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Tharandt, Wolfen, Sieöentehn und die Hlmgegenden. Amtsblatt Hür die Rgl. Amtshauptmcmnschaft Aleißen, für das Rgl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Altranneberq, 2 irkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswaldc, Groitzsch, Grumbach, Gruuv bei Mohorn, Helbigsdorf, HerzsgsNalde mit Landberg, Hühndorf, Raufback, Kesselsdorf, Klcinssönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, ^Maaorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Bohr- darf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmieöewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Specbtsbausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertiouspreis 15 Pfg. pro viergespaltmt Torpuszeile. Druck lmd Verlag von Marlin Berger tu Wilsdrun. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Ns 134. Sonnabend, den 13. November 1W2. 61. Jahrg. Vaterländisches. Wilsdruff, 14. November 1902. — Die Interessen des Ha ndwerkers am Zoll tarif behandelte Herr Professor Dr. Hasse in einer im .Restaurant Prinz Heinrich zu Leipzig abgehallenen Ver sammlung des JunungSauSschusses. Der Redner führte etwa Folgendes aus: Daß Deutschland auf die Einnahmen durch die Zölle verzichten könne, sei gänzlich ausgeschlossen. Durch die Zölle werde es ermöglicht, daß ein Theil des Staatsbedaifs vom Auslande getragen werde. Allerdings entfalle ein Theil der Zölle auch auf die inländischen Kon sumenten. Würden die indirekten Steuern beseitigt, so mache sich mindestens eine Verdoppelung der direkten Steuern nöthig. Damit aber könne weder dem Hand werker noch dem Arbeiter gedient sein. Jedenfalls müßten Maßnahmen getroffen werden, um das bedeutende Deficit im Staatshaushalt zu decken. Der Handwerker habe ein Interesse an der Gestaltung des Zolltarifes auf der mut- leren Linie. Es müsse sowohl die Industrie, als auch die Laudwirthschaft durch Zölle vor der Concurrenz des Auslandes geschützt werden. Die mittlere Linie, auf die er sich selbst festgelegi habe, sei die von der Regierung Dorgezeichnete. Auf Grund der Regierungsvorlage würden sich die Parteien verständigen müssen. Es sei auch, soweit er die Situation kenne, von rechts und links hierzu Neig ung vorhanden. Nur scheuten sich die Vertreter der extremen Richtungen aus Rücksicht auf ihre Wühler, ihren ursprünglichen Standpunkt zu verlassen. Die Social- Lemokratie werde voraussichtlich das Zustandekommen des Zolltarifes durch Obstruction zu verhindern suchen. Dies bedeute eine Verneinung der constitutionellen Einrichtung, sowie eine Schädigung des gesammten öffentlichen Ledens. Ein derartiges Verhalten verstoße auch gegen das demo kratische Princip, wonach sich die Minderheit den Beschlüssen der Mehrheit unterzuordnen habe. Die Zolltaciffragen müßten geregelt werden. Zeige sich der Reichstag unfähig hierzu, so werde schließlich der Bundesrath eingreifen. Das Volk stehe heute vor einer Sachlage, die nicht allein die wirthschastliche Zukunft, sondern die Existenz des Reichstages selbst in Frage stelle. Das Wünschenswerthe könne erstrebt werden, aber mit dem Erreichbaren müsse man sich begnügen. Der Vortragende erntete für seine Ausführungen reichen Beifall. — Die sächsische kirchliche Konferenz hat an das Laüdeskonsistorium zwei Eingaben gerichtet. Die eine be trifft die Gehaltsfrage und bittet, zu bestimmen, daß jeder Geistliche nach 30 Dienstjahren ein Mindestgehalt von 5400 Mark bekommen muß. Die Berechnung der Alters- znlagen soll vom 27. Lebensjahre ab erfolgen ohne Rück sicht darauf, ob die Betreffenden im Kirchen-, Schul- und geistlichen Hilfsdienste gestanden haben. Eine kirchliche Zentralkasse soll für die ganze evangelisch-lutherische Landes kirche zur Beschaffung der nöthigen Mittel gegründet werden. Die zweite Bittschrift betrifft die Militärseelsorge. Die Rechte der Militärgeistlichen sollen bestimmter seftgelegt werden, damit jede Beeinträchtigung der unentbehrlichen Freiheit des geistlichen Amies durch unberufene militärische Einmischung vermieden wird. Namentlich soll das Landes konsistorium beim Königl. Kriegsministerinm dahin wirken, daß die in einem Einzelfalle hervorgetretene Auffassung, daß ein militärischer Befehlshaber einen Gottesdienst so fort abbrechen lassen kann, wenn er an dieser oder an jener Aeußerung des Geistlichen Anstoß nimmt, beseitigt wird. — Die Gesammteinnahme der sächsischen Staatseiseubahnen in den Monaten Januar bis mit Juni beziffert sich auf 399625 Mark oder 1029 Mark weniger als im gleichen Zeiträume des Vorjahres. — Postbuch. Unter dem Titel „Postbuch, Rathgeber für den Post und Telegraphenverkchr", hat soeben der Ober-Postassistent M. Schmitz in Cöln(Rhein) auch für deu hiesigen Ort ein unter Berücksichtigung der neuesten Bestimmungen nach amtlichen Quellen bearbeitetes Hand buch herausgegeben, das über alle Fragen des Post-, Telegraphen- und Fernsprech. Verkehrs schnelle und zu verlässige Auskunft ertheilt. Das Postbuch, welches sich durch Uebersichtlichkeit auszcichnet und bereits in 1500 verschiedenen Ausgaben erschienen ist, enthält u. A.: Ver- seudungs- und Zollvorschriften, Auszüge aus der Post ordnung, dem Postgesetz und dem Weltpostvertrage, Tarife aller Art für den In- und Auslandsverkehr (Packetpost- tarif für In- und Ausland), Umrechnungs-Tabellen für deu ausländischen Postanweisungsverkehr, Verzeichniß aller Reichs-Postanstalten, der deutschen Postorte im Aus lande, der wichtigeren Postorte in Bayern, Württemberg und Oesterreich-Ungarn (15000 Postorte) nebst einer Zonentabelle zur Berechnung des Packet- und Geldbrief portos nach jedem beliebigen Postorte, Straßenverzeichniß von Berlin, Verzeichniß der Nachbarpostorte, Telegraphen- und Fernsprechverkehr. Das Merkchen, welches Jedem, der sich der Post bedient, namentlich aber Geschäftsleuten als unentbehrlicher Rathgeber empfohlen werden kann, ist von dem Herausgeber zu dem außergewöhnlich geringen Preise von 90 Pf. zu haben. Durch die Herausgabe des Buches ist einem längst empfundenen Bedürfniß abgeholfen. — Vom Bau des Völkerschlacht-Denkmals. Ueber die Art und Weise der Ausführung dieses Denk mals ist bisher nur wenig bekannt geworden, und doch ist es interessant, zu erfahren, was für Material verarbeitet wird und welche Massen zur Fertigstellung gehören. Sämmtliches Mauerwerk wird bis zur Höhe von 65 m nur aus Kies und Cement hergestellt und das Aeußere, um ein Verwittern zu vermeiden, mit Quadern aus Granit verkleidet. Zum Bau gehören 90000 cbm Kies, 270000 Sack Eement und 7000 cbm Granit. Bisher sind Nntsnie. 23 Roman von 6. v. Schrekderrdolen Antonie wußte von nichts. „Ihr habt mir doch nie erzählt, daß ich in Tirol gewesen bin", sagte sie vorwurfsvoll, indes; der Wagen, den sie in Pyrmont bestiegen hatten, durch die schöne, fruchtbare Gegend rollte, bald durch herrlichen s Laubwald, dann durch grüne Wiesen, von einem Bache durch- strömt, an dessen llfern sich schlanke, zierliche Birken und f Weidcngebüsche erhoben, dann wieder an Landsitzen vorüber, welche Melanies Wunsch, sich hier dauernd niederzulassen, immer mehr befestigten. Nein, Melanie hatte der kleinen Cousine niemals davon erzählt, sie hatte sich nie lange genug mit ihr abgegeben. Jetzt siel es ihr selbst als wunderbar auf, daß auch ihr Onkel seiner Tochter nie davon gesprochen hatte. „Weißt Tu auch nicht, daß Du in Italien geboren bist?" kragte sie schnell, und Antonie schüttelte den Kopf mit einem Gefühle, als erzähle ihr Melanie ein Märchen. „Ich muß Dir, wenn wir allein sind, Alles sagen, was ich selbst weiß", schloß Melanie und widmete sich daun ausschließ lich dem Hofmarschall. Antonie blickte verstummt in die verglühende Pracht des Abendhimmels, indeß der Wagen in eine schöne Allee alter Linden einbog, die auf ein großes Schloß mit Thurm und Graben zusührte. Niemand hatte Antonie jemals von ihrer Kindheit, von ihrer Mutter erzählt, selbst jetzt war es nur ein ' «Zufall, der Melanie darauf gebracht hatte. Armes Kind, dem wgar die letzte Ruhestätte der Mutier fremd und unbe kannt war! Zum ersten Riale empfand Antonie, daß etwas sonderbares in ihrem Leben liegen müsse, und fühlte das Gebcinmißvolle in ciesem Schweigen ihres Vaters über das, "uw doch ihn und sein Kind hätte fester aneinander binden ""Mn, die Erinnerung an die Gattin und Mutter. Der Wagen rollte über eine Brücke und hielt vor dem Portal eines mäßig breiten, aber sehr hohen Schlosses, dessen Thurm hoch in die Luft ragte. Es machte einen finstern Eindruck, der durch den breiten, mit trübem Wasser gefüllten Graben, der es auf zwei Seiten umgab, nicht gemildert ward. Auch die inneren Räume, hoch, kahl und frostig, hatten wenig Anziehendes. Aber Melanie betrachtete sie mit der inner lichen Frage, was sich daraus mit einer neuen und eleganten Einrichtung machen lassen werde,- und war ganz befriedigt. Antonies trübe Gedanken waren durch die feierliche kleine Anrede, mit welcher der Hofmarschall seine Gäste begrüßte, schnell wieder verflogen. Sie lachte heimlich über Melanies prüfende Blicke und versicherte ihr wiederholt lachend, es gäbe im Schlosse nur Turnsäle oder Reitbahnen, keinen einzigen hübschen, bewohnbaren Raum. Die zukünftige Beherrscherin des Schlosses habe allen Grund, sich in den unheimlich großen Hallen zu fürchten. Melanie war die Angelegenheit aber viel zu ernsthast, um in Antonies Spott einstimmen zu können. „Es giebt auch Menschen, denen vornehme Räume und große Verhält nisse eine Wohlthat, ja ein Bedürfniß sind", sagte sie dann gemessen. Die beiden Cousinen sollten das Thurmzimmer und ein größeres davor liegendes bewohnen, Antonie im Thurmzimmer ichlafen. „Ein reizendes Voudir", meinte Melanie und be'ah den Kamin mit dem großen Spiegel darüber und die veraltete, aber mohlerhaltene Drapirung der Fenster. Der Thurm bildete eine vorspringende Ecke, urd leise glucksens und plätschernd schlug das Grnbcnwasscr an die dicken alten Mauern. Antonie hatte sich an das Fenster gesetzt, an dem lautlos die Nachtfalter vorüber schwebten, und sah zum Sternenhimmel empor. Melanies Worte fi lcn ihr wieder ein, und abermals drängte sich ihr die Frage auf, warum ihr Vater niemals von ihrer Muttcr gesprochen habe. Schreckte er zurück vor der Erneuerung einer Trauer, für die er noch immer keinen Balsam gefunden? Plötzlich schrak Antonie mit einem Aufschrei zusammen. Sie hatte den Kopf an die Wand gelehnt und hörte ganz deutlich husten, ächzen und stöhnen, dazwischen die Worte: „Das elende Leben, ich habe es satt!" Am Hellen Tage hätte Antonie vermuthlich über das Echo gelacht und herauszufinden versucht, woher die Töne kamen; jetzt, halb schlaftrunken und im Dunkeln, überfiel sie eine entsetzliche Gespensterfurcht. Ihr Schrei war von Melanie gehört, die in der Verbindungsthür der beiden Zimmer er schien und zu Antonie hineinblickte. „Hast Du Mondscheinstudien gemacht? Warum hast Du denn gerufen?" „Es ist kein Mondenschein", sagte Antonie, aber ihre Stimme bebte. „Du hast am offenen Fenster gesessen! Welche Unver nunft!" rief Melanie aus. „Welch' ein Kind bist Du noch immer! Man sollte Dir wirklich noch eine Bonne halten, wie damals, als ich zu Euch kam —" „Melanie!" sagte Antonie hastig und hielt sie am Kleide fest, „willst Du mir nicht etwas von meiner Mama erzählen? Ist es nicht schrecklich, daß ich gar nichts von ihr weiß, heute durch einen Zufall zum ersten Male mit Dir von ihr ge sprochen habe! Warum hat Papa nie von ihr erzählt?" Melanie stellte die Kerze, die sie in der Hand trug, aus den Kaminsims von grauem Marmor und setzte sich auf einen der kleinen vergoldeten Rococostühle, die nebst einem mächtigen Belte uno verschiedenen Tischen «nd Schränkchen aus derselben Zeit die Einrichtung des Zimmers bildeten. Sie mar noch nicht zum Schlafen geneigt, der Tag halte manchen aufregenden Gedanken für sie gebracht, sie konnte Antonies Wunsch aber ohne besondere Unbequemlichkeit für sich selbst erfüllen. , Der letzte Brief Deiner Muttcr an mich war aus Italien, bald nach Deiner Geburt."