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Nr. 173 — V. Jahrgang Sonntag den 31. Jnli 1S1V AWschkUolkszeitling kcschelnl tSgltch »ach«, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Unabhängiges Tageblatt Deutschland net Haus S,SS fiir Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Kgespaltene Petttzetle oder deren Raum mit L8 ^.Reklamen mit8« Ü dte Zeile berechnet, bet Wiederholung«» entsprechenden Radalt. Buchdruckerei, Redaktion und GeschiistSftellri Dresden. Ptllnttzer Strafte 4». - Fernsprecher »»«« Si-feisokencl unci isbencl ON6c>0-^i8b66I'6N f^funcl 15 Pfennigs. Eerling 8- siockstrosi, Oresden. bllsclsplgßdN In sllsn SdsclttsIIsn. ms Lssts LorußvgusIIs! ,«« VorsnxKlol»« Qsuo urrä xvdraueUta, »Hs Hole- naä Ltilartsn sovvi« Qaotr Lsivdirunx von 60 au Rissig« ^usvadl, xÜQSti^o 2atr1^«i8e, dodsi Xasssoradatt.! Mvl-klanos l 8V0QL«St»««« - »««80LA ^odaun-tleorrou-XU«» 18 ^mpieiiienswette Vücliei': ftiiensnus, Oer si!. starl Vorromäu; und das ftundsciueiden Pius X., 50 ps. — Zager, Oie Vorromäus-^nr^k!is<3 und ihre Eegner, 75 sii. — siürsier, (lutoritäi und sireißeit, 2,50 M. — i.c>urdes im Elanre seines V/under, 30 sii. ^asiiolisclie Vucliliandlung l'. 5cstmicÜ, Inli. ?. Leck Dresden-(lltsiadt VitztorisstralZe 12 Füllung der Kriegskasse. Unter Len fünf Wahlgeboten, die für das Zentrum gel ten, steht das letzte: Kriegskostenbeiträge, nicht im Hintertreffen, denn gerade die kommenden Wahlen wer den eine Unmenge von GeldausgaNn in allen Kreisen her beiführen. Dafür sorgt schon der Hansabund, der in alle Kreise feine Flugblätter werfen will; man sagt, daß er über 10 Millionen Mark zur Verfügung habe und einen Kampf entfesseln wolle, der selbst amerikanische Wahlpraktiken übertreffen werde. Und das will etwas heißen. Vielleicht aber überlegt sich der Reichstag, ob er nicht angesichts sol cher Kämpfe nach englischem Beispiele ein Gesetz erlassen will, daß den Höchstbetrag der Wahlagitationskosten pro Wähler festsetzt: ein ganz gesunder Gedankt. Selbst wenn man eine Mark hierfür nimmt, gibt es noch rund 11 Millio nen Mark, was die Reichstagswahlen an Parteikosten zu lassen und da in jedem Kreise eine Reihe von Parteien auf- treten, so darf man annehmen, daß ein solcher Höchstsatz noch immerhin 25 bis 30 Millionen Mark Wahlkosten zuläßt, wenn auch in einzelnen Bezirken der Höchstsatz nicht erreicht wird. Aber vorerst haben wir kein solches Gesetz und müssen uns auf den Kampf ohne dasselbe einrichten. Das Zentrum hat bei den nächsten Wahlen keinen leich ten Stand, es wird nur Gegner und gar keine Freunde haben; es hat wohl die Treue und Begeisterung seiner Wähler und das ist sehr viel wert. Aber es braucht auch Geld und daran fehlt es mehr, als Freunde und Gegner ahnen. Gibt es- doch heute noch Gegenden, in denen die Ausgaben der letzten Wahl noch nicht gedeckt sind. Solche Zustände sind ganz unverantwortlich und es muß von den leitenden Stellen alles getan werden, um diese Dinge tn Ordnung zu. bringen. Ganz falsch ist es, wenn man nur ein paar Parteifreunde alles zahlen läßt: uns ist ein Wahl kreis bekannt, da legt ein Geistlicher alle Gelder aus und ein Schlüsse der Kampagne wird unter den Geistlichen des Bezirkes gesammelt oder der gesamte Aufwand einfach um- xelegt. Das ist sehr ehrend für diese Geistlichen und doch nicht der richtige Weg, zumal unsere Pfarrer und Kaplä,e mit Glücksgütern nicht überreich ausgestattet sind. Es muß vielmehr zum Grundsatz werden, daß jeder Zentrumswähler nach seinen Kräften an den Kosten mitträgt, gar jeder, und wenn es für Arme nur fünf oder zehn Pfennig pro Jahr sind, denn gerade dadurch wird das Interesse für die Par tei ungemein gehoben. Sobald der Mann etwas zu be zahlen hat, gewinnt die Sache ein ganz anderes Interesse; man denke nur an die letzte Reichsfinanzreform. So ist es auch bei den Parteien: wenn nian nur zu Wahlzeiten an diese denkt und für sie stimmt, hat man noch nicht den gan zen Mann; wenn er nur einige Pfennige im Jahre bei- steuert, paßt er ganz anders auf, erhält einen begründeten Stolz und sagt nun: Das Zentrum ist meine Partei? Sv muß es werden: die Begeisterung und Anhänglichkeit wh:d dadurch gestärkt und die Kasse gefüllt. > Mancher wird sagen, das mag alles ganz schön und gut fein, aber wie durchführen? Auch das geht nicht schwer und muß sich freilich nach den örtlichen Verhältnissen richten und ist in einzelnen Gegenden sehr verschieden. Am besten fährt man, wenn man sich an die örtlichen Parteiorganisa tionen anlehnt nnd eine solche schafft, wo sie nicht da ist. Man setzt hier als Mindestbeitrag für die Kasse fest: 20 Pfenning pro Jahr und Mitglied; das kann jeder leisten, jeder Arbeiter, Tagelöhner, Knecht, Handwerker usw. Die- ser Beitrag muß von den Vertrauensmännern eingezogcn werden. Sind in einem Orte 300 Zentrumsstimmen abge geben worden, so müssen mindestens 60 Mark an die Partei kasse des Bezirkes abgeliefert werden. Der Vertrauens mann hat es als Ehrensache anzusehen, daß diese Gelder .eingehen. Man kann sie entweder bei einer Versammlung einziehen oder im Hause selbst abholen. In Städten wird man einfach Marken zur Ouittung verwenden. Diese Summe muß den Grundstock bilden. Dazu treten nun eine Reihe von Nebeneinnahmen. Die reichen Parteimitglieder müssen besonders angespannt werden. Es gibt überall solche und man vergesse dabei die holde Damenwelt nicht. Da sitzt eine alte ehrsame Jungfrau, hat Geld und gibt gern, wenn man ihr klar macht, daß es auch ein gutes Werk der Jetzt zeit ist, für die Partei zu opfern. Dort ist ein Geschäfts- mann, der politisch nicht stark hervortreten kann; aber er kann gut 100 Mark entbehren, man mache es ihm nur klar. Unsere Altersväter können und müssen hier mehr leisten. Wo ein geschickter Vertrauensmann ist, bringt er viel Geld zusammen: er nehme zum Beispiel ein freudiges Familien ereignis, einen guten Erfolg usw. zum Anlaß, um seinen Wunsch anzubringen. In vielen Städten können bei großen Versammlungen Eintrittsgelder erhoben werden; wenn ein bekannter Red ner kommt, strömen viele Tausende herbei, auch Angehöri-ge anderer Parteien. Gern werden 20 Pfennig Eintrittsgeld gezahlt; organisierten Parteifreunden kann man 50 Pro zent Rabatt geben; die Einnahme ist immer noch eine hübsche. In anderen Orten hat man schon Parteisommer- fcste oder Gartenfeste veranstaltet, die einen hübschen Rein erlös bringen und den Familien Unterhaltung bieten. So gibt es Dutzende von Wegen, die zum Ziele führen; die Hauptsache ist. daß mindestens einer beschritten wird, daß etwas geschieht, denn zum Kriegführen gehört eben Geld und abermals Geld. Man warte nicht mit der Fül lung der Kriegskassen bis zum letzten Augenblicke, sondern man beginne jetzt schon damit. Das Zentrum muh es als eine Ehre ansehen, daß es früher aufsteht, als andere, wie es Windthorst uns gelehrt hat. Hummblioa övivomakios. In den „Leipziger Neuesten Nachrichten" vom 27. Juli, Nr. 205, spricht eine „Stimme aus dem Publikum" unter der Ueberschrift „König und Kirche": „Während der Anwesenheit unseres Königs in Leipzig konnte man am Sonntag eine eigentümliche Beobachtung machen. Privathäuser, öffentliche Gebäude und die pro testantischen Kirchen hatten dem Könige zu Ehren Flaggen schmuck angelegt. Die katholische Kirche aber, in welcher der König selbst dem Gottesdienste beiwohnte, einzig diese ka tholische Kirche, verriet durch nichts, daß der Landesherr bei seinem Aufenthalte in Leipzig sie besuchte. Was hat der König getan, daß er von seiner Kirche so behandelt wird? Ganz unwillkürlich steigt uns die Erinnerung auf an das vorbildliche Verhalten Friedrich Augusts III. in der Ange legenheit der Borromäus-Enzyklika. Ist der fehlende Flag genschmuck der katholischen Kirche etwa damit in Zusam menhang zu bringen? Will man den König auf diese Weise strafen? Niemand wird der Kirche das Recht und auch die, sagen wir, Fähigkeit abstreiten, solche Schritte zu unter nehmen. Aber vielleicht tut man ihr mit dieser Annahme Unrecht und sie kann das Fehlen jeden Schmuckes beim .Königsbesuche ganz anders erklären. Vielleicht hat die ka tholische Kirchengemeinde Leipzigs überhaupt nicht gewußt, daß der König am Sonntage der Messe beiwohnen will, vielleicht wußten das nur die protestantischen Kreise unserer .Stadt. Aber so nebensächlich es sonst auch ist, ob jemand bei Anwesenheit des Königs die Fahne hißt oder nicht, so überaus interessant wird es weiten Kreisen nicht nur der Leipziger Bevölkerung sein, über das Fehlen solchen Flaggenschmuckes gerade zu der jetzigen Zeit und gerade an der katholischen Kirche Aufklärung zu erhalten." Merkwürdigerweise wurde dem in Betracht kommenden Pfarramte durch die Redaktion von dieser bescheidenen An frage keine Kenntnis gegeben. Da cs aber nach Meinung der Stimme aus dem Publikum „weiten Kreisen nicht nur der Leipziger Bevölkerung interessant sein wird, über das Fehlen solchen Flaggcnschmuckes gerade zu der jetzigen Zeit und gerade an der katholischen Kirche Aufklärung zu erhal ten", so war das Pfarramt doch so höflich, den „L. N. N." folgendes mitzuteilen: „1. Die katholische Kirche ist bisher niemals, weder bei weltlichen Anlässen, noch bei den größten kirchlichen Festlich keiten beflaggt worden. 2. Das Pfarrhaus konnte nicht mit Flaggenschmuck versehen werden wegen des dasselbe augen blicklich umgebenden Abputzgerüstes. 3. Sr. Majestät sind in der Kirche nnd beim Gottesdienste alle Allerhöchstdersel- ben gebührenden Ehrenerweisungen zuteil geworden. 4. Ave Schlußfolgerungen des Einsenders sind hiermit hinfällig." Für die Leser der „Sächsischen Volkszeitg." noch einige Bemerkungen: Die Borromäus-Enzyklika ist wirklich schuld daran, daß nicht einmal das Pfarrhaus beflaggt war. Durch die Enzyklika ist schon vor ihrem Erscheinen, wahrscheinlich in Kausalnexus mit dem Kometen, eine solche Erregung in Sachsen und darüber hinaus entstanden, daß die große Bauarbeiteraussperrung eintrat. Infolgedessen konnte der Abputz des Pfarrhauses erst jetzt erfolgen und behufs Be- flaggnng das Gerüst leider nicht entfernt werden. Wenn der Einsender schreibt: „Will man den König ans diese Weise strafen? Niemand wird der Kirche das Recht . . . abstreiten", so hat er in seinem Zorne ganz über sehen, daß daS Pfarramt nicht „die" Kirclse ist: zu einer Anfrage in Rom war aber wirklich keine Zeit. Daß daS Pfarramt „vielleicht gar nicht gewußt hat, daß der König am Sonntag der Messe beiwohnen will', wird dem Einsender bei der landläufigen Vorstellung von der Rückständigkeit der Katholiken vielleicht von vielen ge glaubt werden. Er hätte diese Meinung wohl nicht haben können, wenn er sich die Kirche nicht bloß von außen ange- sehen hätte» Sonst wäre es ihm nicht entgangen, wie der König an der Kirchtür empfangen, in der Kirche zu dem für ihn bereiteten Platz, einem Sessel mit der Königskrone und einer Kniebank auf einem Teppich, begleitet wurde, wie während des Gottesdienstes durch die vorgeschriebene Ver- neigung seitens des Priesters und der Ministranten ihm die gebührende Ehre erwiesen wurde und wie er nach dem Gottesdienste vom Pfarrvertreter auch bis an das Portal ehrfurchtsvoll zurückgeleitet ward. So geht es aber stets, wenn man die Kirche und ihre Einrichtungen bloß von draußen betrachtet, von ihrem inneren Leben aber keine Ahnung hat, gerade deswegen jedoch meint, über sie spotten und kritisieren zu dürfen. Ob dies dem konfessionellen Frieden dient und patriotisch ist, kann man ruhig dem Ur teile aller vorurteilsfreien Leser überlassen. 8sv. Politische Rundschau. Dresden, den 80. Juli 1910. — Die Jacht Hoheuzollern mit dem deutschen Kaiser an Bord ist gestern früh von Bergen nach Swinemünde in See gegangen. — Der Kaiser trifft am 3. August vor mittags 10 Uhr von Swinemünde kommend in Stettin ein und nimmt dte Parade über das Grenadierregiment König Friedrich Wilhelm IV. in Kreckow ab. Die Abfahrt nach Berlin findet mit einem Sonderzuge um 2 Uhr statt. — Dem bisherigen Gouverneur von Deutsch-Südwest- asrika v. Schuckmanu zu Rohrbeck wurde der preußische Rote Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern, am Ringe zu tragen, verliehen. — Dem bayrischen Landtage ging eine 206 Seiten starke Denkschrift über die Frage der MobMarfenerversichernu, in Bayern zu. Da außer der Kreisregierung von Nieder bayern sämtliche beteiligten Handwerker- und Gewerbe kammern gegen die Verstaatlichung sind, kommt die Denk- schrist zum Schluß zu einer ablehnenden Stellungnahme. — Nach ministerieller Anordnung wird die Zulassung ausländischer polnischer Arbeiterfamilien auch mit noch nicht schulpflichtigen Kindern in Preußen nicht mehr gestattet. — Der Verlag de» Evangelischen Bunde» hat jetzt in einer 36 Seiten starken Broschüre die Borromäus-Enzyklika in lateinischem und deutschem Text mit Aktenstücken heraus gegeben. — Eine neue Niederlage de» GcsamtliberaliSmn». Bei der Stichwahl im württembergischen Landtagswahl kreise Welzheim ist am Donnerstag der sozialdemokratische Kandidat Kinkel gewählt worden. ES erhielten Gemeinderat Kinkel (Soz.) 1448 Stimmen, Gemeinderat Wurst (Fortschr. Volksp.) 1200 Stimmen und Mohring (Bauernbund) 1079 Stimmen. Die Nachwahl in Welzheim war infolge der Mandatsniederlegung des bisherigen Abg. Dr. Hieber notwendig geworden. Bei der Hauptwahl in voriger Woche stand der Sozialdemokrat an erster Stelle. Für die Stich wahl hatten die Nationalliberalen, deren Kandidat voll ständig ausgefallen war. die Parole für den Kandidaten der Fortschrittlichen Volkspartei ausgegeben, so daß bet Addierung der volksparteilichen und nationalliberalen Stimmen der Sieg des VolkSparteilerS als gesichert gelten durfte. Um so überraschender kommt jetzt die Nachricht von seiner Niederlage. Der Vorgang ist im Hinblick auf die am Sonnabend in dem Welzheim benachbarten Reichstags wahlkreise Cannstatt-Ludwigsburg stattfindendenden ReichS- tagSwahl für Dr. Hieber von besonderem Interesse. Der Gesamtliberalismus hat also hier nur für die Sozial demokratie gearbeitet wie anderwärts auch. Der Kreis ist zu einem erheblichen Teil rein ländlich und hat nur wenig Industrie. Die Sozialdemokratie ist durch diesen Sieg die drittstärkste Fraktion des Landtages geworden. — Wie mit Neuigkeiten geschwindelt wird. Die .Königsbergs! Hartungsche Zeitung" läßt sich telegraphisch melden, die neue deutsche Heeresvorlage sei den Bundes regierungen zugegangen, die Mehrforderung betrage 34 Mill. Mark. ES ist eigentümlich, daß außer dem Mitarbeiter des genannten Königsberger Blattes niemand von diesen angeblichen Tatsachen etwa» weiß. Noch sonderbarer aber ist, daß die Presse solche Falschmeldungen aufnimmt; denn jede» Kind kann sich sagen, daß eS sich um einen Schwindel handelt: denn 1. ist der BundeSrat gar nicht versammelt, sondern in Ferien; 2. ist die Vorlage noch nicht einmal dem preußischen Staatsminister zugegangen; 3. kann eine Vorlage nicht durch ein Ressort, sondern nur durch einen Bundesstaat im Bundesrat eingebracht werden; 4. ist eS ganz ausgeschlossen, daß die „Mehrforderung" 34 Mill. Mark beträgt. Aber trotz dieser Tatsachen nimmt die deutsche Presse hiervon Notiz? DaS ist nicht sehr ehrend für sie. — Was man den Katholiken alles bieten zu können glaubt! Der „Nassauer Anzeiger" mit den Untertiteln „Kurliste v.o.n Bah Nassau", „Amtliches Organ für Nassau