Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000719010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900071901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900071901
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-19
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-PreiS I» der tzauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Dororten errichteten Auki oabestellen abgeholt: vierteljährlich ^>4.50» bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Lrutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tü»'.!ch: Kreuzbondiendung in» Ausland: monatlich 7.50. Die Morgrn-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, dir Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Maction und Expedition: Johannisgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» onunterbroche» geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. «-o«c>» Morgen-Airsgave. MtWM T ll§Maü Anzeiger. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Lortim. Universitäisstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, katharinenstr 14, »art. «ad KönigSplatz?. AmtsMtt des Königkichen Land- und Ämtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Motizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Donnerstag den 19. Juli 1900. Extra-Veilaaen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Nnzeigen-Prei5 dle 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reclameu unter dem Redactionsstrich (4a» spalten) 50 vor den Familteaaachrichk» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und gtffernsatz »ach höherem Tarif. Fnnahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag» 10 UhL Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. vei den Filialen und Annahmestelle» je ein» halb« Stund« früher. Anzeigen sind stet» an di« Expedition zu richte«. Druck und Verlag von L. Pol» t» Leipzig. 9t. Jahrgang. Die Großmächte in Nordafrika. V. 8. Die Dinge in Marrokko nehmen eine Entwickelung, wie man sie nach dem Vorstöße der Franzosen in der Sahara erwarten mußte. Die am Mittelländischen Meere betheiligten Mächte sind in reger Thätigkeit: Italien blickt eifersüchtig auf die Er folge der Franzosen, England verstärkt seine Position in Gi braltar und Frankreich sucht auf diplomatischem Wege eine Einigung mit befreundeten Staaten, um später seine Ansprüche mit vollem Nachdruck zur Geltung zu bringen. Die Republik verhandelt mit Spanien und Rußland, um eine Verständigung über die schwebenden Fragen herbeizuführen. Man mag sich darüber wundern, daß Spanien in den Kreis dieser Action hineingezogen wurde, dasselbe Spanien, welches so geschwächt aus dem Kriege mit Amerika hervorgegangen ist. Aber an der Nordküste Afrikas, besonders an der Straße von Gibraltar, spielt dieser Staat noch immer eine gewisse Noll«. In seiner Hand be finden sich Centa und einige andere Plätze, die ein wirksames Gegengewicht gegen England bilden können, wenn man ihre Lage und natürliche Stärke genügend ausnutzt. Auch scheint in Madrid mit dem plötzlichen Auftauchen der marokkanischen Frage thatsächlich die Lust zu einer activen auswärtigen Politik er wacht zu sein. Der Gesandte de Ojeda hat in Marakesch eine Reihe wichtiger Forderungen erhoben und drängt auf Erfüllung. Das Auftreten Spaniens ist im Augenblicke derart, daß Frank reich jedenfalls vermeiden wird, es grundloser Weise in die Reihe seiner Feinde zu drängen. Sein Bemühen, in Madrid ein freund liches Entgegenkommen zu finden, ist durchaus erklärlich; auch spricht der Anschein für die Annahm«, daß die französischen Staatsmänner bei Silvela und der Königin-Regentin ihren Zweck erreichen. Mit Rußland eine besondere Vereinbarung über die marokka nischen Angelegenheiten zu treffen, ist für Frankreich kaum er forderlich. Die Interessen beider Staaten gehen Hand in Hand und jeder ist der Unterstützung des anderen sicher, wenn es da rauf ankommt, seine Machtstellung im Mittelmeere zu er weitern-. Ihre Einigkeit trat auch jüngst beim Besuche des russi schen Geschwaders in Biserta zu Tage. Die russischen Officiere wurden von den Franzosen in einer Weise gefeiert, wie es zu letzt in Toulon der Fall gewesen war. In ihren Reden haben die Admiräle die russisch-französische Waffenbrüderschaft ge priesen und bei künftigen Actionen im mittelländischen Meere das Zusammengehen beider Flotten betont. Die Anwesenheit des russischen Geschwaders im französischen Kriegshafen gestaltete sich selbst für die Bevölkerung der Umgegend zu einem förmlichen nationalen Feste. Aber in Einem verhielt man sich doch anders als früher. Die direkten und indirekten Ausfälle gegen Deutschland und die mit demselben verbündeten Mächte sind dieses Mal unterblieben. Wir meinen deshalb, daß die Er regung der Italiener über den Flottenbesuch in Biserta unbe gründet sei. Rußland hat wahrlich kein Interesse daran, Italien zu schädigen und im Mittelmceere zurückzudrängen. Seine Gegnerschaft richtet sich ausschließlich gegen England, und im Kampfe gegen dieses wird es den Franzosen jeder Zeit bei stehen, niemals aber sich in einen etwaigen Streit zwischen der Republik und Italien einmischen. Natürlich nur so lange, als ein Zwist zwischen den beiden romanischen Staaten sich lediglich auf sie selbst beschränkt. Das Flottenfest in Biserta kann dem nach vorwiegend als Besiegelung einer Verständigung und als Demonstration gegen Großbritannien aufgefaßt werden. Frankreichs Stellung im Mittelländischen Meere erscheint dadurch allerdings erheblich gefestigt. D e u t s ch l a n d hat bis her diesen Operationen gegenüber eine große Zurückhaltung an den Tag gelegt. Unsere Interessen berühren freilich fast nur den Handel, aber wir dürfen nicht vergessen, daß dieser in Marokko im Laufe einiger Jahre einen ungewöhnlichen Aufschwung ge nommen und sich voraussichtlich auch ferner rasch genug ent wickeln wird. Deutsche Kaufleute haben sich bereits in ansehn licher Menge in Marokko angesiedelt und bereiten den Eng ländern und Franzosen erhebliche Concurrenz. Alle ihre Er rungenschaften, die erst seit dem Jahre 1890, ja eigentlich erst seit 1893 datiren, haben sie auf Kosten der Engländer und der Fran zosen gemacht. Beide Völker werden uns deshalb entgegenzu wirken suchen, wenn auch wir zur Wahrung unserer Interessen dauernd bei Nordafrika Fuß fassen wollen. Schon vor längerer Zeit hieß es in officiösen Mittheilungen, daß das Auswärtige Amt seine Vorkehrungen getroffen habe, um Deutschland einen oder zwei Puncte an der Nordtüste Marokkos zu sichern. Darauf wurde vor einigen Wochen gemeldet, Deutsch land habe sein Augenmerk auf die Insel Peregil an der Straße von Gibraltar, beim Cap Leona unweit von Centa, ge richtet. Ein Widerruf dieser Nachricht ist nicht erfolgt. Wir brauchen nicht darzulegen, daß eine derartige Erwerbung eine hervorragende Errungenschaft, einen Erfolg, zu dem man unsere Diplomaten beglückwünschen könnte, bedeuten würde. Deutsch land wäre damit in die Reihe der Staaten eingetreten, die über das Mittelmeer zu entscheiden haben, und hätte gegenüber Eng land und Frankreich eine gewichtige Stimme. England besäße dann nicht mehr das Monopol der Siraße von Gibraltar und könnte unsere Kaufleute im Norden Afrikas seine Ueberlegen- heik zur See nicht mehr in dem Maße, wie jetzt, fühlen lassen. Der Gegensatz zwischen England und dem Zweibunde, der im Orient und in Afrika immer mehr hervortritt, gestattet uns nicht, unsere Ansprüche schon jetzt zur Geltung zu bringen. Vor zeitiges und übereiltes Handeln in dieser wichtigen Frage könnte leicht die entgegengesetzte Wirkung üben, die unversöhnliche Feindschaft zwischen England einerseits und Rußland und Frankreich andererseits mildern und ihren Haß nach anderer Richtung ablenken. Wir haben wahrlich keinen Grund, eine, wenn auch nur vorübergehende Aussöhnung zwischen diesen Staaten herbeizuführen. Unsere Aufgabe muß vornehmlich darin bestehen, den herannahenden Conflict aufmerksam zu verfolgen, eine Parteinahme nach der einen oder der anderen Seite möglichst zu vermeiden und im geeigneten Augenblicke energisch zuzugreifen. Im Allgemeinen werden ebenso Frankreich wie Großbritannien Deutschlands etwaige Festsetzung am Mittelländischen Meere zu hindern trachten. Aber der Fall kann eintreten, daß die deutsche Vermittelung angerufen wird. Dann ist es Sache unserer Diplomatie, die Forderungen Deutschlands rechtzeitig zu stellen und umsichtig und zielbewußt zur Thatsache zu machen, Die Wirren in China. Wie unS ein nur in einem Theile der gestrigen Abend ausgabe deS „Tageblattes" enthaltenes Privattelegramm aus Berlin mittbcilt, wird dort von unterrichteter Seite die von uns nicht gebrachte Pariser Meldung, daß die Mächte über militärische Leistungen zur Intervention in China unterhandeln, als Combination bezeichnet. Li-Hnng-Tschang sicherte in einer Abschiedsaudienz deS Consularcorps in Canton die Ruhe im Süden Chinas zu und erklärte, er habe nach Peking mitgetbeilt, daß Eng land und Frankreich die Häupter der chinesischen Negierung für das Leben ihrer Gesandten und Staatsangehörigen in Peking persönlich haftbar machen. Er babe dabei als ein ziger, der dies wagen konnte, der Regierung in Peking offen seine Mißbilligung ihres Verhaltens ausgesprochen. Falls die Gesandtschaften genltct würden, sei ihm von Eng land, Frankreich und den Vereinigten Staaten bereits Ent gegenkommen versprochen worden, und er rechne hierauf bei dem guten Willen, den er zeige, auch für die Verhandlungen mit den übrigen Mächten. Die Gouverneure von elf Provinzen hätten ihm eine gemeinsame Denkschrift überreicht, in der die Berücksichtigung folgender fünf Puncte empfohlen werden: 1) Schutz der fremdcn Kaufleute und Missionare im ganzen Reiche, gleichviel ob Krieg oder nicht, um das Ansehen Chinas als Culturstaat zu wahren; 2) die Rettung der noch überlebenden Gesandten, da dann auch Verhandlungen möglich seien, bei denen sich die Negierungen der Gereiteten für Edina verwenden können; 3) ein Entschuldigungsschreiben der Ne gierung an den deutschen Kaiser wegen der Ermordung deS deutschen Gesandten in Peking Frhrn. von Ketteler, sowie der Vorschlag der Vermittelung anderer Mächte und die schrift liche Zusicherung der guten Absichten Chinas an Frankreich und die Vereinigten Staaten von Nordamerika; 4) vollen Schadenersatz für alle Verluste an fremdem Leben und Eigen- thum; 5) Anweisung an die Militärbehörde» und Civil- beamten der Provinz Tschili, die Räuber und marodirenden Truppen zu bestrafen. Soweit Li-Hung-Tschang's Reformprogramm. Man wird ja sehen, wie eS der schlaue Fuchs verwirklicht. Einstweilen geht der Kampf weiter und unter den Augen der Consuln treffen die Chinesen ihre Kriegsvorbereitungen. So meldet „Reuter's Bureau" aus Shanghai vom 16. d. M: WaS die Lage in Shanghai betrifft, so ist es offenbar, daß die Wüsung-Forts verstärkt worden sind. In den letzten Tagen bemerkte man, wie ein kleiner chinesischer Dampfer öfters die Forts mit Frachtbooten im Schlepp, in denen Truppen für das Arsenal in Shanghai waren, verließ und von dort wahrscheinlich mit Munition für diese zurückkehrte. Die fremden Consuln wünschten, daß die chinesischen Behörden die Fahrten des Dampfers untersagten. Das Schiff ist jedoch gestern wieder schwer beladen vorübcrgesahren. Die Consuln traten heute zu einer Berathung zusammen und beschlossen, den Verkauf von Waffen der Fremden- Niederlassung an die Chinesen zu verhindern. Infolge mehrerer hier umlaufender Gerüchte herrscht hier Aufregung. Dcr Vollständigkeit wegen erwähnen wir folgende, durch die Ereignisse längst überholte Depesche: * Berlin» 18. Juli. „Wolff's Telegr.-Vureau" nieldet aus Tschisn vom 13. d. M.: Der japanische Gesandte in Peking schrieb am 29. Juni, daß chinesische Soldaten die Gesandtschaften bei Tag und Nacht bombardirten, daß bei den Belagerten Mangel an Munition eintrete und daß ihr Untergang bcvorslehe, wenn die ängstlich erwartete Entsatzarmee ousbleibe. Wie der Bote erzählt, waren zu dieser Zeit in der englischen Gesandtschaft vier Tobte und dreizehn Verwundete. Die Schutzwachen hatten 16 Todte und 17 Verwundete. * Berlin, 18. Juli. Der kleine Kreuzer „Bussard" ist in Gibraltar angekommen und geht am 20. d. M. nach Port Said in See. Die zweite Division des ersten Geschwader» ist am 17. d. M. in Gibraltar aggekommen. * Petersburg, 18. Juli. (Meldung dcr „Russischen Telc- graphen-Agentur") Biceadmiral Alexejew berichtete an den Kriegsminister aus Port Arthur, daß am 3. Juli von Taku ans eine halbe Compagnie des Tschita-Regiments eine Recognoscirung vornahm und auf dem rechten Ufer des Peiho, 25 Werft von' Taku entfernt, ein Geplänkel mit Chinesen hatte, bei dem der Lfficier GuSjev und zwei Kosaken fielen und ein Kosak verwundet wurde. — General Gribski meldet aus BlagowjeschtschenSk: Die Chinesen haben längs des Amur bei Aigun und Bla- gowjeschtschenst in der Ausdehnung von 20 Werst Schanzen aufgeworfen und Batterien gebaut, die sie mit 40 Kanonen besetzten. Bei dcr Beschießung von BlagowjeschtschenSk hatten die Chinesen 8 Geschütze und 2000 Mann. Die „Industrie- und Handels zeitung" berichtet aus Tientsin: Am 11. d. theilten Patrouillen mit, daß sich die Chinesen im Nordosten concentriren. Darauf er- öffneten um 10 Uhr früh russische und japanische Artillerie Feuer auf LI« Chinesen; diese versuchten vergeblich die Geschütze zu stürmen. Als General Stößel ein Weichen des rechten Flügels bemerkte, verstärkte er ihn durch zwei Schützenbataillone. Zum ersten Rial bethciligte sich auch japanische Cavallerie am Kampfe. Nach scharfem dreistündigen Kampfe gelang eS den Schützen und der japanischen Infanterie, verstärkt durch Kosaken- artillerie, die Chinesen zurückzutreiben. Biele Chinesen fielen, die Japaner verloren 67 Mann. Drei Geschütze und 360 Gewehre wurden erbeutet. Am gleichen Tage brach eine Feuersbrunst in Tientsin aus, die bald gelöscht wurde. — AuS Tschifu wird gemeldet: Prinz Tuan mobilisirte bis zu 950000 (?) Mann, die in mehrere CorpS getheilt sind. Das nördliche CorpS hat Befehl, die Fremden am Amur zu vertreiben. Seine Pekinger Armee ist in 4 Corps getheilt, das erste hat gegen Mukden zu marschircn und ein Theil desselben die Straßen zwischen Peking und Schanhaikwan zu be- setzen; das zweite CorpS wird bei Tientsin, das dritte bei Peking, daS vierte bei Nanking concentrirt; ein Theil des dritten Corps wird in der Stärke von 40 000 Mann gegen Wei-hai-wei und Tsingtau dirigirt. Gegenwärtig stehen in China 23 000 Japaner: die Zahl der Schützen in Tschifu ist 3000. — Eine Meldung aus Shanghai lautet: Die chinesische Flotte ist im chinesischen Meere concentrirt, wo Feindseligkeiten erwarten werden. — Eine Nachricht aus Nanking besagt, infolge der Befehle des Prinzen Tuan herrsche eine große, militärische Bewegung wegen des Erscheinens der Japaner auf chinesischem Boden. Der Vicekönig von Nanking habe den fremden Consuln augezeigt, daß er für die Ereignisse in Schao-sin, Ningpo und Tschntschau die Verantwortung nicht übernehmen könne. Die Ausländer eilten nach Sbanghai, wo Wenig Truppen seien. Die Lage sei beunruhigend. Aus Ningpo, wo die Häuser in Brand gesteckt und die Missionare mißhandelt wurden, seien 16 Ausländer angekommen. Die aufständische Bewegung habe sich Südchinas bemächtigt, die Fremden in Tschuautschu nud Jntschu würden angegriffen und es herrsche allgemeine Panik. * Petersburg, 18. Juli. Die „Nowoje Wremja" meldet, da» Stillenieer-Geschwader werde demnächst um 2 Kreuzer ersten Ranges, 1 Panzerschiff, 2 Transportschiffe und 10 Torpedoboote verstärkt werden. Vier auf der Werft von Schichau gebaute Torpedoboote würden baldigst nach Ostasien abgehen, ihre Mannschaft habe sich bereits nach dem Bestimmungsort begeben. * Neapel, 18. Juli. Ter Kriegeminister Di San Martino richtete heute an das Osficiercorps der italienischen China- Expedition eine Ansprache, in dcr er sagte: „Im Vergleich zu den Streitkräften, welche die näher liegenden, stärker betheiligten und reicheren Mächte nach China entsenden, seid ihr nur wenig, eine kleine, um eine Fahne geschaarte Truppe, die die Mit wirkung Italiens darstcllt. Die Meldung von Freiwilligen zu Lieser Expedition beweist mir, daß diese Fahne in guten Händen ist. Italien hätte, ohne die Heeresvcrsassung irgendwie zu ändern, ober mit verhältuißmäß'g schwereren finanziellen Opfern mittels des soeben befolgten Systems, theoretisch betrachtet, eine viel stärkere Expeditionstruppe ausstellen können. Aber selbst dann würde die Truppe im Vergleich zu denen, an deren Seite ihr euch befinden werdet, klein sein und würde daher weder entscheidende Wirkungen erzielen, noch eure Stellung innerhalb der internationalen Truppenkörper sühlbar ändern können. Daher ist es die Pflicht der Regierung, die Ereignisse noch abzuwarten, um ihnen entsprechend ihr weiteres Vorgehen einzurichten, da sie nach den Erfordernissen des Ansehens und dcr Interessen des Landes bemessen, dabei aber zugleich der bei einer großen Expedition in Betracht kommenden finanziellen Seite Rechnung tragen wird. Uebrigens ist weder unser Ziel, noch das von Anderen eiue Besitznahme von Landgebiet. Rächet die Gesandt schaften! Die Eroberung aber, nach der gestrebt wird, ist die Er oberung eines Marktes, und hierfür bedarf es vor Allem der wirthschaftlichcn Kraft des Landes, die durch eine große Expedition nur geschwächt werden könnte. Eure Aufgabe ist ernst; denn das Ansehen und die Ehre des italienischen Heeres sind schon in den ersten Kämpfen in euren Händen I" Ter Minister besprach sodauu die technische Zusammensetzung des Expeditionscorps, welches in der Weise gebildet wurde, daß man eine vollständige Conipagnie aus jeder der betreffenden Brigaden dazu bestimmte und diese durch andere Theile derselben Brigade verstärkte, wobei in erster Linie Freiwillige berücksichtigt wurden. Bezüglich der Artillerie erklärte der Minister, das italienische Geschwader könne sieben zur Landung geeignete Geschütze abgeben nnd das Expeditionscorps könne sich derselben bedienen. Außerdem führe das letztere vier Gardener-Mitrailleusen mit sich. Gleichzeitig bemerkte der Minister, daß die begonnene Umsormation von 533 7-cm.Geschützcn, ebenso wie die Herstellung von 192 neuen GebirgSgeschützen in 2 Jahren beendet sein werde. Er freue sich, aussprechen zu können, daß das Expeditionskorps marschbereit sei, dasselbe werde auf den Die himmliscke Ruhe. Humoristische Skizze von Teo von Torn. Nachdruck verboten, Vr. Mallenbach zog eine nervöse Grimasse. Er legte den niedlichen Miniatursäbel, welcher ihm als Brieföffner diente, mit einigem Nachdruck auf Len Tisch des Hauses und lehnte sich unter vorläufigem Verzicht auf den Genuß der Morgenpost re- signirt in seinen Stuhl zurück. Das nahm sich ein bischen ungeduldig aus — machte aber immerhin den Eindruck einer gewissen Hörbereitschaft, und das genügte der kleinen Frau Doctor vorläufig. Sie legte das silberne Löffelchen, mit welchem sie, wie unbewußt, an ihrer Kaffeetasse „Reveille geschlagen", bei Seite, ließ die weiten Aer- mel ihres NegligSs zurückfallen und stützte die schlanken Weißen Arme auf den Tisch. „Verzeih', Wolf, ich kann daS Geklapper eigentlich auch nicht ausstehen, aber — wenn Du nicht hörst " „Ich höre." „Aber Du hast Nicht gehört", warf die rosige junge Frau mit einer schmollend eigensinnigen Kopfbewegung ein; „Deine dummen Zeitungen und Briefe sind Dir interessanter, al» was ich zu sagen habe." „Aber Lieschen —" Viel mehr hätte auch ein mehr erfahrener Ehegatte alt Vr. Mallenbach gegenüber dieser beliebten weiblichen In sinuation schwerlich einzuwenden gehabt. Eine eingehende Wider« legung hat nur den Effect, daß die Frau ungezählte Fälle an führt, wo eS auch so geweftn ist, und man hat dann nicht mehr mit einem einzelnen Vorwurf, sondern mit einer langen und wenig übersichtlichen Reihe von uncontrolirbaren Facti» zu thun, aus denen nur das Eine mit ziemlicher Bestimmtheit hervor geht, daß man im Grunde ein ganz schlechter Mensch ist. Mit dem liebevollen Brustton dieser zwei Worte gab sich Frau Elisabeth jedoch zufrieden. Sie neigte das Köpfchen mit den L in Stephanie aufgesteckten Flechten etwas zur Seite und fragte: „Was also habe ich gesagt, großer Wolf?" vr. Mallenbach rückte mit einer ihm eigenen nervösen Dreifinger-Bewegung an seinem Kneifer und verschränkte die Arme. „Wenn ich nicht irre", erwiderte er nach einem flüchtigen, halb mißtrauischen, halb belustigten Aufblick, „hörte ich etwas wie Sommerwohnung oder dergleichen —" „Also doch!" rief die kleine Frau, indem sie sich aufrichtete und die blauen Schelmenaugen wie in Hellem Erstaunen weit auf riß. Dabei legte sie ihre Händchen platt auf den Tisch. „Sieh mal, Wolf, La habe ich Dir wirklich Unrecht gethan —! Nun, und was sagst Du dazu?" „Wozu —?" „Wenn wir auf Sommerwohnung gingen." Wolf Mallenbach zuckte die Achseln, schlug heftig die Deine übereinander und sah zur Seite. Dann stützte er auch seiner- seit? die Arme auf den Tisch und sprach in dem Tone eines Menschen, der überzeugen will: . . „Ich habe Dir neulich schon auseinandergesetzt, Lieschen, daß und weshalb es ein Unsinn ist. Du weißt auch, wie ich über sogenannte Sommerfrischen und Erholungsreisen denke. Ich habe nicht genug Einbildungskraft, um die Preisgabe aller Be quemlichkeiten und Lebensgewohnheiten al» Vergnügen zu be trachten. — Na, siehst Du!" fügte er, erleichtert aufathmend, hinzu, al» seine Frau ihm freundlich zunickte. „Ganz richtig, Männchen, aber — darum handelt eS sich ja gar nicht. Du sollst nicht eine Deiner lieben Gewohnheiten aufzu geben brauchen. Du wirst in Trampdorf ebenso heftig an Deinem Augenglase rücken wie in Berlin; und wenn Du darauf Werth legst, magst Du mich dort ebenso schlecht behandeln wie hier." „Aber, Lieschen —!" „Na, das ist doch wahr! — Nun sei mal vernünftig, Wolf der ganze Unterschied ist doch der, daß wir mal ein paar Wochen gesunde Luft athmen!" „Ich meine, hier am Savigny-Platz —" „— ist die Luft keinesfalls so gut, wie in dem schönen, wald umfriedeten Dorfe." „Aber ich muß doch arbeiten, Kind!" begehrte Mallenbach auf, indem er die nervös fuchtelnden Hände auf den Tisch fallen ließ. — Wiederum nickte die kleine Frau freundlich und zu stimmend. „Sollst Du auch, Männchen. Dein Schreibtisch geht unter allen Umständen mit. Ich weiß ja, daß Du an keinem anderen Möbel arbeiten kannst. Und ob Dir nun Deine Novellen und Essays von den Redactionen nach Berlin oder nach Trampdorf zurückgeschickt werden nein, Wolf, Du darfst mich nicht fressen, dann ist Deine kleine Frau hin, und Du kriegst vielleicht nie wieder di« Wahrheit zu hören. Also, setz' Dich, großer Wolf, ich bin noch nicht fertig. Uebrigens weist ja auch heute Deine Post wieder mehrere verdächtige nicke Briefe auf, denen man das höfliche Bedauern der Redaction schon von Weitem ansieht. — Ja doch, Wölfchen, ich bin schon still! Aber, schau' mal — ich bin überzeugt, daß Du mit bedeutend mebr Chancen ar beiten würdest, wenn Du weniger gesellschaftliche Ablenkung hättest —" „Ich brauche Anregung!" rief Mallenbach, indem er seine Post unter den Arm klemmte und sich erhob. „Gewiß, aber doch nicht immer dieselbe." Sie stand auf und hing sich an seinen Arm. „Laß Dich mal von den Bauern anregen, Wolf, und schreib' Dorfgeschichten, die gehen seht. Und WaS so ein Rosegger kann, wirst Du doch auch noch zu Wege bringen, nicht wahr? Nament lich bei der Ruhe, — dieser himmlischen Ruhe! Denk' mal — kein Wagengerassel, kein Straßenbahngebimmel! Nur die Vögel zwitschern —" „Und mein Weib plappert", ergänzte der Literat, mit dem süßsauren Lächeln des Besiegten. „Pfui, Wolf, Du bist garstig!" „Aber, Lieschen —" - Diesmal mußte Wolf Mallenbach noch einen Kuß hinzufügen, um seine Zerknirschung glaubhaft zu machen. Damit besiegelte er gleichzeitig seine Niederlage, bei der ihm nur der ein« Trost blieb — es war die erste nicht. Mallenbach'Z Sommerwohnung war ein kleines einstöckiges Gutshaus, welches dicht an den Wirthschaftshof stieß und aus unbekannten Gründen von dem Pächter selbst nicht bewohnt wurde. Es roch ein bischen muffig in den drei niedrigen Räu men, welche Frau Elisabeth'S kundige Hand so wohnlich als möglich eingerichtet halt«; und Mine, daS mitgenommene Mäd chen für Alles, welche auf dem linken Flügel allein unterzebracht war, erklärte schon nach drei Tagen, daß sie di« Erholung wohl nicht lange auShalten würde — die Ratten hätten bereits an ihrem Schuhzeug genachtmahlt; wenn der Appetit dieser „Beester" noch weiter gehe, dann zöge sie unbedingt aus. vr. Mallenbach dagegen hatte sich schon ganz hübsch ein^ gelebt. Sein Schreibtisch hatte «in gar lauschiges Plätzchen an einem der niedrigen, dicht von Epheu umrankten Fenster, aus dessen zwanzig viereckigen, in allen Farben des Regenbogen? schillernden Scheibchen man einen wenn auch nicht weiten, so doch immerhin erquicklichen Ausblick auf eine Front von Bohnen stangen hatte. ES war ihm zur lieben Gewohnheit geworden, jeden Morgen seinen Platz erst in einem Myrmidonenkampfe gegen kriechende und fliegende Insekten sich zu erobern. Dor Allem aber die Ruhe — diese himmlische Ruhe! Nur die Vögel zwitschern, und die Hühner gackerten und in dem Stalle drüben machte eS Bäh und Muh in allen Stärken und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite