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Die Tonart c-Moll, die Tonart der Becthovenschen Schicksalssinfonie, hatte es Brahms in seiner ersten Sinfonie, op. 68, angetan. Die Sinfonie ist 1876 erschienen, Brahms wurde 1833 in Hamburg geboren! Leidenschaftlich, ernst und schwermütig beginnt die Tonart c-Moll auf auf einem Orgclpunkt in der Einleitung (un poco sostenuto) die Grundidee der ganzen Sinfonie zu singen. Das erste Thema des Allegros übernimmt den leidenschaftlichen Charakter der Ein leitung mit Energie, Kraft und Schärfe. Das chromatische Thema wird am Satzende fast zur elegischen Klage. Das Andante sostenuto des 2. Satzes in E-Dur steht noch unter dem beklem menden Einfluß des 1. Satzes. Das Ende klingt mit Horn und Solovioline nach der Zuversicht von Oboe und Klarinette (zweites Thema!) geradezu sakral aus. Der 3. Satz (un poco allegretto) ist von gedämpfter Heiterkeit, trotz des graziösen Wechselspiels zwischen Holzbläsern und Strei chern im zweiten Teil. Im Finale (Adagio-Allcgro) beginnt nochmals ein Rückfall in die leiden schaftliche Stimmung des 1. Satzes - da erscheint das Horn mit seinem berühmten Thema in C-Dur wie ein friedlich-liebenswürdiger Bote. Ein Hymnus, an Beethovens Schlußhymne in der Neunten erinnernd, schreitet jubelnd über alle Hindernisse hinweg! Die japanische Musik als Abkömmling der chinesisch-koreanischen Tonkunst benutzt die pentatonische (fünftönige) Tonleiter in verschiedenen Oktavausschnitten - beispielsweise g, a, b, d, es, g ( H i r a j o s h i) oder a, b, d, es, g, a (I w a t o ) oder d, cs, g, a, b, d ( K u m o i) oder g, a, h, d, e, g ( R y o s e n ) oder d, c, g, a, h, d (Ritsusen). Insgesamt werden 16 Tonleiterstimmungen angewandt, die sich aber durch melodische Verzierungen zur diatonischen 7-Stufen-Tonlcitcr und chromatischen 12-Halbstufen-Tonleiter im europäischen Sinne erweitern. Die Hauptinstrumente sind Koto (eine Art Psalterium), Shakuhachi (Bambusklarinetten) und Flöten und S h a m i s c n (dreisaitige Gitarren), die wir volkstümlich und im Hoforchester des Kaisers (im G a g a k u ) wiedertreffen. Messingblasinstrumente existierten in Japan bis zur Einführung europäischer Musik merkwürdigerweise nicht. Natürlich trennt sich die Volksmusik (inkl. Hofmusik) deutlich von der seit 100 Jahren eingeführten europäischen Musik. Kcisci Sakko, ein japanischer Künstler, der in Deutschland Musik studiert hat, gibt für die japanischen Komponisten fünf Gruppen an: 1. Komponisten japanischer Schule: Sie gehören eigentlich zur Folklore: japanische Volksmusik auf japanischen Instrumenten gespielt. 2. Komponisten europäischer Schule: Sic ist deutscher und französisch-impressionistischer Stil und unterscheidet sich prinzipiell nicht von der von Europäern geschriebenen Musik. Unter den jungen Künstlern gibt cs nicht wenige, die in der Zwölftonreihe oder „konkrete Musik“ komponieren. 3. Komponisten europäischer Schule mit viel japanischen Elementen: Man verwendet absichtlich japanische Themen und japanische Tonleitern in musikalisch-europäischen Formen. 4. Komponisten japanischer Schule mit dem Einfluß europäischer Musik: Man verwendet euro päische Technik und Form zu originaler alter japanischer Musik. Besonders unter den Schöp fungen des Koto- Virtuosen Michio Miyagi finden sich viele Werke solcher Art (er schrieb u. a. ein Konzert für Koto und Orchcstcrbcglcitung). 5. Komponisten einer archaisierenden (altertümlichen, nachahmenden) Schule: Man verwendet etwa Themen und Tonleitern der alten G a g a k u , der vor über zweitausend Jahren aus China eingeführten kaiserlichen Hofmusik, die unverändert bis auf den heutigen Tag über liefert ist. Ferner hat man mit Erfolg Nationalopern aufgeführt, welche die Formen des Kabuki, des alten japanischen Dramas, verwenden (die Komponisten Yoritsunc Matsudairae und Osamu Shimizu). Kcisci Sakko fährt in seinem Artikel „Europäische Musik in Japan“ fort: „In Tokio ist das Musikleben besonders lebhaft, Osaka und Kioto folgen ihm unmittelbar. Geht man an Nach mittagen in Tokio spazieren, so sicht man bestimmt einige Kinder mit einer Halben oder Drcji- vicrtclgeigc in Begleitung der Mutter zum Musiklehrer gehen. Große und kleine Firmen stellen moderne Klaviere her, Rundfunk- und Konzertgesellschaftcn besitzen Stcinway-Flügcl, Virtuo sen wie Kcmpff und Backhaus, Oistrach und Mcnuhin, Karajan und Konwitschny sind hier be kannt. Der Rundfunk leistet für die Verbreitung der europäischen Musik einen noch größeren Dienst als die Schallplatte. Selbst in die Bauerndörfer, tief in den Bergen, und in ärmliche Fischerhütten bringt das Radio heute Beethoven-Sinfonien und Lieder von Schubert. Um vier Uhr oder fünf Uhr nachmittags ist die »Stunde der Schüler 1 2 3 4 5 , die ausgesprochenen Bildungs zwecken dient: Hier wird klassische Musik von jungen Künstlern in Originalsendungcn oder auf Schallplattcn gespielt. Zur »Stunde der Sinfonie' werden nur berühmte europäische Sinfonien gesendet. Trotzdem kann man nicht sagen, daß alle Japaner europäische Musik lieben oder gar verstehen . . .“ Die Suite „Un-Sui-San“ ist speziell für das Rundfunk-Musikfestival im November 1961 von Hiroshi Ohguri, einem jungen japanischen Komponisten, geschaffen worden. Er ist bereits über all in der Welt durch sein früheres Werk „Osaka-Fantasie“ bekanntgeworden. Sic ist vom Osaka-Philharmonieorchester unter der Leitung von Generalmusikdirektor Prof. Takashi Asahina am 26. Dezember 1961 von der Asahi Broadcasting Company, Osaka, gesendet und am 13. Januar 1962 in einem regulären Konzert gespielt worden. Diese Komposition basiert auf dem Thema einer traditionellen buddhistischen Melodie in Kioto, der ehemaligen Hauptstadt Japans, und wird „Rokusai-Nembutsu“ genannt, die seit mehr als 1000 Jahren gesungen wird. Die Bedeutung der „Un-Sui-San“-Suitc liegt in der Verehrung der Wanderpriester des Buddhis mus im früheren Zeitalter. Diese „Un-Sui“ genannten Priester pflegten ihre Wanderungen durch ganz Japan zu machen, sangen, tanzten, spielten Glockenspiele und trommelten auf den Straßen, um ihre Religion zu verbreiten. ..Rokusai Nembutsu“ enthält ungefähr 40 bekannte Lieder, die von NOH, dem japanischen klassischen Theater, von der Hofmusik, vom Kabuki-Theater, aus Volksliedern usw. entnommen sind. Von der japanischen Regierung wurde diese Suite als eine der größten Kulturschätzc Japans bezeichnet. Prof. Dr. Mlynarczyk I IT E R ATU R HINWEIS E : Georg Kncplcr: Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. Berlin Jahn-Abert: W. A. Mozart, Leipzig Herrn. Kretzschmar: Führer durch den Konzertsaal, Leipzig W. A. Thomas San-Galli: Joh. Brahms, München Hans Schnoor: Geschichte der Musik. Gütersloh VORAN KÜNDIGUNG: Nächste Konzerte im Anrecht A 3. 4. Mär-, 1962. jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge jeweils 18.50 Uhr Dienstag, 20. Februar 1962, 19.30 Uhr Steinsaal Deutsches Hygiene-Museum 3. Kammcrmusikabcn d der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie. Anrecht D und Freiverkauf! 6036 Ra III-9-5 262 1,45 ItG 009/98/62