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WMMbtMWM l» ! früher Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich Geschästs-Ailreiier ßr hohiihorf, MSlitz, PttMorf, Rllsöorf Et. k-i-ie«, HeiilriPort, Mmienliii mi> Mölst«. Amtsblatt für den Stadtrat zu Lichtenstein. — — — — 4«. Jahrgang. Nr. 122. Freitag, den 30. Mai 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtag») abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Katserl. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltenr Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Mi Der Anfang vom Ende in den europäischen Kriegsrüstungen ist gekommen; eine andere Bedeutung hat die neue deutsche Militär vorlage nicht, und die Erklärungen, welche der Kriegs minister v. Verdy in der Militärkommission des Reichs tages über die künftigen Wünsche und Pläne der Militär-Verwaltung abgegeben hat, bestätigen das. Die Militär-Verwaltung hat den Wunsch, daß in der Zukunft alle zum Militärdienst brauchbaren jungen Leute aktiv ausgebildet werden, wie es in Frankreich nach dem neuen Armeegesetz schon jetzt geschieht. Deutschland hat nun aber eine erheblich stärkere Be wohnerzahl als Frankreich; naturgemäß kann es auch mehr Soldaten im Ernstfälle aufbieten, als unser west licher Nachbar, wenn jeder Mann herangezogen wird. Wenn nun aber unter gewissen notwendigen ander weiten Erleichterungen jeder waffenfähige Deutsche Soldat sein wird, dann wird der ernste Moment gekommen sein, in dem man sich in Paris darüber klar werden muß. Was nun? Bisher hat Frankreich ununterbrochen seine Wehrkraft verstärkt, auf jede militärische Maßnahme Deutschlands ist an der Seine ein Triumph gesetzt, und auch die bekannte Zweiteilung unseres reichsländischen Armeekorps, die durchaus keine neue Truppenverstärkung in Elsaß-Lothringen bedeutet, wird von Frankreich durch Verdoppelung seines Grenz- Armeekorps beantwortet. Aber den Pariser Herren wird heute schon schwül zu Mule, sie sehen den Augenblick näher und näher rücken, in welchem die Waffenrüstung Frankreichs einen Stillstand erfahren muß, nämlich dann, wenn das Menschenmaterial auf die Neige geht, wenn Frankreich sich außer Stande sieht, dieselbe Saidatenmasse auf die Beine zu bringen, wie Deutschland. Und diesen Augenblick werden wir im Laufe des Jahrzehnts erreichen, in ihm wird man sich entscheiden müssen: Krieg oder Frieden, da weitere Machtverstärkung unmöglich ist. Deutschland will keinen Krieg, Frankreich wird sich dann endgiltig zu entscheiden haben, ob Krieg oder Frieden, denn sonst wird es von Jahr zu Jahr durch Deutschland und seine Verbündeten mehr überflügelt werden. Und stutzt Kornelie. Norwegische Novelle von Karl Cassau. (Nachdruck verboten.) 1. Eine nordische Idylle. Hast Du, lieber Leser, schon einmal Skandi navien im Sommer gesehen? — Merkwürdig, in Italien waren Tausende und Abertausende, aber das schöne Skandinavien in der Pracht des Hoch sommers kennen wenige. Ich gehöre zu den Er lesenen. Dort hörte ich auch meine Geschichte, die ich nun nach jahrelanger Ruhe meinem Gedächtnis entreiße. Unser Drama spielt an einem kleinen, hübschen Fjord — so heißen im Norwegischen die Meeres buchten — und im Dorfe Omka, nahe bei Trondjem oder Drontheim. Dort saß an einem Nachmittage im Hochsommer ein alter, graulockiger Kapitän, der jetzt die ver dienten Gelder für seine „Fahrten" in gemütlicher Ruhe verzehrte, in Gesellschaft eines siebenzehn jährigen, wunderbar schönen Mädchens in einer Laube des am Fjord ausgebreiteten Gärtchens, das Auge auf "das ruhige, schimmernde Meer gerichtet. „Wie oft habe ich diesen Anblick nun schon genossen," sagte er jetzt weich, „und immer ist es so schön, dieses große Auge Gottes in der Natur, daß wie in jungen Jahren das Heimweh über mich kommt, betrachte ich die in vielen Krümmungen des Landrückens einschneidenden Fjorde, die grünen Wälder, der Halbinsel gegenüber, die mit Blumen man in Paris vor dem furchtbaren Wagnis, dann beginnt auch die Periode der Abrüstung, sie wird sich dann nicht mehr aufhalten lassen, die Völker können aufatmen. Tagesgeschichte. *— Lichtenstein, 29. Mai. Die Königl. Amtshauptmannschaft Glauchau macht bekannt, daß die zwischen Rüsdorf und Kuhschnappel gelegene Strecke der Lichtenstein-Kuhschnappeler Straße dem Fährverkehr wieder freigegeben/ ist, desgl. der Kom munikationsweg von Hohenstein nach dem Hüttengrund. *— Als Schwurgerichtsvorsitzender beim Königl. Landgericht Zwickau ist für die im dritten Kalender vierteljahre 1890 beginnende Sitzungsperiode nach Z 83 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 Herr Landgerichtsdirektor Ortmann ernannt worden. — Wir entnehmen den „Dresdner Nachrichten" folgendes: Der Selbstmord mit seiner unzähligen Menge der Opfer ist ein ernstes Zeichen der Zeit. I Wie furchtbar elend und von Gott verlassen müssen sich die Unglücklichen fühlen, welche in ihrer Ver zweiflung Hand an sich selbst legen. Wohl ist keine freie Zeit gewesen von diesem schrecklichsten aller Verbrechen; aber es muß doch mit Besorgnis erfüllen, wenn wir diese Sünde pestartig um sich greifen sehen. Sicherlich verdient folgender Vorfall aus Berlin, der sich im Krimiualgericht ereignete, allgemeinste Ver urteilung: Ein junger Mann aus besseren Ständen hatte ihm anvertraute Gelder verbraucht. Als man mit der Anzeige droht, falls er das Geld nicht er statten werde, wird er zum Dieb. Das Urteil lautet auf mehrjährige Gefängnisstrafe. Bei der Urteils verkündigung glaubt nun der Präsident auf den Ver brecher dadurch moralisch einwirken zu sollen, daß er ihm vorhält: der einzig anständige Weg, der ihm nach der begangenen Unterschlagung offen gestanden hätte, wäre der gewesen, sich eine Kugel durch den Kopf zu schießen. — Weiß der Herr Gerichtspräsident nicht, daß man eine Schuld durch Reue und Besserung und Grün besetzten Abhänge der Felsen ringsum, die freundlichen Dörfchen am Strande! Ach, wie schön ist doch Gottes Welt, wie schön unser Vaterland!" „Ja, Papa Tyndal," nickte die junge Dame, „aber Ihr vergeßt den Kaffee, er wird kalt! Schade darum; es ist echter Mokka, den Euer Freund, Kapitän Lynkström, gestern selbst mitgebracht!" „Du hast Recht, Kornelie! Blitz, wie der Trank köstlich schmeckt! — Aber, was fällt mir ein? Haben wir heute nicht den 2. August?" „Freilich, Väterchen!" Der Greis, welcher sich unwillkürlich erhoben, nahm an der Seite des jungen Mädchens wieder Platz und entgegnete bedachtsam: „Kornelie, mein süßes Kind, so sind es heute gerade fünfzehn Jahre, da ich Dich da unten aus den plätschernden Wellen zog! Es ist Dein Geburts tag, Kornelie!" Und erreichte ihr die Hand, ihr, in deren Augen Thränen glänzten. „Du weinst, mein Kind?" „Ach," gab sie mit einer sich in Herz und Ohr einschmeichelnden Stimme zurück, „Papa Tyndal, ich weinte ja über die armen, armen Eltern, die damals bei dem Sturme auf dem Meere umgekommen sind!" „Das sind sie leider wohl, Kind, da ich auf meine Aufrufe in allen großen Zeitungen der Welt keine Nachricht erhalten habe. Aber Du hast ja mich, Kornelie!" Sie reichte ihm die Hand, stand auf und ver ließ die Laube. Es war eine entzückende Gestalt, deren schlanker ! sühnen kann, und daß dem ewigen Richter in die Arme läuft, wer dem irdischen zu entfliehen sucht? Eine derartige Aeußerung ist aber um so mehr zu beklagen, als sie von einer Stelle geschehen ist, zu deren Beruf es gehört, im Namen Sr. Majestät des Königs dem Volke Recht zu sprechen. Dieser Aus spruch ist ein furchtbares Zeugnis für die Leichtherzig keit, wie unsere Mitwelt die Frage des Selbstmordes behandelt; nicht zur sittlichen Reue und Buße des begangenen Unrechts mahnt ein Richter, der doch ein Erzieher seines Volkes sein soll, sondern zu einem neuen, noch schwereren sittlichen Frevel — ein Richter mahnt zum Selbstmord! Darf man sich da wundern, wenn die Lebensfeigheit und Lebensfrivolität immer weiter um sich greift, wenn jeder unreife Bursche bei seinem unreifen Liebesschmerze das Recht zu haben glaubt, sein Leben von sich zu werfen? — Daß es auch in unserem Sachsen noch komisch zugeht, beweist folgende Thatsache: Vor längerer Zeit wurde im Gasthaus eines Dorfes der Lausitz eine Versteigerung abgehalten, zu der sich eine hübsche Anzahl Bieter eingefunden hatte, dis zum größten Teile dem Biere wacker zusprach und die auch nach beendeter Auktion noch in dem Gast lokale in angeheiterter Stimmung verblieb. Im Laufe der ziemlich erregten Unterhaltung wurde dann auch die Frage aufgeworfen, ob nicht noch etwas zu versteigern sei und erbot sich nach ver schiedenen Vorschlägen Einer unter den Anwesenden dazu, seine Ehefrau versteigern zu wollen; unter allgemeinem Beifall wurde denn auch ohne Weiteres dazu verschritten und der Ausbietende erhielt ver schiedene sich steigernde Angebote, bis schließlich ein wohlhabender Bekannter des Betreffenden ein Höchst gebot von 100 Mark that, die Frau zugeschlagen erhielt und den Betrag sofort zahlte, während der Ehemann demselben die Zusicherung gab, seine Ehe frau ihm am nächsten Tage zuzusenden. Bei dem Er- steher stellte sich dieselbe denn auch am folgenden Tage ein und übergab demselben einen Zettel mit dem Bemerken, daß sie von ihrem Ehemann beauf- Leib, sich auf zierlichen Füßchen wiegend, eine Büste trug, würdig, von einem großen Meister in parischem Marmor ausgehauen zu werden. Auf dem schlanken Halse bewegte sich ein zierlich geformter Kopf mit üppigem, dunklem Haar. Die dunklen Augen, die tiefen Braunen, das ganze Gesicht ver rieten auch im Schmerz eine solche Fülle von Schön heit, daß der vorüberschreitende Wanderer hätte stillstehen müssen vor Verwunderung. Sie kehrte nach einer Weile mit geröteten Augen rändern zurück und setzte sich mit ihrer Handarbeit abermals zu dem Alten in die Laube, der mit der redseligen Breite des Alters die bekannte Thatsache wieder aufnahm. „Ja, Kornelchen", lächelte er halb verlegen bei ihrem Anblick, „Du schwammst in einer Wiege, aber Du kamst nicht arm zu uns. In Deinem Bettchen lag eine Kassette mit Sachen von Wert, die Dir gehören werden, wenn Du einmal—er lächelte ver legen — nun ja, einmal muß es doch gesagt sein, wenn Du — einem Manne die Hand reichen wirst!" Kornelie erglühte wie das Röschen in der Hecke. „Nun, nun, brauchst Dich nicht zu schämen, Kind! Einen Ring habe ich aus jener Zeit auch für Dich, den Du heute bekommen sollst!" „Ach, Papachen, der ist gewiß von meinen Eltern?" „Mag sein, Kornelchen!" Er zog ein Schächtelchen und daraus ein rot glänzendes Ringlein von Edelstein hervor und sagte: „Er muß sehr, sehr teuer sein, Kornelie, ver liere ihn nicht!" Sie küßte den Ring entzückt, dann aber rief sie: