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.u - ,»I,».IM.«-Wi Ili ,! E^*,>WMWWW«E«MSM»»»«»WW»MO»chWM««WEEE»W««»MGMWLL^^ r «ittwoch, IS. AeOruar 1SV7. ßbEt^l «r- Leiter Jahrga«. 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge veianUvorNicher Reöafteuc Fritz rlrnholb. Für die Inserate verantwortlich: Arthur Kupfer beide iu Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Anrnahme der Sonntage nachmittags von —z Uhr. — Telegramm.Adresse - Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner) in Ane. Bezugspreis: Durch unsere Boten srei ins Haus monatlich so psg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich ro psg. und wöchentlich )0 psg. — Bei der Post bestellt und selbst adgeholt vierteljährlich r.so Mk. — Durch den Briefträger srei ins Haus vierteljährlich >.gr Mk. — Einzelne Nummer )o psg — Deutscher postzeitungs- katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens g>s, Uhr vormittags. Für Ausnahme von größeren Anzeige» an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bet uns eingehen. InseiIionspreis: Die siebengespaltene Korpuszeile oder deren Raum ro psg , Reklamen 2ö psg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Viefe rrttirrinev rrinfatzt 6 Seiteir Das Wichtigste vom Tage. Dass englische Parlament ist gestern durch König Eduard mit einer Thronrede erössnet worden.* Bei einer Schiffskatastrovhe zwischen Block Island und Rhode Island sind annähernd zweihundert Menschen »mö besten gekommen.* Beim Zusammentritt des galizischen Landtags wolle» die po in i sch en Ab g e o rd n e t en eine Kundgebung gegen die preußische Polenpolitik veranstalten. Prinzessin Christine Bonaparte, Witwe des Prinzen Napoleon Charles, ist in Rom im Alter von 65 Jahren gestorben. *) Näheres siehe unten. Ein Enthüllungs-Feldzug des Zentrums. Schon vor dem Zusammenstoß zwischen dem Kolonraldirektor Dern bürg und dem Zentrumsabgeordneten Roeren. der an, 3. Dezember v. I. im Reichstage erfolgte, drohte die Zen- trumspresse anläßlich der Wistuba-Afsäre, man werde, sobald man mit dem Kolontalamt fertig wäre, auch aus dem Flol len verein und aus dem Marineamt mit Enthüllungen aufwarten, die die Welt inStaunen setzen sollten. Währ end des Wahlkampfes machte das Berliner Zentrumsblatt, Ger mania die Bemerkung, daß Material vorhanden wäre, durch dessen Veröffentlichung man dem Reichskanzler sehr unangenehm werden könne. Deutlicher äußerte alsdann in der Woche vor der Stichwahl die dem Zentrumsabgeordneten Müller-Fulda nahestehende Fuldaer Zeitung sich wie folgt: Dem Zentrum sind eine ganze Anzahl von Belägen zur Verfügung gestellt, aus denen sich ergibt, wie man osfi- ztöferseits für die Wahlen gearbeitet hat. Im neuen Reichstage wird alles dieses Material vorgelegt wer den. Man wird staunen, wozu man Marinesoldaten ver wendete, wo der Katholik ist, der für unsere allerheiligste Religion eintrat usw.! Der Flottenverein kommt hier bei besonders unter die Räder; die Katholiken und Zentrums leut«, die diesem angehören, werden nach diesen Feststellungen allesamt aus diesem Verein ausscheiden! Nun Hal, wie bereits gemeldet, ein Münchener Zcntrumsblall der Bäuerische Kurier, Enthüllungen zum besten gegeben, die allenthalben Aufsehen erregen müssen. Es handelt Ksnsrslmsjor iisim. sich um Briefe, die zwischen dem Generalmajor Keim, dem Geschäftsführer des deutschen Flottenvcreius, und anderen Personen gewechselt worden sind. Der Flottenvcrcin glaubt an schweren Diebstahl; da aber die Originalschriststücke nicht entwendet worden sind, spricht die Wahrheit eher dafür, daß lediglich ungetreue Beamte des Floltenvereins, vielleicht unter widerrechtlicher Öffnung von Schranken, Abschriften ge nommen haben. Doch die straf rechtliche Seite der Angelegen heit hat gegenwärtig geringere Bedeutung als die politische. Der Flottcnverciu bat die Richtigkeit der Enthüllungen nicht in Abrede zu stellen vermocht. Sie sind noch nicht zu Ende. Der Bayerische Kurier kündigt weitere Veröffentlichungen an, da er noch ganze Berge von Schriftstücke besitze. Da es sich in diesen Veröffentlichungen um Briese aus aller- letzter Zeit handelt, um eine AgitationbeidenRetchs- tagswahlen, die Androhung von Enthüllungen über den Hlottenveretn aber schon vor der Reichstagsauflösung erfolgt ist, so wird das Zentrum wohl schon von langer Hand her Ma terial gesammelt haben. Mit den Bergen weiterer Schriftstücke dürfte es also seine Richtigkeit haben und es ist demnach noa) viel Schönes zu erwarten. Der deutsche Flottenverein hat sich immer als eine Ver einigung von Leuten bezeichnet, die mit Pa r t e i p o l t t i k nicht das mindeste zu schaffen haben, sondern nur sllr die Vergrößerung der deutschen Flotte wirken wollten. Nach den vom Bayrischen Kurier veröffentlichten Briefen aber hat der Flottenverein eine Agitation gegen das Zentrum mit Geldern betrieben, die ihm aus dem Retchskanzleramte zuflos- lrn, woran auch die von der Rordd. Allg. Ztg. behauptete Tat sache nichts ändert, daß die Gelder aus privaten Mitteln herrühren sollen. Der Flottenverein hat als treibende Kraft hin ter den nationalen Katholiken gestanden, ja sogar ein Bündnis mit den Sozialdemokraten gegen das Zentrum herzustellen ver acht. Aus den Mitteilungen des bayrischen Blattes ist zu ent nehmen, daß der Flottenverein Flugschriften, die in der Ko- lontalabteilung des Auswärtigen Amtes entstanden sind, gegen die Lügen des Herrn Erzberger und gegen die koloniale Lügen fabrik verschickt hat, eine mit der Unterschrift: Ein Katholik, ob gleich der Verfasser ein protestantischer Württemberger in der Kolonialabteilung ist, daß Fürst Bülow, laut Schreiben des Fürsten Salm an den General Keim, für diese Agitation 3V VÜO Mark zur Verfügung gestellt hat und Herr Keim auf die Anfrage der Firma Mittler L Sohn über weitere Flugblätter geantwortet hat. Ob wir überhaupt noch Sachen zur Versendung ausgeben werden, hängt von einer Unterredung ab, die heute mit der Wilhelm st raße (d. h. Reichskanzlerpalais) stattfindet. Will diese Stelle außer den bis jetzt bei Ihnen entstandenen Kosten für Druck und Versand, die sicherlich nicht gering sein werden, auch die Kosten sür die eventuell noch zur Versen dung gelangenden Sachen übernehmen, so soll uns das recht sein. Wir werden, sobald wir Bescheid haben, Ihnen Nach richt zugehen lasten. Die Wilhelm st raße hat es ja in der Hand, was sic machen will, da ja auch die Rastow- Sache und die vom General stabe lediglich im Auf trage der Wilhelm st raße gedruckt und versandt wor den ist. Wir sind nicht in der Lage, von Vereinsmitteln einen Pfennig dafür zu opfern. Hier entsteht natürlich die Frage, die dem Reichstag alsbald beantwortet werden muß, auswelchemFondshatdie Wil- helmstraße diese Mittel bewilligt? Die Versendung der Flugblätter übernahm Generalmajor Keim allerdings sehr gern, denn bereits am 26. Januar d. I. versandte er an die ihm ergebenen nattonalliberalcn Zeitungen in Esten, Dortmund, Leipzig, Stuttgart, Dresden usw. eine Parole sür die Stichwahlen; in dieser heißt cs, daß dem Zentrum erst recht die Zähne gezeigt werden müssen; er zählt auch die Namen der Abgeordneten auf, die in erster Linie b e - seittgt werden müßten, so daß sie keinen Einfluß mehr hätten. Er nennt u. a. die Abgg. Grüber und Erzberger, die aber I an diesem Tage beide schon gewählt waren. Doch im Reichs kanzlerpalais hatte über Nacht der Wind umgeschlagen. Man wollte dem Zentrum nicht mehr die Zähne zeigen. Am 1. Fe bruar 1907 schreibt der Generalmajor Keim an Dr. Kops in Dresden, er bedauere die pflaumenweiche Haltung der Regierung gegenüber dem Zentrum; er ist überhaupt mit der Stichwahltaktik der Regierung nicht zufrieden und for dert scharfes Vorgehen gegen das Zentrum, so wie vor der Hauptwahl. Dann aber schreibt der Flottengeschäftssührer wörtlich: Es unterliegt keinem Zweifel, es wird mir auch von anderer Seite bestätigt, daß gerade der kuroo protontantiou» in Mit teldeutschland so ungemein viel dazu beigetragen hat, den Phi lister aufzurütteln. Am Tage nach dem ersten Wahlgange hatte der Landrichter Stern in Beuthen in einem Brief an Keim eine Stärkung der Sozialdemokratie gegen das Zentrum empfohlen. Nach den furchtbaren Schlägen die sie bekommen habe, werde sic wohl zu Verhandlungen bereit sein. Es wäre also eine Abmachung dahin geboten, daß die Sozialdemokratie und di« nationalen Parteien einander gegen das Zentrum gegenseitig unterstützen. Darauf antwortete Generalmajor Keim: Was das Zentrum anbetrifst, so habe ich schon in d e r - selben Richtung nach dem Maß meiner schwachen Kräfte ge wirkt. Die Absicht, ein Bündnis mit den Sozialdemokraten anzu bahnen, scheiterte jedoch an dem Umstande, daß der sozial demokratische Parteivorstand bereits am 27. Januar im Vor wärts die sozialdemokratsichen Wähler ausforderte, unter kei ner Bedingung für Konservative, Antisemiten und National liberale zu stimmen. Ferner schreibt am 26. Januar 1907 der Geschäftsführer des Flottenvereins Generalmajor Keim an Landrichter Stern in Beuthen: hoffentlich hat die Regierung jetzt den Mut, auch eine vernünftig« Flottenvorlage einzubringen. In einem Brief vom 15. Januar 1907 an Amtsrichter Knaudt in Hoyerswerda, wo der nationalliberale Par teiführer Bassermann kandidierte, erteilte Keim folgende Ratschläge: Vergessen Sie nicht, Herrn Bassermann klar zu machen, daß 1. Kolontalpolitik ohne Flottenpolitik Unsinn ist; 2. die nattonalliberale Partei sich in der Flottenvorlage sehr wenig national benommen hat und hierbei hin ter dem Zentrum hergelaufen ist, da Herr von Ttrpitz nicht den Mut hatte, aus Angst vor dem Zentrum eine ver nünftige Flottenvorlage einzubringen. Dasselbe gilt auch von Herrn v. Bülow. Vergessen Sie nicht, ihm zu sagen, daß deshalb in allen nattonalltberalen Kreisen das Verhalten der Partei mit großem Mißfallen beurteilt werde und daß die Ausgabe der nattonalltberalen Partei sei, für eine vernünftige Flottenvorlag« einzutreten. Drei Tage später fügt er hinzu: Ich traue zwar Herrn Bassermann nicht ganz, aber die Nationallibrralen schulden uns durch unsere Unter stützung bet den Wahlen so unendlich viel, daß es geradezu haarsträubend wäre, wenn sic diesmal wieder flau würden. Also der Admiral von Tirpitz und der Reichskanzler selbst sind Schwächlinge, die nicht den Mut haben, eine vernünftige Flottenvorlage einzubringen, und selbst die nationalliberale Partei hat sich sehr wenig national benommen; nicht einmal Herrn Bassermann ist ganz zu trauen. Die vorjährige Flotten vorlage war also nicht vernünftig! Damit, daß die Katholiken aus dem Flottenverein aus treten, erklärt sich der General in mehreren Briesen einver standen. Im Rheinlande habe der Flottenverein zustande gebracht, daß in acht Wahlkreisen gegen das Zentrum Front gemacht werde. Der Bayerische Kurier erzählt auch noch eine weitere Geschichte darüber, wie die Zentrumsangehörigen des Vereins hinter das Licht geführt worden sind: Am 1. Februar 1907 sand eine Prästdialsihung des Flot tenvereins im Lokale des Vereins statt; auch Bayern kamen. Nun galt es, die vielen Schmähschriften gegen das Zentrum , die noch im Lokale waren, zu ver st ecken: Man ver st eilte eine Türe, damit die Bayern die vom Flot tenverein versendeten Flugschriften: Ein Katholik. (Verfasser ist ein protestantischer Württemberger in der Kolonial-Ab- teilung), Lügen des Herrn Erzberger, Weiteres aus der kolo nialen Lügensabrik (in der Kolonialabteilung verfaßt) nicht sehen konnten. Die Marinesoldaten, die sonst bet der Verpackung mitgeholfen haben, waren entfernt, und so konnte die Präsidtalsitzung des Vereins ruhig vor sich gehen! Die Vorstands-Mitglieder erfuhren natürlich nichts von der Tä tigkeit, die ihr Geschäftsführer Generalmajor Keim entfaltet hat, der an Katholiken so rührend schön Uber die Interessen der katholischen Kirche schreibt, der in Kreisen von Protestan ten aber erstere als den Todfeind unserer evangelischen Kon fession bezeichnet! Weiter erfährt man, daß Offiziere wie Hauptmann Salzer sich auf ausdrücklichen Befehl des Oberkomman dos der Schutztruppe dem Flottenverein als Wanderredner zur Verfügung stellen mußten und nebst dem Fahr geld zweiter Klasse 1 50 Markfür den Vortrag Honorar erhiel ten, und daß im übrigen General Keim erklärte, er gehe in der Agitation mit dem Reichskanzler konform. Interessant ist noch, daß sich Generalmajor Keim auch mit dem freisinnigen Abgeordneten Professor Eickhoff beschäf tigt hat. Dieser hat früher einmal eine kleine Verstimmung in der Freisinnigen Volkspartei wachgerufen, weil er sich in der Flottenvorlage etwas entgegenkommender gezeigt hatte als seine Fraktion. Offenbar in Erinnerung an diesen seiner Zett in den Blättern erörterten Vorgang hat General Keim dem Abg. Eick hoff eine Mission zugedacht. Er schreibt diesem am 3. Januar d. I., daß der Flottenverein sich für seine Wahl in teressiere und sogar durch Rücksprache mit Wilhelmstraße 77 die amtliche Unterstützung im Wahlkreise Lennep-Mettman für ihn hergestellt habe. Weiter schreibt er: Ich war gestern im Palais und habe Fürst Bülow gespro chen und ihn darauf aufmerksam gemacht, daß die Regie rung die Güte haben muß, dem Steuer einige Grade nach links zu geben und vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß die Konservativen und der Bund der Land wirte nicht Sonderpolitik treiben. Wir habqn auch von Ihnen gesprochen und hält auch der Fürst Bülow Sie sür den geeigneten Mann, die freisinnige Partei in dem na tionalen Fahrwasser dauernd zu erhalten. Nach diesen Enthüllungen wird die Regierung bei der nächsten, wahrscheinlich schon bald bevorstehenden Flotten - Vorlage, niemanden cinreden können, daß s i e die Initiative hierzu ergriffen hat. Sie ist nicht der Schiebende, sondern der Geschobene und der Reichskanzler Fürst Bülow wird an gesichts der wachsenden Stimmungen in Heeres- und Flotten fragen an allein maßgebender Stelle gar sehr oft aus der Hut sein müssen, wenn er nicht riskieren will, eines schönen Tages das Reichskanzlerpalais auf Nimmerwicfdersehn zu verlassen. Politische Tagesschau. Aue, 13. Februar 1907. Eine Ordensred« des Kaisers. Der Kaiser empsiug gestern die Präsidenten und eine Ab ordnung hervorragender Mitglieder des schlesische» und rheinisch westfälischen Vereins des souveränen Malteser - Ritter ordens, um die Erncnnuiigöpulle nebst den Insignien eines GrostkrcuzeS nnd Ehrcnbaistiö des Ordens entgegenzniiehnicn. Der Vorsitzende des Vereins der schlesischen Malteser, Ehrcnbailli Graf Praschma, überreichte dein Kaiser die Insignien mit einer Ansprache. Der Kaiser erwiderte darauf: Ich nehme aus Ihre» Händen die Insignien des GroßkreuzcS und die Würde als Ehrenbailli des souveränen Malteser-Ordens mit besonderer Freude entgegen und bin Seiner Eminen, dem Fürsten-Groß- meister des Hohen Ordens sür diese freundliche Aufmerksamkeit sehr dankbar. Auch Ihnen, meine Herren, als den Vertretern der in Meinen Landen bestehenden beiden Malteser-OrdenSgenossen-