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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations- Preis 22j Sgr. (z Thlr.) vierteljährlich, 3 Thaler für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. a g a z r n für die Man pränumerirt aus diese« Beiblatt der Allg.Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie ini Auslande bei den Wohllöbl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. 29. Berlin, Freilag den 8. März 1833. England. Irland und seine Verhältnisse zu Großbritanien. (Aus Blackwoods Läindnrgll Slaga-ine.) Irland befindet sich gegenwärtig in einer Krisis, welche die ge spannte Aufmerksamkeit jedes Briten in Anspruch nimmt, dec seinem Vaterlande wohl will. Man weiss, daß diese volkreiche und unge mein fruchtbare Insel ein in sich zerrissenes unglückliches Land ist; man weiß, daß ihre Millionen mitten im Ueberfiuß Hunger leiden und nur dazu bestimmt scheinen, um andere Millionen ins Dascyn zu setzen, die eben so verwahrlost und elend sind, wie sic selbst. Bon der äußersten Noth, welche ihre zahlreiche Bevölkerung leidet, zeugen nicht bloß die jährlichen Auswanderungen vieler Lausende nach Ame rika, sondern auch die Schaarcn, die alltäglich über den Kanal kom men und Großbritaniens Gestade überschwemmen, die ohnehin schon zum 'Ueberfiuß bevölkert sind. AusClcland's trefflichem statistischen Werke über Glasgow erhellt, daß nicht weniger als 33,000 Irländer, säst alle vom niedrigsten Stand und Gewerbe, in jener Stadt wohnen, und in Len übrigen großen Städten des Reiches, als: Manchester, Bristol, Liver pool, Birmingham und Edinburg, ist das Bcrhältniß wahrscheinlich mindestens eben so groß. Nach Humboldt'S genauen Berechnungen (s. dessen Reisen, Tb. Vlll. S. 247.) hat die Bevölkerung Groß- britaniens in den Jahren 1801 bis 1821 um eine Million Men sche» zugenömmcn, eine Differenz, die er mit Recht vornehmlich dem ungeheuren Zufluß von Irländern in dieser Periode beimißt. Eine so gewaltige Menschen-Fluch hat selbst in den Zeilen Ler großen Völkerwanderung nicht siattgesundcn. Es wäre demnach ein eitles Bemühen, wenn England mit den Anti-Unionisten gemeinschaftliche Sache machen und sich von Irland IvSrcißen wollte, und sehr leichtsinnig, wenn cs den Jammer dieses Landes als einen Umstand betrachtete, der außer dem Interesse seiner Nation liegt. Die Noth und Anarchie der Irländer ist eine Krank heit, die bald das ganze Reich ansteckcn wird. Der Ueberfiuß unserer eigenen Bevölkerung, das Elend unserer eigenen Armen und die drük- kende Last unserer Armen-Taxen: alles dies verdanken wir de» Menschenmaffen, die unaufhörlich von Irlands Küste herandrängcn. Hätte man in den seil dem Frieden eingetretcncii Periode», während deren die Industrie am meiste» danieder lag, die Irländische» Arbeiter entfernen können, so würde der Britische Arme Beschäfti gung genug gesunden haben. Die Natur verbietet uns, den zwischen beide» Ländern bestehende» Verkehr abzubrechcn. Wir müssen Hand in Hand schwimmen oder untergeben. Es ist durchaus unmöglich, jene Scheidung des Britischen und Irischen Interesse zu bewerkstelli gen, für welche die Irischen Demagogen so rüstig kämpfen, und die auch viele Britische Staatsmänner zu verfechte» geneigt sind, weil sie ciiieu überwiegenden Einfluß der katholischen Partei im Unterbaust mit oder ohne Grund befürchten, und weil jeder Versuch, die Lage der Katholiken zu verbessern, fruchtlos scheint. Die Legislatur kann durch eine Parlaments-Akte getrennt werden; eine Revolution kann den Katholiken ihre eigene Lersassung geben; aber bei allem dem wird Irland, gleich einem leblosen Körper, seinem Nachbarn aus dem Nacken liegen bleiben; seine hungernden Scbaaren werden unsere Arbeiter nicht weniger zii Boden drücken; seine Leidenschaften die Kräfte unserer Regierung nicht weniger lähmen. Laßt eine katholi sche Republik in Irland errichtet werden; macht O'Eonnell zum Präsi denten derselben, schafft alle Englische Besitzer von Ländereien aus dem Lande; überlaßt Irland, mit seinen Priestern und seiner Armuth, sich selbst — und die Last, die unerträgliche Last seines Elendes, wird uns fühlbarer werden als jemals. Entblößt von de» Kapita lien der Englischen Grundbesitzer oder der Eigcnlhümer von Engli scher Abkunft, eine Beute seiner ungezügelten Leidenschaften, gelei tet von einer ehrgeizigen und unwissenden Pricstcrschast, verjubel durch fanatische Demagogen, würde cs bald in eine» noch weit lieferen Abgrund des Jammers versinken. Das Ergebnis; würde eine solche Anarchie sehn, daß die wohlhabenderen Klaffen jedem Gouvernement, das ihnen seinen Schutz anböic, j» die Arme cile» dürsten. Dann wäre für Frankreich der lang ersehnte Augenblick gekommen, wo es von der Nachbar-Insel ans gegen England agiren könnte; und ge setzt auch, England fügte sich der Usurpation, so würden Schiffe und Mannschaft zur Deckung unserer Westküste noch mehr Unkosten er-, fordern, als jetzt »othwendig sind, um in dem zerrütteten Lande eine prekäre Autorität zu erhalte». Woher nun dies Elend und diese wüthendtn Leidenschaften in einem Lande, das die Natur so reich begabt hat, und das einer Regierung unlcrgebcii ist, die in anderen Staaten so viel zum Glücke der Bevölkerung bcigetragen? Die Irischen Demokraten sagen, Eng lands drückende Herrschaft seh an Allem schuld; die Journalisten von der Partei der Whig s stimmen ihnen bei, und dennoch giebt es ge wiß keine Meinung, die irriger wäre. Irland ist nicht deswegen elend, weil cs erobert worden, sondern weil cs nicht erobert wordcn; seine starke Bevölkerung ist ihm nur deshalb drückend, weil die Ty rannei seiner eigenen Demagogen den Einwohner» ihren Lebens unterhalt entzieht; und es wird von widerstreitenden Leidenschaften zerrissen, nicht weil Britische Unterdrückung sie ins Leben gerufen, sondern weil Irische Unfügsamkeit sie Jahrhunderte lang genährt hat. Daß die Volks-Partei auf beiden Inseln jener ersten Meinung blindlings anhängt, ist um so mehr zu verwundern, da sie doch zu glei cher Zeit über die Ursachen des steigenden Wohlstandes von Schottland ganz anders urtheilt. Sie sehen, welche beispiellose Fortschritte Lies arme und unfruchtbare Land in de» letzten achtzig Jahren gemacht hat; seine Einkünfte haben sich um das Vierfache vermehrt, seine Bevölkerung um das Doppelte, sein Wohlstand um das Zehnfache; seine Städte sind mit Palästen angcsüllt, seine Felder üpp:g frucht bar, die Berge mit Hcerden bedeckt; die Hasen starre» vo» Masten; seine Schiffe drängen sich im Atlantischen Ocea»'— und dennoch ist Alles die Frucht einer aristokratischen Verfassung, mit einem reprä sentativen System, von welchem die niederen Stände in vieler Be ziehung ausgeschlossen waren. Schottland, sagt man unsist jetzt reich und glücklich, weil der engherzige eisersüchtige Geist seiner eigenen Verfassung durch den wohllhatigcn EinflZ^EstM Frei heit gemildert wordcn. Wir wollen einmal zngebe», daß Schottland sein ganzes Glück dem Einfinffc Englands verdanke. Warum'bat nun derselbe Einfluß zu gleicher Zeit in Irland nichts als Elend erzeugt? Die gewöhnliche Antwort, daß Schottland immer ein un abhängiger Staat gewesen, Irland aber durch das Schwerdt errun gen und regiert wordcn, ist ganz nngenügcnd und verräih Nichtbe achtung der bckanntestcn historischen Tbatsachen. Warum ist denn Irland so leicht erobert worden, während Schottland so lang und kräftig widerstand? Wie kam es, daß Heinrich II. die Eroberung Irlands mit cilfhunden Mann bequem aussührte, während Eduard II. an der Spitze von 80,000 Mann Schottland nicht unterjocden konnte? Wodurch wurde es Schottland möglich, nicht Ein Mal, sondern Zwanzig Ma! ungeheure Englische Heere über seine Gränzcn zn treibe», während doch Irland niemals ein Heer ziirückgcschlagen hat, seitdem die Normänner ihre Standarte zuerst an seinen Gestaden aufgepflanzi? Augenscheinlich ist zwischen beiden Staate» ei» wesent licher Unterschied, und wollen wir die Ursachen entdecken, warum eine gleiche Gesetzgebung des herrschenden Staates in beiden Ländern so verschiede» gewirkt hat, so müssen wir de» verschiedenen Charakter Heider Nationen ins Auge fassen. Eine Thatsache ist sehr ^merkwürdig und wirft aus dies schwie rige Problem ein starkes Licht. Man hat in Irland zu verschiedenen Perioden Systeme versucht, die einander entgegengesetzt waren, und ohne Ausnahme folgte das System der Nachsicht und Rachgichigkeit unmittelbar auf Ausbrüche ungewöbiUichcr Tyrannei. Das erste die ser Beispiele ist die große Nachgiebigkeit, welche Iakob I. de» Ir länder» bewies. Dieser Monarch rühmte sich mit Recht, daß Irland der Schauplatz seiner wohlthätige» Gesetzgebung scy, und daß er sei nen Bewohnern mehr zugestanden habe, als alle Monarchen, die seit Heinrich II. auf Englands Thron gescssc». Er instituirtc die Bo ro ughs, gab ihnen das Recht, Repräsentanten i»'S Parlament zu schicken, und beschenkte zuerst jene roben und unbekannten Distrikte mit Englands Einrichtungen und Freiheiten. Was war die Folge? Bezeugte fickt das Volk dankbar? Zeigte cs sich Britischer Freiheit wert!) und fähig, den Leidenschaften zu widerstehe», die eine reprä sentative Verfassung weckt? Wir beantworte» diese Frage mit de» Worten Hume's. „Die Irländer", sagt er, „überall mit Engländern untermischt, bedurften nur eines Winkes ihrer Führer und Priester, um feindlich gegen eine Nation zu verfahren, hie sie wegen ihrer Religion haß- ic», wegen ihres Wohlstandes beneideten. Die Häuser, das Vieh, die Habe dec unvorbereiteten Engländer wurden zuerst geplündert. Diejenigen, welche von den Bewegungen in ihrer Nachbarschaft hör ten, blieben, statt ihre Wohnungen zu verlassen und zu wechselseiti gem Schutze zusammcnzutrctcn, in der Hoffnung daheim, daß sie ihr Eigenthum verlheidige» könnten, und fielen so einzeln in die Hände ihrer Feinde. Als dir Raubsucht gesättigt war, begann die Krau-