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ZclMbmM UNd Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Ltadtrath zn Waldenburg. Dienstag, den 14. Dcccmber 2S1 18«« Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. gänzlich geschlossen und werden während dieser Zeit weder Einlagen ange nommen, noch Rückzahlungen bewirkt werden. Fürstliche Sparkasse Waldenburg, am 2. December 1880. Nebel. Der Abonnementsvreis beträgl vierlsljähr- Uch 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Solporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Bekanntmachung, Die hiesige Sparkasse bleibt wegen des Rechnungsabschlusses vom 1 bis mit 21. Januar 1881 *Waldcnburg, 13. December 1880. Ueber die preußischen Lehrer sprach sich am 9. d. der Minister v. Puttkamer im preußischen Abgeordnetenhause folgendermaßen aus: In Bezug auf meine Ausführungen vom 11. Februar d. I. in Betreff der Haltung der Lehrer sagte der Abgeordnete Rickert bei der ersten Etat- berathung: Der Minister hat gegen den Lehrer stand Vorwürfe erhoben, ohne sie bewiesen zu haben, und hat auch in den folgenden Monaten nichts ge- than, um diesen Nachweis zu führen. Ich muß gegen diese dreifache Verkennung meiner Stellung nachdrücklich Widerspruch erheben, zumal ich meine damaligen Aeußerungen nicht leichten Herzens ge- than habe, sondern in dem vollen Gefühl der über aus schweren Verantwortung, die dem Chef der preußischen Unterrichts-Verwaltung auf diesem Ge biete obliegt. Ich habe keinerlei Vorwürfe zu er heben, sondern mich streng an das mir vorliegende Material zu halten und daraus vor meinem amt lichen Genüssen und vor diesem Hause die nothwen digen Consequenzen zu ziehen. Ich glaube auch, das Verhältniß der dienstwilligen Unterordnung durch die ganze Lehrerwelt hinauf bis zur höchsten Spitze verbietet es schon an sich, Bemerkungen, die auf dem disciplinarischen Gebiet gemacht werden, mit dem Namen eines Vorwurfs zu bezeichnen. (Sehr wahr! rechts.) Wie kann man aber über haupt meine Rede vom 11. Februar so mißver stehen, daß man ihr unterschiebt, ich hätte den Lehrer stand angegriffen? Ich habe dagegen damals aus drücklich erklärt: Zu meiner großen Freude be stätigen mir meine langen amtlichen Erfahrungen, daß der Kern unseres Lehrerstandes sittlich intact und gesund sei. Ich habe also nicht die Majori tät des Lehrerstaudes angegriffen, sondern ihnen ein ehrendes Zeugniß ausgestellt. Ich habe auch das Gitte der Vereine erkannt, aber nur die schiefe Richtung einzelner gekennzeichnet. Ich muß sagen, wenn man, wie ich, anerkennt, daß die Volksschule die wichtigste Institution des preußischen Staates ist, so muß man dafür sorgen, baß diejeni gen, welche an dieser großen nationalen Arbeit Antheil haben, von jedem Schaden rein erhalten bleiben, und das war die Absicht meiner Worte. (Beifall rechts.) Für den Lehrerstand wird stets gesorgt werden, aber nicht darf er den Anspruch erheben, ein Staat im Staate zu sein, und es darf nicht eine ganze Anzahl derartiger Strömungen, die sich in Vereinen und in der Lehrerpresse kundgiebt, zu den lebhaftesten Besorgnissen Anlaß geben. Abg. Knörcke (Fortschr.) entgegnet: Wenn der Minister behauptet, seine Aeußerungen hätten sich nicht auf die Lehrerschaft im Ganzen, sondern nur auf die schlechten Elemente derselben bezogen, so hätte er doch bedenken sollen, daß im Volke dieser Unterschied nicht gemacht wird. Da sagt man: so und so hat der Minister über d'e Schulmkister ge sprochen und in vielen Kreisen ist dies gewiß mit Freuden begrüßt worden. Auch die Behauptung des Ministers, daß er gegen die Lehrer einen Vor wurf überhaupt nicht erhoben habe, erkenne ich nicht als richtig an. Wenn er den Lehrern eine „un- gemessene Ueberschätzung des eigenen Könnens und Wissens" nachsagt, so ist das doch sicher ein großer Vorwurf. Ich gebe gern zu, daß sich der gerügte Fehler bei vielen Lehrern finden mag (Heiterkeit rechts); aber er findet sich auch in vielen anderen Kreisen (sehr wahr! Heiterkeit), z. B. in Pastoral- Conferenzen, und doch hat der Minister nie daran gedacht, hieraus der Geistlichkeit im Allgemeinen einen Vorwurf zu machen. Der Minister hat den Lehrern sodann die Pflege „übertriebener Anforde rungen an äußere Stellung und Anerkennung" vorgeworfen. Auch diese Behauptung bestreite ich. Nach meiner Meinung haben die Lehrer die ge sellschaftliche Stellung noch nicht erlangt, die ihmn zukommt, und sie sollten sich wahrhaftig nicht be mühen, dieselben unten zu halten, oder ihnen einen Vorwurf daraus zu machen, wenn sie ihre jetzige Stellung, die in früherer Zeit ihre Berechtigung gehabt haben mag, zu ver bessern suchen. Als ein Beweis für die Art, wie man die Lehrer rangirt, dient die Verleihung von Orden und Ehrenzeichen. (Heiterkeit.) Es muß einen eigenthümlichen Eindruck machen, wenn man im „Staats-Anzeiger" liest: das Allgemeine Ehren zeichen haben erhalten ein Feldhüter, ein Schul lehrer und ein Kammerdiener. (Heiterkeit.) Ein weiterer Vorwurf trifft die Lehrer wegen „agitato rischer Parteinahme für extreme politische Rich tungen." Rechnet der Herr Minister zu extremen politischen Richtungen vielleicht die Fortschritts partei? Leider haben sich auch dieser die Lehrer keineswegs im dem Maße angeschlossen, wie sie es hätten thun sollen. (Aha! Heiterkeit.) *Waldenburg, 13. December 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Unter den einmaligen Ausgaben findet sich im Reichsmilitäretat die Forderung von 20,000 M. für die Kosten der Versenkung des Brunnens und Erbauung eines bombenfesten Kesselhauses auf der Festung Königstein bei Pirna. Das bisherige Brunnenhaus bietet in seiner Bauart keine Sicher heit gegen die Geschosse der feindlichen Artillerie; da aber die Existenz der Festung im Belagerungs falle von der Erhaltung dieses Brunnens, bezw. seine Ergiebigkeit abhängig ist, so erscheinen zur Verbesserung des jetzigen Zustandes bauliche Aen- derungen geboten, welche die Sicherheit des Brun- nenbetnebs unter allen Umständen garantiren. Im preußischen Abgeordnetenhaus verlas am Freitag Abg. Stöcker eine Erklärung, daß er in seiner Rede über die Unterzeichner der gegen die antisemitische Agitation gerichteten Erklärung vom 14. November nichts anderes gesagt habe und habe sagen wollen, als daß mehr als ein Viertel dieser Unterzeichner als Gründer, Zeichner, Aufsichtsräthe und Directoren mit den Gründungen der sieb ziger Jahre verknüpft gewesen sei. Ein sittliches Verbiet in einzelnen Fällen habe er nicht abgegeben, vielmehr den Gesammtzustand jener Tage als einen Hexentanz um das goldene Kalb bezeichnet. Unter diesem Vorbehalte lege er die Liste der Namen auf den Tisch des Hauses. Diese Liste enthält folgende Namen: Geheimer Commerzienrath A. Delbrück, Geheimer Commerzienrath E. Stephan, Geheimer Regierungsrath Di. Engel, Dv. Werner Siemens, Commerzienrath R. Eger, Di. Fr. Kapp, Geheimer Commerzienrath Gelpke, Jul.us Kaufmann, Kieschke, Ober-Regierungsrath G. Keivel, A. Frentzel, Karsten; Justizrath C. Dietrich, Stadtrath Sarre, Hegersb:rg, Commerzienrath Koffka, Rechtsanwalt P. Parey, Dr. Albrecht. Die „Post" hat entdeckt, daß in den Berliner fortschrittlichen Bezirksvereinen Freibier verschenkt wird, das man aus der Vereinskaffe bezahlt. Die Vorträge scheinen nicht mehr zu „ziehen." Wie die „Köln. Ztg." versichert, wird Italien, falls es noch nicht geschehen ist, eine Verlängerung des bestehenden Meistbegünstigungsverlrages mit Deutschland beantragen und zwar, wie es heißt, vorläufig auf weitere sechs Monate, also bis 1. Juli 1881. Schweiz. In den schweizerischen Cantonen giebt es bekannt lich sehr fidele Gefängnisse. Nicht blos, daß in Luzern die Sträflinge aus- und eingehen, wie sie wollen, in Sarnen sich zu ganzen Diebesbanden vereinigen — zu St. Gallen ist gar am vergangenen Sonnabend früh 3 Uhr der Fall vorgekommen, daß ein Mensch n die Strafanstalt St. Jakob einzu- brechen versucht hat. Ein Landjäger spürte den Mann bei seinem Rundgang und nahm ihn fest. Derselbe ist angeblich ern Schreinergeselle aus Deutschland und giebt vor, geglaubt zu haben, daß er in ein Kloster einbreche. Brechwerkzeuge trug er keine bei sich. Frankreich- Der Gambettistische „Voltaire" publicirt einen Ende Juli 1871 geschriebenen Brief Rocheforts an Gambetta. Dieser Brief ist sehr kleinmüthigen Inhalts. Rochefort, im Begriff vor das Kriegs gericht zu treten, ersucht' Gambetta, für ihn bei Thiers Fürbitte einlegen zn wollen. Er habe nie an den Thaten der Commune theilgenommen und habe stets gegen alle Gewaltmaßregeln protestirt. Er bittet, ihn zu exiliren, anstatt ihn einzukerkern. Er sei der Politik müde. Gambetta möge mit Thiers, der ja mit ihm rechnen müsse, sprechen und ihn bewegen, die Strafe zu mildern. In Paris berieth der republikanische Verein über den Gesetzentwurf, der die Arbeitszeit für die Arbeiter auf 10 Stunden festsetzt. Der Entwurf stieß auf großen Widerstand. Es ward namentlich darauf hingewiesen, daß, wenn man die Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden verringere, Frankreich nicht mit dem Auslande concurriren könne und daß es durch diese Verkürzung der Arbeitszeit 200 Mill, jährlich verliere. Einen Beschluß über die Frage faßte der Verein noch nicht. Baudry d'Asson hat die civilrechtliche und strafrechtliche Klage gegen Gambetta und die Kammerquästoren eingereicht. Daraus kann 'ich ein interessanter Prozeß entspinnen. Rußland. In einem der in Petersburg stehenden Garde- Regimenter ist eine große Zahl revolutionärer Proclamationen, die kurz vorher erst vertheilt worden waren, mit Beschlag belegt worden. Bei der Ankunft des Zaren aus Livadia ereignete sich in Petersburg ein merkwürdiges Schauspiel. Der Zar fuhr mit dem Thronfolger von dem Bahnhofe direct zur Kasan'schen Kathedrale. Beide betraten die Kirche und schritten bis zum Altar, wo sie vor dem bekannten Heiligenbilde der Kasan- scheu Mutter Gottes beteten. Dann küßten sie