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JOHANN STRAUSS von der schönen blauen Donau ist in diesem Reimwerk gar nicht die Rede? Es scheint, als sei er von den Worten eines wirklichen Dich ters inspiriert worden, denen des Ungarn Karl Isidor Beck. An der Donau Und ich sah Dich reich an Schmerzen, Und ich sah Dich jung und hold, Wo die Teue wächst im Herzen, Wie im Schacht das edle Gold, fr An der Donau, V An der schönen blauen Donau. In den Sternen stand's geschrieben, Daß ich finden Dich gemußt, Um auf ewig Dich zu lieben, Und ich las es mir zur Lust, An der Donau, An der schönen blauen Donau. Das klingt schon ganz anders! Und was tut's, wenn das Blau dieser besungenen Donau das der ungarischen Tiefebene ist: Strauß nahm es für sich in Anspruch und verlegte Wien an die Donau — die damals noch an der Stadt vorbeifloß. Erst nach der Regulie rung des Stromes von 1875 liegt Wien an einem — künstlichen — Donauarm. JOSEF STRAUSS Die erste Aufführung des Walzers fand am 15. Februar 1867 im „Dianasaal" statt. Es ist nicht wahr, daß er keinen Erfolg gehabt hätte, aber nur eine einzige Wiederholung an diesem Abend war für eine Komposition Strauß' eben kein Erfolg. Vielleicht waren die Besucher des Ballfestes schon zu müde (sie hatten vor der Pause das Ritterdrama „Heinz der Bluthund oder das Rosengärtlein von Aggstein" und die große Operette „Die Sän gerfahrt nach Peking" schon über sich erge hen lassen müssen), die musikalischen Schön heiten der neuen Komposition zu erfassen, jedenfalls verschwand der Chorwalzer im Ar chiv des Wiener Männergesangvereins. Strauß weinte ihm keine Träne nach. „Der Walzer war vielleicht nicht reißerisch genug", soll er später gesagt haben, und zu Bruder Josef: „Den Walzer mag meinetwegen der Teufel holen, nur um die Coda tut’s mir leid." Aber das Jahr 1867 war auch das Jahr der Pariser Weltausstellung. Johann Strauß wur de eingeladen, in Paris zu dirigieren. Zwar stand ihm wegen anderer Verpflichtungen sein eigenes Orchester nicht zur Verfügung, aber das des Königlich-Preußischen Musikdi rektors Bilse (aus dem 1882 das Berliner Phil harmonische Ochester hervorging) war von so ausgezeichneter Qualität, daß es keiner gro ßen Anstrengung bedurfte, ihm Wiener Wal zerseligkeit und Charme einzuhauchen. Sein erstes Auftreten auf dem Ball der österrei chischen Botschaft in Anwesenheit einer gan zen Reihe gekrönter Häupter brachte ihm schon ungeheure Anerkenung ein, und als gar der Redakteur des „Figaro", Villemessant, hingerissen von der Musik und der Persön lichkeit Strauß' für ihn die Reklametrommel zu rühren begann, avancierte er bald zum Liebling der Pariser, die ihn mit Beifall über schütteten. Schon in den ersten Konzerten setzte er eine Orchesterfassung des Walzers „An der schönen blauen Donau" auf das Programm, und jener Walzer war es, den die Pariser in ihr Herz schlossen. Kein Konzert, in dem er nicht erklang; schon bei den ersten leisen Tremolotakten der Streicher erhob sich jedesmal stürmischer Applaus, überglücklich berichtete er von seinen Erfolgen nach Wien, die Wiener Zeitungen überschlugen sich, sei nen Triumph mitzuteilen, die Brüder Josef und Eduard zogen den schon vergessenen Walzer aus der Versenkung hervor und offe rierten ihn mit der Strauß-Kapelle einem ent zückten Publikum: Die Wiener waren hinge rissen und reagierten enthusiastisch. D e r Wiener Walzer war gekürt, die Sensations meldung lief um die ganze Welt. Inzwischen war Johann Strauß von Paris nach London weitergereist, wo er von August bis Oktober 63 Konzerte dirigierte. Und wieder stand der Donauwalzer auf den Programmen und wurde von den eher in ihrer Reaktion als kühl und zurückhaltend geltenden Engländern bejubelt. Strauß' Verleger Spina ließ mehr als 100 Druckplatten anfertigen; von jeder Druck platte konnten 10 000 Abzüge hergestellt werden, eine Millionenauflage, die ihm ein Vermögen einbrachte. Und der Komponist? 250 Gulden betrug sein Honorar und später — Großzügigkeit des Verlegers! — noch ein mal ein kleines Ehrenhonorar. Auch als Chorwalzer erlebte „An der schü^B blauen Donau" ein Comeback, als ihm 1890 Franz von Gernerth einen neuen Text unter legte, der sicher auch nicht der Reimweisheit letzter Schluß ist, sich aber bis auf den heu tigen Tag erhalten hat: Donau so blau, durch Feld und Au . . . Und immer, wenn die ersten vier Töne — ein D-Dur-Dreiklang, der auf der letzten Stufe stehenbleibt — wie Treppen emporsteigen, verbindet sich mit diesem Tonsymbol der Ge danke an Wien, die Stadt „An der schönen blauen Donau" und ihren Walzerkönig Jo hann Strauß. Programmblätter der Dresdner Philharmoniker Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig pie Texte im Programmheft schrieb H. Bitterlich Spielzeit 1981 82 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-68-81 EVP —,25 M 3- AUSSER ORDENTL|ches konzert )98i/82