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«r. SS. Weißerilz-Ieitung. so. März 1866. Piel» pro Quartal 1V Ngr. Inserate die Spalten-Zeit« — 8 Psg. Dienstag. Erscheint Dienstags und« Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Amts- a«d Anzeige-Watt der Königlichen Gerichts-Ämter und Itadträthe zu Dippoldiswalde, /raueusteiu und AUeuberg. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne kr Dippoldiswalde. u . . . - „Wird es Krieg geben oder behalten wir Frieden? " ist eine Frage, die man jetzt, wo sich Preußen und Oesterreich wegen Schleswig-Holstein gar nicht einigen wollen, gar häufig hört. Die Zeitungen schreiben er schrecklich viel darüber und ma chenentweder ihren Lesern bange oder spenden ihren Trost. Aengstliche Gemüther ziehen schon in Frage, welche Geschäfts-Dispositionen zu treffen, ob Papiere zu kaufen oder zu verkaufen seien, und die „gut unterrichteten" politischen Pfiffikusse stecken die Nase in die Luft, um wie gut dreffirte Jagdhunde die Witterung „wegzukriegen." Ob der König von Preußen oder der Kaiser von-Oestreich ein grimmiges oder ein freundliches Gesicht gemacht, ob der erstere mit seinem „Allergetreuesten" wieder einmal „gearbeitet" oder auf die Jagd gefahren, oder von seinen Arbeiten ausgeruht hat: Alles das muß her halten, um die Kriegs- und Friedensfrage zu ventili- ren, Wie nun so ein Herrscher mit dem Finger winkt, so geschieht .es; — um das Volk wird sich gar nicht geküminert, das ist dazu da, um zu gehorchen. Sie beschließen den Krieg, das Volk giebt dazu das Geld und das Kanonenfutter, und sobald der Befehl ergeht, hat es sich in allerunterthänigster Weise gegenseitig todtzuschießen. Daß es in Deutschland Constitutionen giebt, de nen zufolge das Volk durch seine Vertreter bei der Frage, ob Krieg oder Frieden, die entscheidende Stim me hat, daß es 35 Millionen Deutsche giebt, welche von einem Bruderkrieg nichts wissen wollen, dagegen in der großen Mehrheit nach Eintracht und Einheit verlangt, das kommt gar nicht in Betracht, ja' schon der Gedanke daran wird mit Lächeln zurückgewiesen, weil der Knechtssinn so tief eingewurzelt ist, daß das Nicken eines Herrschers mit dem Haupte als ein Evan gelium gilt, dem selbst gegen bessere Ueberzeugung nachgelebt werden muß. Ob wir also Krieg bekommen oder nicht, das hängt hauptsächlich davon ab, wie sich das deutsche Volk zu dieser Frage stellt. Bleibt es passiv und läßt die Herren da oben schalten und walten, dann kann eS schon kommen, daß die vaterländischen Gefilde, um absolutischer Gelüste willen, die Geisel des Krieges schauen. Erklärt es aber einmüthig und fest: ,,Wir werden es nicht dulden, daß ihr unsere Söhne zur Schlachtbank führt und sie zur Vernichtung unserer wenigen Freiheiten verwendet!" dann wird uns der Frieden sicher erhalten bleiben. Glücklicher Weise liegt die Sache so, daß die zwei Großstaaten Deutschlands sich erst nach Verbün deten im Vaterland nmzusehen haben, die aber sämmt- lich ein ganz besonderes Interesse haben, um ihrer Selbsterhaltungwillen, daß daS Zünglein in der Waage sich auf die Seite des Friedens neigt, und darum ist auch die Gewißheit, daß es beim bloßen Säbelge rassel bleiben wird, größer als die, daß das Schwert aus der Scheide fährt. Lasse sich also Niemand irre machen: obgleich das Volk sich seiner Kraft nicht be wußt ist und sie nicht zur Geltung bringt, — die Eifersucht und Ungewißheit der Kriegslustigen, auf wessen Unterstützung sie zu rechnen haben, läßt sie in der zwölften Stunde noch ein Compromiß abschließen. Ob dasselbe aber unseren Freiheiten zu Gute kommt, das freilich ist eine andere Frage. Abänderungen der Gemeindeverfassunq. ». Ein Gesetz, das bei seinem Erscheinen im sächs. Vaterlande mit großer Befriedigung begrüßt wurde, war die im Jahre 1832 erlassene neue Städteordnuyg. Und wenn man den Tag, an welchem sie ihren 25. Geburtstag feierte, fast allgemein festlich auszeichnete, so hatte das seinen Grund darin, daß man sich des vielfachen Guten, welches dieselbe, alten Zuständen gegen über, ein Vierteljahrhundert hindurch geschafft hatte, dankbar erinnerte. Indessen konnten Diejenigen, denen das städtische Gemeindewohl keine gleichgültige Sache war, nicht verkennen, daß auch dieses Gesetz an mancher lei Mängeln leide. Diese mußten nach und nach, na mentlich aber seit der Zeit immer mehr offenbar werden, wo ein freisinnigeres Gewerbegesetz an die Stelle Jahr hunderte alter Anfteinrichtungen trat. Sollte nament lich dieses zur Wahrheit werden, so waren entsprechende Aenderungen der erwähnten Städteordnung unerläßlich. Dazu kam, daß bei der fortschreitenden Bildung unserer Zeit der Wunsch immer gerechter werden mußte, den Gemeindemitgliedern an der Verwaltung ihrer Ange- gelegenheiten mehr Antheil zu gewähren, als ihnen bis jetzt gegönnt worden war. — Natürlich mußte in Ge meinden mit lebhaftem Handels- und Gewerbsverkehr, der Wunsch nach theilweiser Aenderung und Erweiterung der erwähnten Städteordnung lebhafter sich aussprechen, als in kleineren, in denen die Verhältnisse seit der Ein führung derselben sich nicht so bedeutend geändert hatten. Leipzig, das den vaterländischen Städten in mehr als einer Hinsicht al« Vorbild vorangeht, ist nun auch mit Wünschen für eine theilweise Abänderung und Umgestaltung der Städteordnung hervorgetreten. Eine Bürgerversammlung hatte eine Commission zur Be- rathung der kundgegebenen Wünsche gewählt, welche sich auch ihrer Aufgabe entledigt und ihre Vorschläge drei anderweiten Versammlungen von Bürgern und Schutz-