt der Treuhandgesellschast und ihren Kunden sehr aesährlich werden könnte, »nd daß mau von Schritten bei der Staatsanmaltschast lieber abschc» sollte. Aus eine spätere erneute Ansragc Hinstco. ob die Staatsanwaltschaft nicht end lich ciuzulchrcitcn gedenke, da Bergmann damals bereits zwei Millionen Mark fremder Gelder ausgenommen hätte, habe Staatsanwalt Jacobi geantwortet, daß es Anfgabe de« Staates wäre, sich «m derartige Dinge zu kümmern, nicht aber die Ausgabe von Privatleuten. Wie eine Korrespondenz erfährt, bat das In st tz- mini sie rinn? die Untersuchungsbchörden angewiesen, täglich über die Vernehmungen des Staatsanwalts Jacob, Verickck zu erstatten. Staatsanwaltsckiastürat Dr. Jacobi hat heute durch seinen Rechtsanwalt den Leitern der Vor untersuchung eine B c s ch w e r d e s ch r i s t eingereicht. Riesenschwindeteien einer Schweriner Gemeindeverwaltung. Schwerin, l. Febr. In der gestrigen Stadtverordneten versammlung wurden überaus schwere Vorwürfe wegen Korruptionen erhoben, deren sich die Gemetndc- verwaitiliig Ostorf kurz vor der am 1. Januar er folgten Eingemeindung dieser Ortschaft in die Stadt Schwerin schuldig gemacht haben soll. Die Vorwürfe, die sich in erster Linie gegen den früheren Ostorfer Gemcindevcrtretcr, jetzigen Stadtverordneten Peterö richteten, verursachte» ungeheure Erregung »nd führten zu Tnmultszenen. SS wurde der Gemeindeverwaltung Ostorf «. a. vor» geworfen, daß das Gemctndevcrmögcn vor der Ein gemeindung unter den Ostorscrn aufgcteilt worden sei, wöbet die vier Gcmcindcvcrtrctcr und der OrtSvorstehcr sich selbst den Löwenanteil zngcschanzt hätte». Ende vorigen Jahres sollen die Gemeindcgrundstttckc zum Teil an Ostorfer. zum Teil an das Amt Schwerin für geringe Summen verkauft nnd außerdem die im Besitz der Gemeinde befindlichen Grundschnldcn und Hypotheken von etwa 19 999 Mark dem Amte übereignet worden sein. Hierfür habe sich das Amt verpflichten müssen, allen Ostorfer Grundstücks, besitzeru wesentliche Beihilfen für die Kosten der nach der Ein. gcmeindnng notwendig gewordenen Wasserleitung und Kanalisattvnsanlagcn zu gewähren. Schließlich hätten sich die Gcmeindcvertrrtcr und der OrtSvorstehcr eine Sonder- zutage als AufwandSciitschädtgnng bewilligt.