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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit 10 Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 15. Mittwoch, den 4. Februar 1903. 2. Jahrgang. Sertliches und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, z. Februar 1903. n Ein Zeugnis von gutem Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gab am Sonnabend Abend hier der Empfang des Herrn Fabrikbesitzers Schiffl mit Gemahlin durch sein Arbeitspersonal ab. Derselbe hatte^ sich bis jetzt auf seiner Hochzeitsreise befunden und nunmehr war es seinen Arbeitern daran gelegen, ihn bei seiner Rückkehr würdig zu empfangen. Zu diesem Zwecke war hier eine Ehrenpforte gebaut und das Wohnhaus in gediegener Weise geschmückt worden. Am be treffenden Abend, kurz vor der Ankunft des Herrn Schiffl und Gemahlin, wurde zu beiden Seiten der Ehrenpforte je ein Feuer angebrannt, sowie die ganze Villa illuminiert. Die Be grüßung des Ehepaares erfolgte durch Herrn Prokurist Wauer, während der Arbeitergesang verein zwei Lieder den Zurückkehrenden darbrackte. Herr Schiffl, von dieser Ueberraschung tief bewegt, sprach über diese Ehrung seinen innigsten Dank aus. Wir können nur wünschen, daß dieses Ein vernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeit nehmer so weiter bestehen möge, zum Segen für das Geschäft, wie auch für den ganzen Ort. — Bauernregeln für Februar. Raffer Februar bringt ein fruchtbar Jahr. — Wenn es Lichtmeß stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit, ist es aber klar und hell, kommt der Lenz wohl nicht so schnell. — Wenn'S der Hornung gnädig macht, so bringt der März den Frost bei Nacht. — Wenn im Hornung die Mücken schwärmen, so muß man im März die Ohren wärmen. — Frierts im Februar nicht ein, wirdS ein schlechtes Korn jahr sein. — Die heilige Dorothe (6) watet gern im Schnee. — Im Hornung Schnee und Eis, macht den Sommer heiß. — Lichtmeß im Schnee, bringt Palmtag im Klee. — Wenn der Nordwind im Februar nicht will, kommt er sicher im April. — Singt die Lerche jetzt schon hell, gehl's dem Landmann an das Fell. -- Viel Nebel im Februar, viel Kälte das ganze Jahr- — Wenn der Hornung warm uns macht, frierts im Mai noch gern bei Nacht. — Wie der „Dresdner Anzeiger" erfährt, sind der französische Minister der öffentlichen Arbeiten und der Landwirtschaftsminister mit den Erhebungen über ein Gesuch der „Gesell schaft der französischen Weinbauer" beschäftigt, das die Schaffung eines besonderen Eilgutzuges für den Transport von Obst, Rosinen, Früh obst und losen Blumen von Nizza nach Berlin anstrebt, da sich in Rheindeutschland und ganz Berlin ein immer wachsender Absatzmarkt für diese Handelsgegenstände befinde. Der Zug müßte, ebenso wie die im Betrieb befindlichen Personenschnellzugsverbindungen, von Nizza nach Berlin über Lyon, Lons-le-Saulnier, Besancon, Belfort geführt werden. In Marseille würde er die Erzeugnisse Algeriens, in Tarascon die Früchte und das Gemüse Roussilons, die Wein trauben der Departements Härault und Gard, in Avignon die Erzeugnisse von Cavaillon, Thor und Sorgues rc. aufnehmen und nach Deutschland befördern können. Radeberg. Der Brandstifter, der seit längerer Zeit unsere Stadt unsicher machte, wurde ermittelt. Den eifrigen Bemühungen der Polizei ist eS gelungen, den 22Mrigen, oft und schwer vorbestraften Arbeiter Hübner nicht nur der Brandstiftung zu überführen, sondern auch derartig belastendes Material zu sammenzubringen, daß die Täterschaft desselben bei dem am Sonnabend vorgekommenen Bahn- frevel außer allem Zweifel steht. Hübner wurde dem königlichen Amtsgericht zugeführt und dürfte demnächst seine Ablieferung nach Dresden erfolgen. Dresden. Bei der Variätovorstellung am vergangenen Freitag im hiesigen Zentral theater ereignete sich ein bedauernswerter Zwischen fall, indem ein Mitglied der bekannten im Gesellschaftskostüm auftretenden Akcobatentruppe Dinus-Familie schwer verunglückte. Die aus sechs Personen bestehende Truppe, deren hals brecherische Trics das Publikum kaum zu Atem kommen lassen, hatte bereits mehrere Darstell ungen gegeben, als ein junger Mann bei einem Sprunge auf die Schulter eines Unter manns fehltrat und rücklings auf die Bühne stürzte und zwar direkt auf Kopf und Genick. Er blieb, ohne noch eine sichtbare Zuckung zu machen, wie tot liegen und der entsetzliche Moment versetzte das Publikum sowohl als auch die übrigen Mitglieder der Truppe einige Augenblicke in Lähmung und als die Mutter und die Geschwister den vollständig haltlosen Körper von der Szene trugen, wobei die Schwester ohnmächtig wurde und der Vorhang sank, entstand unter dem Eindrücke des traurigen Anblickes eine große Aufregung und Unruhe, die nur niedergehalten wurde durch die Geistes gegenwart, mit der die Theaterleitung die nächste Nummer sofort folgen ließ. In der folgenden Pause verbreitete sich im Theater die Nachricht, daß der Verunglückte das Genick ge brochen habe und tot sei, ein Gerücht, welches durch die Mitteilung des Theaterleiters, daß der junge Mann lebe und wahrscheinlich nicht schwer verletzt sei, beseitigt wurde. Unterdessen hatte ärztliche Hilfe den Verunglückten, welcher zunächst nicht transportfähig war und auf der Bühne hinter öen Coulissen inmitten seiner ver zweifelten Angehörigen lag, wieder zur Be sinnung gebracht, worauf er über schwere Schmerzen zu klagen begann, die auf eine Zerrung der Brustmuskeln schließen ließ. Ob sonstige Erschütterungen und innere Beschädig ungen eingetreten waren, ließ sich momentan nicht feststellen. Man brachte ihn mittels Krankenwagens zur weiteren Untersuchung und Behandlung nach dem Stadtkrankenhause. Der junge Mann ist 19 Jahre alt und erfreute sich infolge seines anständigen und liebens würdigen Auftretens gleich seiner Familie der Beliebtheit weiter Kreise. Dresden. Der am Freitag Abend während der Vorstellung im Zentrallheater durch Sturz schwer verunglückte Akrobaten künstler Richard Dinus ist Montag Vormittag von seinen Angehörigen nach Berlin trans portiert worden. Dresden. Ein eigenartiger schwerer Unglücköfall ereignete sich am Sonnabend Nach mittag im Großen Garten in nächster Nähe der Pikardie. Es werden dort gegenwärtig wegen Verbreiterung der Straße einige Bäume ge fällt. Gerade als eine Droschke vorüberfuhr, stürzte ein Baum um und fiel so unglücklich, daß er den Droschkenkutscher vom Bock und unter den Wagen schleuderte. Der Verunglückte wurde in die Pikardie getragen und starb kurze Zeit darauf. Die Insassen der Droschke kamen mit dem Schreck davon. Dresden. Durch einen Hund wurde am Sonnabend gegen Mittag ein in der Nähe des Tolkewitzer Wasserwerkes in die Elbe ge fallener, etwa 10 Jahre alter Knabe vom Tode des Ertrinkens gerettet. Das Kind hatte mit noch mehreren Kameraden gespielt, war dabei dem Wasser zu nahe gekommen, in die Elbe gefallen und mit den Fluten mit fortgeführt worden. Der Hund eines des Weges kommen den Herrn, der den Vorfall bemerkte und das Tier apportieren ließ, sprang in das Wasser und holte den Knaben an das Land. Der Letztere hatte sich nach kurzer Zeit soweit er holt, daß er nach Hause gehen konnte. Großröhrsdorf. Der seit 20 Jahren in der C. G. Großmannschen Fabrik in Groß röhrsdorf bei Pulsnitz beschäftigte 50 Jahre alte Bandmacher Kannegießer wurde gestern von dem dasigen Gendarmerie-Brigadier fest genommen, weil er nachweislich seit 10 Jahren mit seiner 24 Jahre alten Tochter Frieda verw. Meinelt in Großröhrsdorf verbotenen Umgang gepflogen hatte. Er scheute sich nicht, um sie zu seinem Zwecke gefügig zu machen, sie zu mißhandeln und aus der Wohnung hinaus zu jagen. Im Herbst 1902 machte der Ehemann seiner Tochter, Meinelt, seinem Leben durch Erhängen ein Ende. Er hatte um das Verhältnis seiner Frau mit ihrem Vater gewußt. Die Familie Kannegießers steht sonst in gutem Rufe. Kannegießer wurde dem Kgl. Amtsgericht Pulsnitz übergeführt. Großenhain. Den hiesigen Cottbuser Bahnhof passierte gestern ein Teil des Zirkus Bauer. Derselbe traf 5 Uhr 30 Minuten Vormittags in einem 12 Achsen starken Sonder zuge von Dresden kommend hier ein und fuhr nach erfolgtem Wechsel des Zugbegleitpersonals und der Lokomotive 5 Uhr 40 Minuten vor mittags über Cottbus-Frankfurt a. O. nach Königsberg weiter. Der andere Teil dieses Zirkurses ist von Dresden über Bodenbach nach Wien gefahren. — Nach dem jetzt vorliegenden Katalog verspricht auch die diesjährige vom 7. bis 10. Februar im Gasthof zum Roß hier statt findende große Geflügelausstellnng für Kenner und Laien, hauptsächlich auf dem Gebiete der Nutzgeflügelzucht, sehr vieles des Interessanten zu bieten. Sind doch gegen 100 Stämme Großgeflügel und über 300 Paar Tauben zur Ausstellung angemeldet, sodaß allen Züchtern und Geflügelfreunden ein Besuch dieser Aus stellung auf das angelegentlichste empfohlen werden kann. Werdau. In dem benachbarten Langen bernsdorf hat der 25 Jahre alte Invalide Hugo Müller am Sonnabend Vormittag sem einjähriges Kind erdrosselt und sich dann selbst erhängt. Die That ist auf Nahrungssorgen zurückzuführen. Aus demselben Grunde war Müller vor einiger Zeit von seiner Ehefrau verlassen worden, die sich zu iyren Ellern zurückvegab, aber die Mitnahme des Kindes verweigerte. Falkenstein. Gestern Nachmittag ent stand nach Abgang des nach Oelsnitz verkehrenden Personenzuges auf Dorfstädter Ritterguts waldung ein Waldbrand, welcher, ehe er größere Ausdehnung annahm, von dem schnell herbei- eilenden Baynpersonal gedämpft werden konnte. Markneukirchen. Durch Fälschung eines Schecks hat ein hier in Stellung be findlicher, aus Plauen i. V. stammender 18 Jahre alter Handlungsgehilfe seinen Prinzipal um 1000 Mark betrogen. Der Scheck wurde, da die Fälschung sehr geschickt ausgeführt war, von der Reichsbanknebenstelle anstandslos ein- gelöst; mit dem Gelde suchte der wegen Betrugs bereits vorbestrafte Schwindler das Weite. Tetschen-Bodenbach. Im Ver tretungsbezirke Tetschen wurden im letzten Jahre von 34 Gemeinden des Bezirkes un ganzen 2218 Stück Kreuzottern gefangen, getötet und an den Bezirksausschuß avgelieferl, für welche von dem Bezirk 2218 Kronen Fangprämien gezahlt wurden. Im Vorjahre wurden 2092 Stück avgelieferl. — Im nahen Orte Annaberg schüttete der Häusler Köckert in der Absicht, sich feiner Gattin zu entledigen, die derselben vom Arzte verordnete Medizin aus und gab dafür oer Frau Schwefelsäure hinein. Die Frau gab den größten Leck der Flüssigkeit wieder von sich. Der Mann befindet sich in Haft. Reichenberg i. B. Gestern früh ge riet auf dem Bahnhofe der Aufsig-Teplitzer Eisenbahn ein Güterzug in Brand. Das Feuer ergriff einen Bremserwagen und vier be ladene Güterwagen, die zum großen Leck em- g äschert wurden. Auch die aus Holz er baute Ladehalle, vor welcher der Zug stand, ist total niedergevrannl. Die Guterwagen waren mit Waren verschiedener Art beladen. Der entstandene Schaden dürfte sich aus 20000 Kronen belaufen. Aus der Woche. In Wien scheint man darauf vorbereitet gewesen zu sein, daß der Spruch in der säch sischen Lyeirrungsaffare bereits am 28. Januar, dem Verhandlungstage, gefällt werden würde, denn unter diesem Datum erfolgte die Bekannt gabe, daß Kaiser Franz Joseph der Prinzessin alle Rechte als Erzherzogin genommen und ihre Mitgliedschaft zum Kaiserhofe aufgehoben habe. Für Sachsen ist das inzwischen auch erfolgt, sodaß die Entflohene momentan titellos ist. — Prinetti ist in Gegenwart seines Königs, dem er gerade ein Dokument zur Unterschrift vorlegen wollte, vom Schlage gerührt worden. Der Anfall scheint erfreulicherweise nicht stark zu sein; der Patient befindet sich bereits wieder auf dem Wege der Besserung und kann hoffentlich nach völliger Genesung sein Amt welterführen. Das ist für Deutschland in sofern von hoher Bedeutung, als er berufen sein würde, die Überans schwierigen Verhand lungen wegen eines neuen deutsch-italienischen Handelsvertrages zu leiten und die deutsch freundliche Haltung sowie das konziliante Wesen des erkrankten Staatsmannes die Verhand lungen wesentlich erleichtern dürften. — Vene zuela steht noch immer auf der Tagesordnung und die Konferenzen mit Bowen ziehen sich in die Länge. Wenn Castro (vielleicht auch die Nordamerikaner) auf eine sich einstellenüe Un einigkeit unter den drei Machten Deutschland, England und Jialien spekulierten, so werden pe sich mzwliryen überzeugt Haven, vag sie damit durchaus auf falscher.Fährte sind. Erfreulich gl auch die Feslnellung der Thatsache, daß der „Panther" vor Maracaibo nicht das Karnickel ivar, das angefangen hat- — In Marokko kräuseln vielleicht nicht die Dinge, wohl aber die Berichte über die jeweilige Lage noch immer bunt durcheinander. Jedenfalls weiß sich Frank reich beim Sultan eine vorteilhafte Stellung zu verschaffen, indem cs ihm gerade jetzt, wo ihm das Messer Bu Hamaras an der Kehle sitzt, 7^/, Mill. Frank borgt. — Die Affäre eines in New-Nork als Kaufmann lebenden Lohnes des amtierenden preußischen Kriegs ministers von Goßler hat ziemlich viel Staub anfgewirbelt. Der junge Herr war in einem Kluv, in dem er berells eingeführt war, zu spät erschienen und man hat ihn zur Strafe mit einer Art Fuchsprelle begrüßt- Die Klub genoffen müssen ja recht fideler Stimmung gewesen sein, denn sie warfen dem Eintretenden eine Olive an den Zylinder, auch wurden andere Scherze getrieben und „Nieder mit den Deutschen!" gerufen. Die Affäre wird von den Beteiligten als „harmloser Spaß" hin gestellt und man muß sich nun darüber klar werden, ob wirklich eine Beleidigung des Deutschtums oder aber eine Probe urwüchsigen amerikanischen Humors vorliegt. Besonders geschmackvoll wird man diesen kaum nennen können. — Am Donnerstag Haven sich in Berlin zwei parlamentarisch-politische Ereignisse vollzogen: die Wiederwahl des Grafen Balle- sirem zum Reichstags-Präsidenten, die ja von vornherein nicht mehr zweifelhaft war, und die Rede des preußsichen Landwirtschaftsministers von PodvielSti, in der dieser das Tafelluch zwischen sich und dem Bunde der Landwirte enlzweischnitl. Das war erne kühne Tat, wenn man bedenkt, wie mächtig der Landwirle-Bund ist- Wird ihm doch in die Schuhe geschoben, daß er dem Landrat von Willich in Birnbaum die Waffe zum Selbstmorde in die Hand ge drückt habe, weil dieser Beamte in einer Streit schrift gegen den Major von Enöell, den Pro vinzial - Vorsitzenden des Landwirtevundes in Posen, ausgetreten war. Lie Presse hat sich dieses Falles bemächtigt und mit dem Falle Löynmg verbunden, um damit gegen die Re gierung und ihre Haltung in der Polenfrage zu agitieren. Den Herren, die die Regierung zu führen berufen sind, wird die Sache wahr haftig von keiner Seite leicht gemacht. Wie sie's auch machen, immer ist's „falsch", immer finden sie scharfe Kritiker. Heutzutage muß man Gott danken, daß man kem Minister ist. Eine große Ehre ist es zwar, aber alles andere eher, denn ein Vergnügen.