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Freitag, 6. Oktober 1911 »Sir 4000 »Unk MmA« Nr. WS. Sechster Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge »«laniwortllch», Redaft««« frltz R-vKolcl Sft Inserat» verantwortlich . Malter Nr»»» Beide In An» i G»a»l>. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Äuer Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit ktnrnahme der Sonntag» nachmittag» von »—r Nhr. — Telegramm-Adrefser Tageblatt Nuerrzgeoirg» ^ernh>recher es. Für unverlangt eingesandt« Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Sa« vracst- a. vettege-SweNeeb«!» m. b. in Rue t. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins lsaus monatlich 5N0fg. 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S Der vom Hnniadund oe>anstiileie M i r t e ist a n d s k o n- greb wird am b. und S. November im Beilmer Leh- rcrvereinshause statlfinden. Im österreichischen A b g e o r d n e t en h a u s e gab ein dalmatinischer Sozialist mehrere scharfe Schüsse auf oie Minsterbank ab. Verletzt wurde niemand. O «.er für den Wint.r bcabsichtipte Besuch der Nordamerika. Nischen Flotteim Mittelmeer ist aufgegeben woiden. S Der höhere Rat der nationalen Verteidigung in Frankreich, der verfaffungeg^möß im Oktober zusammen- treten muß, ist auf den ft. Oktober etnberufen worden. Unsere Diplomatie. dos' Es gehört zu den Gepflogenheiten verschiedener Kreise in Deutschland, bei jeder Gelegenheit auf unsere Diplomaten zu schimpfen und sie als unfähig« Köpfe hinzustellen. Das kann gerade nicht zur Erhöhung unserer Autorität beitragen. Vor allem ist es verfehlt, zu verallgemeinern, wie dies oft geschieht. Gleichwohl wird man der Kritik «inen berechtigten Kern nicht absprechen können, denn schon mehr wie einmal haben diplomatische Vertreter Deutschlands in wichtigen Fragen ver sagt und es dadurch zu Wege gebracht, daß Deutschland ins Hin tertreffen geriet. Wo vor allem der Hebel ansetzen mutz, das ist die Auswahl und die Durchbildung der Anwärter für die diplomatische Karriere. Hierüber ist schon oft gesprochen worden, auch im Parlamente und die Presse hat schon seit Jah ren warnend ihre Stimme erhoben. Es geht nicht an, daß diese für das Schicksal Deutschlands hochwichtige Karriere nur einem beschränkten Kreise zugänglich sein soll, und wenn selbstverständ lich auch eine gute Kinderstube zu verlangen ist, so braucht diese nicht lediglich in den Häusern des Adels oder des Offizierkorps gesucht zu werden. Bürgerliche Gesandte find Lei uns zu zählen, meist fungieren sie in exotischen Ländern. Unter den ' Die Wintertoilette. Humoreske von Lothar vrenkeadorff. iMachbrmI v»rdot-».> Wenn Dr. Heinz Bothmer «inst im seligen Ueberschwang der jungen Liebe gelobt hatte, seinem angebeteten Frauchen jeden Wunsch zu erfüllen, den er ihr von den Augen ablesen könne, so macht- das ein recht leichtfertiges Versprechen gewesen sein: aber Frau Mary durste ihrem Gatten die Anerkennung nicht versagen, daß er noch jetzt, nach beinahe zweijöhritzer Ehe, freudig bemüht war, es zu erfüllen. Mit gewissen Einschränkungen natürlich: denn in ausdrucksvollen Frauenaugen sieht «in fttndiger Leser zuweilen Wünsch« aufleuchten, deren Erfüllung entweder sehr unvernünftig wären oder selbst de» liebevollsten Ehemannes Ver mögen übersteigt. In solchen Fällen «in wenig den Analphabe- t«n zu spielen, hatte auch Dr. Bothmer bereit» gelernt: aber di« Zahl der Enttäuschungen, die «r seinem Weibchen damit beret- tet, war doch verschwindend geringfügig gewesen, und namentlich von den Sehnsüchten, die sich auf den Schmuck ihre» allerliebsten äußeren Menschen richteten, war Lislang noch kein, ungestillt ge blieben. Kein Wunder also, al» Frau Mary ein wenig erstaunt «ar, al» der September und da» erste Drittel de» Oktober» ver strichen, ohne datz ihr Neber Heinz st« aufatfordert hätte, di« nötigen Vorbereitungen für ihr» WintergarderoLe zu besorgen. Zumal er ihr da» verlangen danach nicht nur hält» von den Augen absehen, sondern auch au» »arten Andeutungen hätte er- raten müssen. Da st» aber sah, datz fein« Praxi« ihn in jüngster Zeit außerordentlich in Anspruch nahm, und datz er — vermutlich infolge dieser angchrengten Tätigkeit - merkwürdig ^»streut und nachdenklich war, erblickte st» in der Vevgetzlichkeit deine», weg« »in tzchmptom beatmend», EM-loaMhlung und kam ihm ohne alle Empfindlichkeit auf halbem weg» entgegen. ,«et Arnheim sind seit gchnn die neuesten wiuterm-den ausgestellt, sagte st» nach dem Diner mit Ihrem liebenemMDig» ftenLächeln, e» wär, hübsch. Schätzt, wem du h«teod»r mor- aen einHüchen «übriaen Sn»M D« Doktor sah im erst«, Botschaftern bei den Großmächten findet sich kein EinzigerI Das Ausland denkt ander»; vertritt vielleicht der bürgerliche Herr Taiirbo» sein Laiü> schlecht« ahv an/ ein Graf Wclf-Mstkcnich in London'? Zu bedauern ist auch, datz Ltd Karriere nur An gehörige» reicher Familien zugänglich ist; man orhühs doch die Gehälter oder bewillige gröbere RepräsentattonSspesen, und zwar nicht nur den Botschaftern und Gesandten, sondern auch deren Beamten und man wird sehen, daß geeignete Anwärter sich in genügender Zahl melden. Hinsichtlich der Ausbildung scheinen di« vielfachen Klagen aber doch Wandel herbetgefllhrt zu haben, insbesondere was di« Ausbildung der Konsularanwärter anlangt. Oft ist Beschwerde darüber erhoben worden, datz unsere Berufskonsuln dem deutschen Handel im Auslande nicht in dem gebührenden Matze beistehen und wenig Verständnis für dessen Verhältnisse haben. Zu diesem Zwecke find jetzt vom Auswärtigen Amte besondere Vorbereitungskurse eingerichtet worden, indem fortan nicht nur die unerläßliche juristische Vorbildung genügen, sondern Sorge dafür getroffen werden soll, datz die An wärter «in« genügende Kenntnis wirtschaftlicher Inter essen besitzen, durch die sie befähigt sind, dem deutschen Handel in höherem Matze nutzbar zu sein. Man wird diesen Schritt nur begrüßen können und dem Auswärtigen Amte dazu Glück wün schen, datz man endlich «ingesehen hat, daß die juristische Dor bildung allein nicht ausreichend ist. Man verfährt hier analog dem Vorgehen der preußischen Verwaltungsbehörden, die sich seit einiger Zeit entschlossen haben, di« Regierungsassessoren auf ein halbes Jahr zu beurlauben, damit diese praktische Kenntnisse in den verschiedensten Zweigen de» wirtschaftlichen Leben» sich er- werben. Wenn auf diesem Wege fortgeschritten wird, so besteht die Hoffnung, daß das Wort vom Bureaukratismu« und der bureaukratischen Schablone allmählich verschwinden wird. , Der Krieg um Tripolis. Di« Besetz««« vme Tripolis ist immer noch nicht amtlich bestätigt. Sie sollte erst im Laufe des Donnerstags vorgeaommen werden. Dagegen liegen Nach richten vor über da, Bombardement von Tripoli». Der Daily Ehronicle hat in Tunt» einen Spezialkorrespon denten, der sich von der tunesischen Insel Dscherba aus auf dem Küstendampfer Tafna zugleich mit dem französischen Konsul von Tripolis eingeschifft hatte, um nach Tripolis zu gelangen. Das Schiff wurde aber von dem italienischen Kreuzer Varese, 16 Kilo meter von Tripoli» entfernt, angehalten und mußte zurückkehren. Während der Benachrichtigung durch den Varese konnten die Fahrgäste «twa eine Stund« lang di« Befchtetzun- genau s«h«n. Der Korrespondent entwirft davon folgende Schil derung. Die italienischen Kriegsschiffe Benedetta Brin, Giuseppe Garibaldi und Francesco Fenuccto fuhren in Linie auf. genau gLgrnLSrr dem Hüfencingsilg. Diz ersten Schüsse wurden gegen da, Tscharschattifort gerichtet. Dann wurde da» Kerkeretschefort zertrümmert. Mit ihren Ferngläs«rn konnten die Passagier« di« Geschosse über der Stadt bersten sehen. Die Garnison verteidigt» i sich mit Mut und Energie. Und «in« furchtbar «Kanon ad« i begann, doch wurde kein«, der italienischen Schiffe von den Geschossen de» Feinde» erreicht. Um ä Uhr befahl Admiral Faravellt, da» Feuer einen AugenLlick «inzustellen, um der Stadt Gelegenheit zu bieten, sich zu ergeben. Kein Zeichen ward sichtbar, und da» Feuer begann von neuem. Die Br- fostigungswerke am Hafen wurden dem Erdboden gleichgemacht. Von hier au», sagt der Korrespondent, be steht keine Möglichkeit, festzustellen, wie stark der Verlust an Menschenleben in der Stadt war. Im Augenblick, wo der Korre spondent seine Depesche aufgab, war noch keine Landung erfolgt, und man befürchtete, daß während der Nacht di« Stadt von den j arabischen Nomadenstämmen, die ringsum lauern, geplündert I werden könnte. Die Beschießung wurde Mittwochfrü- wieder ! aufgenommen, wie derselbe Berichterstatter weiter telegraphiert. Die türkische Garnison antwortet immer noch auf da» Feuer, aber ohne jede» praktische Ergebnis. Die zweit« Division deritalient- ' schen Flotte unter dem Befehl de» Admiral» Thaon d« Rivel ! näherte sich inzwischen den Häfen Derna und Benghasi, di« Donnerstag bombardiert werden sollten, doch sollen in den nächsten Tagen noch kein« Matros«n gelandet werden. Italien »«rlqugt beding««»,las!« Abtretung von Drlpolt» Der italienisch« Botschaft« am russischen Hash Melegari, hat der russisch«« Regierung ein« NfftzkeLkn Depesche überreicht, in d«r «klärt wird, datz di« italienische RUgteruug mit. d«, Türkei aus kein« ander« vast» i« Verhandlungen tret« könne, als auf der der b«di«gU,g»Ivse, Abtrdtuntz , von ganz Tripoli». Keine vermittluns- Der russische Botschaft« i« KonstantinopeL hatte ei« ve- ! sprrchung mit dem Erotzw«sir, in der er, wir verlautet, die Antwort Rußlands auf den Amnll an di« Mächte mitteilte. Nunmehr find di« Antworte« all« Mächte pingetrofsen. Am türkisch« Mi nisterium de» Brühern »«lautet, datz st« darin gipfeln, datz i« jetzige« Moment jede Vermittlung «»»gsiefchlosse« sei, zumal Italien sich hartnäckig weis««, auf «iwe Vevmittlrmg oo, der Okkupierung von Tripoli» zu hören. Moment etwas geistesabwesend aus, wahrscheinlich, weil er eben über «inen Lesothers schwierigen Krankheitsfall nachgedacht hatte; dann aber sagte er mit einem gang unmotiviert« Ausdruck von sittlicher Entrüstung: Neu« Wint«rmoden? Jetzt — im Beginn des Oktober? Aber, lieb« Kind, das ist doch aufgelegter Schwin del. Wer, um alles in der Welt, soll jetzt schon wissen, was im Winter Mode werden wird? Der beginnt doch erst am 21 De zember. Nach dem Kalender allerdings, lacht« die junge Frau, aber ich kann doch nicht gut bis dahin mit der Vervollständigung meiner Toilette warten. Und di« neuen Modelle kommen ja im mer schon im Herbst heraus. — Jawohl — für diejenigen, die die Zeit nicht abwärten können, und den« es dafür auch nicht» ver schlägt, nachher al» weiße Raben oder grüne Schwäne zum Ge- spött der anderen herumzulaufen. Eine vernünftige Frau wartet immer ab, bi» sich au» dem Wirrwarr neuer Formen die wirk- liche Mode gewissermaßen herauÄrtstalltsiert hat. Ich würde geradezu untröstlich sein, dich in einem Mantel oder in einem Kostüm zu sehen, da» außer dir kein« Menschenseele trägt. Und diesen Schmerz willst du Er doch nicht antun — nicht wahr? Nein, da, wollt« sie nicht. Und wenn sie sein« Bedenken auch für «twa» übertrieb« hielt, so fühlt« sie sich von seinem zärt- ltchen Jntemss« doch tief gerührt. Sie gab ihm einen Kuß, und von der Besichtigung der Modell-Ausstellung bet Arnheim «ar nicht weiter die Red«. Aber nach Verlauf von abermals vier- zehn Tagen sah st« sich bet der beharrlichen Blindheit ihre» Gatt« für di« Sprach, thver Augen doch veranlaßt, auf da» Thema zurückzukomm«. Und «war mit diplomatischem Geschick, da» jeder Eva»tocht«r angeboren ist, in Form einer dankbar« An- «rkennung. Du hattest neulich wirklich recht, Schätzt, schmeichelt« sie eine» Abend«, al» er sich ziemlich <ch-ifpannt am Teettsch nt«dm«las- s»n hatte. Und ich bin dir aufrichtig dankbar, datz du mich ab- gehalten--ast, mir mein Mnterkostüm unter dm» em« Modell« auizusuchen. E, war« lauin ganz «ztttwagante Fasson». Li» Schneid,rin, -ei d,r-tch-«t» mit meiner Freundin Elli war, legt» mir ein paar Modellbikder v», — ich sage dir, HetimAmann! du wirst einfach pckffsttn. wenn du mtch znm erstem«! in An« sol- gestatten, dich du sal zu bewahren. Di« arm« j _ - .. . . n«; ober fle schluckt, si, tapfer -«nunter: Und mein — mein Mn- trrkostüm? wt, soll ich dazu kommen? — Hum — jal Mein Freund vetermann prach mir neulich * " werten Damenschneider. Den Namen -ab» sch inzwischen de, vergessen; aber ich werd, Mr die Udress« noch einmal von .. - , glückt an den Hal,. nicht vergess«^ Schätzt? chen Toilette erblickst. Dr. Bothmer machte ein auffallend ern stes Gesicht. Die Schneiderin deiner Freundin SM? Du denkst doch nicht daran, bei ihr arbeiten zu lassen? — Da, beabsichtige ich in der Tat. Du weißt doch, daß mein« bisherige L«t threr Verheiratung da» Geschäft ausgegeben hat. Und Elli ist außer ordentlich zufrieden, was bei ihrem anerkannt vorzüglich« Ge schmack etwas sagen will. Morgen wollten wir zusammen einen Stoff aussuchen, und Elli wird der Schneiderin genau angeben, wie sie da» Kostüm machen soll. Dem Gehege von Heinz Bothmer» Zähnen entfloh ein sarkastische» Lachen: Und du glaubst, daß ich dazu meine Zustimmung geben, daß ich dich der verräterisch« Tücke einer sogenannten Freundin und einer mit ihr verschwore nen Schneiderin ausliesern werde? Mr «in Ehemann, der di« stoetbtiche Wyche nicht rennt, könnte das geschehen lassen. Frau Mary war begreiflicherweise auf» äußerste erstaunt: Ich versteh« dich nicht, Schatz I Elli ist doch meine aufrichtigst« Freundin, di« mir niemals irgendwelche Tücke gezeigt hat. St« ist im Geg«nt«tl da» gefälligste Geschöpf von der Welt. — Gewiß I Sie würde vielleicht ihr letzt«, Stück Brot mit dir teilen. Aber di« Frau, die einer anderen zu ein«, kleidsam« Toilette verhilft, müßt« erst noch geboren werden. Sie würde «in« Voaelscheuch« au» di« machen; v«rlaß dich darauf, Liebling! Und du mutzt mir schon gestatten, dich durch entschiedenen Widerspruch vor diesem Schick- jung« Frau spürt« «twa» von aufstHgend« Lrä- gluckt« si, tapfer -inunten Und mttn — mein Mn- «ultch von etnimse-r «wMen»- Nam« -abe sch inzwischen l«i- t-m a»b«n lass«. Frau Ma« flog Wi, lieb du List! Aber wichdu'» - -Gewißnicht! Me? Srtftm che schön«